Ballistischer Splitterschutz der Augen
Ballistic eye protection
Aus der Abteilung Augenheilkunde (Abteilunsleiter Oberstarzt Dr. F. Weinand) des Bundeswehrzentralkankenhause Koblenz (Chefarzt: Generalarzt Dr. M. Zallet)
Dietrich Spanagel
WMM, 59. Jahrgang (Ausgabe 4/2015; S. 126-128)
Zusammenfassung
Die Gefahr schwerer Augenverletzungen durch Splitter von Explosivkörpern ist im militärischen Einsatz erheblich. Die medizinische Versorgung solcher Verletzungen ist schwierig und führt trotz optimaler Behandlung oft zu erheblichen Sehbeeinträchtigungen bis hin zur Blindheit. Dem Schutz der Augen kommt damit eine erhebliche Bedeutung im Einsatz zu.
In diesem Beitrag werden in Fallbespielen Splitterverletzungen der Augen vorgestellt und in einem Beispiel die Protektion durch moderne Splitterschutzbrillen gezeigt. Die Bundeswehr verfügt über sehr gute Splitterschutzbrillen, die abschließend beschrieben werden.
Schlüsselworte: Augenschutz, Splitter, Augenfremdkörper, Ballistik
Summary
Soldiers are facing a high risk of severe eye injury on deployment caused by debris from explosive devcies. Treatment of these types of injury is difficult and leads often to vision impairment or even to blindness. Thus sufficient eye protection plays a keyrole in soldier protection against ballistic threads.
Examples of eye injury caused by foreign bodies are presented, in one case the protective effect of ballistic eyeshield glasses is shown. Soldiers of the German Armed Forces are equipped with very good protective devices which finally are introduced.
Keywords: eyeshield, debris, ocular foreign bodies, ballistic
Einleitung
Die sichtbare Fläche des menschlichen Auges beträgt nur ca. 0,27 % der gesamten Körperoberfläche, das Eindringen von Fremkörpern in diesen Bereich kann aber für den Betroffenen fatale Folgen haben. Bei der Operation Desert Storm 1991 im Irak betrug die Inzidenz der Augenverletzungen 13 % aller Kriegsverletzungen. Der Grund hierfür ist nicht nur in der Wirkung der eingesetzten Waffen zu suchen, sondern auch im damaligen unzureichenden Entwicklungstand von ballistischen Splitterschutzbrillen und Gesichtsschutz im Vergleich zum allgemeinen militärtechnischen Fortschritt [2, 3].
Im 1.Weltkrieg wurden 60 % der Augenverletzungen durch Gewehrschüsse verursacht, im 2.Weltkrieg 50 - 80 % durch Panzer- oder Artilleriegranaten. Weltweit sind heute Anti-Personenminen für 8 - 17 % der Augenverletzungen (überwiegend durch Splitter) ursächlich verantwortlich [1]. Letztere sind durch einen entsprechenden Augenschutz weitgehend vermeidbar geworden.Fallbeispiele
Um die enorme zerstörerische Wirkung kleinster Splitter im Augenbereich zu verdeutlichen, werden nachfolgend drei eindrucksvolle Beispiele aus dem ISAF-Einsatz im Bild vorgestellt.
Fall 1:
Kabul, 27. Januar 2004: Suicide attack;
Patient: Kanadischer Soldat, 28 Jahre;
Diagnose: Multiple Splitterverletzungen im Gesichtsbereich;
Rechtes Auge: Perforierende Skleraverletzung inferior mit 10 mm Länge, radiär 11 mm hinter dem Limbus beginnend; tief hinten in der Augenhöhle liegender Metallsplitter; hämorrhagische Amotio retinae.
Fall 2:
Kabul, 28. Januar 2004: Suicide attack;
Patient: Britischer Soldat, 30 Jahre;
Diagnose: Multiple Splitterverletzungen im Gesichtsbereich;
Rechtes Auge: Perforierende Skleraverletzung nasal inferior mit subretinal gelegenem Knochenfragment;
Linkes Auge: Schwere Bulbus Ruptur mit Lidzerreißung.
Fall 3:
Kunduz 2009: Kampfhandlung;
Deutscher Soldat, ca.24 Jahre
Diagnose: Gesichtsverletzung durch Hitze und Schmauch.
Schutzbrille (und Helm) wurden getragen, daher blieb die Augenpartie unverletzt.
Moderner ballistischer Splitterschutz
Schutzgläser moderner Splitterschutzbrillen werden heute ganz überwiegend aus Polycarbonat hergestellt; neben guten optischen Eigenschaften setzen sie anfliegenden Splittern einen hohen Durchdringungswiderstand entgegen. Die in den Fällen 1 und 2 entstandenen Verletzungen wurden durch relativ kleine Splitter hervorgerufen, die durch Polycarbonatgläser problemlos aufgehalten werden. Selbst Standardschrot aus einer Pump-Gun bei nur 5 Meter Schussdistanz durchdringt das Schutzglas nicht unbedingt. Abbildung 4 zeigt das Ergebnis eines entsprechenden Beschusstestes an einer ballistischen Splitterschutzbrille vom Typ Revision® Sawfly.
Bei der Bundeswehr eingesetzte Schutzbrillen
Revision® Sawfly
Seit einigen Jahren steht der Truppe die leichte Splitterschutzbrille Revision® SawFly zur Verfügung, die über die LHBw ausgegeben wird. Die Brille ist gemäß neuem Schießausbildungskonzept (nSAK) grundsätzlich bei Schulschießübungen zu tragen. Drei unterschiedlich gefärbte Schutzglaseinsätze (klar, orange grau) lassen eine Anpassung an die jeweiligen Lichtverhältnisse zu.
ELNO® EPS-21 (Abbildung 6)
Im Ausrüstungssatz Infanterist der Zukunft (IDZ) ist eine ballistische Splitterschutz-brille enthalten. Beim Modell EPS 21 der Deutschen ELNO® (Vers.-Nr. 8465-12-364-1399) handelt es sich um einen Vollschutz, der auch über dem Helm getragen werden kann. Verschiedene aufsteckbare Gläser dienen dem Sonnenschutz, zur Kontrastverstärkung oder auch als Schutz vor Laserwirkung (z. B. aus Ziel- und Entfernungsmessgeräten oder auch Laserblendwaffen). Die EPS-21 wird nahezu ausschließlich im Einsatzland ausgegeben.
Oakley® M-Frame
Die Schutzbrille Oakley® M-Frame (Versorgungsnummer 8465-12-372-1525) wurde von den Spezialkräften beschafft und ist nur noch vereinzelt in Gebrauch. Für fehlsichtige Soldaten ist sie nicht geeignet.
Schutzbrille und Fehlsichtigkeit
Eine einsteckbare Brillenfassung (RX-Carrier) ermöglicht das Tragen von Schutzbrillen auch für fehlsichtige Soldaten (Abbildung 7). Das Bereitstellen der RX-Carrier und das Einschleifen der Gläser wird auf Anforderung des Truppenarztes bei den zuständigen Instandsetzungsgruppen (InstGrp) Augenoptik bei den Versorgungs- und Instandsetzungszentren für Sanitätsmaterial (VersInstZ SanMat) durchgeführt. Diese sind auch für die Bestückung der Fassungen für die ABC-Schutzmaske sowie Anfertigung der Einsatzersatzbrille (Zweitbrille für den Auslandseinsatz) und der Springerbrille zuständig.
Auf dem Brillenrezept Bw-2651 werden die Werte unter Punkt 1 “Pupillendistanz“ eingetragen sowie unter Ziffer 3 der -„Carrier IDZ“ (für die ELNO® EPS-21) und/oder “Carrier -Revision® Sawfly“ angekreuzt.
Bei höherer Fehlsichtigkeit ab ca. +/- 4 Dioptrien wird bei der Revision® Sawfly ein modifizierter RX-Carrier eingesetzt, der einen größeren Abstand zur Schutzglasinnenseite aufweist, um eine Verbiegung durch dickere Korrekturgläser zu vermeiden.
Fazit
Das Tragen eines ballistischen Augenschutzes ist sowohl im Rahmen der Ausbildung als auch insbesondere im Einsatz zwingend notwendig. Praktisch alle “kleinen“ Splitterverletzungen, Einwirkungen von Rauch und heißen Gasen sowie das Eindringen von Staub und Sand können dadurch wirksam verhindert werden. Die heute in der Bundeswehr eingesetzten Schutzbrillen sind hochwirksam und stellen durch die individuelle Ausstattung mit Korrekturgläsern durch die hierauf spezialisierten InstGrp Augenoptik eine gute Sehschärfe auch bei fehlsichtigen Soldaten sicher.
Literaturverzeichnis
- Rohrbach J: Ophthalmologische Traumatologie. Stuttgart: Schattauer Verlag 2002.
- Biehl JW, Valdez J, Hemady RK, Steidl SM, Bourke DL: Penetrating eye injury in war. Mil Med 1999;164(11): 780-784.
- Parsons-Wraith L: High-Tech Eye Protection – Arms and the Woman. Shooting Industry, Dec 2002.
- Spanagel D.: Ballistischer Splitterschutz der Augen. Wehrmedizinische Monatsschrift 2008; 52: 47-50.
Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
Bildquellen:
Abb. 1-4, 7: Oberfeldarzt Dr. Spanagel, Koblenz
Abb. 6: Produktkatalog der Fa. Elno®, mit freundlicher Genehmigung
Datum: 29.04.2015
Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2015/4