Moderne DMARD’s in der truppenärztlichen Versorgung. Worauf ist zu achten?
S. Klapa
Moderne zielgerichtete Therapien chronisch entzündlicher Erkrankungen finden im zunehmenden Maße ihren Einsatz auch bei SoldatInnen der Bundeswehr. Eine frühe Detektion möglicher unerwünschter Arzneimittelwirkungen bedingen im truppenärztlichen Kontakt eine regelmäßige klinische und serologische Verlaufskontrolle. Besondere Impfempfehlungen umfassen die Immunisierung gegen Pneumokokken sowie altersabhängig gegen Herpes zoster. Ein elektiver chirurgischer Eingriff sollte entsprechend der mittleren terminalen Halbwertzeit der eingesetzten Arzneimittel geplant werden.
DMARD
In den letzten Jahrzehnten hat sich das Verständnis der immunologischen Wechselwirkungen grundlegend erweitert. Fachgebiete wie die Hämatologie, Dermatologie, Gastroenterologie, Neurologie und nicht zuletzt die Rheumatologie nutzen das Wissen zur Anwendung gezielter Therapien. Krankheitsmodifizierende Antirheumatika (disease-modifying antirheumatic drugs = DMARD) wie z. B. Methotrexat (MTX) finden hierbei seit den frühen 90er Jahren eine steigende Anwendung. Mit dem wachsenden Wissen der Ursachen von pathologischen immunologischen Wechselwirkungen erleben wir in den letzten 20 Jahren eine wachsende Anwendung von gezielten Therapien, u. a. mittels antikörpervermittelter Blockade von Zytokinen (u. a. IL-1, IL-17A/F), Zytokinrezeptoren (u. a. IL6R), Rezeptoren der Aktivierung von Immunzellen (u. a. CTLA-4) sowie zur Initiierung der Apoptose einzelner Immunzellen (z. B. CD20 B-Zellen). Die DMARD werden anhand ihrer Struktur und Zielwirkung vereinfacht in csDMARD (conventional synthetic DMARD) wie z. B. MTX, bDMARD (biological DMARD) wie z. B. Adalimumab sowie tsDMARD (targeted synthetic DMARD) wie z. B. Tofacitinib unterteilt.
Anwendungen von DMARDs in der Bundeswehr
Muskulo-skelettale Erkrankungen sind weiterhin die wichtigste Ursache von anhaltenden Funktionseinschränkungen, wobei Schätzungen diesen Anteil mit 25–30 % aller allgemeinmedizinischer Konsultationen beziffern. Chronisch-entzündliche Ursachen können häufig einer Erkrankung der Rheumatologie zugeordnet werden. Rheumatologische Grunderkrankungen wiederum zeigen ferner eine deutliche Zunahme in der Inzidenz in Deutschland, während in den Jahren 2009–2019 etwa 1.2–2 % der Bundesbürger an einer behandlungsbedürftigen rheumatologischen Grunderkrankung litten, zeigte sich eine Zunahme für die Jahre bis 2023 mit 2.2. – 3 %. Aktuell leiden 1.4–2.1 Mio. Menschen in Deutschland an einer therapiebedürftigen rheumatologischen Grunderkrankung (Albrecht K et al. 2023). Die Zunahme ist hierbei nicht allein durch den demografischen Wandel zu erklären.
In den Streitkräften zeigen sich vor allem rheumatologische Erkrankungen des jungen Erwachsenen, wie die axialen Spondyloarthritis, die reaktive Arthritis und der systemischen Lupus erythematodes, jedoch auch zunehmend Frühformen der rheumatoiden Arthritis und Psoriasisarthritis. Zu Vermeidung von chronisch destruierenden Verläufen finden insbesondere bDMARDs bereits nach dem Versagen der Erstlinientherapie Anwendung, im Falle der axialen Spondyloarthritis bereits nach dem Versagen von zwei verschiedenen nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR, u. a. Ibuprofen, Diclofenac). Diese spezifische Therapie erfolgt hierbei in der Regel für mehrere Jahre, im Falle eines rezidivierenden Verlaufs, nach einem Auslassversuch, mitunter ein Leben lang.
Insbesondere die häufig angewandten bDMARD benötigen daher ein besonderes Augenmerk durch die behandelnden Truppen-, Flieger-, Schiffs- oder TaucherärztInnen.
Regelmäßige Verlaufskontrollen unter DMARD
Die Therapieinitiierung von DMARDs erfolgt in der Regel durch den behandelnden Facharzt. Neben der Indikationsstellung wird dem Ausschluss relevanter Kontraindikationen (u. a. latente Tuberkulose) ein besonderer Stellwert zugeordnet. Da DMARDs gezielt in die immunologischen Wechselwirkungen eingreifen, müssen regelmäßig klinische und serologische Verlaufskontrollen erfolgen. Zu Beginn der Therapie engmaschig, später quartalsweise. Neben substanzspezifischen Kontrollen sollten bei (fast) allen DMARD ein Differentialblutbild, die Transaminasen, Nierenretentionsmarker sowie serologische Entzündungsmarker regelmäßig bestimmt werden. Dies geschieht im Rahmen der truppenärztlichen Versorgung am Standort des Soldaten oder der Soldatin. Fachärztliche Konsultationen können bei einer halbjährlichen oder jährlichen Terminabsprache die reglm. serologischen Verlaufskontrollen nicht abbilden. Neben der regelmäßigen Blutentnahme ggf. mit Urinstatus, kommt der Befragung auf relevante Nebenwirkungen eine wichtige Bedeutung zu. Eine Übersicht der Therapieüberwachungsempfehlungen wird aktualisiert durch die DGRH barrierefrei auf deren Internetseite veröffentlicht (https://dgrh.de/Start/Versorgung/Therapieinformationen/Therapieinformationsbögen.html). Neben der regelmäßigen ärztlichen Konsultation müssen PatientInnen mit einer rheumatologischen Grunderkrankung auch aktiv in den Krankheitsprozess und -verlauf eingebunden werden. Sie müssen praktisch „Spezialisten ihrer eigenen Erkrankungen“ werden. Dies kann nur durch eine interprofessionelle und interdisziplinäre stationäre Intervention, i.S. einer mehrwöchigen stationären Rehabilitation umgesetzt werden. Neben dem Wissen um die eigene Erkrankung, der Schubdefinition und Therapie, spielen sportwissenschaftliche, ernährungsmedizinische und sozioökonomische Aspekte eine tragende Rolle.

Impfungen unter DMARD
Ein weltweiter Einsatz bedingt eine angepasste Immunisierung gegen bestimmte Krankheitserreger. Bei PatientInnen unter einer DMARD Therapie müssen allerdings sowohl Einschränkungen als auch Erweiterungen beachtet werden. Prinzipiell sollten Impfungen nur bei Patienten in Remission durchgeführt werden, eine aktive Erkrankung kann sowohl das Impfansprechen als auch mögliche Nebenwirkungen der initiierten spezifischen Therapie interferieren. Grundsätzlich sollten keine Lebendimpfungen (z. B. Gelbfieber, MMR, Dengue) bei PatientInnen appliziert werden, eine Ausnahme bildet hierbei die Monotherapie mit Sulfasalazin, Hydroxychloroquin oder systemische Steroide (< 20 mg Prednisolonäquivalen pro Tag) (Goldacker S. et al. 2021, Furer V et al. 2021). In der Diskussion befindet sich hierbei auch aktuell der IL-5 Inhibitor Mepolizumab sowie IL-5R Inhibitor Benralizumab, dies ist jedoch Gegenstand der aktuellen Forschung.
Neben der Grundimmunisierung umfassen die aktuellen Impfempfehlung des Robert Koch Institut eine zusätzliche Immunisierung gegen Pneumokokken mit einem 20-valenten Pneumokokken-Konjugatimpfstoff (PCV20, aktuell Prevenar20) (Epidemiologisches Bulletin 39/2024 sowie 04/2025) auch für erwachsene PatientInnen unter Immunsuppression unabhängig vom Lebensalter. Eine DMARD Therapie sollte als solches interpretiert werden und eine Immunisierung von PatientInnen in der ambulanten truppenärztlichen Versorgung erfolgen. Im Falle einer bereits zu einem früheren Zeitpunkt erfolgten Immunisierung mit einem 23-valenten Polysacharid-Impfstoff (PPSV23), wäre ein zeitlicher Abstand von 6 Jahren zu empfehlen. Im Falle einer ausgeprägten Immundefizienz allerdings bereits 12 Monate nach der letzten PPSV23 Applikation. Dies bedingt eine individuelle Beurteilung durch die behandelnden ÄrztInnen. Neben Pneumokokken Infektionen zeigten sich in mehrere Zulassungsstudien, insbesondere der tsDMARD, ein erhöhtes Risiko für eine Herpes zoster Infektionen/Reaktivierung. Diesbezüglich sollte eine Immunisierung gegen Herpes zoster mit dem aktuell einzig zugelassenen Herpes zoster Todimpfstoff Shingrixâ geprüft werden. Zurzeit erfolgte die aktuelle RKI-Empfehlung zur Immunisierung von PatientInnen mit einer erworbenen Immundefizienz der initialen Fachinformation. Hierbei sollte eine Applikation bei diesen PatientInnen erst ab dem 50 Lebensjahr erfolgen. Trotz Änderung dieser Fachinformation, bleibt aktuell die RKI-Empfehlung bestehen, eine Immunisierung gegen Herpes zoster mit Shingrix erst ab dem 60 Lebensjahr generell zu prüfen, bei PatientInnen mit erhöhter Gesundheitsgefahr bereits ab dem 50 Lebensjahr. Bei einer Therapie mit einem tsDMARD (Baricitinib, Filgotinib, Tofacitinib, Upadacitinib) sollte dies großzügig auch bei Patienten unter dem 50 Lebensjahr geprüft werden, da insbesondere schwere Verläufe einer Herpes zoster Infektion/Reaktivierung wie die Ramsay-Hunt-Neuralgie beschrieben werden. Individuell kann auch unter kombinierten DMARD Therapien eine Immunisierung gegen Herpes zoster fachärztlich begründet sein.
Unter einer laufenden DMARD Therapie kann prinzipiell auch das Impfansprechen deutlich verringert sein. Insbesondere unter einer bDMARD Therapie mit Rituximab (RTX) werden gezielt CD20 positiven Plasmazellen depletiert, damit jedoch auch eine gewollte Antikörperproduktion mittels einer parallel initiierten Immunisierung deutlich erschwert (Mrak D. et al. 2021). Daher sollte idealerweise vor einer RTX-Therapie oder 4–6 Monate nach der letzten Applikation eine Impfung geplant werden. Auch eine csDMARD Therapie mit Azathioprin (ab 2mg/kg/KG), mit Mycophenolat-Mofitel sowie Kombinationstherapien von MTX und Abatacept sowie MTX mit einem IL-17 A/F Inhibitor (Secukinumab, Ixekizumab, Bimekizumab) können ein Impfansprechen unter Umständen verringern, wobei die Evidenzlage als nicht sehr hoch eingeschätzt wird.
Elektive Eingriffe unter DMARD
Planbare chirurgische Eingriffe sind auch unter laufender DMARD Therapie möglich. Eine notwendige Pausierung richtet sich nach der Art und Ausprägung der chirurgischen Intervention. Hierbei wird der Beurteilung der behandelnden chirurgischen KollegInnen ein besonderer Stellenwert zugerechnet. Die häufig eingesetzten csDMARD Azathioprin, Mycophenolat und Ciclosporin sollten 1–2 Tage vor der geplanten chirurgischen Intervention pausiert werden. Eine Ausnahme bildet das MTX. Bei einer wöchentlichen Dosis < 20 mg / Woche s.c. zeigten sich selbst bei abdominellen Eingriffen kein erhöhtes Infektionsrisiko (Albrecht et al. 2021). Nach den aktuellen Stellungnahmen der Fachgesellschaften kann daher die weitere Applikation empfohlen werden, gerade auch um einen rezidivierenden Verlauf während der Wundheilung nach einem operativen Eingriff entgegenzuwirken. Die aktuellen tsDMARD sollten hingegen 3–4 Tage vor der Operation nicht weiter eingenommen werden (Albrecht K. et al 2021). Die Planung einer notwendigen Pausierung von bDMARD richtet sich nach der mittleren terminalen Halbwertzeit der einzelnen Präparate (Tabelle 1). Ein elektiver Eingriff sollte daher zum Ende des jeweiligen Therapieintervalls erfolgen. Ein durch die Pausierung bedingter Schub der rheumatologischen Grunderkrankung sollte interdisziplinär reevaluiert werden, passager kann nach Indikationsstellung eine Prednisolongabe erfolgen. Insgesamt ist die Evidenzlage dieser Empfehlungen allerdings nicht sehr hoch.
Die fortschreitende Entwicklung zielgerichteter Therapien bedingen ein besonderes Augenmerk der behandelnden truppenärztlichen KollegInnen auf PatientInnen unter DMARD Therapien. Neben notwendigen regelmäßigen klinischen und serologischen Verlaufskontrollen wird der Überwachung des Impfstatus und der Planung notwendiger chirurgischer Interventionen ein besonderer Stellenwert zugeordnet.
Wehrmedizin und Wehrpharmazie
Schifffahrtmedizinisches Institut der Marine
FTLA Dr. med. Sebastian Klapa
Kopperpahler Allee 120
24119 Kronshagen