14.01.2021 •

Sanitätsstabsoffiziere Apotheker ehrenamtlich gegen Corona

F. Vongehr

F. Vongehr

Die von Oberstabsapotheker Dr. Frederik Vongehr und Stabsapotheker d. R. Sven Seißelberg (Abbildung) bei der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft begründete Arbeitsgemeinschaft Notfall- und Katastrophenpharmazie ist gerade seit Beginn der Corona-Virus-Pandemie ein gefragter Ansprechpartner. Anbei stellen wir die Aufgaben und Ziele der AG vor.

WM: Wie lässt sich die Notfall- und Katastrophenpharmazie definieren? 

Seißelberg: Das Ziel der KatPharm ist die bestmögliche pharmazeutische Versorgung in Notfällen, Krisen, Katastrophen und sonstigen Ausnahmesituationen wie auch die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der pharmazeutischen Handlungsfähigkeit. Die Katastrophenpharmazie besteht aus praktischen, nämlich organisatorischen und juristischen Fragestellungen bei der Sanitätsmaterialversorgung, sowie der Arzneimittelversorgung im Katastrophenfall und dem pharmazeutischen Notfallmanagement. 

WM: In Sachen COVID-19 sind Sie vermutlich gefragte Ansprechpartner? 

Vongehr: Das ist richtig. Allerdings ist Notfallvorsorge unpopulär, außer im Notfall selbst. Wir werben stets dafür, dass sich Apotheken, Kammern und Verbände auf Notlagen vorbereiten – am besten, solange noch keine solche vorliegt. Für ein Land, einen Betrieb wie auch für den einzelnen Bürger gilt ein einfacher Satz aus dem Bevölkerungsschutz: Wer vorgesorgt hat, reagiert im Ernstfall gelassener und entlastet die Rettungskräfte. Mitglieder der AG waren bereits an der Erstellung des „Leitfaden KatPharm“ des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe im Jahre 2009 beteiligt. Neben vielen allgemeinen Themen wurden bereits dort in einem Kapitel Empfehlungen zur Pandemievorsorge getroffen. Damals geschah dies mit dem Fokus auf die Grippe-Pandemie; viele der dort getroffenen Aussagen sind gerade jedoch hochaktuell. 

Seißelberg: In der gegenwärtigen Krise haben wir bereits früh umfangreiche Handlungsempfehlungen für öffentliche Apotheken herausgegeben, die in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker auch auf den Bereich der Krankenhausapotheken erweitert werden konnten. Gerade zu Beginn der Krise gab es viel Handlungsunsicherheit in den öffentlichen Apotheken, da neben praktischen Erwägungen in den Betrieben zur Infektionsprophylaxe auch noch die Infodemie mit einer Vielzahl gegensätzlicher Informationen zu bewältigen war. 

Vongehr: Die Situation der Neuinfektionen hatte sich in Deutschland zwar stabilisiert; diese vermeintliche Sicherheit scheint jedoch wieder zu kollabieren. Um zukünftige Empfehlungen mit den Berufsvertretungen besser zu konzertieren sind wir auch mit der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V. sowie der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands im Gespräch. 

WM: Wie kommt es, dass Sie beide sich als Apotheker mit Bevölkerungsschutz auseinandersetzen?

Seißelberg: Nun, eine gewisse Affinität für solche Themen muss man durchaus vorweisen. Im Studium wird gegenwärtig leider noch nichts über diesen Themenkomplex unterrichtet. Neben der AG KatPharm sind wir beide schon seit vielen Jahren ehrenamtlich beim Technischen Hilfswerk und bei der Freiwilligen Feuerwehr aktiv. Das Wissen und die Erfahrung aus diesen Bereichen sind uns bei der Arbeit jetzt nicht hinderlich. 

Vongehr: Aber damit sind wir nicht allein. Vor allem verstehen wir die AG KatPharm als Netzwerk für ein ur-pharmazeutisches Ziel: Die Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung – auch unter erschwerten Bedingungen. Letzteres ist im Übrigen ein Kerngeschäft der Wehrpharmazie. In der Arbeitsgemeinschaft mit inzwischen 80 Mitgliedern engagieren sich Pharmaziestudierende und Apotheker aus allen Bereichen der Pharmazie. Das Netzwerk rekrutiert sich u. a. aus Angehörigen der Kammern, der Hochschule, den Krankenhäusern, der pharmazeutischen Industrie, Inhabern und Angestellten öffentlicher Apotheken, sowie mehreren hochrangigen Wehrpharmazeuten als Vertreter des Sanitätsdienstes der Bundeswehr. 

WM: Wie sieht Ihre weitere Arbeit in der Krise aus?

Vongehr: Vor der Krise ist nach der Krise. Zugegeben – und das ist eine Erfahrung vom THW – Katastrophen sind die beste Werbung für Notfall- und Katastrophenmanagement. Aber COVID-19 ist nicht unsere einzige Baustelle. Manchmal sitzen wir bis spät nachts am Schreibtisch und beantworten Fragen von Kollegen oder tauschen uns mit den berufsständischen Organisationen aus; nota bene neben dem regulären Dienst. Aber es ist schon erfreulich und erbaulich, dass wir es mit den Kolleginnen und Kollegen der AG geschafft haben, uns national und international als kompetenter Ansprechpartner für Behörden und Organisationen zu positionieren. 

(Erstveröffentlichung in DPhG Pharmakon Heft 6/2020, mit freundlicher Genehmigung)

Verwandte Artikel

Im Dienst der zivil-militärischen Zusammenarbeit

Im Dienst der zivil-militärischen Zusammenarbeit

Die Corona-Pandemie füllt seit Monaten die ersten Seiten in der Presse und in den Fachzeitschriften. In den letzten Wochen finden sich in diesem Zusammenhang auch wiederkehrend Hinweise auf die zivil-militärische Zusammenarbeit, als Kürzel ZMZ.

Wehrmedizin und Wehrpharmazie 4/2020

Zivil-militärische Zusammenarbeit am Klinikzentrum Westerstede in der COVID-19-Pandemie

Zivil-militärische Zusammenarbeit am Klinikzentrum Westerstede in der COVID-19-Pandemie

Anfang des Jahres 2020 wurden die ersten Covid-19-Fälle in Europa bekannt – ein Umstand, der im weiteren Verlauf zu einer erheblichen Veränderung unserer Lebensumstände geführt hat. Seit Mitte März 2020 steht auch das Klinikzentrum...

WEHRMEDIZINISCHE MONATSSCHRIFT 9/2020

Studie zu Post-Covid mit ermutigenden Ergebnissen Stationäre Rehabilitation: Ein Schritt zurück ins Leben

Studie zu Post-Covid mit ermutigenden Ergebnissen Stationäre Rehabilitation: Ein Schritt zurück ins Leben

Berlin – Starke Erschöpfung, Atembeschwerden, Schmerzen und kognitive Leistungseinschränkungen – diese Symptome machen Menschen mit Post-Covid-Syndrom das Leben schwer.

Meist gelesene Artikel