Einsatz- und Cyberpsychologie – Projektbezogene Kooperation von Militärpolizei und Bundeswehruniversität

R. Gorzka, Tobias Hoffmann, P. Y. Herzberg

Einleitung

Kooperationen zwischen Praxis und Wissenschaft führen nachweislich zu höheren Innovationserfolgen für die Truppe und sind für Bundeswehruniversitäten ein wesentlicher Hebel, um zur Qualitätssteigerung der Forschung und Lehre beizutragen. Nur im strukturierten Fachaustausch zwischen Forschung und verwendungsspezifischer und auf die Bedarfsträger ausgerichteter Ausbildungspraxis kann es gelingen, Erkenntnisse der Wissenschaft hinsichtlich der Praxisrelevanz einzuschätzen, aufzugreifen und z. B. in Ausbildung von Feldjägerkräften mit spezialisierten Fähigkeiten zu überführen. Umgekehrt dient die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft dazu, Herausforderungen der Praxis zu kommunizieren, um so Forschung anzuregen. Für einen solchen wechselseitigen und produktiven Fachaustausch braucht es, neben der Erkenntnis der Notwendigkeit, das gemeinsame Gestalten von Projekten und Studien mit Universitäten der Bundeswehr und anderen Partnern, wie beispielsweise den Polizeien der Länder und des Bundes.

Vor diesem Hintergrund ist es dem Kommando Feldjäger der Bundeswehr, Fachbereich Truppen- und Einsatzpsychologie sowie der Arbeitsgruppe Einsatz- und Cyberpsychologie gelungen, einen dauerhaften Fachaustausch in Form eines Kooperationsvertrages mit der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr zu vereinbaren. An der feierlichen Zeremonie nahmen geladene Vertreter der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg/Universität der Bundeswehr Hamburg, des Aufgabenbereichs Feldjägerwesen der Bundeswehr (AufgBer FJgWesBw), der Arbeitsgruppe Einsatz- und Cyberpsychologie, des Karriere Centers der Bundeswehr in Hannover sowie des Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport teil.

So bietet diese Kooperation einen Rahmen für Qualifikationsarbeiten und Diskussionen über ausbildungsrelevante Aspekte der Resilienz für Feldjägerkräfte mit spezialisierten Fähigkeiten, sowie weitere Ausbildungsthemen mit dem Ziel Weiterentwicklung und Optimierung der Ausbildung zu fokussieren. Des weiteren wird neben der Cyberpsychologie und dem Changemanagement auch ein intensiver Austausch zu aktuellen psychologischen Themen aus dem Bereich der Cyberkriminologie angestrebt. Ergebnisse sollen als praktische Implikationen für die an Kooperationen zwischen Wissenschaft und Praxis direkt bzw. indirekt Beteiligten abgeleitet werden.

Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung durch Brigadegeneral Sandro Wiesner...
Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung durch Brigadegeneral Sandro Wiesner und den
Präsidenten der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg/Universität der Bundeswehr Hamburg,
Prof. Dr. Beckmann
Quelle: Kai-Axel Döpke

Gegenstand der Kooperationsvereinbarung

Dabei wird die Einsatzpsychologie als Teilgebiet der angewandten Psychologie verstanden, die einen konzeptionellen Rahmen für das breitgefächerte Aufgabenfeld von Psychologinnen und Psychologen im sicherheitsrelevanten Betätigungsbereich bieten soll. Neben der einsatzpsychologischen Führungsberatung wird der Erhalt und die Steigerung mentaler Einsatzbereitschaft (Resilienz) von Feldjägerkräften mit spezialisierten Fähigkeiten fokussiert. Eine Steigerung der Resilienz ist ein Ziel, welches durch die Integration des Resilienzkonzeptes in die Ausbildungen erreicht werden soll. Das Resilienzkonzept für Feldjägerkräfte mit spezialisierten Fähigkeiten basiert auf Erkenntnissen, die während der Ausbildung in den jeweiligen Spezialisierungen bei Feldjägern und Polizeien gesammelt und praxisorientiert ausgewertet wurden. Es beschreibt aktiv wirkende und psychologisch relevante Faktoren, die maßgeblich die psychische Widerstandsfähigkeit bedingen.

Darüber hinaus bietet die Einsatzpsychologie grundsätzlich weitere Themen- und Betätigungsfelder, wie z. B.:

  1. Potentialeinschätzung Feldjägerkräfte mit spezialisierten Fähigkeiten,
  2. Krisenmanagement im Sinne psychologischer Einsatzunterstützung bei Großeinsätzen oder bei Bedrohungs- und Verhandlungslagen,
  3. psychologische Ermittlungsunterstützung und Kriminalprävention,
  4. psychologische Risikoeinschätzung von potenziellen Gefährderinnen und Gefährdern,
  5. psychologische Aspekte des Zeugen- und Opferschutzes,
  6. Umgang mit größeren Menschenansammlungen unter psychologischen Gesichtspunkten,
  7. Umgang mit psychisch gestörten Personen,
  8. psychologische Aspekte bei Geiselnahmen,
  9. psychologische Aspekte bei schwerster Gewaltkriminalität, Kapitaldelikten, Terrorismus, Cyberkriminalität,
  10. psychologische Aspekte des Gewahrsamswesens,
  11. Vernehmungstechniken,
  12. Deeskalationsstrategien,
  13. Überprüfung der Glaubwürdigkeit von Zeugenaussagen,
  14. operative Fallanalyse,
  15. psychologische Aspekte der Digitalisierung im militär-polizeispezifischen Kontext und einsatzpsychologische Begleit­forschung.

Cyberpsychologie und ihre wissenschaftlichen Ausläufer sind Anwendungsbereiche in der Psychologie, welche aufgrund der zunehmenden Digitalisierung in allen Lebensbereichen und somit auch in der Kriminalitätsbekämpfung immer größere Bedeutung gewinnen. Dieser moderne Forschungszweig, welcher die psychischen Vorgänge und Verhaltensweisen im Kontext der Mensch-Maschine-Interaktion (Human-Computer-Interaction = HCI) zu beschreiben versucht, untersucht ebenso die Fortsetzung des physischen Selbstkonzeptes im digitalen Raum und in der virtuellen Realität.


Brigadegeneral Sandro Wiesner spricht zu geladenen Gästen im Rahmen der...
Brigadegeneral Sandro Wiesner spricht zu geladenen Gästen im Rahmen der feierlichen Unterzeichnung
der Kooperationsvereinbarung
Quelle: Kai-Axel Döpke

Im militärpolizeilichen Kontext könnte dies vor allem in den Bereichen des allgemeinen Handlungs- und Verhaltenstrainings eine gewichtige Rolle einnehmen. So kann beispielweise Virtuelle Realität (VR)-Technologie genutzt werden, um die bisherige Ausbildung zu optimieren. Handlungskern-, taktisch-operative und Stress- sowie Resilienzkompetenzen stehen als Ausbildungsinhalte im Vordergrund. In diesem Zusammenhang seien besonders die Phänomene Immersion und Presence im Fokus der einsatz- und cyberpsychologischen Betrachtung. Auch das Changemanagement, also die Umstellung der Ausbildungsstruktur auf neue Ausbildungsmethoden bedarf einer wissenschaftlichen Begleitung, um den maximalen Erfolg zu erzielen.

Ein weiterer Ausläufer der Cyberpsychologie ist das Forschungsfeld der Cyberkriminologie. Grundlage hierfür liefert ein mehrteiliges Modell, das zum einen in den Cyberraum verlagerte, konventionelle Kriminalität, darunter fallen Betrug, Bullying bzw. Mobbing, Kinder- und Jugendpornografie sowie Erpressung, und zum anderen gezielte Angriffe über das Internet, wie beispielsweise Cyberspionage, Cybersabotage sowie Social Engineering, darlegt.

Ergänzend dazu versucht mit wissenschaftlichen Methoden das Feld der Social Media Intelligence (SOCMINT) die Identifizierung, Validierung, Sammlung und Analyse von Daten und Informationen aus den sozialen Medien zu beschreiben. Auch hierbei handelt es sich um ein Forschungsfeld, welches eine rasant wachsende Gewichtung in der Kriminalitätsbekämpfung generiert. Verhaltensmuster, Gruppierungen sowie Absichten von Einzelpersonen und Gruppen können präzise analysiert werden und ermöglichen ein zielgerichtetes, situationsangepasstes Verhalten. Ein zusätzlicher Benefit der Sozialen Medien sind die Echtzeitinformationen. Diese können besonders im Krisenmanagement unmittelbar und in großer Anzahl analysiert werden. SOCMINT kann ebenfalls eingesetzt werden, um die Resilienz gegenüber Ereignissen oder Problemen, die zur Störung der Sicherheit beitragen, zu steigern. Mit wissenschaftlichen Methoden kann ein Verständnis für Phänomene und zukünftige Entwicklungen beschrieben werden.

Zusammenfassung

Im Sinne des Qualitätsmanagements erscheint es substanziell, die einsatz- und cyberpsychologischen Betätigungsfelder und Forschungsergebnisse aus dieser Zusammenarbeit sowie praxisrelevante Ausbildungsmethoden in der lehrgangsgebundenen Ausbildung und in der Truppenausbildung – inklusive des Einsatzes immersiver Technologie wie VR – immer wieder zu reflektieren und zu validieren.

Ein Erfolg dieser Kooperation soll nicht nur für die Wissenschaft angestrebt werden, denn die Militärpolizei der Bundeswehr zeigt nicht nur den Willen sich zu optimieren, sondern setzt mit ihrer Pionierarbeit ein klares Zeichen. Angeführte Themen bekommen in den jeweiligen Ausbildungen im AufgBer FJgWesBw eine steigende Gewichtung. Mit einer Qualitätssteigerung der erworbenen Kompetenzen trägt jeder Feldjäger umso mehr und unmittelbar zur Erfüllung der „Mission Possible“ bei. 

Dieser Beitrag erscheint parallel im Fachmagazin Crisis Prevention 4/2024.


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