Die Ausbildung von Truppenärzten am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg

Vor der Truppenarztzeit: „Common Trunk für Sanitätsoffiziere“ im 1. klinischen Weiterbildungsabschnitt am BwKrhs Hamburg

Jeder SanOA und junge SanOffz im ersten klinischen Weiterbildungsabschnitt hat mindestens drei Jahre Dienst als Truppen- oder Schiffsarzt vor sich. Gleich welche Fachrichtung das spätere Weiterbildungsziel ist, eine gewisse Zeit verbringt jeder im truppenärztlichen und damit im allgemeinmedizinischen Bereich. Doch nicht jeder fühlte sich in der Vergangenheit ausreichend genug auf diese Herausforderung vorbereitet. Zwar sind Erkrankungen aus dem „eigenen“ Fachbereich meist kein Problem. Bei Krankheiten aber, mit denen man in seinem ersten klinischen Abschnitt wenig zu tun hatte, standen viele Kameraden als Truppenärzte vor einer echten Herausforderung.

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Die Weiterbilder im ersten klinischen Abschnitt sind als Spezialisten ihres Fachgebietes weniger geeignet, die allgemeinmedizinischen Fähigkeiten ihrer Assistenten adäquat auszubilden und haben, genau genommen, auch den Auftrag, die jungen Sanitätsoffiziere in ihrem Fachgebiet weiterzubilden, zudem Sie durch das Problem fehlender allgemeinmedizinischer Vorbereitung der zukünftigen Truppenärzte nicht unmittelbar betroffen sind. Mittelbar kann es jedoch durch übermäßiges Überweisungsverhalten aufgrund diagnostischer und therapeutischer Schwächen der späteren Truppenärzte zumindest zu einer gesteigerten Vorstellung ambulanter Patienten in den FU-Stellen kommen, was dann alle Abteilungen in den Bundeswehrkrankenhäusern sowie zivile Fachärzte an den Standorten betrifft.

Die derzeit für die Laufbahn der jungen Sanitätsoffiziere angebotenen lehrgangsgebundenen Ausbildung zielt zum einen auf die notfallmedizinischen Fähigkeiten und zum anderen auf die organisatorischen Rahmenbedingungen der Truppenarzttätigkeit ab. Die Soldaten in den Einheiten nehmen allerdings schnell wahr, ob ihr Truppenarzt die nötige Kompetenz für „leicht behandelbaren Krankheiten“ besitzt. Dies hat möglicherweise Einfluss auf die Behandlungszeiten und Rate an Krankschreibungen. Hieran entscheidet sich dann auch häufig, wie der junge SanOffz seinen Arbeitsalltag strukturiert und organisiert, ob er eine überwiegend erfüllende und gesunde Tätigkeit anstelle von Frustration und Überforderung besitzt und ob dem späteren Facharzt die Truppenarzttätigkeit in guter oder schlechter Erinnerung bleibt. Wir postulieren an dieser Stelle, dass die Zufriedenheit in der Truppenarztzeit mit der Zufriedenheit im Gesamtsystem und mit der Rate der anschließenden Weiterverpflichtung korreliert.

Um Wissenslücken zu schließen, Unsicherheiten vorzubeugen und den wissenschaftlichen Austausch unter den Erstklinikern zu fördern, wurde am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg das „Truppenarztcurriculum - Common Trunk Sanitätsoffizier“ ins Leben gerufen (Abb. 1). Der Ausdruck ist angelehnt an den „Common Trunk“ in der Chirurgischen Facharztausbildung: Auch dort gilt es in den ersten Jahren, Grundfertigkeiten zu erlernen, die unabhängig von einer persönlichen Spezialisierung jeder Chirurg können muss. Dasselbe gilt für den „Common Trunk“-Sanitätsoffizier: Das, was dort vermittelt wird, muss jeder Sanitätsoffizier mit einer truppenärztlichen Verwendung wissen und können.

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Nach Rücksprache mit zwei erfahrenen Truppenärzten erfolgte zunächst eine kritische Auswahl der Themen. Es sollte der Fokus auf den häufigsten Beratungsanlässen liegen. Auf dieser Grundlage ist ein Curriculum entstanden, welches sich derzeit nach Beendigung des ersten Vortragsdurchgangs in einer zweiten, angepassten Version befindet. Ziel des Curriculums ist es, essentielle Basics (Faktenwissen zu verschiedenen Entitäten) zu vermitteln, um den jungen Sanitätsoffizieren eine Richtschnur für ihre Truppenarzttätigkeit zu geben und unnötiges Überweisungsverhalten zu reduzieren. Ein weiterer Fokus bestand darin, bereits vor der Truppenarztzeit die Ressourcen und Möglichkeiten im truppenärztlichen Alltag in den Mittelpunkt zu stellen. Hier sei erwähnt, dass es gegenüber dem in der Klinik gewohnten Möglichkeitsrahmen deutliche Limitationen und Unterschiede gibt, je nach SanVersorgungs- oder SanUnterstützungszentrum. Die apparative Ausstattung, der Zugang zu zügigen Laborergebnissen aber auch die Rücksprache und Diskussion mit erfahrenen Kollegen und Allgemeinmedizinern wurde von den ehemaligen Truppenärzten durchaus als heterogen beschrieben.

Insgesamt erfolgt die Vermittlung der Inhalte durch Impulsvorträge. Erfreulich ist die Durchhaltefähigkeit des etablierten Curriculums bereits im ersten Durchgang. Die Vorträge fanden bis auf kleine Ausnahmen regelmäßig statt, die Dozenten waren zum größten Teil äußerst motiviert. Das angestrebte Ziel wurde vor allem im ersten Durchgang des „Common Trunk Sanitätsoffizier“ bedauerlicherweise nur zum Teil erreicht. Manchmal erfolgte die Betrachtung der klinischen Entitäten durch die Vortragenden aus der Sicht eines in der Notaufnahme tätigen Arztes, vereinzelt waren die Vorträge noch mit fachlicher Propädeutik überfrachtet. Auch hinsichtlich moderner und abwechslungsreicher Lernformen (Workshops, Simulation, problemorientiertem Lernen (POL)) zeichnete sich noch Optimierungspotential ab. Im Rahmen der zweiten Version wurden daher auf den „Blick und die Möglichkeiten“ des Truppenarztes fokusiert. Damit konnte dem angestrebten Ziel näher gekommen werden. Jedoch bleibt festzustellen, dass auch im zweiten Durchlauf weitere Verbesserungspotential existiert und noch nicht alle Vorträge die Vorgabe optimal erfüllen.

Am Ende jeder Veranstaltung erfolgt eine Evaluation mit fünf Kernfragen zu Inhalt, Zeitmanagement, Einsatz von Medien, methodisch/didaktischer Kompetenz und Relevanz für die truppenärztliche Tätigkeit. Des Weiteren besteht die Möglichkeit im Rahmen einer Freitext­­evaluation Lob und konstruktive Kritik zu äußern. Die fünf Kernfragen sind nach dem Schulnotenprinzip (1 - 6) aufgebaut, sodass eine spätere statistische Analyse und der Vergleich von Dozenten aber auch Abteilungen möglich sind. Dies soll dazu beitragen ein „Wettbewerbsgefühl“ zu fördern und damit die Motivation sowie Eigeninitiative der Abteilungen zu steigern.

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Der erste Durchgang zeigte nach Auswertung der Evaluationen deutliche Defizite bei der angestrebten truppenärztlichen Relevanz und bei den methodisch/didaktischen Kompetenzen der Vortragenden. Zeitmanagement, Inhalt und Einsatz von Medien (zumeist Powerpoint-Vorträge) wurden hingegen sehr homogen bewertet. Die Auswertungen des im April 2015 zu Ende gegangenen zweiten Durchlaufs zeigen eine Verbesserung bei der truppenärztlichen Relevanz, sind ansonsten aber eher deckungsgleich mit den Auswertungen des ersten Durchgangs.

Schlussendlich ist die Evaluation ein obligates Werkzeug, um einerseits die Akzeptanz bei den Sanitätsoffizieren im ersten klinischen Abschnitt zu bewerten und andererseits die Vorträge stetig zu optimieren. Retrospektiv betrachtet sind Variabilität der Lernformen, truppenärztlicher Fokus sowie Methodik und Didaktik der Vortragenden die relevanten Schwerpunkte, um das Curriculum attraktiv und durchhaltefähig in den nächsten Versionen weiter zu entwickeln. Ein in sich geschlossener und an den Lernzielen orientierter Vortrag ist die Grundlage für spätere Workshops, Simulationen oder der Einstieg in POL zu dem jeweiligen Thema. Letzteres wird Schwerpunkt der Version 3.0 sein, welche im Sommer 2015 beginnt. Wesentlich hängt jedoch der Erfolg einer derartigen Ausbildung zukünftiger Truppenärzte nicht nur von den Vortragenden und den jeweiligen Abteilungen ab, sondern maßgeblich auch von der Beteiligung der Zielgruppe.

Weiterbildungsangebot für Sanitätsoffiziere in der Truppenarztzeit am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg

Auch die Fortbildung von aktiven Truppenärzten ist dem Bundeswehrkrankenhaus Hamburg ein besonderes Anliegen. Um die Interessenschwerpunkte der Truppenärzte für Weiterbildungsthemen zu eruieren, wurde durch das Bundeswehrkrankenhaus Hamburg während der 11. und 12. Arbeitstagung der Offiziere des Sanitätsdienstes im Norden in Damp jeweils eine Umfrage durchgeführt, über die der Bedarf der Truppenärzte an bestimmten Weiterbildungsinhalten in Erfahrung gebracht werden konnte. Abgestützt auf diese Umfragen wurden im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg in Zusammenarbeit der einzelnen Abteilungen gezielt Lehrgänge vorerst als Pilotprojekt konzipiert, in denen die von den Truppenärzten gewünschten Weiterbildungsinhalte und Themen abgearbeitet werden sollten.

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Die von truppenärztlicher Seite gewünschten Fortbildungsinhalte werden in zwei getrennt durchgeführten Lehrgangsmodulen vermittelt. Hierzu wurde als erste Maßnahme das Modul 1: „Kleine Fächer“ konzipiert. Um eine individuelle Schulung der Lehrgangsteilnehmer gewährleisten zu können, wurde bereits in der Pilotphase die Teilnahme auf insgesamt nur zehn Lehrgangsteilnehmer begrenzt. Die Lehrgangsdauer beträgt fünf Tage. Diese Fortbildung beinhaltet Hospitationen in den Fächern HNO, Urologie, Dermatologie, Neurologie und Augenheilkunde (Abb. 2, Abb. 3). Die Lehrgangsteilnehmer werden in kleinen Gruppen aufgeteilt und hospitieren jeweils zu zweit vormittags in den Ambulanzen HNO, Urologie, Dermatologie, Neurologie und Augenheilkunde im täglichen Wechsel. Nachmittags finden Seminare durch Fachärzte aus den genannten Abteilungen mit allen Lehrgangsteilnehmer eines Moduls statt (Abb. 4). In den Nachmittagsseminaren werden z. B. von der Abteilung HNO nachfolgende Lerninhalte, die bei den Umfragen von truppenärztlicher Seite angesprochen wurde, erarbeitet:

  • Behandlung des Knalltraumas und des Hörsturzes,
  • Maßnahmen bei Entzündungen, wie z. B. Otitis externa und Otitis media,
  • Krankheitsbilder der Mundhöhle wie die EBV-Infektion,
  • Tonsillitis und Peritonsillarabszess,
  • Maßnahmen bei aphthösen Schleimhautläsionen,
  • Notfallmaßnahmen bei Epistaxis,
  • Frakturen des Nasenbeins.

Auch auf dermatologischem Gebiet werden bevorzugt die Krankheitsbilder besprochen, mit denen der Truppenarzt in seiner Sprechstunde häufig konfrontiert wird. Hierzu zählen die Psoriasis vulgaris, Varianten der Neurodermitis und anderer Ekzemleiden. Besondere Bedeutung nehmen hier die Empfehlungen für eine stadiengerechte Ekzemtherapie ein. Darüber hinaus werden die Symptome, die Diagnostik und Therapie sexuell übertragbarer Erkrankungen erörtert. Ein weiteres Themengebiet umfasst die Früherkennung von malignen Melanomen und epithelialen Hauttumoren (Basalzellkarzinom, aktinische Keratosen, spinozelluläres Karzinom) sowie die Behandlung von benignen Hautveränderungen (Verrucae vulgares, Molluscum con­tagiosum etc.).

Im Fachgebiet Augenheilkunde werden gezielt der Ablauf in der augenärztlichen Befundung erläutert, Indikationen für Spaltlampenuntersuchungen dargestellt und u. a. Details bei der Visusmessung erklärt. Weiterhin werden die Lehrgangsteilnehmer in der Interpretation augenärztlicher Befunde bei Tauglichkeitsuntersuchungen geschult. In Hinblick auf vorausgegangene Ausbrüche werden die notwendigen Maßnahmen beim Auftreten von Keratokonjunktivitis epidemica in militärischen Einrichtungen ausführlich dargestellt.

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Das Modul 2 „Große Fächer“ beinhaltet ebenfalls für Truppenärzte relevante Themengebiete, die durch die Abteilung Chirurgie, Unfallchirurgie und Innere Medizin unterrichtet werden. Auch in diesem Lehrgang werden die Lehrgangsteilnehmer in Kleingruppen aufgeteilt und hospitieren jeweils 2 Vormittage in den Ambulanzen Innere Medizin, Allgemeinchirurgie sowie unfallchirurgischer Ambulanz nach einem Rotationsplan. Nachmittags werden Unterrichtseinheiten in Seminarform durch die Abteilungen Innere Medizin, Unfallchirurgie und Allgemeinchirurgie ausgerichtet. Analog zu dem Lehrgang „kleine Fächer“ ist auch dieser Lehrgang auf zehn Lehrgangsteilnehmer bewusst begrenzt worden. Die Lehrgangsdauer beträgt ebenfalls fünf Tage.

Im Nachmittagsseminar Unfallchirurgie / Orthopädie wird beispielsweise die Diagnostik und Therapie von Kniegelenksinstabilitäten besprochen und allgemeine Maßnahmen zur Diagnostik und Behandlung von degenerativen und traumatischen Gelenkverletzungen dargestellt. Internistische Themen beinhalten die Lungenfunktionsdiagnostik, Erläuterungen zu speziellen EKG-Befunden und zur Ergometrie, Abklärung von Schilddrüsenerkrankung und die medikamentöse Einstellung von Patienten mit Hypertonie und Stoffwechselkrankheiten.

Angelehnt an die Evaluierung der Fortbildungsveranstaltung im Rahmen der Veranstaltungen im „Common Trunk Sanitätsoffizier“ während des ersten klinischen Weiterbildungsabschnittes wurden auch diese Lehrgänge (Modul 1 und Modul 2) durch die Lehrgangsteilnehmer bereits in der Pilotphase in 2014 mit überaus positivem Ergebnis evaluiert.

Nicht alle für den Truppenarzt relevante Themengebiete konnten jedoch in diesen beiden Wochenlehrgänge erfasst werden. Gerade auf dem Fachgebiet der Psychiatrie wäre eine Hospitation im Rotationsverfahren im Ambulanzbetrieb nicht darstellbar. Um solch wichtige Themen dennoch aufgreifen zu können wurde hier eine andere Weiterbildungsart in Form von Tagesseminaren gewählt. Tagesseminare wurden im Jahr 2014 auf dem Gebiet der Psychiatrie, der Ernährungsmedizin und der Physio- und Ergotherapie durchgeführt. Auch in 2015 werden wird diese Tagesseminare erneut anbieten und die diese Fortbildungsreihe mit einem Tagesseminar „Allergologie“ ergänzen, das interdisziplinär durch die Abteilung Dermatologie, Innere Medizin und Hals-/Nasen-/ Ohrenheilkunde gestaltet werden soll. Die Teilnehmerzahl der Tages­seminare sollte 25 Lehrgangsteilnehmer nach Möglichkeit nicht überschreiten, um auch hier eine individuelle Schulung noch gewährleisten zu können.

Die Termine für die Durchführung der Lehrgangsmodule und Tagesseminare sind aus Tabelle 1 ersichtlich. Während in der Pilotphase 2014 dieses Angebot in erster Hinsicht an Truppenärzte gerichtet war, die im Kommandobereich des Sanitätskommando I Dienst taten oder dem Marinesanitätsdienst angehörten, wurde diese Beschränkung für die Lehrgänge und Seminare 2015 aufgehoben.

Anmeldungen zur Teilnahme sind auf dem Dienstweg zu richten an das

Kommando Regionale Sanitätsunterstützung, Diez,
RegSanUstg G1.3
Hptm Eschenweg
LoNo: Kdo RegSanUstg G1.3@bundeswehr.org

und für Angehörige des Marinesanitätsdienstes an

Marinekommando
Dezernat Ausbildungsgrundsatz/Struktur/Organisation
FTLA Dr. Lutz Nolde
LoNo: MarKdoSan15@bundeswehr.org

Das Bundeswehrkrankhaus Hamburg freut sich, Truppenärzte aus dem gesamten Sanitätsdienst der Bundeswehr als Teilnehmer in diesen Lehrveranstaltungen begrüßen zu können.

Datum: 03.12.2015

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2015/2

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