FATE* Ausbildung in der Zentralen Notaufnahme am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg
Aus der Abteilung I - Innere Medizin1 (Leitender Arzt: Oberstarzt Dr. C. Busch) und der der Abteilung X - Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie2 (Leitender Arzt: Oberstarzt Dr. G. Hölldobler) des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg (Chefarzt: Generalarzt Dr. J.Hoitz)
Zusammenfassung
Am Bundeswehrkrankenhaus (BwKrhs) Hamburg wurde erstmals ein FATE-Echokardiografie-Ausbildungskonzept als Pilotprojekt mit interdisziplinärem Ansatz angewendet und evaluiert.
Mittels eines strukturierten Ausbildungskurrikulums mit theoretischer Einweisung, praktischen Ausbildungsepisoden und Hospitationstag,
wurden 5 Assistenzärzte mit ersten Erfahrungen in der Ultraschalldiagnostik innerhalb von 3 Wochen in der Handhabung der FATE-Echokardiografie ausgebildet. In einer nachfolgenden praktischen Anwenderphase wurde die Anwendungshäufigkeit mit Indikationsstellung und Diagnosen evaluiert. Es zeigte es sich, dass das FATE-Verfahren von allen Teilnehmern erfolgreich, jedoch mit unterschiedlicher Häufigkeit angewendet wurde. Die Anwendungshäufigkeit war in der Intensivmedizin signifikant am größten und in der zentralen interdiszipliären Notaufnahme (ZINA) am zweithäufigsten. Das FATE-Verfahren stellt ein äußerst hilfreiches Tool in der medizinischen Akutdiagnostik dar und lässt sich mit angemessenem organisatorischem und zeitlichem Aufwand an erfahrenen Weiterbildungsassistenten ausbilden. Nutzen und wehrmedizinische Relevanz in der klinischen Primärdiagnostik auf der Intensivstation und der ZINA, aber auch für Folgeverwendungen zum Beispiel im Auslandseinsatz, sind hierbei als hoch einzustufen.Stichworte: Notaufnahme, Echocardiografie, Sonografie, FATE, Ausbildung, Intensivstation
Keywords: emergency department, echocardiography, sonography, FATE, training, intensive care unit
Einleitung
Das initiale Assessment eines Notfallpatienten in der Notaufnahme umfasst die Erhebung der Vitalparameter, die initiale körperliche Untersuchung und die Ersteinschätzung durch einen Mediziner, der in der Primärdiagnostik ausreichend erfahren ist, um eine Dringlichkeitseinschätzung (Triage) und eine Initialbehandlung umzusetzen. Der weitere diagnostische und therapeutische Behandlungspfad wird von der initialen Verdachtsdiagnose entscheidend beeinflusst und hat Bedeutung für den Krankheits- und Therapieverlauf des Patienten. Im Rahmen der Erstdiagnostik bietet der Ultraschall eine schnelle und gute Möglichkeit zur Erfassung von pathologischen Befunden in der Notaufnahme, was durch die bereits praktizierte Anwendung von spezifischen Notfallsonografie-Algorithmen wie FAST (Focused Assessment with Sonography for Trauma) und FEEL (Focused Echocardiographic Evaluation in Life Support) Anwendung findet. In Anbetracht des hohen Stellenwertes einer initial zielführenden Diagnostik wurde in der ZINA des BwKrhs Hamburg ein interdisziplinäres Pilotprojekt initiiert mit dem Ziel, eine ausgewählte Anzahl an Assistenzärzten anhand eines kompakten und qualitativ gut abgestimmten Kurrikulums in der Anwendung der Untersuchungsmethode FATE auszubilden und zu evaluieren.
Konzeption und Durchführung
Die Abteilung I – Innere Medizin - (Abt. I) des BwKrhs Hamburg führt die allgemeine Ultraschallausbildung der Assistenz-ärzte für die Fachgebiete Innere
und Allgemeinmedizin durch. Aufbauend auf der Grundausbildung in der Abdomen-, Schilddrüsen-, Darmsonografie und Gefäßdoppler-Diagnostik wurde eine Zusatzausbildung für Weiterbildungsassistenten mit ersten Erfahrungen auf dem Gebiet der Ultraschalldiagnostik angeboten. Hierzu entwickelte die Abt. I einen interdisziplinär zugänglichen FATE-Sonografiekurs zur fokussierten transthorakalen Initialbeurteilung von Herz und Pleura für Assistenzärzte, die in der ZINA und/oder auf der interdisziplinären Intensivstation eingesetzt waren. Der Kurs wurde als interdisziplinäres Qualitätsmanagement (QM)-Projekt nach der Struktur des QM- Projektmanagements angelegt.Durch eine initiale Lehrveranstaltung mit Vortrag und praktischer Einweisung wurden der Untersuchungsablauf und das Erkennen von Normalbefunden sowie pathologischen Entitäten vermittelt. In einem zweiwöchigen „Follow-up“ wurden zur Vertiefung der Fähigkeiten zwei praktische Übungen von jeweils mindestens eine Stunde Dauer und ein nachfolgender Hospitationsvormittag in der Herzechodiagnostik absolviert. Abschließend erfolgt ein standardisiertes schriftliches Testat und eine sich hieran anschließende achtwöchige praktische Umsetzung der Technik mit Patientendokumentation. In dieser Anwendungsphase wurden Patienten fokussiert untersucht und die Frage- sowie die Diagnosestellung erfasst. Nach Abschluss dieser achtwöchigen Anwendungsphase wurden die Untersuchungsergebnisse ausgewertet und eine Evaluation des Pilotprojektes unter anderem mittels Feedback-Bögen vorgenommen.
Für die FATE-Ausbildung wurden fünf Assistenzärzte ohne Facharztstatus im frühen bis fortgeschrittenen Weiterbildungsstadium (mehr als 1 Jahr Tätigkeit
und ersten Erfahrungen in der Anwendung von Ultraschall) der Facharztausbildung zum Facharzt für Innere Medizin und/oder Anästhesiologie ausgewählt.Das Pilotprojekt hatte das Ziel zu prüfen, ob eine klar definierte und strukturiert ausgeführte fokussierte Herzecho-Ausbildung von Weiterbildungsassistenten zu einer Verbesserung in der Primärdiagnostik führt. Nach dem Ergebnis sollte bewertet werden, ob die Etablierung einer regelmäßig durchgeführten -FATE-Ausbildung für Weiterbildungsassistenten zielführend ist.
Der Kurs wurde am BwKrhs zusätzlich als interdiziplinäres QM-Projekt angelegt.
Ergebnisse
In der Ausbildungsphase (drei Wochen) und im Rahmen der praktischen Umsetzung (acht Wochen) wurden in der ZINA, der Intensivstation oder im anästhesiologischen Kontext (zum Beispiel im Rahmen der OP-Vorbereitung) durch die fünf ausgebildeten Assistenzärzte insgesamt 132 Patienten untersucht.
Alle Assistenzärzte unterzogen sich einem kurzen schriftlichen Testat, in welchem in fünf Fragenkomplexen die vermittelten Inhalte hinsichtlich Indikation, anatomischer Strukturen, Normwerten und Messverfahren abgefragt wurden.
Die Ausbildung wurde an den vorhandenen Ultraschallgeräten der ZINA und Abt. I durch ärztliches Ausbildungspersonal der Abt. I parallel zum Dienstbetrieb durchgeführt. Die geplanten Ausbildungszeiträume und wöchentlichen Wiederholungabschnitte wurden hierbei eingehalten.
Der schriftliche Test wurde von allen Teilnehmern erfolgreich absolviert. Die Fragen zur echokardiografisch darzustellenden Anatomie, Indikationsstellung, Durchführung und Normwerten wurden von allen Teilnehmern richtig beantwortet.
Nach Abschluss der Anwenderphase wurde der FATE-Kurs durch die Teilnehmer mittels 8 Evaluierungsfragen bewertet.
Alle Teilnehmer fanden die Ausbildungsinhalte angemessen und wünschten eine zusätzliche oder erweiterte bzw. vertiefte praktische Ausbildung. Die Ausbildungsqualität wurde als sehr gut bezeichnet und die diagnostischen Fähigkeiten als deutlich verbessert beschrieben. Die Anwendungshäufigkeit der FATE-Untersuchung schwankte zwischen 11 bis zu 56 Patienten. Hierbei zeigte sich, dass die ausgebildeten Assistenzärzte die FATE-Untersuchung umso häufiger anwendeten, je mehr sie in der Akutmedizin eingesetzt waren. Als sehr förderlich für den Ausbildungsprozess zeigten sich die geringe Größe der Ausbildungsgruppe. Für die fünf Ausbildungsteilnehmer standen zwei unterschied-liche Ultraschallgeräte und zwei Ausbilder zur Verfügung. Als Verbesserungspotenzial wurde der Wunsch nach längeren praktischen Ausbildungsphasen beschrieben.
In den insgesamt 132 FATE-Untersuchungen zeigten sich die häufigsten Indikationen in der Abklärung von Dyspnoe bzw. Erfassung des Volumenstatus
sowie der kardialen Funktion bei Herzrhythmusstörungen (z. B. linksventrikuläre Funktion bei tachyarrhythmischem Vorhofflimmern) und zur Abklärung eines akuten Koronarsyndroms. Entsprechend des Einsatzspektrums wurde die Untersuchungsmethode auch zur orientierenden Beurteilung vor geplanten operativen Eingriffen von Seiten der Abteilung Anästhesie angewendet.Die häufigsten Diagnosen, welche sich aus der FATE-Untersuchung ergaben, waren Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen (insbesondere tachyarrhythmisches Vorhofflimmern), Pleuraergüsse und Synkopen.
Diskussion
Die Ausbildung in der Technik der FATE-Ultraschalldiagnostik lässt sich bei gut strukturierter Vorbereitung mit eigenen Mitteln und Ausbildungspersonal am BwKrhs Hamburg in dem vorgesehenen Curriculum ohne zusätzlichen Kostenaufwand während des Routinebetriebes erfolgreich umsetzen. Dabei sollte ausgesuchtes ärztliches Assistenzpersonal mit Vorerfahrung in der Ultraschalldiagnostik bevorzugt ausgebildet werden. Es erwies sich insbesondere als sehr förderlich, wenn die Ausbildungsphase in direktem Zusammenhang mit dem nachfolgenden Einsatz in der Akutmedizin (ZINA oder Intensivstation) erfolgte, da hier die nachfolgenden Anwenderzahlen deutlich höher waren als bei Teilnehmern, die erst zu einem späteren Zeitpunkt in Bereichen der Akutmedizin arbeiteten. Neben der strukturierten theoretischen Ausbildung sollte bei den Ausbildungsabläufen – nach der Devise „Qualität vor Quantität“ – der Schwerpunkt mehr auf die praktische Ausbildung gelegt werden und die geringe Größe der Ausbildungsgruppen bis maximal sechs Teilnehmer erhalten bleiben.
Die praktische Ausbildung erfolgte durch erfahrene internistische Ober- und Fachärzte, könnte bei Bedarf aber auch durch sehr erfahrene Assistenzärzte mit Facharztäquivalent und ausreichender Erfahrung in der Echokardiografie durchgeführt werden.
Die Reevaluierung der Untersuchungszahlen zeigt eine klare Akzeptanz und Effektivität der Methode. In unserem Fall war innerhalb der Intensivmedizin die Anwendungshäufigkeit am höchsten. Nicht an jedem Akutkrankenhaus besteht die Möglichkeit, ein qualifiziertes Herzecho zu jedem Tageszeitpunkt zu erhalten. Aus diesem Grund stellt das Anleiten von bereits erfahrenem ärztlichem Assistenzpersonal in der Handhabung der FATE-Diagnostik für den Vordergrunddienst in der Akutmedizin ein hilfreiches Tool für die Präzisierung der Aufnahmediagnose und damit für die weitere Patientenbehandlung auch im Sinne der Patientensicherheit dar. Die erlernten Grundfertigkeiten sind universell anwendbar, so dass sich ein Transfernutzen für das truppenärztliche und sanitätsdienstlich-einsatzmedizinische Spektrum ergibt.
Bei einem FATE-Kurs im zivilen Bereich fallen Kursgebühren zwischen 300,- € und 500,- € pro Person an. Dieses war bei der Nutzung der internen Ressourcen am BwKrhs Hamburg nicht erforderlich. Die Umsetzung der Ausbildungsmaßnahmen während des Routinebetriebes war mit deutlichem organisatorischem Mehraufwand verbunden und ist nur durch die spezifische Bereitschaft aller Abteilungen zur Abstellung der auszubildenden Assistenzärzte und des Lehrpersonals möglich gewesen. Die Ausbildung konnte von der Ärztekammer Hamburg akkreditiert und mit acht Weiterbildungspunkten zertifiziert werden.
Kernaussagen / Fazit
- Die FATE-Untersuchungsmethode lässt sich mit akzeptablem organisatorischem und zeitlichem Aufwand am BwKrhs Hamburg erfolgreich ausbilden
- Der Ausbildungserfolg und der Anwendernutzen konnten im Rahmen einer praktischen und schriftlichen Evaluierung dokumentiert werden.
- Eine in Kleingruppen umgesetzte Ausbildung an Probanden und die Vertiefung durch praktische Übungen sollten Kernelemente der Ausbildung sein.
- Der Ausbildungsstellenwert und Nutzen für die notfallmedizinische Versorgung und damit auch für das im Auslandseinsatz anwendbare Verfahren ist auch unter wehrmedizinischen Gesichtspunkten als hoch einzustufen
Literatur
- Schmidt J: Fokussierte Notfallechokardiographie. Notfall 06/2015; DOI: 10.1007/s10049-015-0021-0
- Literaturnachweis: A. Hagendorff, K. Tiemann, G.Simonis et al. (2013) Empfehlungen zur Notfallechokardiographie, Kardiologe 8:45–64
- Neskovic AN, Hagendorff A (2011) Echocardiography in the emergency room. In: Galiuto L, Badano L, Fox K et al (Hrsg) The EAE textbook of echocardiography, 1. Aufl.
- Hagendorff A (2012) Echocardiography in emergency diagnostics. Herz 37:675–686Guido
- Michels, Natalie Jaspers (Hrsg.) Notfallsonographie, Springer, ISBN 978-3-642-36978-0
Für die Verfasser:
Oberfeldarzt Dr. Lorenz Scheit
Bundeswehrkrankenhaus Hamburg
Abteilung Innere Medizin
E-Mail: LorenzScheit@bundeswehr.org
Datum: 20.01.2017
Quelle:
Wehrmedizinische Monatsschrift 2016/12
Wehrmedizinische Monatsschrift 2016/12