19.05.2025 •

Das Multinational Medical Coordination Centre - ­Europe (MMCC-E) in der Zeitenwende 2.0

R. von Uslar

Die sicherheitspolitische Lage ist in den letzten Monaten noch herausfordernder geworden, als sie bereits seit 2014 respektive 2022 war. Europa muss seine Verteidigungsfähigkeit umfassend selbst in die Hand nehmen, um durch Abschreckung Frieden in Freiheit zu erhalten. Zurecht wird eine Zeitenwende 2.0 gefordert. Notwendig ist, neben nationalen Bemühungen, eine effiziente militärische Zusammenarbeit der europäischen Nationen – ­einschließlich einer leistungsfähigen sanitätsdienstlichen Unterstützung. Bereits 2018 wurde - als Antwort auf steigende Anforderungen an ein multinational abgestimmtes militärisches Gesundheitssystem - das Multinational Medical Coordination Centre-Europe (MMCC-E) auf Initiative Deutschlands ins Leben gerufen. Es dient im Bereich der sanitätsdienstlichen Koordination, Planung und Beratung sowohl den Nationen, als auch dem transatlantischen Bündnis (NATO) sowie der Europäischen Union (EU). 

Besonders im Kontext des aktuellen Medical Action Plan des Committee of the Chiefs of Military Medical Services in NATO (COMEDS) kommt dem MMCC-E eine Schlüsselrolle zu. Mit Hilfe des Werkzeugs des Operational Design plant und steuert das MMCC-E seine Aktivitäten für EU und NATO. Flaggschiff zur Überprüfung und Weiterentwicklung der multinationalen sanitätsdienstlichen Kooperation ist die Übungsserie CAMO (Casualty Move), wobei der diesjährige Durchgang CAMO25 hinsichtlich der Anzahl der beteiligten Nationen die größte militärische Übung in Deutschland darstellt.

Das Multinational Medical Coordination Centre - ­Europe (MMCC-E) in der...

Hintergrund und Entstehung des Multinational Medical ­Coordination Centre-Europe (MMCC-E)

Nach dem Angriff Russlands (RUS) auf die Ukraine (UKR) in 2014 wurde die NATO Strategie auf die neuen Risiken adaptiert; die Mitgliedsländer folgten diesem Ansatz in ihren nationalen Grundlagendokumenten. Somit steht im Fokus auch der deutschen (DEU) Streitkräfte nicht mehr wie in den letzten 25 Jahren das Internationale Krisenmanagement (IKM), sondern die Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV). Multinationalität in Europa gewann mit dieser Verschiebung des Schwerpunktes hin zu LV/BV nochmals an Bedeutung, denn viele europäische Nationen können zwar einzelne sanitätsdienstliche Anteile in hoher Qualität stellen, aber keine vollständige Rettungskette. Mit dem Framework Nations Concept (FNC) brachte Deutschland (DEU) 2015 die Idee ein, in bestimmten Fähigkeiten (cluster) mit einer Rahmennation an der Spitze, die bits and pieces der Nationen zu sammeln und zu koordinieren. DEU ist seitdem die Framework Nation u.a. für Medical Support (MedSpt, sanitätsdienstliche Unterstützung). Aus dem FNC-Cluster MedSpt entstand die Idee, diese wichtigen Arbeiten nicht als Nebenaufgabe, sondern in Vollzeit in einem kleinen, aber schlagkräftigen Team durchzuführen. Katalysiert durch die klare Absichtserklärung von zunächst 10 Nationen sowie einem EU-Projekt der permanenten, strukturierten Zusammenarbeit (PESCO-Project European Medical Command (EMC)), als auch der DEU strukturellen Unterstützung aus der ‚Trendwende Personal‘ konnte das MMCC-E realisiert werden, zunächst als MMCC/EMC bezeichnet. Heute wird das MMCC-E von 20 Nationen als aktive Mitgliedsländer getragen, vier weitere Nationen sind in einem Gaststatus (Abbildung 1); im März 2025 konnte die Schweiz als participating nation begrüßt werden, nun hat Finnland einen Antrag auf Vollmitgliedschaft gestellt. 

Das in KOBLENZ stationierte MMCC-E ist ein Dienststellensegment des Kommandos Sanitätsdienst der Bundeswehr (ab 1. April 2024: des Kommandos Gesundheitsversorgung der Bundeswehr) und verfügt über Personal aus sieben Nationen: Frankreich (FRA), Niederlande (NLD), Belgien (BEL), Luxemburg (LUX), Slowakei (SVK) und Ungarn (HUN) sowie DEU. In der zweiten Jahreshälfte 2025 wird zusätzlich ein polnischer (POL) Stabsoffizier erwartet. Das MMCC-E hat folgende Aufgaben:
1.  Supporting multinational medical coordination efforts,
2.  Improving readiness of medical C3 (command, control, consultation) and preparedness,
3.  Improving medical civil-military interaction,
4.  Coordinating medical capability enhancement.
Das MMCC-E versteht sich mithin als Effizienzgetriebe zwischen den Sanitätsdiensten in Europa. Daher steht der Auftrag der coordination ganz oben – bereits im Namen. Wesentlicher Mehrwert für die Nationen ist das MMCC-E als eine Plattform, die den niedrigschwelligen Austausch erlaubt.

Sanitätsdienstliche Funktionalität im Einsatz hängt insbesondere von der (multinationalen) Führungsfähigkeit ab. Diese stellt typischerweise in allen militärischen Sanitätsdiensten eine Schwachstelle dar; nicht zuletzt, weil dabei auch die Brücke zu zivilen Leistungserbringern geschlagen werden muss. Dieser Aspekt der zivil-militärischen Kommunikation wird in der NATO mit dem Begriff der consultation adressiert, die das klassische C2 (command & control) zu C3 (im Kontext: MedC3) ergänzt. Wir im MMCC-E kümmern uns daher insbesondere um MedC3-Fragen und versuchen, durch Übungen vorhandene Führungs- und Steuerungskonzepte fortzuentwickeln und die Kompetenzen zu erhöhen.

Die Verzahnung ziviler und militärischer Fähigkeiten stellt in Frieden, Krise und Krieg für die gesamten Streitkräfte einen entscheidenden Aspekt dar; dies gilt umso mehr für die Sanitätsdienste. Medical civil-military interaction ist schon national ein hochkomplexes Feld; in der Lage als ‚Drehscheibe DEU‘ kommt aber noch eine multinationale Komponente dazu. Auch hier ist das MMCC-E als Plattform gefragt, was insbesondere Informationen über Funktionsweisen und Ansprechpartner der Gesundheitssysteme in Europa systematisiert und zur Verfügung stellt.

Eine europäische Herausforderung ist es, dass annähernd jede Nation eigene Fähigkeiten beschreibt, entwickelt, rüstet – was hinterher wieder mühsam zu etwas Interoperablem zusammengefügt werden muss; so u.a. im modular approach des Bündnisses, bei dem versucht wird, einzelne Module verschiedener Nationen zu funktionierenden Behandlungseinrichtungen zusammen zu fügen. Klüger ist es, capabilities gemeinsam (weiter) zu entwickeln. Dazu führt das MMCC-E Workshops durch, um das Verständnis von Notwendigkeiten und Chancen zu verbessern sowie die konzeptionellen Vorstellungen multinational zu harmonisieren mit dem Ziel, auch Beschaffungen zukünftig zu vereinheitlichen.

Abbildung 1: Nationen des MMCC-E
Abbildung 1: Nationen des MMCC-E

Medical Action Plan

Vor dem Hintergrund der russischen Vollinvasion der Ukraine entwickelte die NATO im Jahr 2024 den sogenannten Medical Action Plan des Committee of Chiefs of Medical Services (COMEDS) als Antwort des Bündnisses auf die im Medical Manifesto identifizierten Schwachstellen. Der Medical Action Plan adressiert die folgenden Strategic Action Items:
1.  Regulatory Frameworks and Legislation,
2.  Workforce Shortages,
3.  Mass Casualty Planning,
4.  Patient Evacuation and
5.  Medical Logistics.
Das erste Handlungsfeld Regulatory Framework and Legislation bezieht sich auf zu schaffende, grenzüberschreitende Regularien, die nicht (wie bisher) die Zusammenarbeit behindern, sondern erleichtern sollen. Darunter fällt unter anderem das sogenannte credentialing, das die formale Kompetenzzuschreibung der in den Gesundheitssystemen Tätigen festlegt. Hier gibt es grenzüberschreitend regelmäßig Ablagen, da gerade im nicht-approbierten Bereich die EU-Harmonisierung noch nicht sehr weit fortgeschritten ist.

Workforce shortages beschäftigen alle militärischen Sanitätsdienste in den Bündnissen NATO und EU bereits im Frieden; in den meisten Fällen noch erheblich intensiver als im Sanitätsdienst der Bundeswehr (SanDstBw). In Krise und Krieg wird es umso herausfordernder, erforderliche Kompetenzen in erforderlichen Quantitäten bereit zu haben. Ein Lösungsansatz ist hier, verstärkt Nicht-Sanitätspersonal in einer sanitätsdienstlichen Zweitrolle zu qualifizieren, um originäres Fachpersonal zu entlasten. Bekanntes DEU Beispiel ist die Zweitrolle der Militärmusiker als Unterstützungspersonal im SanDstBw. In jedem Fall ist verstärkte Ausbildung der Schlüssel zur Mitigation des bestehenden Fehls an kompetentem Personal.

Im dritten Bereich des Mass Casualty Planning geht es grundsätzlich um Vorbereitung, insbesondere Planungen in den Gesundheitssystemen auf zu erwartende große Patientenzahlen in einem Krieg an der Ostflanke der NATO/EU. Militärische, aber auch zivile Leistungserbringer – nicht nur im klinischen Bereich – müssen planerische Vorsorge treffen, um die nötige Resilienz für Krise und Krieg bereit zu halten. Derartige Planungen müssen auf den militärischen Annahmen und Operationsplänen (für das Inland: OPLAN DEU) beruhen und zivil-militärisch abgestimmt sein.

Das vierte strategische Feld des Medical Action Plans Patient Evacuation fokussiert auf den Patiententransport in einem Krieg. Hier sind Fragen der Transportmittel, -organisation und -steuerung zu klären. Erneut ein Bereich, der militärische und zivile Fähigkeiten gleichermaßen betrifft. Diese Aufgaben sind erstmalig als multinational beschrieben, da sie – Gegensatz zu IKM-Einsätzen – in der BV nicht effizient national betrieben werden können.

Das abschließende Handlungsfeld Medical Logistics beschreibt ebenfalls ein Thema, das bisher aus NATO-Sicht in rein nationaler Zuständigkeit lag. Nunmehr ist aber evident, dass bei der vorhandenen Verzahnung von multinationalen Fähigkeiten auch die Sanitätsmateriallogistik sich multinationalisieren muss. Wie groß diese Aufgabe ist, wird deutlich, wenn man sich den Verbrauch an Einzelverbrauchsgütern Sanitätsmaterial (EVG SanMat) bei einem Kategorie-A-Patienten durch die Rettungskette hindurch vor Augen führt – ca. 100 kg.

Abbildung 2: Lines of Effort im OpsDesign MMCC-E
Abbildung 2: Lines of Effort im OpsDesign MMCC-E

Operational Design des MMCC-E für EU und NATO

Wie kann dieser Medical Action Plan nun als Grundlage für die Aktivitäten des MMCC-E genutzt werden? Mit Hilfe des Werkzeugs des Operational Designs! Das Format des Operational Designs (OpsDesign) ist ein NATO-Standard aus dem Handbuch zur operativen und strategischen Planung, der Comprehensive Operational Planning Directive (COPD). Ziel des OpsDesign ist es, abstrakte und zugleich meist komplexe Operationspläne zu veranschaulichen. Grundsatz ist dabei, dass der Denkprozess vom Desired End State ausgeht, der in einzelne Objectives (Obj) heruntergebrochen wird, die wiederum durch sogenannte Lines of Effort (LoE) adressiert werden. Im Kern wird damit der Clausewitz’sche Ansatz der Zweck-Ziel-Mittel-Relation umgesetzt.

Der Desired End State in unserem MMCC-E OpsDesign (Abbildung 2) ist als ein leistungsfähiger, funktionaler multinationaler Sanitätsdienst in allen (denkbaren) Operationen definiert: Functional MN Medical System for all Operations. Im ersten strategischen Feld des Medical Action Plans, Regulatory Framework and Legislation, könnte MMCC-E ebenfalls einen Beitrag leisten, z.B. durch Schaffung eines Lagebildes der Nationen. Dies steht allerdings aktuell nicht im Fokus. Das zweite Themenfeld, Workforce Shortages, haben wir positiv umformuliert und als ein Ziel (objective (Obj)) Trained Workforce in das OpsDesign aufgenommen – hierzu kann und wird MMCC-E permanent Beiträge leisten. Die strategischen Felder Mass Casualty Planning, Patient Evacuation als auch Medical Logistics können unmittelbar in die Zielsetzung des MMCC-E übernommen werden als Obj Mass Casualty Planning Functional Patient Evacuation sowie Functional Medical Logistics. Über den Medical Action Plan hinaus haben wir noch die Obj Functional MedC3 wie auch Functional (Medical) Capabilities beschrieben, die h.E. im Medical Action Plan zu Unrecht unerwähnt bleiben. Außerhalb der Denklogik des Medical Action Plans wurde ein MMCC-E eigenes Obj formuliert: Formally accepted and high Performance Entity. Diese Obj werden nun durch lines of effort (LoE) adressiert. Dabei ergibt sich, dass das Feld Functional Patient Transport durch drei LoE bearbeitet wird:
1.  durch Mitarbeit des MMCC-E an konzeptionellen NATO-Grundlagen zum Patient Flow Management,
2.  an eigenen Vorbereitungen zur Gestellung einer Reward Medevac PECC sowie
3.  der thematischen Entwicklung des Bereichs Bulk Patient Transport.
Im Bereich der konzeptionellen Grundlagen des Patient Flow Managements liegen nun die Patient Flow Management Guideline (PFMG) des Allied Command Operations (ACO) wie auch ein Entwurf eines Patient Flow Management Concept (PFMC) aus dem Allied Command Transformation (ACT) vor. Im Rahmen der Casualty Move (CAMO)-Übungsserie hat MMCC-E die Grundideen hierzu mitentwickelt und weiter verfeinert. Zusätzlich unterstützt MMCC-E auch bei der (Weiter-)Entwicklung der NATO-Übergangssoftware zur Patientensteuerung (MMP). Insgesamt sind diese Aktivitäten auch ein Beitrag zum Obj Functional MedC3.

Abbildung 3: Prinzipskizze des Patient Flow Ostflanke
Abbildung 3: Prinzipskizze des Patient Flow Ostflanke

Teil der Steuerungslogik für die Patienten von der Ostflanke ist die sogenannte Rearward Medevac PECC (RM PECC), die auf Ebene der drei Joint Forces Commands (JFC, operative Ebene im Bündnis, stationiert in BRUNSSUM, NEAPEL und NORFOLK/VA) ausgebracht wird. Von hier aus werden die multinationalen Patienten in nationale Hubs verteilt (Abbildung 3). Bemerkenswerterweise gibt es allerdings für die Fähigkeit RM PECC in den NATO Strukturen bislang keine strukturelle und personelle Vorbereitung; daher bereitet MMCC-E sich vor, im Falle des sogenannten „fight tonight!“, also des sehr kurzfristigen NATO-Einsatzes in einem BV-Szenario, mindestens für ein JFC (hier Schwerpunkt: BRUNSSUM) die RM PECC zu stellen. In den NATO-Übungen der STEADFAST DUEL (STDU)-Reihe hat das MMCC-E diese Fähigkeit bereits unter Beweis gestellt.

Das Thema Bulk PatTrsp erfordert umfangreiche Arbeiten, da bisher nur begrenzte Fähigkeiten zum Transport von derart vielen Patienten vorhanden sind. Auf Basis unserer Abschätzung von Ausfallraten (Casualty Rate Estimation (CRE)) gehen wir von 4 % Ausfällen in der Brigade pro Kampftag aus; hiervon sind ca. 75 % der Kategorie Wounded in Action (WIA), also verwundet, zuzuordnen. Bei einer Large Scale Combat Operation (LSCO) mit vielen eingesetzten Großverbänden an der NATO Ostflanke kann so die Zahl der zu transportierenden Patienten schnell vierstellig werden. Um flexibel auf operationelle Lagen reagieren zu können, wird für den Bulk PatTrsp ein Fähigkeitsmix gebraucht: Bereits in begrenztem Umfang vorhandene Patientenlufttransport-Assets müssen flankiert werden durch Großraum-Landtransport auf Straße und Schiene sowie durch entsprechenden Seetransport. MMCC-E wurde hierzu von ACO aufgefordert, mit Workshops multinationale Dokumente so zu entwickeln, dass auch derartige Fähigkeit zukünftig durch NATO-Haushaltsmittel, sog. common funding, beschafft werden können. Hierzu greifen wir auch auf bereits erarbeitete Grundlagen aus unserem letztjährigen Workshop zur Nutzung des ‚Patiententransports Schiene‘ zurück.

Mit der LoE CivMil Coordination leistet das MMCC-E einen Beitrag zum Obj Mass Casualty Planning. Ein Beispiel ist die Zusammenarbeit mit der Joint Health Group (JHG) der NATO, derjenigen zivilen Institution, die in der Regel durch Vertreter der Gesundheitsministerien gebildet ist. Weiterhin wird auf dieser Operationslinie Grundlagenarbeiten in Kenntnis und Verständnis der Nationen untereinander zu militärischen und v.a. zivilen Gesundheitssystemen geleistet. Dazu hat MMCC-E ein Datenwerk der Patientensteuerung im Spannungsbogen Frieden-Krise-Krieg für alle Mitgliedsländer zusammengetragen; dies wird aktuell um Ansprechstellen und Erreichbarkeiten zu einem echten Handbuch ergänzt – eine Übersicht, die bislang so weder in der NATO, noch in der EU vorhanden sind.

Die LoE Medical Logistics (MedLog) zielt ab auf das fast gleichnamige Ziel/Obj Functional Medical Logistics. Hier werden alle Maßnahmen zur Entwicklung von Verständnis, Verfahren und Zusammenarbeit der multinationalen SanMat-Logistik zusammengefasst. Das MMCC-E arbeitet hier eng mit dem NATO Medical Materiel and Military Pharmacy Panel (MMMP) zusammen und hat mit dem Format Paracelsus ein Werkzeug entwickelt, wie szenarbasiert die Herausforderungen der multinationalen MedLog besprochen, Lösungen entwickelt und getestet werden können. Damit wird MMCC-E einen Beitrag zur (Weiter-)Entwicklung der NATO-Grundlagendokumente MedLog Guideline, -Concept und später -Directive leisten. 

Traditionell stellen Übungen, und dabei insbesondere sogenannte Wargames, einen besonders wichtigen Anteil im MMCC-E. Diese werde in der LoE Exersice & Wargaming zusammengefasst und verbessern die Zielerreichung im Obj Trained Workforce. So unterstützt das MMCC-E u.a. die Sanitätsakademie und die Führungsakademie der Bundeswehr als auch das Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung. Aber auch für viele andere Nationen werden im Bereich Ausbildungen und Übungen Beiträge geleistet: So führte MMCC-E Workshops für Patient Flow Management (PFM) für Estland (EST) und Norwegen (NOR) sowie für Casualty Rate Estimation (CRE) für die Niederlande (NLD) und NOR durch. Bereits eine kleine Tradition ist die Unterstützung des MMCC-E im NATO Advanced Medical Staff Officer Course (NAMSOC) an der estnischen Militärakademie in TARTU.

Mit der LoE Capability Development leistet das MMCC-E einen Beitrag zu funktionalen sanitätsdienstlichen Fähigkeiten in Europa, Obj Functional Capabilites. Dabei ist das sogenannte Substantial NATO Georgia Package (SNGP) zu nennen: Hier wurde eine Anfrage Georgiens (GEO) an die NATO auf Unterstützung im Bereich der Militärmedizin an DEU weitergeleitet, das wiederum – als Framework Nation – das MMCC-E hierfür einsetzte. Der GEO Sanitätsdienst wurde beraten und ausgebildet für die Fähigkeit des Betriebs einer Behandlungseinrichtung der Ebene 2, die mit EU-Mitteln beschafft werden konnte. Ein wichtiges Werkzeug in dieser LoE sind auch MN Workshops: So konnte nach einem solchen Workshop zum Thema ‚hochbewegliche Behandlungseinrichtung der Ebene 2‘ ein Grundlagenpapier gefertigt werden; in diesem Jahr ist Ähnliches für die Ebene 1 geplant. Ein multinationaler, zivil-militärischer Workshop im März dieses Jahres wird die Nutzung von Drohnen für den Sanitätsdienst auf dem Gefechtsfeld der Zukunft eruieren. Auch hier werden die Ergebnisse gesichert und in einer Publikation verfügbar gemacht.

Mit den zwei LoE MMCC-E’s Competences und MMCC-E’s Framework werden Beiträge im Bereich der Eigenausbildung und der Schaffung des formalen Rahmens für das Obj Formally accepted and high Performance Entity angegangen. Die Eigenausbildung ist entscheidend, um auch in einem wechselnden Personalkörper das vorhandene Wissen zu erhalten respektive weiter zu entwickeln. Der status quo ist nach meiner Bewertung ansprechend: Es erscheint nicht übertrieben zu konstatieren, dass die Kompetenzen im MMCC-E in den Bereichen Wargaming, Medical Planning einschließlich Casualty Rate Estimation in den Sanitätsdiensten des Bündnisses keinen Vergleich scheuen müssen; regelmäßige Anfragen nach SME (subject matter experts) dokumentieren dies. Der formale Rahmen des MMCC-E wurde in den letzten Monaten durch den offiziellen Gaststatus bei COMEDS verbessert; noch fehlt ein Technical Agreement (TA) und ein Dokument zur festgelegten Unterstützung der NATO Kommandostruktur.

Das vollständige OpsDesign (Abbildung 4) hat auf den LoE die sogenannten Decisive Points (DP) aufgetragen – sowie deren Vernetzungen untereinander. DP sind Punkte, die spezifische Maßnahmen respektive Ergebnisse darstellen, die im besonderen Maße die LoE gestalten. Das Bild ist zwar komplex, gleichwohl wird auf einen Blick u.a. deutlich, dass viele Linien auf die Übung CAMO25 (Details in einem weiteren Artikel dieses Hefts) zeigen, diese also mithin ein zentrales Element für die weitere Arbeit und damit ein Schwerpunkt des MMCC-E darstellt.

Abbildung 4: Vollständiges Operational Design MMCC-E
Abbildung 4: Vollständiges Operational Design MMCC-E

Fazit und Ausblick

Das MMCC-E hat sich als unverzichtbare Institution für die sanitätsdienstliche Multinationalität innerhalb von NATO und EU etabliert. Durch seine aktive Rolle in der Umsetzung des COMEDS Medical Action Plan leistet es einen wesentlichen Beitrag zur Resilienz, Interoperabilität und Einsatzbereitschaft sanitätsdienstlicher Kräfte. Hervorzuheben sind die Weiterentwicklungen multinationaler sanitätsdienstlicher Fähigkeiten in Europa durch umfassende Workshops und deren systematische Verschriftlichungen sowie durch Wargames und Übungen, nicht nur, aber insbesondere in der CAMO-Serie.

Angesichts der sich wandelnden Bedrohungslagen – von potentiellen kriegerischen Konflikten bis hin zu Pandemien – wird die Bedeutung multinationaler medizinischer Kooperation weiter zunehmen. Das MMCC-E wird dabei als zentraler Koordinator und Innovator eine Schlüsselrolle spielen. 


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