02.05.2011 •

BAT IM OP NORTH – EIN ERFAHRUNGSBERICHT

Aus der SanKp bwgl Eins (KpChef: Oberfeldarzt Dr. Klaus Dörr) des SantätseinsatzverbandesMazar-e-Sharif, 22. /23. Deutsches Einsatzkontingent ISAF (Kommandeure: Oberstarzt Thomas Stahl & Oberstarzt Dr. Dirk Densow)

07.10.2010 – Ein deutscher Oberfeldwebel und Rettungsassistent stirbt bei einem Selbstmordanschlag in der Region nördlich von Pol-e-Khomri, sechs weitere Soldaten werden verletzt.

Der Anschlag erfolgte auf eine Alarmstellung der Kräfte der QRF, die den Auftrag hatten eine Brücke zu sichern. Dieses Szenario beschreibt klar, welche Anforderungen an einen Soldaten der SanKp bwgl Eins gestellt werden. Neben dem Beherrschen der medizinisch- fachlichen Aspekte der eigenen Waffenfarbe werden auch infanteristische Fähigkeiten und eine gute körperliche Fitness gefordert, um dem Aufgabenspektrum der QRF bzw. des ASB gerecht zu werden. Dabei müssen die Einsatzgrundsätze der Kampftruppe und die der Sanität dem jeweils anderen vertraut sein.

Dem SanEinsVbd des Deutschen Einsatzkontingentes ISAF war bis Juli 2010 eine SanKp bwgl Eins unterstellt. Mit der Neuaufstellung der Ausbildungs- und Schutzbatallione in Mazar-e-Sharif und Kunduz wurden durch Umgliederungen innerhalb des SanEinsVbd auch zwei SanKp bwgl Eins geschaffen. Die SanKp bwgl Eins hat dabei die Aufgabe mit jeweils sechs Rettungstrupps, drei beweglichen Arzttrupps sowie einer Luftlanderettungsstation die Kräfte der QRF bzw. jetzt die der ASB in sanitätsdienstlichen Aspekten zu beraten und bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben sanitätsdienstlich zu unterstützen. In diesem Kontext war ich von August bis Oktober 2010 als Arzt des BAT I für die QRF V, gestellt durch das Gebirgsjägerbatallion 231 aus Bad Reichenhall, in Afghanistan im Auslandseinsatz.

Vorbereitungsphase

Bereits im Oktober 2009 habe ich sicher gewusst, dass ich knapp ein Jahr später in Afghanistan den BAT I für die QRF V als Splittingpartner besetzen werde. Wie ich während der Vorausbildungen erfahren habe, hatte nur ein weiterer von sechs Kollegen in der SanKp bwgl Eins eine ähnlich lange Vorlaufzeit, um die notwendigen Vorbereitungen im privaten und militärischen Bereich zu treffen.

Für den Einsatz bei der QRF waren acht Wochen einsatzvorbereitender Ausbildung vorgesehen. Im Einzelnen eine Woche Waffenund Schiessausbildung, zwei mal zwei Wochen im RÜZ bzw. GÜZ zusammmen mit den Gebirgsjägern, zwei weitere Wochen kontingentbezogene Ausbildung und eine Woche Retten und Bergen aus schwierigem Gelände. Rückblickend hat dieser „Einsatz vor dem Einsatz“ elementare Grundlagen für den Dienst in Afghanistan gelegt und ist aus meiner Sicht unverzichtbar, auch wenn er im familiären und sozialen Umfeld und im täglichen Dienstbetrieb Probleme aufwirft. Das in der Vorausbildung Erlebte und Erlernte hat mich dann auch selber immer näher an den Einsatz und das damit verbundene Risiko und die eventuellen Konsequenzen für mich, meine Familie und meine Freunde herangeführt. Es war irgendwann unumgänglich, sich neben Absprachen mit Versicherungen und Banken, dem Ausstellen von Vollmachten auch mit dem eigenen Testament und einer Patientenverfügung auseinanderzusetzen.

Einsatzphase

Am 03.08.2010 verließ ich Deutschland, um nach einer Übernachtung in Termez am 04.08.2010 meinen Dienstposten in Afghanistan zu besetzen. Den ersten bleibenden Eindruck nach der Ankunft auf dem Flugfeld des Camp Marmal in Mazar-e-Sharif hinterließ mit 42°C das Wetter. Nach der herzlichen Begrüßung durch den Kompaniefeldwebel begann auch sofort die übliche Lagerrunde über das Pass Office, diverse Ausgaben für Ausrüstungsgegenstände und die Waffenkammer. Auch als Arzt erhielt ich neben der üblichen P8 und dem G36 eine MP7 und insgesamt 470 Schuss Munition und mehrere Nebelgranaten. Mir blieben vier Tage, um mich mit der teilweise bekannten Zusatzausrüstung vertraut zu machen, meine drei Waffen anzuschießen und an den üblichen Sicherheitsbelehrungen, einigen Unterrichten zur aktuellen Lage, zu CIED und weiteren Themen teilzunehmen. Die restlichen Stunden waren gefüllt mit den persönlichen Vorbereitungen für die Zeit im geplanten Einsatzraum und dem sinnvollen Verpacken der persönlichen Ausrüstung.

Nach einem Briefing durch die J2-Zelle des RC North am Vorabend und einem Update direkt vor Marschbeginn verließ ich mit einem Konvoi der Pionierkompanie der QRF am 08.08.2010 Mazar-e-Sharif. Zu diesem Zeitpunkt war nicht klar, wann ich das nächste Mal innerhalb der schützenden Mauern von Camp Marmal sein werde. Durch die erhaltenen Informationen wussten wir, dass ab dem Überschreiten der PRT-Grenze nach Baghlan mit Angriffen auf den Konvoi zu rechnen sei. Ausgebrannte Fahrzeugwracks am Straßenrand bestätigten diese Aussagen eindrücklich. Wir erreichten den OP North bei Puza-i-Eshan allerdings ohne Unterbrechung nach ungefähr 4,5 Stunden Fahrtzeit.

Der OP North ist ein in hügeligem Gelände gelegener Außenposten nördlich von Pol-e-Khomri an der LOC Pluto. Neben den Kräften der QRF sind auch amerikanische und ANASoldaten dort stationiert und agieren im von der LOC Pluto und LOC Uranus eingeschlossenen Highway-Dreieck. Aus dem Dreieck heraus kam es durch Insurgenten seit 2009 vermehrt zu Angriffen sowohl auf zivile als auch auf militärische Konvois. Um die Insurgenten aus dem Highway-Dreieck herauszudrängen und die Sicherheit auf den beiden Hauptverbindungsstrecken zwischen dem Norden und dem Süden Afghanistans wiederherzustellen, erfolgte die Stationierung von ISAF-Kräften im OP North.

Der Außenposten ist nicht von einer Mauer oder einem Zaun umgeben und wird 24 Stunden am Tag durch Alarmposten gesichert. Die Unterbringung der Soldaten erfolgte in Typ II Zelten mit bis zu 14 Kameraden in einem Zelt. Die Duschen und Waschplätze wurden aus den vorhandenen Materialien (z.B. Hesco-Cages) und mit dem Einfallsreichtum und dem handwerklichen Geschick der Soldaten selbst errichtet (Abb. 2). Unmengen von feinsten Staub und Temperaturen zwischen 40 und 50°C prägten den Tag. Die mäßige Abkühlung in der Nacht und Wachschichten, ob im Alarmposten oder am Funk, erschwerten das Schlafen. Dixie-Toiletten, die Feldküche und Duschcontainer waren Annehmlichkeiten, die erst nach und nach das Leben im OP-North angenehmer gestalteten.

Das Reinigen der Bekleidung durch die Wäscherei in Mazar-e- Sharif dauerte mit dem Transport mindestens eine Woche, übernahm man das per Handwäsche selbst, trocknete die Sonne alles in zwei bis drei Stunden. Die Kommunikation mit der Familie und Freunden in Deutschland war schwierig, da das Handynetz um 18.00 Uhr Ortszeit abgeschaltet wurde. Die Insurgenten hatten gedroht, anderenfalls die Telefonmaten zu zerstören. In dieser Situation lernte ich den Wert eines Briefes oder einer Karte auch im Zeitalter von SMS und E-Mail zu schätzen. Zwei Tage nach meiner Ankunft im OP North verlegte ich in das Highway-Dreieck zu den Kräften der 2./QRF, welche dort bereits seit mehreren Tage im Rahmen einer ANA geführten Operation eingesetzt waren. Im Hinterkopf immer das Wissen, dass genau in dieser Region 2010 mehrere Kameraden, darunter ein Kollege, ihr Leben verloren hatten und dass die Kräfte der QRF V bereits mehrfach angegriffen wurden (Abb. 3).

Im Kontrast zum alles beherrschenden Staub im OP North gibt es im Highway-Dreieck viel Grün. Ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem ermöglicht Landwirtschaft. Baumreihen und immer wieder Ansammlungen von Gebäuden bestimmen das Bild. Der Bewuchs und die Bebauung verringern aber auch die Sichtstrecken im Gelände, ermöglichen das Anlegen eines Hinterhaltes und vereinfachen das ungesehene Annähern von Angreifern. Die Straßenverhältnisse erschweren die Bewegungsmöglichkeiten für die eigenen Fahrzeuge, stellen hohe Anforderungen an die Fähigkeiten der Kraftfahrer und limitieren die taktischen Optionen für die Führer. Mehr als einmal haben sich Fahrzeuge festgefahren und mussten mit zum Teil hohen zeitlichen Aufwand und einem erheblichen Kräfteansatz geborgen werden (Abb. 4).

Zu diesem Zeitpunkt traf ich zum ersten Mal wieder auf das mir aus den Vorausbildungen bekannte Team des BAT I, bestehend aus einem Rettungsassistenten, einem Kraftfahrer und einem MG-Schützen/Ersatzfahrer und auf das Fahrzeug selbst. Es gab die Gelegenheit mit dem Team erste Erfahrungen auszutauschen, die Zusammenarbeit für den weiteren Einsatz zu besprechen und das Fahrzeug, einen TPZ Fuchs A7 mit lafettiertem MG und abgetarntem Rotkreuzzeichen, kennenzulernen. In den Belangen der taktischen Führung des Fahrzeugs konnte ich mich auf einen umsichtigen und gewissenhaften Hauptfeldwebel verlassen und mich somit auf die sanitätsdienstlichen Anteile konzentrieren. Das Spektrum reichte dabei von allgemeinen truppenärztlichen Aufgaben über kleine chirurgische Maßnahmen und Verbandwechsel bis hin zu Kriseninterventionen nach belastenden Ereignissen.

Wir begleiteten in den folgenden Wochen zusammen mit dem EOD und dem CG20 (Jammer) die 2./QRF auf den Patrouillen im Raum und bei der Sicherstellung von Treffen oder hielten uns als Immediate Reaction Force im OP North auf (Abb. 5). Mehrfach fuhren wir mit der Kompanie auch zu Nachtaufstellungen in Shahabuddin, einer kleinen Ortschaft im Highway- Dreieck. Hier unterstützen die im OP North stationierten ISAF-Kräfte ein Projekt der afghanischen Regierung, welches der Übernahme der Sicherheitsverantwortung im Highway-Dreieck durch afghanische Sicherheitskräfte dienen soll. Im Rahmen dieses Projektes wurde ein Command Outpost (COP) als Basis für ca. 35 afghanische Sicherheitskräfte errichtet. Für diese Nachtaufstellungen am COP stellte ich mir immer die Frage, wo ich am besten schlafen sollte, entweder im Fahrzeug, welches ein großes unbewegliches Ziel für einen RPG-Beschuss bieten würde oder unter freiem Himmel bzw. einer Plane, ohne die schützende Panzerung des Fahrzeugs bei Beschuss mit Handwaffen oder Mörsergranaten. Egal wie ich mich entschied, ein Restrisiko blieb immer.

Mit Beginn des Ramadan am 11.08.2010 nahm die Zahl der sicherheitsrelevanten Ereignisse ab. Aus diesem Grund wurde entschieden, dass die 2. und 3./QRF im Wechsel nach Mazar-e-Sharif verlegen, um eine Regenerationsphase für das Personal zu ermöglichen und das Material und die Fahrzeuge zu warten. Bereits vor Ende des Ramadan nahmen die Aktivitäten der Insurgenten im Hinblick auf die Wahlen am 18.09.2010 wieder zu. Bereits am 08.09.2010 starben vier der afghanischen Sicherheitskräfte am COP in Shahabuddin durch einen Selbstmordanschlag. In den nachfolgenden Tagen kam es vermehrt zu Angriffen auf ANP-Checkpoints entlang der LOC Uranus und der LOC Pluto. Am späten Nachmittag des 16.09.2010 wurden wir mit der Immediate Reaction Force alarmiert, um die Kräfte der Amerikaner bei der Bergung von zwei Fahrzeugen zu unterstützen, welche durch RPG-Beschuss und IED-Einwirkung zerstört worden waren.

Die Bergungsaktion dauerte bis spät in die Nacht und erfolgte zum Teil unter Feuerkampf. Nach einer kurzen Nacht wurden wir am Morgen des 17.09.2010 durch Gefechtslärm aus dem Highway- Dreieck geweckt. Die amerikanischen Kräfte standen erneut im Highway- Dreieck im Feuergefecht und die QRF wurde zur Unterstützung alarmiert. Nach und nach entwickelte sich das Lagebild. Die Insurgenten hatte die einzige Brücke auf dem Weg zum COP in Shahabuddin gesprengt und anschließend die afghanischen Sicherheitskräfte im COP massiv angegriffen und den COP gewonnen. Schon bei der Anfahrt fiel auf, dass die Zivilbevölkerung das Highway-Dreieck in Scharen verließ. Das Vorgehen der QRF wurde durch die gemeldete IED-Lage und die gesprengte Brücke verlangsamt. Immer wieder wurden unsere Kräfte mit RPG und Handfeuerwaffen beschossen. Ich saß im BAT, ein Ohr immer am Funk und hielt mich bereit. Gefechtslärm, immer wieder mal eine Erschütterung, wenn eine RPG etwas näher einschlug und ein Gefühl des Ausgeliefertsein an die Situation wechselten mit Phasen der Ruhe und des Wartens - Warten auf das Abschließen der Suche nach IED, Warten auf Luftunterstützung, Warten auf das Legen der Brücke durch den Brückenlegepanzer und immer wieder Unterbrechungen durch Feuergefechte.

Als es begann dunkel zu werden hatte wir gerade erst den Fluss überquert und bekamen den Befehl zur Nachtaufstellung. Die Sicherung erfolgte durch die Fahrzeugbesatzungen, geschlafen wurde neben dem Fahrzeug am Feldrain und ich hatte meinen ersten Patienten mit Tinnitus, Hörminderung und Drehschwindel nach einem RPG-Einschlag direkt neben ihm. Erst spät in der Nacht wurde es nach weiteren heftigen Feuergefechten und einem Erdbeben ruhig. Am nächsten Morgen, dem Wahltag, war für 04.30 Uhr der Weitermarsch befohlen und langsam aber stetig ging es in Richtung Shahabuddin, bis wir gegen 07.30 Uhr erneut von mehreren Seiten massiv angegriffen wurden.

Wieder wurden durch die Angreifer neben den Handfeuerwaffen auch RPG´s eingesetzt, die zum Teil in nächster Nähe einschlugen. Sowohl der an der Spitze eingesetzte Panzergrenadierzug, als auch die nachfolgenden Teile der 2./QRF wurden durch die Insurgenten im Feuerkampf gebunden und erst nach intensiven Feuergefechten und dem massiven Einsatz von Luftunterstützung kamen die Kampfhandlungen zum Erliegen, so dass wir gegen 13.00 den COP in Shahabudin gewinnen konnten.

Der Außenposten war massiv beschossen worden, fünf der afghanischen Sicherheitskräfte tot, der Rest war in der Nacht, zum Teil verwundet, ausgewichen. Die 2./QRF bekam den Befehl die Stellung am COP zu halten, die Zufahrtswege zu überwachen und die gelegte Brücke zu sichern (Abb. 6). Unterstützend wurde eine Kompanie aus dem ASB/Kunduz in den OP North verlegt. Auch in den folgenden Tagen, in denen wir die Stellung in Shahabuddin hielten, gab es immer wieder Versuche uns anzugreifen und Angriffe sowohl am COP als auch auf den Zufahrtswegen. Gute Aufklärungsergebnisse, wachsame Alarmposten und die Wärmebildgeräte der SPZ Marder haben es zusammen mit dem Close Air Support (CAS) und dem effizientem Einsatz der Mörser ermöglicht, dass wir die Stellung am 21.09.2010 an die 3./QRF übergeben und ohne eigene Ausfälle den Rückmarsch nach Mazar-e-Sharif antreten konnten.

Nachbereitungsphase

Seit dem 20.10.2010 bin ich zurück in Deutschland. Ich befinde mich seitdem in meiner eigenen Nachbereitung des Einsatzes. Die Art und Weise des Willkommens nach dem Einsatz durch Familie und Freunde war genau so, wie sie für mich notwendig war – mit offenen Armen aber nicht fordernd. Mir wurde von allen Seiten Zeit gegeben hier wieder anzukommen und selber zu bestimmen, wann ich bereit war über das Erlebte zu reden und in welchem Umfang dies geschehen sollte. Vorträge und Gespräche mit Kollegen und Kameraden gehörten und gehören für mich ebenso zur Verarbeitung wie das Schreiben dieses Artikels.

Das Reintegrationsseminar zwei Monate nach Einsatzende hat allerdings sehr deutlich gemacht, wie nah das Geschehene noch ist und wie wenig es bedarf, um Situationen aus dem Einsatz eindringlich zu vergegenwärtigen. Unverzichtbar ist aus diesem Grund auch die Präventivkur, denn erst diese ermöglicht es mir, das Erlebte in Ruhe zu überdenken und abschließend zu verarbeiten.

Ich habe lange überlegt, wie ich diesen Einsatz für mich bewerten soll und welche Konsequenzen aus der Zeit in Afghanistan resultieren. Es gab Positives und Negatives und ich bin froh, dass für mich die positiven Aspekte überwiegen. Allerdings ergeben sich aus Vorbereitungs-, Einsatz- und Nachbereitungsphase Punkte, die an dieser Stelle noch einmal angesprochen werden sollten.

Grundvoraussetzungen für den Einsatz bei der QRF bzw. jetzt beim ASB sind neben dem medizinischen Wissen und Können eine allgemeine körperliche Fitness und die Fähigkeit, sich in Englisch verständigen zu können. Die Ausrüstung trägt sich eben nicht von allein und jedes Briefing mit ISAF-Partnern erfolgt in englischer Sprache, das gilt auch für den Funkverkehr bei gemischten Patrouillen oder dem Anfordern von Luftunterstützung.

Die achtwöchige Ausbildung in Vorbereitung auf den Einsatz war unverzichtbar. Nur hier konnten bestehende Ausbildungsdefizite, z.B. bei der Waffenausbildung oder im Umgang mit der Zusatzausrüstung, erkannt und abgestellt werden. Erstmalig bestand während der zwei mal zwei Wochen im GÜZ bzw. RÜZ die Möglichkeit für die Infanterie gemeinsam mit den verschiedenen Komponenten der Sanitätskompanie zu üben und sie in die taktische Planung bei Operationen mit einzubeziehen. Die Ausbildung eines Vertrauens in die Fähigkeiten des Anderen und das Wissen um das taktische Verhalten in spezifischen Situationen begann schon in Deutschland und war die Basis für das Agieren im Einsatzland.

Wichtig wäre in diesem Zusammenhang, dass man schon während der Vorausbildung mit dem Material und vor allen Dingen auch mit den Fahrzeugen arbeitet, mit denen man auch im Einsatzgebiet arbeiten wird. Um an diesen umfangreichen Ausbildungsabschnitten teilnehmen zu können ist eine vorausschauende Planung notwendig. Eine frühzeitige Einplanung auf den zu besetzenden Dienstposten ist somit einzufordern. Weiterhin ist zu bedenken, dass sich bei der Besetzung eines Dienstpostens bei der QRF bzw. dem ASB für den Dienstposten in Deutschland eine Abwesenheit von ungefähr einem Jahr ergibt. Diese setzt sich aus der achtwöchigen Vorbereitungsphase, der Kontingentdauer von sechs Monaten, den Urlaubsansprüchen und der Zeit für die Nachbereitung zusammen. Dies stellt den Vorgesetzten vor allen Dingen bei Personal, das in der sanitätsdienstlichen Versorgung in Deutschland involviert ist, bei der knappen Personaldecke vor Probleme.

In Bezug auf die Phase des Einsatzes möchte ich zwei Punkte ansprechen. Zum Ersten ist ein Splitting aus jetziger Sicht und nach meiner Bewertung auf einem Dienstposten bei einem ASB nicht sinnvoll. Die Zusammenarbeit mit ANA, ANP und der afghanischen Bevölkerung, die eine Grundvoraussetzung für den Auftrag der ASB bilden, erfordert Vertrauen. Dieses Vertrauen erarbeitet man sich nicht innerhalb kurzer Einsatzzeiträume und nicht mit wechselndem Personal. Die Zusammenarbeit mit der Kampftruppe ist auch davon betroffen.

Eine Arzt-Patienten-Beziehung erfordert ebenso Vertrauen wie die Beratung der Führer in sanitätsdienstlichen Fragen. Zum Zweiten sollte konstruktiv darüber nachgedacht werden, wie ein Ausgleich zu schaffen ist, wenn über mehrere Wochen eine 24- Stunden Dauerbelastung aufrechterhalten wird. Der Einsatz außerhalb eines Lagers beinhaltet neben dem Routinedienst mit Übernahme von Verantwortung im Raum auch Schichtdienst bei der Sicherung der eigenen Stellungen und die besondere Belastung die durch Gefechtssituationen entsteht. Selbst in Phasen der relativen Ruhe stehen dabei dem einzelnen Soldaten die Annehmlichkeiten eines Lagerlebens (Sport, Betreuungseinrichtungen, Truppenküche, Wäscherei, geschützter Schlafplatz) nicht zur Verfügung. Die Gleichbehandlung aller Soldaten in Afghanistan in Bezug auf Urlaubsanspruch und AVZ spiegelt diese Unterschiede in der Verrichtung des Dienstes und in der Gefährdung nicht wieder.

Die Nachbereitung des Einsatzes war und ist für mich ebenso wichtig wie die Vorbereitung. Ich brauchte die Zeit, um Abstand zu gewinnen und wieder in Deutschland anzukommen. Auch hier möchte ich nur zwei Punkte nennen, da ich denke, dass jeder individuell seine eigene Nachbereitungszeit gestalten muss. Erstens, das Nachbereitungsseminar war wichtig und hat gezeigt, dass man mit den individuellen Problemen bei der Verarbeitung des Einsatzes nicht alleine steht. Der Gesprächsbedarf erschien mir allerdings umfassender, als es der in Bezug auf die Zeit vorgegebene Rahmen zuließ. Eine Verlängerung um ein bis zwei Tage wäre aus meiner Sicht angebracht. Zweitens, das Halbwissen, welches um die Präventivkuren und deren Beantragung existiert verhindert bei einigen Kameraden die Durchführung dieser Maßnahme. Ich empfehle jedem Interessierten die frühzeitige Vorstellung beim Truppenarzt, d.h. innerhalb der ersten zwei Wochen nach dem Einsatz, um die Beantragung nicht zu verzögern, die erforderlichen Untersuchungen durchführen zu lassen und die benötigten Genehmigungen einzuholen.

Zum Schluss noch eine Anmerkung in eigener Sache. Es ist mir in Vorbereitung auf den Einsatz sehr schwer gefallen, mich mit dem Thema der eigenen Verwundung auseinanderzusetzen. Noch schwerer war für mich die Vorstellung, dass jemand anderes entscheiden soll, wie die Therapie gestaltet wird, wenn ich dazu nicht mehr in der Lage wäre. Eine Patientenverfügung zu schreiben und darin festzuhalten, wie ich mir eine Behandlung vorstellen würde und diese auch mit meiner Familie zu besprechen hat viel Kraft und Überwindung gekostet – als Arzt hatte ich mir in der Vergangenheit eine solche Verfügung öfter gewünscht, als sie vorhanden war. Ich kann nur jeden Betroffenen bitten, vor seinem nächsten Auslandseinsatz darüber nachzudenken, ob er für den Fall der Fälle seinen Angehörigen diese Hilfe an die Hand geben möchte oder nicht.

Datum: 02.05.2011

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2011/1

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