GEMEINSAM BESSER WERDEN

Wer als Assistenzärztin oder -arzt in einem Bundeswehrkrankenhaus arbeitet, soll die bestmögliche Weiterbildung und Betreuung erhalten – schließlich hat der Sanitätsdienst der Bundeswehr ein gemeinsames Ziel: die bestmöglichen Voraussetzungen zu schaffen für den Erhalt bzw. die Wiederherstellung der Gesundheit unserer Soldaten.

Die Ausbildung des Nachwuchses ist bereits sehr gut, doch es gibt immer ein paar Stellschrauben, an denen sich drehen lässt. Dies gilt, wie sich herausstellte, auch für das Bundeswehrkrankenhaus Hamburg (BwK-HH): Die Resultate einer anonymisierten Evaluation der Bundesärztekammer über die Weiterbildung in der Inneren Medizin in Deutschland, an der auch Weiterbildungsassistenten (WBA) des BwK-HH teilnahmen, zeigten für die Abteilung Innere Medizin eine bis zu 20-prozentige negative Abweichung vom bundesweiten Durchschnitt in den Feldern „Vermittlung von Fachkompetenz“, „Lernkultur“, „Führungs kultur“ sowie „Entscheidungskultur“. Die WBA wünschten sich also eine noch bessere und effizientere Wissensvermittlung und Betreuung.

Für die Abteilung war klar: Die sollten sie unbedingt bekommen. Die ersten Ideen für ein exakt auf das BwK-HH zugeschnittenes Mentoring- Programm entstanden. Ein passgenaues Programm, das auf die Bedürfnisse der WBA eingehen und ihnen eine individuelle Begleitung zu Verfügung stellen soll – mit dem Ziel, ihre fachliche Autonomie zu steigern.

Die WBA sollen im Rahmen des Programms das Handwerkszeug erhalten, um auf einer internistischen Station gemäß ihres Ausbidungsstandes selbstsicher und mit hohem fachlichen Niveau zu arbeiten. Konkret bedeutet dies: Jeder WBA bekommt einen kundigeren Kollegen zur Seite gestellt, der ihn während seiner Ausbildung betreut. Dabei lernen beide voneinander: Der „Mentee“ erhält Unterstützung beim Erwerb von fachbezogenem Wissen und Feedback zu seiner Performance, der „Mentor“ optimiert seine didaktischen Fähigkeiten. So wird der Wissenstransfer zwischen erfahrenen Mentoren und weniger erfahrenen Mentees gefördert. Ältere kümmern sich um Jüngere, Routiniertere unterstützen Einsteiger, die individuellen Ausbildungsfortschritte werden durch ihre Transparenz messbar und somit jeglicher Subjektivität enthoben – zum Wohle des Einzelnen, der gesamten Abteilung und letztlich der anvertrauten Patienten.

Im Juni wurde dieses Projekt unter dem Namen MIMA („Mentoring in der Medizinischen Inneren Abteilung“) am BwK Hamburg gestartet.

Vor Beginn des Projekts wurden die Assistenten in zwei Gruppen unterteilt. Die erste Gruppe, die Mentees: Assistenten des ersten Weiterbildungsabschnittes mit einer Standzeit von 18 Monaten in der Abteilung für Innere Medizin vor ihrer Truppenarzttätigkeit. Die zweite Gruppe, die Mentoren: nach Eignung ausgewählte WBA im zweiten Weiterbildungsabschnitt. Am Pilotprojekt MIMA nehmen fünf Mentoren und zehn Mentees teil, die ihre Weiterbildung erst kürzlich begonnen haben.

Das Projekt MIMA steht auf zwei Säulen, einem Logbuch – in dem der konkrete Ausbildungsinhalt abgebildet ist – und dem Mentoring- Programm, der fachlichen Betreuung der WBA. Die erste Säule, das Logbuch: Dieses Pflichtenheft beinhaltet einen Katalog von Kompetenzen, die der Mentee in den ersten 18 Monaten seiner Ausbildungszeit erwerben wird. Es soll eine strukturierte und zeitlich eng gestaffelte Kontrolle der Weiterbildungsinhalte ermöglichen, indem genau festgelegt ist, wann bestimmte Kompetenzen erlernt werden sollen. Anhand des Logbuchs soll sowohl der WBA als auch sein Mentor den Fortschritt der Ausbildung nachvollziehen können. Dabei wird in den ersten Monaten der Schwerpunkt auf Kenntnisse und Fähigkeiten gelegt, die für einen geregelten Stationsablauf und Visitendienst bzw. für ein kompetentes Arbeiten in Ambulanz und Notaufnahmebereich erforderlich sind.

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Das Logbuch ist unterteilt in verschiedene Typen von Fähigkeiten, die jedem und jeder WBA in der Ausbildung und in Zukunft nützlich sind: „Operating Skills“, „Soft Skills“ und „Hard Skills“. Die einzelnen Skills ergeben sich aus den Anforderungen die an den Assistenten gestellt werden. „Operating Skills“ ermöglichen es den Assistenten, selbstständig auf einer internistischen Abteilung zu arbeiten. Sie umfassen unter anderem Kenntnisse über den Aufbau des Arbeitsbereichs, die Ansprechpartner und den Umgang mit Notfallsituationen. „Soft Skills“ dienen der Steigerung der Autonomie des WBA und seiner Kommunikationsfähigkeiten. Die WBA lernen, Arbeitsabläufe innerhalb der Station zu organisieren, ihre Aufgaben zu priorisieren und situationsgerecht mit Patienten und ihren Angehörigen umzugehen. Die „Hard Skills“ bilden die Fertigkeiten und Zahlen ab, die von den Ärztekammern für die Weiterbildung zum Facharzt für Innere Medizin/Allgemeinmedizin ge fordert werden. Der Inhalt der einzelnen Skill-Sets weist ein zeitlich ansteigendes Anforderungsprofil auf. Ziel der ersten Säule ist, dass sich der WBA frühzeitig eine kompetenzbasierte berufliche Autonomie aneignet. Das Logbuch wurde von einem Team von Assistenten des ersten und zweiten Weiterbildungsabschnitts zusammengestellt, die dabei die Infrastruktur des BwK-HH berücksichtigten. Die inhaltliche Supervision geschah durch einen Oberarzt sowie den leitenden Oberarzt und den Leiter der Abteilung.

Die zweite Säule von MIMA ist das eigentliche Mentoring, mit dem die WBA in ihrer Weiterbildung individuell unterstützt werden sollen. Im Vorfeld werden die Mentoren auf ihre Rolle als Coach vorbereitet. Ihre Ausbildung übernimmt das Team um Prof. Harald Geissler vom Institut für Pädagogik der Helmut-Schmidt- Universität Hamburg (Professur für Allgemeine Pädagogik unter besonderer Berücksichtigung der Berufs- und Betriebspädagogik der Fakultät für Sozialwissenschaften), der das Projekt zudem wissenschaftlich auswerten wird. Das von Prof. Geissler entworfene „Virtuelle Mitarbeitercoaching“ (VMC) basiert auf einer ständigen gegenseitigen Evaluation der Mentoren und Mentees. In einem Verlaufsprogramm werden zwischen den beiden Akteuren regelmäßig Treffen nach einem strukturierten Schema abgehalten und die Ergebnisse in einem standardisierten Protokoll erfasst. Der Mentor bewertet die Leistungen des Mentees – und umgekehrt. Diese ständige bidirektionalen Supervision dient dazu, frühzeitig mögliche Wahrnehmungsdiskrepanzen zu identifizieren und im Konsens zu beheben. Fortschritte und Abweichungen von dem zwischen Mentor und Mentee vereinbarten Ziel werden festgehalten und gegebenenfalls Gegenmaßnahmen vereinbart. Die wissenschaftliche Aufarbeitung des Projekts wird durch eine Masterarbeit der Fakultät für Sozialwissenschaften geleistet. In dieser werden die anfangs gemessenen Resultate nach einer Zeitspanne von drei, sechs und neun Monaten mit aktuellen Ergebnissen verglichen.

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Das Projekt MIMA hat am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg im Juni begonnen, es ist also noch zu früh, um bereits Resultate vorlegen zu können. Für die Projektleiter des BwKHH gilt MIMA als erfolgreich, wenn die Resultate nach neun Monaten die Anfangsergebnisse um 50 Prozent übersteigen sowie in allen Fällen die Ergebnisse der LÄK sowie der BÄK übertreffen. Es ist nicht das Ziel des Pilotprojekts, Ergebnisse mit statistischer Belastbarkeit zu erzielen – es geht vielmehr darum, einen Trend herauszuarbeiten. An einem größeren Kollektiv könnten die Trendergebnisse dann validiert werden. Sollte sich das Projekt als zielführend erweisen, könnte MIMA anderen Abteilungen – und auf Wunsch anderen Bundeswehrkrankenhäusern – angeboten werden. Es ist weiterhin geplant, MIMA im zweiten Schritt abteilungsintern auf die nächsthöhere Ebene – WBA des zweiten Ausbildungsabschnitts als Mentee/Oberarzt als Mentor – auszuweiten.

Das Projekt MIMA ist in seiner Erprobungsphase. Derzeit geht es darum, das Programm, während es läuft, weiter zu optimieren. MIMA ist nicht fertig, sondern ein „work in progress“. Die Projektverantwortlichen verstehen sich dabei nach innen als dienstleistungsorientiertes Bindeglied zwischen den einzelnen Teilnehmern und nach außen als Ansprechpartner für jegliche Anmerkungen – damit MIMA durch externen Input noch besser werden kann. Vorschläge und Kommentare sind also jederzeit willkommen und erwünscht.

 

Datum: 01.10.2012

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2012/3

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