WISSENSCHAFT UND FÄHIGKEITSENTWICKLUNG - AUSBILDUNG UND LEHRE
INTERVIEW MIT DER KOMMANDEURIN DER SANITÄTSAKADEMIE DER BUNDESWEHR, GENERALSTABSARZT DR. ERIKA FRANKE
Seit 2013 ist Generalstabsarzt Dr. Erika Franke Kommandeurin der Sanitätsakademie der Bundewehr in München. Zuvor stand sie als Stellvertreterin des Amtschefs dem Sanitätsamt der Bundeswehr vor.
Sie zeichnet heute verantwortlich für Forschung, Lehre und Ausbildung im Sanitätsdienst der Bundeswehr. Im Interview mit Heike Lange, der Verlegerin des Beta-Verlages, und mit Oberstarzt Dr. Kai Schmidt, Chefredakteur der WEHRMEDIZIN UND WEHRPHARMAZIE, spricht Frau Generalstabsarzt Dr. Franke über die Lage in ihrem Aufgabenbereich und gibt einen Ausblick in die Zukunft dieses wesentlichen Anteils im Sanitätsdienst der Bundeswehr.
WM: Sehr geehrte Frau Generalstabsarzt Dr. Franke, seit 2013 gibt es die neue Sanitätsakademie der Bundeswehr als das Fähigkeitskommando für Forschung, Lehre und Ausbildung im Sanitätsdienst der Bundeswehr. Die Aufstellung der neuen Akademie bündelte ja Aufgaben des ehemaligen Führungsstabes des Sanitätsdienstes im Bundesministerium der Verteidigung, des Sanitätsführungskommandos, des Sanitätsamtes der Bundeswehr sowie der alten Sanitätsakademie. Gleichzeitig wurden Aufgabenpakete aus dem Münchner Fachamt und der Akademie in das neue Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr nach Koblenz überführt. Wie sehen Sie - etwa ein Jahr nach der Indienststellung der neuen Sanitätsakademie - den Stand der Aufstellung Ihrer Dienststelle?
Generalstabsarzt Dr. Franke: Seit der Neuaufstellung der Sanitätsakademie im Juli 2013 ist in der neuen Sanitätsakademie der Bundeswehr vieles geleistet worden. Leitgedanken bei der Neugestaltung und Umstrukturierung der Sanitätsakademie waren zum einen das Ziel, neue Strukturen prozessorientiert zu realisieren und zum anderen der Anspruch, dass dort, wo geforscht und entwickelt wird, auch Ausbildung geplant, gestaltet und ein großer Anteil Individualausbildung gelehrt wird.
Es ist uns in den vergangenen zehn Monaten gelungen, die bestehenden Lehrgruppen der „alten“ Akademie mit Fachabteilungen und den drei Ressortforschungsinstituten aus dem Zuständigkeitsbereich des ehemaligen Sanitätsamtes der Bundeswehr zu verschmelzen. Sie konnten neu als zwei korrespondierende Säulen Wissenschaft und Fähigkeitsentwicklung sowie Ausbildung und Lehre aufgebaut werden.
Als neue Leitungsebene stehen mir somit die beiden Direktorate Wissenschaft und Lehre voll arbeitsfähig zur Verfügung. Und die bisherigen Ergebnisse der Zusammenarbeit sind wirklich fruchtbar. Ich habe den Eindruck, dass in vielen Bereichen das Zusammenwirken proaktiv gesucht und synergistisch vorgegangen wird. So steckt z. B. unsere dem Direktorat Wissenschaft zugeordnete Abteilung G (Grundlagen Fähigkeitsentwicklung und Weiterentwicklung) den Rahmen zur Überprüfung der Materialausstattung der Lehre an der SanAkBw unter der Zielsetzung einer erforderlichen Anpassung. Die Zuarbeit bei der Analyse der Lernziele und Lehrpläne und des erforderlichen Bedarfs künftigen Materials kommt aus den verantwortlichen Lehrgruppen und Abteilungen. In ähnlicher Form wird in vielen Bereichen kooperiert, gegenseitig verknüpft und sich positiv beeinflusst. Ich denke hier auch an die erfolgreiche Implementierung der Forschungsprojekte „QM und Controlling für Forschung und Entwicklung (FuE) im Sanitätsdienst“ und „Wissenschaftliche Entwicklung eines QMS für die Ausbildung im Sanitätsdienst“. Unter Federführung von Frau Prof. Kern von der UniBw München sind nahezu alle Abteilungen im Rahmen von Projektorganisationen einbezogen. Dies ist auch ein gutes Beispiel für die Einbindung von streitkräfte-relevanten Gesundheitswissenschaften im Sinne eines Networkings mit hochkompetenten externen Bildungs- und Forschungsinstituten wie Dienstleistern.
Ich bin heute froh, dass es in den letzten Monaten gelungen ist, das erforderliche Personal für unsere neuen Aufgaben zu gewinnen, denn noch im Herbst waren zahlreiche Dienstposten nicht oder nicht adäquat besetzt. Aktuell sind wir personell nahezu komplett. Gegenwärtig forcieren wir unsere Anstrengungen, um auf dem ein oder anderen Gebiet die vorgesehenen fachlichen Qualitäten noch zu erarbeiten bzw. etwas schärfer zu akzentuieren. Das betrifft insbesondere die bisher nicht abgebildete Fachbereiche, wie z. B. das gesundheitliche Qualitätsmanagement oder auch die Medizinethik.
Ich sehe zunehmend unsere Sanitätsakademie generationenübergreifend als wichtigen Anlaufpunkt für Orientierung, Reflexion und Selbstverständnis im Sanitätsdienst der Bundeswehr. Meine Vorgänger und eine Reihe engagierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben bereits Grundlagenarbeit geleistet und sichtbare Fakten geschaffen, wie z. B. die Neugestaltung des Foyers im Hauptgebäude. Hier werden wichtige Bezugspunkte zum Traditions- und Berufsverständnis im Sanitätsdienst präsentiert und interessierten Lehrgangsteilnehmern wie Gästen veranschaulicht.
Unser nach dem charismatischen Widerstandskämpfer und Sanitätssoldaten Hans Scholl benanntes Auditorium Maximum versinnbildlicht diesen neuen Anspruch in unserem Selbstverständnis auf - wie ich meine - eindrucksvolle Weise.
WM: Wie stellen sich die Arbeitsbeziehungen zu den anderen Kommandobehörden des Sanitätsdienstes dar?
Generalstabsarzt Dr. Franke: Die neue Sanitätsakademie bildet den dritten Fähigkeitsbereich des Sanitätsdienstes der Bundeswehr. Genauso wie wir intern in der Akademie Funktionalitäten vernetzen, Abläufe ineinandergreifen lassen und die jeweiligen Stärken zwischen den Abteilungen ausnutzen, arbeiten wir auch nach außen mit den beiden anderen Kommandobereichen, dem Kdo SanEinsUstg und dem Kdo RegSanUstg, aber auch den Bundeswehrkrankenhäusern zielorientiert und synergistisch zusammen. Das geht auch nicht anders, denn fast alle Herausforderungen im Sanitätsdienst treten heute bereichsübergreifend auf und betreffen die Zuständigkeiten aller Ebenen. Niemand kann ohne den anderen sinnvoll agieren.Schauen Sie auf die künftigen Ausbildungssimulationszentren in den Regimentern. Selbstverständlich waren wir bei der Ausplanung eingebunden, denn einige Aufgaben und Fähigkeiten dieser neuen einsatzvorbereitenden Einrichtungen werden derzeit noch von den 5 der Akademie unterstellten Fachschulen Rettungsdienst dargestellt.
Die erkannte Fähigkeitslücke einer interdisziplinären Ausbildung unter Nutzung moderner Ausbildungstechnologien müssen wir gemeinsam im Ausbildungsverbund des Sanitätsdienstes schließen. Denn der Teamausbildung vorgeschaltet, für die das Kommando SanEinsUstg verantwortlich zeichnet, ist die präklinische Individualausbildung. Und hier - in unserem originären Bereich - muss z. B. Simulation genauso als besondere Anwendungsform eines realitätsnahen Ausbildungsmodells systematisch verankert sein. Und darüber hinaus kommen hier auch der Kompetenzbereich des Kommandos RegSanUstg in Diez und unsere Führungsebene Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr ins Spiel. Denn es gilt selbstverständlich auch rein klinisch orientierte, simulationsbasierte Trainings an unseren Bundeswehrkrankenhäusern zwingend ablauforganisatorisch zu integrieren.
Über alle Kommandoebenen hinweg ist hier also gemeinsam konzeptionell, aber auch fachlich abzustimmen, um nachhaltig eine hochwertige Fortbildung zu erreichen.
In diesem Zusammenhang ein paar Worte zu der „Weiterentwicklung der Prä-, Para- und Postuniversitären modularen Ausbildung“ für unsere Sanitätsoffizieranwärter und jungen Sanitätsoffiziere. Um die fachliche und militärische Kompetenz unseres Nachwuchses zu erhöhen, arbeiten wir federführend konzeptionell mit den anderen Kommandos zusammen. Denn die angehenden jungen Sanitätsoffiziere werden in allen Ebenen des Sanitätsdienstes ihren Dienst ableisten und Einblicke erhalten: In der gemeinsamen Basisausbildung in der Grundausbildungseinheit, dem zivilen Studium unter Hilfestellung der Betreuungsoffiziere, den Einweisungsphasen in den Unterstützungszentren, den postuniversitären Modulen an der Sanitätsakademie genauso wie in den Weiterbildungsabschnitten an den Krankenhäusern. Die Inhalte der neuen Ausbildungsplanung der SanOA müssen deshalb auch gemeinsam von allen Zuständigen definiert werden. Hinzu kommen ja auch noch streitkräftegemeinsame Ausbildungsanteile, die es zu integrieren gilt.
WM: Welche Vorteile sehen Sie für Ihren Aufgabenbereich in der neuen Organisationsform? Machen Sie auch Nachteile im Vergleich zur vorherigen Strukturierung aus?
Generalstabsarzt Dr. Franke: Ich erinnere daran, dass 50 Jahre Sanitätsakademie der Bundeswehr immer bedeutete: ständige Anpassungen an neue Herausforderungen, Umgliederungen zur Optimierung von Lehrinhalten und stete Schärfung des Profils, um zukunftsorientiert im Verbund mit militärischen und zivilen Partnereinrichtungen zu agieren.
Heute ist die Sanitätsakademie auf einem guten Weg, die Aufgaben eines Kompetenzzentrums für sanitätsdienstliche Wissenschafts-, Entwicklungs- und Ausbildungsaufgaben der Bundeswehr umfassend abzubilden. Wir brauchen einen leistungsfähigen Verbund eigener Fähigkeiten, um die vielfältigen Entwicklungslinien aus Forschung und Technologie, die Einflüsse auf Gesundheitssysteme, den Wandel in der Medizin oder im militärischen Bereich und auch die Erwartungen künftigen Personals zu erfassen und einzuordnen.
Für eine zukunftsorientierte sanitätsdienstliche Ausbildung bedarf es vor Ort und unmittelbar des Zusammenspiels aller Fachbereiche, der Forschungsteams, der Steuerungssysteme und der Institute. Die neue Organisationsform ermöglicht die direkte Vernetzung von Funktionalitäten und das Ineinandergreifen von Abläufen. So können wir eine moderne Aus-, Fort- und Weiterbildung sowohl inhaltlich als auch methodisch erarbeiten und anbieten. Dies ist ein klarer Vorteil gegenüber der bisherigen Struktur und hat sich, wie ich bereits ausführt habe, in vielen Bereichen bereits bestens bewährt.
Noch nicht ganz abschätzen kann ich die Auswirkungen des Wechsels der Unterstellung des Zentrums für Einsatzaufgaben und Übungen (ZEUS) und des ursprünglich dem Sanitätsamt unterstehenden Sanitätslehrregiments an das Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung (Kdo SanEinsUstg) auf unseren Lehrbetrieb. Mit Sicherheit ist die Bündelung von Funktionalitäten auch im Bereich der Einsatzvorbereitung in Feldkirchen strukturell sinnvoll. Genauso wie die Unterstellung unter das Kdo SanEinsUstg. Die Unterstützungsfunktion beider Einrichtungen jedoch hinsichtlich einsatz- und praxisorientierter Lehre und Ausbildung gerade im Bereich der präklinischen sanitätsdienstlichen Versorgung vermissen wir an der Akademie bereits jetzt. Wir müssen uns daher neuen Wegen der Zusammenarbeit zuwenden.
WM: Frau Generalstabsarzt, Sie gehen sehr individuell auf jeden einzelnen Mitarbeiter in Ihrem Verantwortungsbereich zu. Was kristallisiert sich für Sie heraus, was bewegt die Angehörigen Ihrer Einrichtung? Von welchen Sorgen und Nöten wird Ihnen berichtet?
Generalstabsarzt Dr. Franke: Selbstverständlich versuche ich im Rahmen meiner zahlreichen externen und internen Verpflichtungen auch das persönliche Wort mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht zu vernachlässigen. Dabei merke ich, welche enormen Anstrengungen und welches Verständnis ich von ihnen verlangen muss, und dies wird sich auch in den folgenden Monaten weiter fortsetzen.
Die organisatorische Umgliederung der Akademie von noch nie da gewesenem Umfang, bei laufendem Lehr- und Forschungsbetrieb, ist nicht einfach und führt zwangsläufig zu einigen Unsicherheiten. Hinzu kamen der Umzug großer Teile der neuen Abteilungen aus der Dachauer Straße hierher an das Mutterhaus und bei gleichzeitiger Verlegung verschiedener Elemente der bisherigen Akademie, wie Teile des Stabes, des Direktorats Wissenschaft und Forschung sowie ganzer Hörsäle in provisorische Räumlichkeiten bzw. in die benachbarte Fürst-Wrede-Kaserne. Das ist begründet in der umfangreichen Asbest- und Grundsanierung weiter Teile der Ernst-von-Bergmann-Kaserne, die nunmehr angelaufen ist.
Das alles zeigt, dass wir gerade im vergangenen Jahr mit einer Vielzahl von zeitgleich zu lösenden Herausforderungen konfrontiert worden sind.
Ich sehe es deshalb für mich und meinen Stab als besondere Aufgabe und Verpflichtung an, alle Angehörigen der Akademie zu motivieren und sie mitzunehmen in die neuen Rollen und Aufgaben sowie in die neuen Strukturen und Abläufe.
WM: Welche Ziele verfolgen Sie als Kommandeurin der Sanitätsakademie der Bundeswehr in 2014 und welche darüber hinaus?
Generalstabsarzt Dr. Franke: Bereits Ende letzten Jahres haben wir die Ziele 2014 einschl. der konkreten Projekte zur Herstellung der Arbeits- und Einsatzbereitschaft an der Akademie formuliert. Wir haben Ende März die erste Phase der Umgliederung abgeschlossen und werden die Verfahren, Arbeitsabläufe und Beziehungen in der Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen weiter definieren und sicherstellen.
In diesem Zusammenhang lassen Sie mich auf das im Rahmen der Wehrmedizinischen Forschung eingerichtete Projekt von Frau Prof. Kern von der UniBw München zum Qualitätsmanagement in den Bereichen Forschung und Entwicklung sowie Ausbildung verweisen.
In diesem Projekt werden u. a. relevante Steuerungs- und Unterstützungsprozesse im Forschungsmanagement oder auch für den Werdegang eines Sanitätsoffiziers von der Basisausbildung bis zur Facharztanerkennung untersucht. Ziel ist, ein gemeinsames Verständnis von sanitätsdienstlicher Ausbildungs- und Forschungsqualität zu entwickeln und davon abgeleitet Kennzahlen in das fachliche Controlling zu integrieren.
Darüber hinaus wird in diesem Jahr die Erarbeitung der Lehrer-Hörsaal-Bedarfsrechnung (LHBR) für die noch auszuplanende Abteilung D (Lehre) allen Einsatz unserer Konzeptionäre, Fachlehrer wie auch Hörsaalleiter und Inspektionschef fordern. Aus den beiden derzeit noch vorhandenen Lehrgruppen A und B wird eine neue Abteilung Ausbildung entstehen, die für die Durchführung und Koordination von Lehrgängen und Seminaren sowie für die Betreuung der Lehrgangsteilnehmer an der Akademie zuständig sein wird.
Gleichzeitig ist die gesamte materielle Ausstattung der Sanitätsakademie zu überprüfen und zukunftsorientiert dem neuen Auftrag sowie der neuen Struktur anzupassen. Dabei gilt es unter anderem, die methodisch-didaktische Ideenvielfalt in der Unterrichtsgestaltung, die Ausplanung neuer Themen wie Wehrmedizinethik oder die Einführung neuer Unterrichtsmethoden wie die Implementierung von simulationsgestützter Ausbildung zu berücksichtigen.
WM: Sie waren Amtschefin des alten Sanitätsamtes der Bundeswehr in der Dachauer Straße und stehen nun der neuen, erstarkten Sanitätsakademie im Norden der bayerischen Metropole vor. Wie fühlen Sie sich in der Landeshauptstadt aufgehoben und wahrgenommen?
Generalstabsarzt Dr. Franke: Es ist ja bereits meine dritte Verwendung in München und somit boten sich in den letzten Jahren ausreichende Gelegenheiten die Stadt und die, wie ich meine, zurecht auf ihren bayerischen Freistaat stolzen Bayern kennen und schätzen zu lernen. Aber Bayern ist auch stolz auf ihre hier ansässige Bundeswehr. Beim Appell zur Neuorganisation der Sanitätsakademie unterstrich dies Innenminister Joachim Herrmann mit den Worten: „Wir brauchen eine starke Bundeswehr, die in der Landeshauptstadt Flagge zeigt und wir sind stolz, dass wir mit der Sanitätsakademie derzeit das hochrangigste Kommando der Bundeswehr in ganz Bayern hier haben“.
Meine Funktion als erste Kommandeurin der Akademie wirkt sich schon positiv auf die Zusammenarbeit mit den hier ansässigen Institutionen aus und als einzige wie ranghöchste Generalin in Bayern wird zudem ein gewisses Interesse geweckt.
In diesem Zusammenhang ist ein Umstand besonders interessant: Sie wissen, dass die Sanitätsakademie der Bundeswehr in einer über 250-jährigen Tradition mit der Berliner Pépinière ("Pflanzschule"), steht, der ersten militärärztlichen Ausbildungsstätte in Deutschland. An ihr studierten beziehungsweise lehrten bedeutende Mediziner und Wissenschaftler, wie Rudolf Virchow, Robert Koch und Emil von Behring.
Insofern sehe ich es als persönliche Herausforderung an, als gebürtige und bekennende Berlinerin, heute einen Bogen von Berlin, meinem Familienwohnsitz, hierher nach München ziehen zu können und der Sanitätsakademie als einem äußerst interessanten und attraktiven Arbeitsplatz für Forscher und Lehrer vorzustehen zu dürfen.
WM: Im vergangenen Jahr feierte die Sanitätsakademie der Bundeswehr ihr 50-jähriges Bestehen. Forschung, Lehre und Ausbildung waren seit jeher die bestimmenden Inhalte unserer „Alma Mater“. Was hat sich hier im Laufe der Zeit geändert?
Generalstabsarzt Dr. Franke: Tatsächlich steht der Sanitätsdienst der Bundeswehr seit über 50 Jahren im Rahmen von humanitären Hilfeleistungen im In- und Ausland wie Einsätzen in Krisengebieten nicht nur den eigenen Soldatinnen und Soldaten, sondern auch Angehörigen verbündeter Streitkräfte sowie Zivilisten in Not zur Verfügung.
Voraussetzung für diesen Dienst am Menschen ist die Fähigkeit, jederzeit und weltweit präventivmedizinisch sowie kurativ, dem aktuellen Stand der Medizin entsprechend, Patienten zu versorgen. Dies bedingte stets einen besonderen Leistungsstand des gesamten Sanitätspersonals. Er wurde an der Sanitätsakademie der Bundeswehr in München seit jeher durch fundierte Aus,- Fort- und Weiterbildung auf vielen Gebieten erfolgreich erworben und gefestigt. Dazu wurden auch vor der Umgliederung der Sanitätsakademie Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung sowie Erfahrungen aus den verschiedenen Einsätzen in die Lehre eingebracht, um unser Sanitätspersonal für die Aufgaben im In- und Ausland bestmöglich auszubilden. Diese Erkenntnisse waren jedoch in der Regel aus anderen Einrichtungen des Sanitätsdienstes zu importieren.
In der neuen Struktur der Sanitätsakademie haben wir nunmehr beide Bereiche: Ausbildung und Lehre sowie Forschung, Wissenschaft und Fähigkeitsentwicklung unter einem Dach.
Auf diesem Weg gilt es nun weiter voranzuschreiten, um die „neue“ Akademie zukunftsfähig auf internationale und ressortübergreifende sanitätsdienstliche Bildungsaufgaben auszurichten.
Aber immer im Fokus der Humanitas, oder wie Bundesverteidigungsminister de Maizière bei seinem Festvortrag anlässlich des Jubiläums der Akademie so treffend formulierte, in dem er den ersten Verteidigungsminister Kai Uwe von Hassel zitierte: „So unentbehrlich im militärischen Bereich straffe Organisation, zielbewusste Führung und soldatische Haltung sind: die tragenden Säulen des Sanitätsdienstes sind Wissen und Können, Erziehung und Schulung und der Geist echter Menschlichkeit, der sein Handeln beseelt.“
WM: Frau Generalstabsarzt, als besonderen Schwerpunkt hat die Bundesverteidigungsministerin die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Dienst, insbesondere im Dienstbetrieb im Inland, und die weitere Verbesserung der Attraktivität des Arbeitgebers Bundeswehr hervorgehoben. Wie schätzen Sie hier die Lage als einziger weiblicher Generalarzt der Bundeswehr, als weibliche Vorgesetzte und als Soldatin im Allgemeinen ein?
Generalstabsarzt Dr. Franke: Unsere Ministerin hat diesem wichtigen Thema gleich zu Beginn ihrer Amtszeit zu Recht große Aufmerksamkeit geschenkt. Nach meiner Erfahrung konnte die Integration von Frauen in die Bundeswehr nach der vollständigen Öffnung der Streitkräfte für Frauen enorme Fortschritte machen – das zeigt sich an der zunehmenden Zahl weiblicher Soldaten in den letzten Jahren.
In der Bundeswehr verrichten heute annähernd 10 Prozent weibliche Soldaten ihren Dienst. Da wir im Sanitätsdienst die Laufbahnen schon viel früher öffnen konnten, sehen hier die Zahlen noch günstiger aus: Von 19.500 Angehörigen des Sanitätsdienstes sind derzeit schon 7.200 Frauen ( …%). Diese Zahlen werden sicher auch bei uns weiter steigen, schaut man auf die Bewerberquoten. Bei uns in der Sanitätsakademie sind neben Hörsaalleiterinnen und Fachlehrerinnen mittlerweile auch Soldatinnen in Führungsverwendungen zu finden, etwa als Inspektionschefin, stv. Kompaniechefin oder als Inspektionsfeldwebel.
Wie die im Januar 2014 vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr veröffentlichte Studie zum Stand der Integration von Frauen zeigt, ist die Bundeswehr mit der gestarteten Attraktivitätsoffensive auf dem richtigen Weg. Natürlich sind an vielen Punkten noch Verbesserungen möglich, Integration ist eine Daueraufgabe. Wir arbeiten auch im Sanitätsdienst daran, Karrierepfade für Frauen zu definieren und die Vereinbarkeit von Dienst und Familie zügig voranzutreiben, denn gerade bei unserem hohen Frauenanteil besteht ein besonderer Bedarf an solchen Regelungen.
Im Hinblick auf die Maßnahmen an unserer Akademie verweise ich auf die Einrichtung von Eltern-Kind-Unterkunftszimmern, von Telearbeitsplätzen und von Einzelvereinbarungen in der Dienstzeit hin. Zudem haben wir im April ein Pilotprojekt gestartet, um den Bedarf an Kinderbetreuung bei Lehrgangsteilnehmer(innen) zu decken.
Mir ist es an dieser Stelle besonders wichtig, sichtbar zu machen, wie sehr die Bundeswehr und auch unser Sanitätsdienst von der wachsenden Zahl Frauen in der Truppe profitieren. Wir brauchen die fähigsten Köpfe und davon sind ebenso viele weiblich wie männlich. Im Sanitätsdienst haben wir in diesem Zusammenhang aus der sich weiter verschärfenden demografischen Entwicklung und den damit wachsenden Herausforderungen für die Personalgewinnung und die Personalbindung schon die richtigen Schlüsse gezogen und erforderliche Maßnahmen umgesetzt. Ich denke hier auch daran, dass Frauen bei uns, z. B. in der Laufbahn der Sanitätsoffizieranwärter(innen), mittlerweile in jeder Hinsicht akzeptiert sind. Und das gilt natürlich auch für den Einsatz von Ärztinnen in der Truppe. Schließlich wissen wir, dass die gelungene Integration von Frauen und die Attraktivität des Arbeitsplatzes auch im Sanitätsdienst unverzichtbare Merkmale eines wettbewerbsfähigen Arbeitgebers Bundeswehr sind.
WM: Insbesondere in den Einsatzgebieten nimmt die multinationale Zusammenarbeit eine immer wichtigere Stellung bei der Auftragserfüllung ein. Welche Entwicklungen gibt es in Bezug auf die internationale Zusammenarbeit im Bereich von Forschung und Lehre?
Generalstabsarzt Dr. Franke: Im Bereich der wehrmedizinischen Forschung sind wir schon immer in besonderer Weise international vernetzt. Ich erinnere hier die langjährigen Arbeitsbeziehungen und die wissenschaftliche Kooperation der Institute für Medizinischen ABC-Schutz mit renommierten NATO- und EU-Partnereinrichtungen. So ist z. B. das InstRadBioBw als Liasion Institut in das WHO Radiation and Environmental Health Program integriert und Mitglied im internationalen Netzwerk des Radiation Emergency Medical Preparedness and Assistance Network (REM-PAN) der WHO. Das InstMikroBioBw führt als „Nationales Konsiliarlabor für Tularämie“ mit ausländischen Universitäten erfolgreiche internationale Kooperationen durch. Aktuell helfen Experten des Institutes auf Anforderung der WHO bei der Aufklärung der Ebola-Epidemie in Guinea. Und auch das InstPharmToxBw hat auf seinem Gebiet eine internationale Spitzenposition inne. Sichtbarer Ausdruck dieser wirklich regen multinationalen Zusammenarbeit sind die regelmäßigen A-, B- und C-Schutztagungen an der Sanitätsakademie, bei denen wir eine große Zahl Wissenschaftler und Gäste aus der Forschungswelt bei uns zum wissenschaftlichen Austausch begrüßen dürfen.
Ausbaufähig ist sicherlich die multinationale Zusammenarbeit im Bereich der Lehre. Grundsätzlich sind unsere Ausbildungslehrgänge für NATO-Partner offen, allerdings finden sie auf Deutsch statt. In Zusammenarbeit mit dem NATO Center of Excellence in Budapest gibt es bereits den internationalen PECC Lehrgang in englischer Sprache, mit dem wir einen ersten Schritt getan haben. Diesen Weg weiterzugehen und entsprechende Ausbildungsanteile zu identifizieren, die man international anbieten kann, wird eine Aufgabe für die nähere Zukunft sein. Beispielsweise führt die SanAkBw als zertifizierte "PHTLS Training Site" und "ACLS Training Center" entsprechende Ausbildungen in eigener Zuständigkeit durch. Algorithmen-Ausbildungen wie PHTLS und ACLS, die nach international üblichen notfallmedizinischen Standards durchgeführt werden, eignen sich als Angebote für Personal aus NATO-Nationen bestens. Österreichische Sanitätsfeldwebel wurden hier bereits ausgebildet. Die fachlichen Inhalte sind international gleich, einzige Hürde ist die Sprachqualifikation des Ausbildungspersonals. Aber auch hier haben wir bereits erste Schritte zur Optimierung diskutiert.
Zudem sind aus Sicht der Akademie in Abstimmung mit den fachlich zuständigen Stellen bestimmte Fachlehrgänge in Psychotraumatologie, Chirotherapie, Einsatzchirurgie und Paradontologie als Angebot für NATO-Staaten geeignet.
Eine verstärkte Zusammenarbeit verspreche ich mir auch mit unserer französischen Partnerakademie, der École du Val-de-Grâce. Deutschland und Frankreich sind in verschiedenen Einsätzen in Afrika die Motoren für multinationale Kooperation, was liegt näher, als auch auf dem Gebiet des Sanitätsdienstes verstärkt zusammenzuarbeiten? Hier haben beide Seiten ähnliche Einsatzgrundsätze und die gleiche Auffassung vom Wert der Gesundheit und der Würde des Menschen. Beim Besuch einer Delegation der Französischen Akademie Ende April werden wir erste Ideen für eine zukünftige enge Zusammenarbeit festschreiben.
WM: Frau Generalstabsarzt, was möchten Sie zusammenfassend unseren Leserinnen und Lesern mit auf den Weg geben?
Generalstabsarzt Dr. Franke: Als Kommandeurin unserer Sanitätsakademie ist es mir natürlich zunächst ein besonderes Anliegen, meinen Soldatinnen und Soldaten wie zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an dieser Stelle für ihr vorbildliches Engagement bei der Neugestaltung der Akademie in den vergangenen Monaten zu danken.
Darüber hinaus möchte ich ganz ausdrücklich Soldatinnen und Soldaten aus anderen Bereichen des Sanitätsdienstes ermutigen, bei der Gestaltung ihres Werdeganges auch eine Verwendung in der Akademie ins Auge einzuplanen.
Die Ausgestaltung und Profilierung der Sanitätsakademie zu unserer „Alma mater“, d. h. zu einem modernen und zukunftsfähigen Kompetenzzentrum für Ausbildung/Lehre und Wissenschaft/Forschung/Weiterentwicklung muss ein Anliegen des gesamten Sanitätsdienstes sein. Und dazu brauchen wir einen regelmäßigen Austausch mit der Truppe und Einsatzerfahrung, immer wieder neue Ideen und zupackende Hände.
Wir können an der Akademie schon heute einiges bieten und werden in der Zukunft noch besser sein. Engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter treffen auf eine gute Arbeitsatmosphäre, können im besten Sinne der Auftragstaktik zielführende Vorstellungen einbringen, sich verwirklichen und in einem motivierten Team arbeiten.
Und auf die besonderen Möglichkeiten der Weiterbildung, von Freizeitangeboten und kulturellen Ereignissen in einer der Metropolen mit anerkannt weltweit höchster Lebensqualität möchte ich hinweisen.
Die Soldatinnen und Soldaten des Sanitätsdienstes haben Anspruch auf die bestmögliche Aus-, Fort- und Weiterbildung. Hierfür stehen meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ich. Die Sanitätsakademie als „Alma Mater“ wird von nahezu allen Angehörigen des Sanitätsdienstes der Bundeswehr regelmäßig besucht.
Abschließend bitte ich alle, gerade heute in der Zeit der Neuausrichtung, auch der Akademie bei der Neugestaltung von Infrastruktur und Lehrformaten, um Unterstützung und Verständnis bei kleineren organisatorischen Unzulänglichkeiten. Wir arbeiten ständig an Verbesserungen, auch bei unserer „Kundenperformance“. Deshalb sind wir jederzeit für eine konstruktive Kritik dankbar. Und ein gelegentliches, wie ich meine verdientes, Lob motiviert meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in besonderer Weise.
WM: Frau Generalstabsarzt, wir danken herzlich für dieses Interview und für die persönlichen Worte, die Sie für Ihre Akademie gefunden haben.
Datum: 30.06.2014
Quelle:
Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2014/2
Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2014/2