„Forschung und Lehre ist der essenzielle Baustein für den Erhalt des Status Akademisches Krankenhaus…“

Interview mit Oberstarzt (mittlerweile Generalarzt) Dr. Ahrens, Kommandeur und Ärztlicher Direktor des Bundeswehrkrankenhauses Ulm

Bwkrhs Ulm

WM: Sehr geehrter Herr Oberstarzt, „Ihr“ BwKrhs feiert in diesem Jahr das 40-jährige Bestehen. Ein solches Jubiläum ist immer Anlass zurück, aber auch nach vorne zu blicken. Wir bedanken uns für die Gelegenheit, mit Ihnen zu sprechen und möchten zuerst einen Blick in die Vergangenheit werfen – mit welchem Auftrag hat das BwKrhs Ulm angefangen und wie hat sich dieser weiterentwickelt? 

Oberstarzt Dr. Ahrens: Das BwKrhs Ulm ist in den 1950er und 1960er Jahren als Lazarett unter den Eindrücken des Kalten Krieges geplant worden. Der Auftrag bestand in der Ausbildung und Inübunghaltung von Personal für die Landes- und Bündnisverteidigung sowie der medizinischen Versorgung der Bevölkerung. Auch nach Änderungen der politischen Rahmenbedingungen änderte sich daran im Wesentlichen nichts, der Auftrag blieb unverändert. Das BwKrhs Ulm etablierte sich über die Jahre als zuverlässiger Partner und wichtiger Bestandteil des regionalen und überregionalen Gesundheitssystems und ist im Funktionsverbund aller Bwkrhs und einem stabilen Kooperationsnetzwerk mit der Universitätsklinik mittlerweile auch in Forschung und Lehre gut verankert.

WM: Die zweite Welle der Covid-19-Pandemie hat Deutschland erreicht. Mit verschiedenen Maßnahmen wird versucht, das Infektionsgeschehen einzudämmen. Wie ist die aktuelle Lage am Bundeswehrkrankenhaus Ulm? 

Oberstarzt Dr. Ahrens: Die Versorgung von Covid-19-Patienten erfolgt im Schwerpunkt auf den beiden erweiterten Intensivstationen und einer vergrößerten Infektionsstation der Inneren Abteilung. Durch Temperaturmessungen, Anamneseerhebungen und Testungen im eigens hierfür umgerüsteten Kasino ist es uns seit Beginn der Pandemie gelungen, das unkontrollierte Eindringen und eine anschließende Verbreitung des Virus im BwKrhs zu verhindern. Diese, mit Hilfe von Reservisten und dem SanRgt 3 aus Dornstadt errichtete, „Firewall“ haben wir immer wieder nach Beratungen unserer Corona-Taskforce an die aktuellen Pandemieentwicklungen angepasst um eine gute Balance zwischen der Belastung der Mitarbeiter und Patienten sowie den zwingend notwendigen Schutzmaßnahmen zu finden. Dank aller Beteiligten ist es damit gelungen, die tatsächlichen Kategorie 1-Kontakte im BwKrhs Ulm bei nahezu null zu halten.

Oberstarzt Dr. Ahrens, Kommandeur und Ärztlicher Direktor des...
Oberstarzt Dr. Ahrens, Kommandeur und Ärztlicher Direktor des Bundeswehrkrankenhauses Ulm
Quelle: BwKrhs Ulm

WM: Gibt es Unterschiede zum Frühjahr des vergangenen Jahres? 

Oberstarzt Dr. Ahrens: Ja, deutliche. Während der ersten Welle wurde der Elektivbetrieb zu Gunsten einer erhöhten Intensivkapazität, auch unter dem Eindruck kollabierender Gesundheitssysteme in Nachbarstaaten, frühzeitig und sehr abrupt herunter­gefahren. Der Aufwuchs von 24 auf 56 Intensivbetten, die Umrüstung der interdisziplinären Aufnahmestation und der Intensive Care zur Intensivstation sowie die zeitgleiche Schließung von OP-Sälen hier im BwKrhs war rückblickend die richtige Entscheidung.

Es hat sich gezeigt, dass wir jederzeit sehr schnell vom operativen Tagesgeschäft eines Krankenhauses der Maximalversorgung in den „Covid-Modus“ umschalten können. Mit dieser Erkenntnis konnten die während der ersten Pandemiephase zurückgestellten Behandlungen unter Beibehaltung eines Gleichgewichts zwischen OP- und Intensiv-Kapazität mittlerweile weitgehend nachgeholt werden, ohne dass eine neue Bugwelle aufgebaut wird. Neben einem fast „normalen Krankenhausbetrieb“ gelingt uns zusätzlich die Unterstützung anderer Krankenhäuser und dringend erforderlicher internationaler Hilfe wie zuletzt für den Libanon, Frankreich, die Ukraine und aktuell Portugal.

WM: Mit welchen Maßnahmen wird der Versorgungsauftrag – auch im Hinblick auf mögliche Reservebildungen – sichergestellt? 

Oberstarzt Dr. Ahrens: Im Augenblick befindet sich kein Personal in häuslicher Reserve. Gleichwohl geht der andauernde Krisenmodus bei fast routinemäßigem Betrieb nicht spurlos an unseren Mitarbeitern vorüber. Trotzdem sind wir froh, unseren Beitrag leisten zu können. Dazu zählen Maßnahmen – beispielsweise die Produktion von Desinfektionsmitteln und Medikamenten, Betrieb und Nutzung von Sauerstoff-Abfüllanlagen sowie die Schaffung zusätzlicher (Not-)Bettenkapazitäten durch Wiederinbetriebnahme der erdversenkten Anlage – die nach der Krise auch unter dem Gesichtspunkt der staatlichen Sicherheits- und Daseinsvorsorge nachbetrachtet und weiterverfolgt werden sollten.

WM: Nicht erst seit Ausbruch der Pandemie wurde über einen „Pflegemangel“ in deutschen Krankenhäusern diskutiert. Wie ist das BwKrhs personell und materiell, gerade vor dem Hintergrund der gerade stattfindenden zweiten Pandemiewelle, in diesem Bereich aufgestellt? 

Oberstarzt Dr. Ahrens: Der Mangel an Pflegepersonal und der hieraus resultierende Konkurrenzdruck auf dem Arbeitsmarkt betrifft uns natürlich in gleicher Weise wie alle anderen Krankenhäuser in Deutschland.

Gerade deshalb ist es wichtig, dass unsere Personalstruktur sowohl in der Gegenwart als auch mit Blick auf künftige Entwicklungen zumindest mit den bekannten personellen Regenerationszyklen Schritt hält. Hier sehe ich gerade für die stark umworbenen und aufwendig zu qualifizierenden Fachpflegekräfte der Bereiche Intensivmedizin bereits jetzt bestehende Engpässe, die sich in der Zukunft noch verschärfen können. Eine Rolle spielt sicherlich auch das zu große Delta zwischen Dienstpostenbesetzung und tatsächlicher Personalpräsenz durch aufwendige Qualifizierungen oder familienbedingte Abwesenheiten, für die kaum Kompensationsmöglichkeiten vorhanden sind. Die vergangenen Monate haben schonungslos bestehende Lücken im Personalkörper aufgezeigt. In einer Krise, die teilweise eine Verdoppelung der Intensiv- und Beatmungskapazitäten eines Krankenhauses erfordert, wirkt ein Defizit in diesem Bereich absolut limitierend und damit fatal. Im Gegensatz zu zivilen Häusern können wir glücklicherweise auf Unterstützungsmöglichkeiten durch Sanitäts­truppe und Reservedienstleistende zurückgreifen.

WM: In welcher Weise ist das BwKrhs Ulm als Akademisches Krankenhaus der Universitätsklinik Ulm in Forschungsprojekte im Zusammenhang mit Covid-19 eingebunden? 

Oberstarzt Dr. Ahrens: Bereits im Frühling 2020 haben wir uns intensiv in der klinischen Forschung mit dem Corona-Virus beschäftigt. Vor allem durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Fachärzte des BwKrhs (zum Beispiel Pathologen, Pneumologen, Internisten und Hämato-Onkologen) mit der Universitätsklinik konnten wichtige Erkenntnisse zu den Auswirkungen einer Covid-19 Erkrankung auf die Lunge gewonnen werden. Die Studienergebnisse wurden international und national zeitnah publiziert. Daraus ergaben sich weitere Kooperationen und schließlich auch die Möglichkeit, dem Studienzentrum des Deutschen Obduktionsregisters Covid-19 beitreten zu können. Zudem tragen wir aktuell weitere Covid-Studienergebnisse aus dem Sanitätsdienst zusammen und wollen diese mit den beteiligten Häusern als Gesamtschau publizieren.

Impfung in Zeiten von Corona
Impfung in Zeiten von Corona
Quelle: BwKrhs Ulm

WM: Kann in der aktuellen Situation zusätzlich zu den herausfordernden Aufgaben eine kontinuierliche Aus-, Fort- und Weiterbildung für Sanitätsoffiziere, Sanitätsoffizieranwärter und medizinisches Assistenzpersonal gewährleistet werden? 

Oberstarzt Dr. Ahrens: Die Einschränkungen durch Corona sind natürlich auch in der Aus-, Fort- und Weiterbildung zu spüren. Lehrveranstaltungen für Studenten und Fortbildungen für Mitarbeiter finden in reduziertem Umfang und verringerter Teilnehmerzahl statt. Nach anfänglichen Herausforderungen haben wir erfolgreich Maßnahmen hinsichtlich Planung, Organisation und Verteilung von Räumlichkeiten ergriffen, die eine Durchführung derartiger Veranstaltungen sicherstellen.

Auch digitale Formate werden von uns mit großem Erfolg genutzt und weiterentwickelt, um vor allem den studentischen Unterricht durchzuführen.

WM: Kann für derartige Maßnahmen auf ein Netzwerk, bestehend etwa aus weiteren Lehrkrankenhäusern der Universität oder vergleichbaren Einrichtungen, zurückgegriffen werden? Gibt es einen personellen Austausch mit anderen Kliniken?

Oberstarzt Dr. Ahrens: Durch den Status als Akademisches Krankenhaus der Universität Ulm haben wir die Verpflichtung, Lehrtätigkeiten für Studenten zu erbringen. Im Gegenzug können wir IT-Dienstleistungspakete der Universität Ulm für Forschung und Lehre nutzen oder Professoren der Universität Ulm halten Vorträge zu unterschiedlichen Themen im BwKrhs Ulm. Neben einer Vernetzung in nationalen medizinischen Fachgesellschaften absolvieren Sanitätsoffiziere mit dem Ziel des Erfahrungsaustausches Weiterbildungsabschnitte in zivilen Kliniken.

Über deutschlandweite Forschungskooperationen wird aktuelles medizinisches Wissen aktiv vermittelt und natürlich auch aufgenommen. Diese Interaktion ist enorm wichtig für den Standort Ulm und den Sanitätsdienst insgesamt. Zudem treiben wir gerade Forschungskooperationen mit BG-Kliniken (beispielsweise Murnau, Tübingen und Ludwigshafen) sowie der UniBwM im Bereich der Traumaforschung voran. Neben mittelfristiger Forschung von Sanitätsoffizieren in diesen Einrichtungen könnte sich langfristig daraus auch ein Austausch in Fort- und Ausbildungsfragen entwickeln.

WM: Was bedeutet der Status eines Akademische Krankenhauses der Universitätsklinik für die Versorgung der Patienten? Wie stellt sich die Kooperation mit der Universitätsklinik im Detail dar? 

Oberstarzt Dr. Ahrens: Forschung und Lehre ist der essenzielle Baustein für den Erhalt des Status Akademisches Krankenhaus der Universitätsklinik Ulm. Diese akademische Verbindung, insbesondere in der Forschung, besteht seit über 30 Jahren und hat in den letzten 15 Jahren durch zahlreiche Studien, Gründungen universitärer klinischer Forschungszentren und Forschergruppen sowie der Durchführung von Sonderforschungsvorhaben nochmals enorm an Bedeutung gewonnen. Neben den bereits erwähnten Forschungsaktivitäten zu Corona und der Kooperation mit dem Lehrstuhl für Informatik der UniBwM mit dem Ziel der synergetischen Verbindung von Simulation, Sensorik und Traumaforschung sowie der inhaltlichen Unterstützung des neuen Studienganges „Medizinische Informatik“, ist vor allem die klinische Traumaforschung zu nennen. Weitere Impulse für die systematische Entwicklung künftiger Hochschullehrer als Klinische Direktoren verspreche ich mir von der kürzlich erfolgten Einrichtung eines Forschungs- und Wissenschaftsmanagementes, das auf dem besten Weg ist, sich auf dem Campus Oberer Eselsberg in Ulm zu etablieren.

Dies ist eine hervorragende Basis für eine anhaltende Zusammenarbeit und Partnerschaft mit der Universität Ulm. Wir wollen nicht nur die bisherigen Kooperationen vertiefen, sondern uns mit Know-how, zusätzlichen Ressourcen und eigener Forschungsagenda im Rahmen der Multidimensionalen Traumawissenschaften in Ulm (MTW) positionieren. Mittelfristig muss es unser Ziel sein, als forschungsstarkes, aktiv handelndes Mitglied des Uni Campus Ulm auf universitärem Niveau – und damit auf Augenhöhe – zu agieren.

Rezertifizierung der Stroke-Unit der Klinik für Neurologie
Rezertifizierung der Stroke-Unit der Klinik für Neurologie
Quelle: Bwkrhs Ulm

WM: Das BwKrhs ist unter anderem auch für seine traumatologische Notfallversorgung bekannt. Dazu wird ein am Krankenhaus stationierter Rettungshubschrauber durch medizinisches Personal besetzt. Gibt es in diesem Bereich neue Entwicklungstendenzen? 

Oberstarzt Dr. Ahrens: Seit November 1971 steht am BwKrhs Ulm ein Rettungshubschrauber zur Notfallversorgung der Bevölkerung in der Region zur Verfügung, womit Ulm der zweitälteste Standort dieser Art in Deutschland ist. Die Bell UH-1D mit dem Rufnahmen „SAR Ulm 75“ wurde 2003 im Rahmen einer Kooperation mit der ADAC Luftrettung gGmbH durch den „Christoph 22“ abgelöst, während Notärzte und Notfallsanitäter unverändert aus der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie (AINS) unseres BwKrhs kommen.

Tatsächlich sind von unserer Hubschrauberstation in diesen 50 Jahren zahlreiche Innovationen im Bereich der prähospitalen Notfallmedizin ausgegangen. So hat „Christoph 22“ beispielsweise seit letztem Sommer Erythrozytenkonzentrate und Gerinnungsfaktoren zur unmittelbaren Versorgung schwerstverletzter Patienten bereits an der Einsatzstelle an Bord.

Darüber hinaus ist das BwKrhs auch an anderen Stellen in die Notfallmedizin eingebunden. Wir besetzen zwei Rettungswagen und einen Intensivtransportwagen in Kooperation mit in Ulm tätigen Hilfsorganisationen und dem benachbarten Universitätsklinikum. Um den im Rahmen der Covid-19-Pandemie stark beanspruchten Intensivtransport zu entlasten, stellt das BwKrhs auf Bitten des baden-württembergischen Innenministeriums arbeitstäglich einen weiteren Intensivtransportwagen, der personell aus der Klinik für AINS besetzt wird. Zusätzlich waren Teams an Evakuierungsflügen aus Bergamo beteiligt und das Haus hat Covid-Patienten aus Frankreich und aus anderen Regionen in Deutschland übernommen, als die Kliniken dort überlastet waren.

WM: Wie bewerten Sie die derzeitige Infrastruktur des Bundeswehrkrankenhauses? Welche Baumaßnahmen wurden gerade abgeschlossen, welche sind aktuell geplant? 

Oberstarzt Dr. Ahrens: Das BwKrhs Ulm besticht durch eine klar strukturierte Architektur mit kurzen Wegen und kompakter Bauweise. Aufgrund der Verortung auf dem Gelände und geschickt gewählter Positionierung von Technik- und Versorgungssträngen war und ist eine Weiterentwicklung und Instandhaltung im laufenden Betrieb möglich. Daher sind Bau- und Investitionsrückstande erstaunlich gering und die Infrastruktur wirkt trotz ihrer 40 Jahre überraschend frisch.

In den letzten Jahren erfolgte die Renovierung des Bettenhauses sowie die Neustrukturierung und Erweiterung des Highcare-Bereiches mit der Zentralen Interdisziplinären Notaufnahme und des OP-Traktes. Zuletzt wurde der ab Sommer 2021 in Betrieb gehende Hubschrauberdachlandeplatz fertiggestellt, womit zentrale Forderungen für den Patiententransport aus dem Schwerstverletzungsartenverfahren (SAV) erfüllt werden können.

In den kommenden Jahren stehen weitere große Bauprojekte wie der Neu- und Erweiterungsbau des Ambulanztraktes, ein erstmals eigenständiges Stabs- und Verwaltungsgebäude, eine separat auf dem Campus untergebrachte Psychiatrie, ein Parkhaus, eine neue Truppenunterkunft sowie eine Vergrößerung der Kindertagesstätte an.

Die vorhandene Grundsubstanz ermöglicht ein notwendiges Wachstum des BwKrhs Ulm in den kommenden 10–15 Jahren.

WM: In Ihrer Vorverwendung als Leiter der Referatsgruppe Sanitätsdienst im BMVg waren Sie unter anderem für die Trägerschaft und Weiterentwicklung der BwKrhs zuständig. Würden Sie heute, als Kommandeur und Ärztlicher Leiter eines BwKrhs, sich rückblickend wünschen, Entscheidungen anders getroffen zu haben? Wie macht sich ein sicherlich nachvollziehbarer Perspektivwechsel bemerkbar? 

Oberstarzt Dr. Ahrens: Ich glaube wir alle sind in der laufenden Krise mit ausreichend Menschen konfrontiert, die rückblickend vieles besser wissen. Darüber hinaus muss ich einräumen, dass ich mich während der kurzen Verwendungsdauer als Gründer und Leiter von FüSK San vor allem operativen Aufgaben gewidmet habe. Dazu gehörte beispielsweise die Beratung der Leitungsebene des BMVg zu Entwicklungen des Pandemiegeschehens und Firmierung als Bindeglied zu unserem Inspekteur, dem militärischen Führer dieser Gesundheitslage.

Trotzdem bin ich mir heute sicher, dass wir hier in Ulm die erste Pandemiewelle auch mit etwas geringeren Einschränkungen des Elektivbetriebs bewältigt hätten. Aber wie bereits angedeutet: Mit dem Wissen von heute lässt sich das leichter bewerten und der erfolgreiche Switch auf Intensivversorgung und zurück zum Elektivbetrieb, den ich hier in den ersten Wochen meiner Kommandeurszeit erleben durfte, hat mir allerhöchsten Respekt und großes Vertrauen in mein Personal beschert.

WM: Sehen Sie Arbeit in Ihrem vorherigen Verantwortungsbereich als Vorteil? 

Oberstarzt Dr. Ahrens: Ich glaube und hoffe, dass dieser beständige Perspektiv- und Ebenenwechsel, den unser Verwendungsaufbau als Sanitätsoffizier im Bereich der Führung und des Managements im Sanitätsdienst vorsieht, uns gut auf solche Aufgaben vorbereitet. Gleichzeitig weiß ich, dass ich hier nicht nur eine großartige Aufgabe wahrnehmen darf, sondern auch eine sehr große Verantwortung trage. Insofern gehe ich einerseits mit Respekt und Demut an diese Aufgabe heran, genieße aber andererseits auch jeden Tag mit diesem tollen Ulmer Team.

WM: Wie sehen Sie die strategische Ausrichtung Ihres Hauses und wie ist die Abstimmung mit den anderen BwKrhs? 

Oberstarzt Dr. Ahrens: Die strategische Ausrichtung des BwKrhs Ulm ist untrennbar mit dem Systemverbund aller BwKrhs verbunden, die bezüglich ihres Spektrums und der erreichten Exzellenz über eine einsatzrelevante „All-Organ-Kompetenz“ verfügen, was in der Praxis eine Versorgung auf universitärem Niveau bedeutet. Das erfordert eine umfassende, breite Qualifizierung unseres Personals, um allen Anforderungen gerecht zu werden. Wir erreichen das durch interdisziplinäre Behandlungszentren, mit denen das Arbeiten und Ausbilden über die Fächergrenzen hinweg möglich ist.

Als Krankenhaus der Maximalversorgung ist der Großteil unserer Betten im baden-württembergischen Landesbettenplan verankert. So tragen wir Verantwortung für die medizinische Versorgung der Bevölkerung und investieren damit in die nationale Sicherheits- und Daseinsvorsorge.

WM: Wo sehen Sie die zukünftigen größten Herausforderungen – für Ihr Haus, aber auch übergreifend für alle BwKrhs? 

Oberstarzt Dr. Ahrens: Die derzeitige Ausgestaltung der BwKrhs legt den Schwerpunkt noch auf die Erfordernisse des internatio­nalen Krisenmanagements. Bedrohungsanalysen gehen jedoch zukünftig von parallelen Einsatzszenarien unterschiedlicher Intensität aus, die sich räumlich nicht eingrenzen lassen. Neben klassischen traumatologischen und notfallmedizinischen Verletzungsmustern werden durch ABC-Kampfstoffe verursachte Schädigungen auftreten, die hochmobile geschützte Rettungsketten und spezifische Fachlichkeit in der klinischen Versorgung erfordern.

Das wichtigste Kapital als BwKrhs sind unsere hervorragend qualifizierten Mitarbeiter. Mit Blick auf absehbare demographische Entwicklungen wird sich die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt im Gesundheitswesen noch erheblich verschärfen. Zur ausreichenden Personalregenerierung und -bindung stellen Gesamtkonzepte für Qualifizierung, Weiterbildung und Förderung aber auch attraktive Arbeitsbedingungen und -umgebungen entscheidende Voraussetzungen dar.

WM: Welche Schwerpunkte möchten Sie in Ihrer Zeit als Kommandeur und Ärztlicher Direktor des Bundeswehrkrankenhauses Ulm setzen?

Oberstarzt Dr. Ahrens: Im Grunde genommen sind es drei Schwerpunkte denen ich ganz besondere Priorität beimesse: Personal, Digitalisierung und Vernetzung.

Mir ist es wichtig, die Motivation und Identifikation der Mitarbeiter im und mit ihrem Ulmer BwKrhs zu erhalten und zu stärken. Hochwertige medizinische Dienstleistung ist in heutiger Zeit ein Mannschaftssport. Wertschätzender, kameradschaftlicher Umgang miteinander – worauf ich großen Wert lege – muss über alle Hierarchieebenen die Regel sein.

Fehler sollen zu Verbesserungen führen und nicht zu Bestrafungen. Unsere Fehlerkultur entscheidet darüber, ob wir mutig und aktiv erfolgsorientiert vorgehen oder eher passiv, ängstlich mögliche Misserfolge zu vermeiden suchen. In meinen Entscheidungen möchte ich die Kompetenzen und Talente meiner Mitarbeiter wo immer möglich nutzen und weiter fördern.

Wo wir bisher stellenweise nicht so gut sind ist die Digitalisierung. Hier müssen wir auch mit kleinen Erfolgen leben, ohne mit diesen allzu sehr zufrieden zu sein. Die wichtigsten nächsten Schritte sind ein Krankenhausinformationsmanagement und ein Krankenhaus-WLAN.

Von der bereits erwähnten intensiveren Zusammenarbeit mit der UniBwM und der Universität Ulm verspreche ich mir auch künftig eine Teilhabe an universitärer Forschung und Lehre, möglichst als starker Partner auf einem gemeinsamen Campus Oberer Eselsberg. Ziel der Kooperationen mit BG-Kliniken sind Synergieeffekte, beispielsweise im Bereich der Rehabilitation.

Ich denke es wird deutlich, dass es hier in Ulm nicht langweilig wird und ich freue mich über meine Aufgabe immer noch wie am ersten Tag. Trotzdem gebe ich ehrlich zu, dass mich die Verantwortung für die Sicherheit meiner Mitarbeiter und Patienten manchmal auch in der Nacht beschäftigt. Ich denke hier konkret an die stetige Weiterentwicklung unserer Schutzmaßnahmen im Spannungsfeld zwischen Nutzen, Erfordernis und Zumutbarkeit. Aber auch an die Organisation und etwas schleppende Durchführung der Impfungen, die mir wie vielen in Deutschland natürlich viel zu langsam geht.

WM: Herr Oberstarzt, vielen Dank für das Gespräch und für Ihre weitere Tätigkeit hier in Ulm alles Gute!


Anmerkung der Redaktion: Zum Zeitpunkt des Interviews war Herr Dr. Ahrens noch Oberstarzt. Kurze Zeit später erfolgte die Beförderung zum Generalarzt.  


Verwandte Artikel

„Der Sanitätsdienst muss in der Lage sein, medizinische Einsätze zu führen und ist ein wichtiger Akteur in gesundheitlichen Krisenlagen.“

„Der Sanitätsdienst muss in der Lage sein, medizinische Einsätze zu führen und ist ein wichtiger Akteur in gesundheitlichen Krisenlagen.“

"Ein russischer Angriff auf NATO-Gebiet ist keine abstrakte Möglichkeit mehr, sondern eine reale Gefahr. Nach unseren Analysen hat Russland seine Streit- kräfte in fünf bis acht Jahren so rekonstituiert, dass sie NATO- Territorium angreifen...

Wehrmedizin und Wehrpharmazie 3/2024

Die roboter-assistierte Operation des Thoraxmagens: Retrospektive Analyse einer Fallserie aus dem Bundeswehrkrankenhaus Ulm

Die roboter-assistierte Operation des Thoraxmagens: Retrospektive Analyse einer Fallserie aus dem Bundeswehrkrankenhaus Ulm

Beim Thorax- oder Upside-Down-Magen handelt es sich um die maximale Ausprägung einer paraösophagealen Hernie mit kompletter Verlagerung von Magen und peritonealem Bruchsack nach mediastinal.

Wehrmedizinische Monatsschrift 7-8/2024

„Die Zeitenwende betrifft den Fachbereich Zahnmedizin als Ganzes.“

„Die Zeitenwende betrifft den Fachbereich Zahnmedizin als Ganzes.“

WM: Sehr geehrter Herr Oberstarzt, seit etwas mehr als eineinhalb Jahren vertreten Sie den Fachbereich Zahnmedizin nach innen und nach außen. Wie ist die aktuelle Lage, was hat sich seit dem Amtsantritt als Leitender Zahnarzt der Bundeswehr...

Wehrmedizin 2/2024

Meist gelesene Artikel