Drohnenschwärme - Wie wird die Zukunft der Mensch-Maschine-Interaktion aussehen?
Aus dem Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe (Leiter: Generalarzt Prof. Dr. R. Schick)
Drohnen als Schwarm einzusetzen ist ein noch recht junger, aber rapide wachsender Forschungsbereich. Dabei stellt sich aus fliegerpsychologischer Sicht bereits in der Entwicklungsphase dieser Drohnenschwärme die Frage, wie die Schnittstelle zwischen Drohnenschwärmen und dem Menschen idealerweise aussehen sollte.
Die Autorin konnte sich im Rahmen ihres wehrwissenschaftlichen Austauschjahres an der Naval Postgraduate School im Jahr 2017/2018 mit der Thematik der Drohnenschwärme beschäftigen. Als Teil von CRUSER, dem ‚Consortium for Robotics and Unmanned Systems Education and Research‘ innerhalb des Information Sciences Departments an der Naval Postgraduate School (Monterey/USA), konnte sie Feldversuche im Bereich der Automation begleiten, an einem Workshop zur Generierung innovativer Konzepte für die U.S. Navy namens ‚WIC Warfare Innovation Continuum Workshop‘ teilnehmen, Literaturrecherchen durchführen und auch Forschungsgruppen begleiten, die sich mit der Entwicklung von Drohnenschwärmen beschäftigen.
Der Grad an Autonomie eines Schwarms wirkt sich massiv auf die Interaktionsmöglichkeiten und –anforderungen aus. Wenn ein Schwarm komplett autonom agiert, welche Informationen benötigt der Mensch dann überhaupt noch? Sollen Informationen geliefert werden, die ein Überwachen des Schwarms ermöglichen, indem beispielsweise Flugparameter einzelner Einheiten des Schwarms angezeigt werden? Gibt es gar keine Anzeige mehr von einzelnen Flugparametern, aber durchaus über den Schwarm als Entität? Oder können diese Informationen komplett entfallen und ersetzt werden durch einen Task-Manager, der anzeigt welche Aufgabe an welchem Ort zu welchem Grad abgearbeitet wurde, ohne weitere Informationen über den Schwarm zu liefern?
Sollte es für den Menschen eine Möglichkeit geben einzugreifen? Sofern der Schwarm nicht völlig autonom agiert, sondern ein Mensch mindestens überwachende Funktion wahrnimmt, müssen zusätzliche Informationen angezeigt werden – fraglich ist aber wiederum, was wie dargestellt werden sollte. Sofern alle einzelnen Teile eines Schwarms angezeigt werden sollten, würden mehrere Operateure benötigt werden, die diese Teile überwachen, denn die zeitgleiche Überwachung von bspw. 20 Drohnen oder mehr wäre für eine Person alleine kaum händelbar. Alternativ könnte eine technische Unterstützung bei der Überwachung genutzt werden, beispielsweise könnten Besonderheiten und Abweichungen des Schwarms automatisch angezeigt oder hervorgehoben werden.
Welche Aufgaben werden Schwärme von Drohnen erfüllen können? Auch diese Frage wird das Interface maßgeblich beeinflussen. Kann der Schwarm von der Patrouille bis zur Identifikation und vielleicht sogar Reaktion auf das Erkennen eines Feindes autonom arbeiten, oder werden Menschen benötigt, die Informationen vom Schwarm erhalten und auswerten? Wie genau und zuverlässig (reliabel und valide) werden Drohnenschwärme arbeiten können; ist es ethisch vertretbar diese autonom arbeiten zu lassen? Welche Fehlerquote wäre akzeptabel? Wer wird einen Schwarm steuern bzw. Ergebnisse erhalten? Werden Soldaten mit Ergebnissen versorgt, während sie im Einsatz sind? Wenn ja, welche Soldaten und wo befinden sich diese? Handelt es sich beispielsweise um Soldaten im Häuserkampf oder auf Patrouille oder um einen Piloten im Cockpit, etc.? Wird es alternativ Operateure geben, die Daten vom Schwarm erhalten, auswerten und weitere Entscheidungen treffen? Welche Fähigkeiten muss der Operateur mitbringen? Diese Fragen sind zum jetzigen Zeitpunkt kaum zu beantworten.
Zum Aufbau eines Interfaces gäbe es viele Möglichkeiten. Neben Kontrollstationen, wie sie bislang im Bereich der Unmanned Aerial Vehicles (UAV) genutzt werden, könnten alternative Technologien wie Tablets/ Touchscreens, Smartwatches oder sogar Sprachkommandos und Gestiken genutzt werden, um einen Schwarm zu steuern. Welche Art der Interaktion mit dem Schwarm genutzt werden sollte, wird wiederum von den Aufgaben, dem Grad an Autonomie, dem Anwender und den Rahmenbedingungen, unter denen der Anwender arbeiten wird, abhängen.
Die hier aufgeworfenen Fragen, von der Frage nach Aufgaben, Autonomie, Zuverlässigkeit eines Schwarms von Drohnen über die zukünftigen Nutzer oder Operateure eines Schwarms zu den Möglichkeiten der Interaktion mit einem Schwarm, werden erst im Lauf der technischen Entwicklung und im Rahmen der Auseinandersetzung mit den rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen beantwortet werden können. Inwiefern autonome Systeme eingesetzt werden dürfen, können und sollen, ist bislang unklar. Da alle genannten Fragen voneinander abhängig sind, wird ein iterativer Prozess unter besonderer Berücksichtigung der ‚Human Factors‘ erforderlich sein. Für die Auswahl des zukünftigen Personals werden die Aufgaben, die das Personal in Interaktion mit dem Schwarm übernehmen wird, die Komplexität der Überwachungs- oder auch Auswertungsfunktion und der Steuerung bzw. Bedienung (die Komplexität wird wiederum abhängig sein vom Design des Interfaces), das Ausmaß an Workload (beispielsweise könnte die Aufgabe zusätzlich zu einer primären Hauptaufgabe stattfinden) maßgeblich sein.
In der Bundeswehr werden derzeit IT-Systeme/-Netzwerke angedacht, die intelligent und selbstorganisierend sind und – bei entsprechender Weiterentwicklung – eine Grundlage teilautonomer Schwärme sein können. Das Fraunhofer FKIE untersucht, wie abgesessene Infanteriezüge durch Mensch-Mehrroboter-Teams unterstützt werden können (Wehrtechnischer Report 4/2018). Die Nutzung von Drohnenschwärmen zu Lande und in der Luft ist für die Bundeswehr längst keine zukunftsferne Technologie mehr und wird mit den hier vorgestellten Überlegungen auch für die Flugpsychologie des ZentrLuRMedLw hinsichtlich der Auswahl und des Trainings zukünftiger Operateure zur Herausforderung werden.
Literatur:
Wehrtechnischer Report 4/2018. Digitalisierung landbasierter Operationen. Mittler Report Verlag GmbH
Anschrift:
Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe
Katrin Meierfrankenfeld
Dezernat II 2 b
Straße der Luftwaffe 322
82256 Fürstenfeldbruck
E-Mail: KatrinMeierfrankenfeld@bundeswehr.org
Datum: 22.07.2019
Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2/2019