Die Einsatzlogistik des Sanitätsdienstes.
Spezielle Anforderungen und Herausforderungen
A. Raupach
Kernaussage
Die Sanitätsmateriallogistik (SanMatLog) ist als integraler Bestandteil des Logistischen Systems der Bundeswehr fachlich eigenständig, unter anderem im Bereich eines versorgenden Truppenteils auf der Logistischen Ebene 2. Veränderte Rahmenbedingungen, unzureichende Personalressourcen und in Umfang und Fähigkeit reduzierte Rüstungsprojekte führen in der Summe zu einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit der SanMatLog im Einsatz. Für einen gesamtheitlichen Ansatz im Sinne der Gesamtverantwortung für die Sanitätsmaterialversorgung der Streitkräfte kann die sanitätsdienstliche Unterstützung im Einsatz nur dann als abgestimmtes und funktionierendes System agieren, wenn die logistische Versorgung der Sanitätskräfte und der Sanitätseinrichtungen vollumfänglich sichergestellt ist.

Entscheidung und operative Planung
Die dauerhafte Stationierung einer deutschen Brigade in Litauen (DEU Brig LTU), respektive die Aufstellung der sanitätsdienstlichen Unterstützungskräfte ist weiterhin präsent und bleibt in der Bearbeitung umfangreich – neben anderen allgemein scheinbar deutlich mehr im Fokus stehenden Themen wie die Reorganisation der Bundeswehr und die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte inklusive der logistischen Unterstützung. Von Strukturentscheidungen als operatives Planungsergebnis über Neu- und Nachbeschaffungen von Material bis hin zur Bevorratung und Bewirtschaftung von Einsatzvorräten an Arzneimitteln und Medizinprodukten sind dabei nahezu alle Themenbereiche befasst. Alles begann mit der Entscheidung von Verteidigungsminister Boris Pistorius im Juni 2023: „Deutschland ist bereit, dauerhaft eine robuste Brigade in Litauen zu stationieren.“. Im darauffolgenden Tischgespräch mit dem Generalinspekteur, General Carsten Breuer, im Juli 2023 wurde die DEU Brig LTU den frühen Kräften im Rahmen des DEU Kräftebeitrags zum NATO Force Model (NFM) zugeordnet – vorerst ohne weitere Angaben zur personellen Stärke der Brigade oder zur finanziellen Vorsorge, aber unter Inkaufnahme von absehbaren Verdrängungseffekten und der Anerkennung, dass materielle Mehrbedarfe untersucht werden müssen.
Mit der ministeriellen Weisung von August 2023 zur Ausplanung der dauerhaften Stationierung einer Brigade in Litauen wurden erste sichtbare Umsetzungsschritte im Jahr 2024 angewiesen. Die Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit, die Attraktivität, die Stärkung des Ansehens als Verbündeter und die Feststellung, dass Kosten zwar ein Abwägungskriterium, jedoch kein Ausschließungsgrund bei Entscheidungsvorschlägen sind, wurden darin als Leitlinien definiert. Letzteres führte dazu, dass die notwendigen Materialbedarfe für die Aufstellung der sanitätsdienstlichen Unterstützungskräfte – teilweise bis auf Ebene Materialplanungsobjekt – hinterfragt und der Beschaffungs- oder vielmehr der Bereitstellungsweg kontrovers diskutiert wurden. Weil Kosten eben doch entscheidungsleitend und die haushälterischen Vorgaben von höherer Bedeutung zu sein scheinen als die Einsatzbereitschaft der Brigade in Litauen.
Ausgehend von der ursprünglich proklamierten Neuaufstellung der DEU Brig LTU hat die Unterabteilung X des KdoSanDstBw dem damaligen Inspekteur des Sanitätsdienstes für die materielle Bereitstellung der sanitätsdienstlichen Unterstützung der Brigade in Litauen den Bedarf an über eintausend Materialplanungsobjekten mit insgesamt mehr als 40.000 Einzelartikeln und einem zugeordneten Finanzbedarf in mittlerer dreistelliger Millionenhöhe dargestellt. Der aufgezeigte Materialbedarf deckt sowohl den Einsatzfall als auch die sanitätsdienstliche Versorgung im Grundbetrieb während der dauerhaften Stationierung ab.
Seit Beginn der Planungen wurde durch die Fachexpertise der Unterabteilung X in den operativen Überlegungen und Entscheidungen ein deutlicher sanitätsdienstlich-logistischer Fußabdruck gefordert. Es wurde nachhaltig verdeutlicht, dass die Kaltstartfähigkeit der Sanitätskräfte und die geforderte Autarkie aufgrund der erwartbar gestörten Transportwege und Versorgungsrouten in den und im Einsatzraum nur durch Vorstationierung eigener sanitätsdienstlich-logistischer Kräfte gewährleistet werden kann. In der Umsetzung des Untersuchungsergebnisses zur Weiterentwicklung der SanMatLog erfolgt die Spezialisierung des Versorgungs- und Instandsetzungszentrums Sanitätsmaterial (VersInstZ SanMat) Blankenburg zum „Landes-/Bündnisverteidigung (LV/BV)- VersInstZ SanMat“. Im Sinne dieses Hauptauftrages ist es verantwortlich für den anteiligen Aufbau und die Bewirtschaftung des Einsatzvorrates Einzelverbrauchsgüter Sanitätsmaterial (EVGSan) für die Erst- und Folgeversorgung im Landes- oder Bündnisverteidigungsfall. In der Zielstruktur ist es organisatorisch mit den Versorgungselementen Unterstützungspunkt Sanitätsdienst (UstgPkt SanDst) und Basisversorgungspunkt Sanitätsmaterial (BasVersPkt SanMat) hinterlegt.
Der Weiterentwicklung der SanMatLog folgend wurde in den operativen Planungen zur Aufstellung der sanitätsdienstlichen Unterstützungskräfte durch Implementierung eines UstgPkt SanDst Rechnung getragen. Mit Vorausstationierung der Einsatzvorräte EVGSan im UstgPkt SanDst in Litauen stellt dieser in seiner Funktion als Bundeswehrapotheke und Versorgungseinrichtung der Logistischen Ebene 2 nicht nur eine schnelle und effiziente Realversorgung der truppenärztlichen- und zahnärztlichen Versorgungseinrichtungen sowie Übungsvorhaben der Truppe in Litauen sicher, sondern ermöglicht gleichzeitig auch eine Wälzung des gelagerten Einsatzvorrates EVGSan.

Umsetzung – Planung versus Realität
Die sanitätsdienstlich-logistische Einsatzunterstützung der DEU Brig LTU, im Speziellen die Erst- und Folgeversorgung des operativ geplanten sanitätsdienstlichen Kräftedispositivs mit Arzneimitteln, Medizinprodukten und querschnittlichen Gütern wurde dem Konzept und Positionspapier zur Einsatzlogistik des Sanitätsdienstes entsprechend ausgeplant.
Die Bevorratung und Bewirtschaftung der Einsatzvorräte EVGSan in Litauen und einer anteiligen Vorausstationierung von einsatzrelevantem Großgerät sowie Führungs- und Unterstützungsstrukturen garantiert nicht nur die Kaltstartfähigkeit der Sanitätskräfte, sondern auch die geforderte erhöhte logistische Autarkie und Flexibilität der Sanitätsmaterialversorgung in der Anfangsphase. Die aktuelle weltpolitische Lage lässt erahnen, dass eine Nutzung aktuell verfügbarer Versorgungsrouten mit beachtlichen Risiken behaftet ist, sodass diese Vorausstationierung von Material nicht nur gefordert, sondern aus logistisch-fachlicher Sicht auch gerechtfertigt ist. Dementsprechend wurde die Vorstationierung in der Planung unter Berücksichtigung des Gesamtkontext empfohlen und durch den Inspekteur des Sanitätsdienstes gebilligt.
Mit Blick auch auf den gesamtstaatlichen Auftrag muss in diesem Zusammenhang jedoch die Frage „Was KÖNNEN wir leisten?“ erlaubt sein und bewusst gestellt werden! Ist die SanMatLog im Einsatz fähig, die sanitätsdienstliche Versorgung in planerisch zwei Divisionsräumen gleichzeitig sicherzustellen? Was sind selbst aktuelle Konzeptpapiere wert, wenn neu geschaffene Dienstposten nicht zur Wirkung kommen können und Rüstungsprojekte aufgrund von Umpriorisierungen und unzureichender Haushaltsmittel gestoppt, respektive nicht wie geplant fortgesetzt werden? Wie quantitativ fähig kann die SanMatLog im Einsatz noch sein, wenn neue Einsatzkonzepte und -prinzipien im LV/BV-Szenar überdehnte Versorgungsräume zur Folge haben?
Dass der Zentrale Sanitätsdienst sehr gut in der Lage ist, eigenständig Einsätze mit sanitätsdienstlichem Schwerpunkt funktional und effektiv zu führen, hat nicht zuletzt der Humanitäre Hilfseinsatz in der Türkei nach dem schwerwiegendem Erdbebenereignis im Jahr 2023 bewiesen. Mit kurzer Vorbereitungszeit wurde nicht nur eine mobile Sanitätseinrichtung inklusive zugehöriger Führungs- und Versorgungsstrukturen verlegt und aufgebaut. Auch wurden Einsatzvorräte EVGSan, einsatzbereite Medizingeräte und -produkte der Erst- und lageangepasst der Folgeversorgung zugeführt und vor Ort mit einfachen aber funktionalen Mitteln rechtskonform die nachhaltige Arzneimittelversorgung sichergestellt.
In nächster Zukunft werden ein ausgedünnter Planungsansatz im Landes- oder Bündnisverteidigungsfall, ein Überdenken und Anpassen von bisherigen Einsatzgrundsätzen und -prinzipien die Einsatzplanung prägen – zumindest bis nicht nur der Anpassungsbedarf anerkannt, sondern auch ministeriell und haushälterisch Umsetzung findet.
Die SanMatLog ist integraler Bestandteil des Logistischen Systems der Bundeswehr und als solcher auch etabliert. Der gesamtheitliche Ansatz im Sinne der Gesamtverantwortung für die sanitätsdienstliche Unterstützung im Einsatz lassen den Sanitätsdienst auch weiterhin nur dann als abgestimmtes, funktionierendes System agieren, wenn die SanMatLog, welche die Versorgung der Sanitätskräfte und der Sanitätseinrichtungen mit für ihren Auftrag benötigtem Material sicherstellt, ein integraler Bestandteil der Gesundheitsversorgung bleibt und dafür notwendigerweise die personellen und materiellen Ressourcen anerkannt und schnellstmöglich zur Verfügung gestellt bekommt.
Wehrmedizin und Wehrpharmazie 1/2025
Verfasser:
Oberfeldapotheker Anja Raupach
Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr
Andernacher Straße 100
56070 Koblenz