HÄMATOPNEUTHORAX NACH SCHWEREM VERKEHRSUNFALL

Fallbericht aus dem 25. Einsatzkontingent Kosovo

Am 06.03.2010 ereignete sich gegen 10:00 Uhr ein Verkehrsunfall nahe Pristina, bei dem ein slowakischer Geländewagen ohne Anschnallgurte mit einem zivilen PKW kollidierte. Bei dieser Kollosion sind zwei Insassen des zivilen Pkw noch an der Einsatzstelle verstorben.

In dem slowakischen Militärfahrzeug befanden sich vier slowakische Soldaten, welche initial vom eintreffenden kosovarischen Rettungsdienst versorgt und in die Universitätsklinik Pristina verbracht wurden. Nach Eingang der Information im HQ KFOR entschied der Medical Adviser des COM KFOR, den Truppenarzt des HQ in die Universitätsklinik zu entsenden, um dort eine erneute Sichtung der verletzten Soldaten durchzuführen und als Ansprechpartner vor Ort den Abtransport in die US Role 2+ in Camp Bondsteel und in die DEU Role 3 in Prizren zu koordinieren. Gegen 11:00 Uhr wurde eine Vorabinformation an das Einsatzlazarett gegeben, dass ggf. mit drei verletzten Soldaten zu rechnen sei. Die Verletzungsmuster seien zum einen ein Patient mit schwerem Schädel- Hirn-Trauma, ein weiterer mit intraabdomineller Blutung, ein anderer mit Wirbelsäulenverletzung ohne Neurologie und der letzte Patient mit Unterschenkelfraktur und stumpfen Thoraxtrauma. Aufgrund der fehlenden neurochirurgischen Versorgungsmöglichkeit wurde die dringende Empfehlung ausgesprochen, den Patienten mit dem Schädel-Hirntrauma mittels des US MedEvac Hubschraubers vom Typ Black Hawk nach Skopje fliegen zu lassen, für die verbliebenen Patienten wurde Aufnahmebereitschaft gemeldet.

Der deutsche Rettungshubschrauber wurde nach Pristina entsendet, um einen Patienten dort aufzunehmen, die verbliebenen Patienten sollten von US Kräften verlegt werden. Der entsandte Truppenarzt aus dem HQ stand vor der Schwierigkeit, die Patienten in dem weitläufigen und unübersichtlichen Gelände der Universitätsklinik zu finden. Nach seiner erneuten Sichtung wurden drei Patienten zu der US Role 2+ geflogen, von denen 2 gehfähig und als leichtverletzt eingestuft wurden, der Patient mit dem Schädel-Hirntrauma als mittelschwer und der Patient mit dem stumpfen Thoraxtrauma und der Unterschenkelverletzung in das DEU Einsatzlazarett disponiert. Gegen 14:15 Uhr local traf der deutsche Rettungshubschrauber in Prizren mit dem Patienten ein. Aufgrund der zu diesem Zeitpunkt weiter bestehenden Information, dass noch zwei weitere Patienten mit schwererem Verletzungsmuster eintreffen würden, wurde er nicht im Schockraum, sondern in der sog. Trauma-Line nach ATLS Kriterien versorgt. Zu diesem Zeitpunkt war er mit einer Unterschenkelgipsschiene rechts durch die Kollegen in Pristina versorgt worden. Ein Röntgen- Thorax im Liegen und ein Röntgenbild des rechten Unterschenkels mit Sprunggelenk war mitgegeben worden. Klinisch ergaben sich folgende Untersuchungsbefunde: Die Atemwege waren frei, die Atmung schmerzhaft eingeschränkt und flach mit einer Atemfrequenz von 16 Zügen/Minute bei deutlich druckschmerzhaftem Thorax auf der linken Seite und einer SaO2 von 100% bei 4l O2/min. Die Herzfrequenz lag bei 100 bpm, RR: 110/70, kapilläre Perfusion war gut, BZ: 150 mg/dl, grob neurologisch ohne pathologischen Befund, GCS 15, Pupillen isokor. Es waren Prellmarken an Thorax und Abdomen zu sehen, mehrere Schnittverletzungen im Gesicht waren bereits durch Nähte versorgt, das Abdomen war weich, das Becken stabil und die Extremitäten frei beweglich mit erhaltenen distalen Pulsen. In der Abdomensonographie konnte keine freie Flüssigkeit nachgewiesen werden.

Der Unfallmechnismus wurde von dem Patienten wie folgt beschrieben: Er sei als nicht angeschnallter Beifahrer mit einer Geschwindigkeit von ca. 80 km/h frontal mit einem vorausfahrenden Fahrzeug kollidiert und durch die Frontscheibe auf die Motorhaube geschleudert worden. Allergien bestünden keine, eine Dauermedikation wurde verneint und keine Erkrankungen oder Unfälle in der Vorgeschichte angegeben. Aufgrund der erhobenen Befunde und der Anamnese wurde eine Traumaspirale durchgeführt. Hier ergaben sich folgende Befunde:

• Hämatopneumothorax rechts.
• Hämatopneumothorax links mit Rippenserienfraktur 2. – 7. Rippe, davon die 2. Rippe disloziert.
• Schwere bilaterale Lungenkontusion.
• Schulterluxation rechts mit kleinem disloziertem knöchernem Ausriss am Tuberculum majus.

Kein Nachweis intracerebraler, intraabdomineller oder Wirbelsäulenverletzungen. Es wurde entschieden, den Patienten in den OP zu bringen um dort den Hämatopneumothorax bds. mittels Thoraxdrainage zu entlasten. Ebenfalls sollten die Gesichtsverletzungen durch den HNO Arzt revidiert werden und eine operative Versorgung des komplett instabilen Sprunggelenkes erfolgen. Es erfolgte im OP die endotracheale Intubation mit Anlage ZVK, arterieller Druckmessung, Magensonde, Urindauerkatheter und lungenprotektiver Beatmung mit einem PEEP von 15cmH2O und einem Tidalvolumen von 6ml/kgKG.

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Parallel wurde beidseits in Bülau-Posisition eine Thoraxdrainage mittels Minithorakotomie angelegt. Intraoperativ stellte man nach Eröffnung der Nähte am Unterkiefer fest, dass die Schnittverletzung bis intraoral reichte und der komplette Mundboden zerrissen war. Hierauf wurde eine Mundbodenrekonstruktion durchgeführt. Die Außen- und Innenbandruptur am rechten Sprunggelenk mit medialer Fibulafraktur wurde stabilisiert. Während des gesamten OP-Verlaufes war der Patient atem - und kreislaufstabil bei guten BGA-Werten. Postoperativ wurde der Patient intubiert und beatmet auf die Intensivstation verlegt. Hier erfolgte eine Bronchoskopie ohne wesentlichen pathologischen Befund. Bei erhöhten Myoglobinwerten wurde eine Spülung der Niere mittels 500ml Ringer-Laktat/h angeordnet. Die perioperativ begonnene Antibiose mittels Clindamycin / Metronidazol wurde fortgesetzt und der Tetanusimpfschutz aufgefrischt. Wir erstellten während der laufenden Operation bereits den Medical Report um möglichst zügig den StratAirMedEvac in die Slowakei einleiten zu können (Abb.1).

Nach unkompliziertem intensivmedizinischen Verlauf über Nacht wurde der Patient am Folgetag gegen 09:00 Uhr zum Flughafen in Pristina mittels Hubschraubertransport durch den Sam 1 in Begleitung des Facharztes für Anästhesiologie verlegt und von dort mit einem zivilen Ambulanzflug nach Bratislava gebracht. Ebenfalls wurde parallel der Fahrer des Fahrzeuges von der US Role 2+ mit einer stabilen LWK 5 Fraktur zum Flughafen geflogen um mit derselben Maschine ausgeflogen zu werden. Die beiden anderen Patienten wurden ambulant behandelt und konnten nach 2 Tagen ihren regulären Dienst wieder aufnehmen.


Zusammenfassung

Aufgrund des Unfallherganges als nicht angeschnallter Fahrzeuginsasse und der damit resultierenden Kinematik des Traumas war mit einem erheblichen Verletzungsmuster zu rechnen. Der Patient wurde initial deutlich in seiner Verletzungsschwere unterschätzt. Die Durchführung einer Traumaspirale im CT hat sich als Goldstandard der Diagnostik bewährt und ist auch hier wegweisend gewesen. Die deutlich verlängerten Zeiten zwischen Unfallereignis und Versorgung in einer adäquaten Sanitätseinrichtung ist einsatztypisch und stellt uns regelmäßig vor besondere Herausforderungen. Als hilfreich hat sich die möglichst frühzeitige Einleitung des StratAir- MedEvac erwiesen, vor allem bei der Zusammenarbeit mit anderen Nationen. Hier ist immer mit organisatorisch begründeten Zeitverlusten zu rechnen. Von slowakischer Seite wurde uns mitgeteilt, dass der Patient 3 Wochen nach dem Unfallereignis in gutem Zustand das Krankenhaus verlassen hat und wieder dienstfähig ist.

Datum: 10.03.2010

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2010/2

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