Verwendung externer Ventrikeldrainagen beim schweren Schädel-Hirn-Trauma – eine Studie zur Häufigkeit virtueller Fehlplatzierungen

Chris Schulz, René Mathieu, Uwe Max Mauer, Carsten Hackenbroch, Magnus Scheer

Zusammenfassung

Hintergrund: Zur Diagnostik und Behandlung des erhöhten intrakraniellen Drucks (ICP) wird gelegentlich eine externe Ventrikeldrainage (EVD) vorgeschlagen. Die Technik der EVD-Implantation basiert auf anatomischen Landmarken am äußeren Schädel. Unter optimalen Bedingungen ist die Punktion des Vorderhorns des Seitenventrikels zuverlässig möglich. Die Zielgenauigkeit der Punktion sinkt jedoch insbesondere beim schweren Schädel-Hirn-Trauma (SHT). Die EVD wird dann nicht nur erfolglos, sondern auch gefährlich.

Fragestellung: Wie stark ist die Abweichung vom optimalen Zielpunkt bei schweren SHT-Fällen? Wie oft kommt es trotz korrekter anatomischer Trajektorie zur absoluten Fehllage (Nicht-Erreichen des Ventrikelsystems) der EVD?

Methoden: Die Studie analysiert 100 konsekutive Fälle, die im Bundeswehrkrankenhaus Ulm nach einem SHT Grad 3 (Glasgow Coma Scale < 9) eine Hirndruckmessung bekamen. Nach Einlesen der prätherapeutischen CT-Daten in ein Neuronavigations-Programm wurde ein 3D-Volumendatensatz erstellt, an dem der lehrbuchmäßige Eintrittspunkt und Vektor für eine Punktion des rechten Seitenventrikelvorderhorns virtuell geplant wurde. Dann wurde die Distanz der virtuellen Katheterspitze zum Optimalziel (Foramen interventrikulare rechts) ausgemessen. Zudem wurde bestimmt, wie oft mit der Lehrbuch-Trajektorie der Seitenventrikel nicht erreicht (also keine Liquordrainage und damit keine ICP-Messung möglich) worden wäre.

Ergebnisse: In allen 100 Fällen ließen sich aus den CT-Bilddateien problemlos 3D-Volumendatensätze erstellen, an denen der Eintrittspunkt am Schädel und die Punktionstrajektorie korrekt angelegt werden konnten. In 2/100 Fällen wurde der optimale Zielpunkt mit einer Abweichung < 1 mm erreicht. Die durchschnittliche Abweichung des virtuellen EVD-Endpunktes vom Foramen interventrikulare rechts beträgt 7,4 mm (MED 8,0; MIN 0; MAX 22,6; STABW 6,8). Auf dem Weg der Trajektorie wurde der rechte Seitenventrikel in 28/100 Fällen erreicht. In weiteren 4 Fällen wurde der kontralaterale Seitenventrikel getroffen.

Schlussfolgerungen: Eine erfolgreiche virtuelle Punktion des Ventrikelsystems gab es nur in knapp 1/3 der untersuchten Fälle. In etwa 2/3 der Fälle wäre somit eine Liquordrainage und ICP-Messung nicht möglich gewesen. Häufigste Gründe für eine absolute Fehllage der EVD waren intrakranielle Massenverschiebungen und das vollständige Aufbrauchen des Seitenventrikels (als Reserveraum). Die absolute Fehllage beruhte also in nahezu allen Fällen auf einer räumlichen Entkoppelung der extrakraniellen Landmarken von den intrakraniellen Zielstrukturen. Eine in Freihand-Technik anhand anatomischer Landmarken geplante EVD zur Diagnostik/Behandlung des erhöhten ICP eignet sich beim schweren SHT daher nur in Fällen ohne signifikante intrakranielle Massenverschiebung und gleichzeitig ausreichend dimensioniertem Ventrikelsystem – einer beim schweren SHT sehr seltenen Kombination.

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