30.03.2015 •

UPDATE: PSYCHISCHE ERKRANKUNGEN IN DER BUNDESWEHR

Update: Psychiatric Disorders in the German Armed Forces

Aus dem Zentrum für Psychiatrie und Psychotraumatologie (Leiter: Oberstarzt PD Dr. P. Zimmermann) des Bundeswehrkrankenhauses Berlin (Chefarzt: Flottenarzt Dr. K. Reuter)

Peter Zimmermann, Christina Alliger-Horn, Ulrich Wesemann, Gerd Dieter Willmund

WMM, 59. Jahrgang (Ausgabe 2/2015; S. 34-37)

Zusammenfassung

Psychische Erkrankungen haben mit einer 12-Monats-Prävalenz von 20 bis 23 % einen hohen Stellenwert im wehrmedizinischen Behandlungsspektrum der Bundeswehr. Eine herausgehobene Position nehmen dabei einsatzbedingte psychische Erkrankungen ein.

In den letzten 20 Jahren hat sich die wehrpsychiatrische Therapie umfassend gewandelt. Vielfältige präventive und komplementärmedizinische Angebote haben sich parallel etabliert.
Ziel dieses Beitrages ist es, einen Überblick über aktuelle Entwicklungen in den Bereichen Prävention, Behandlung, Begutachtung und Forschung zu psychischen Erkrankungen in der Bundeswehr zu geben und zu diskutieren.

Schlagworte: Psychiatrie, Bundeswehr, Entwicklung, Therapie 

Summary

Psychiatric disorders have, due to prevalence rates of 20 to 23 %, an outstanding position in Military Medicine of the German Armed Forces. Deployment-related diseases are of special importance.
Within the last 20 years treatment approaches and treatment settings have substantially changed in the German Armed Forces and numerous preventive and therapeutic elements have been established.
The aim of this article is to give an overview concerning recent developments in prevention, treatment, evaluation and research in the field of psychiatric disorders in the German Armed Forces.
Keywords: psychiatry, German Armed Forces, treatment, development

Einführung

Psychische Erkrankungen, Reaktionen und Belastungen sind seit der Antike immer wieder als direkte Folge militärischen Handelns beschrieben und diskutiert worden. Sie treten in vielfältigen und vor dem jeweiligen soziokulturellen Hintergrund variablen Erscheinungsformen auf [1]. Dementsprechend sind auch immer wieder unterschiedliche ätiologische und syndromatische Zuordnungen von Symptomkomplexen im militärischen Kontext vorgenommen und diskutiert worden.
Die Wehrpsychiatrie der Bundeswehr nahm nach dem 2. Weltkrieg ihren Neuanfang zunächst als Begutachtungspsychiatrie mit eher diagnostischen Schwerpunktsetzungen. Seit Mitte der 90er Jahre hat jedoch durch das wachsende Engagement in Auslandseinsätzen ein substanzieller Wandlungsprozess eingesetzt, der bis heute anhält. Zunehmend häufiger erwarten Soldaten von der unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung eine professionelle psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung nach aktuellsten und auch zivil gültigen Standards, die zusätzlich militärspezifische Aspekte integriert und typischen Erfordernissen und Besonderheiten des Soldatenberufs gerecht wird.
In dem Bestreben, diesem Anspruch umfassend nach zu kommen, haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten zahlreiche Veränderungen und Bereicherungen des psychiatrisch-psychologischen Versorgungssystems entwickelt, die im Folgenden exemplarisch dargestellt werden sollen.

Erscheinungsformen und Prävalenzen psychischer Erkrankungen in der Bundeswehr

In den Jahren 2010 bis 2013 hat die Bundeswehr im Auftrag des Deutschen Bundestages eine großangelegte Studie zur Art und Häufigkeit psychischer Erkrankungen in der Bundeswehr durchgeführt. Das wissenschaftliche Team, das diese Studie durchgeführt hatte, bestand aus Mitarbeitern der Technischen Universität Dresden, Fachbereich Psychologie, sowie des Psychotraumazentrums der Bundeswehr, das als integraler Bestandteil des Bundeswehrkrankenhauses Berlin im Jahr 2009 eingerichtet wurde. Zu den Ergebnissen sind bereits zahlreiche Publikationen erschienen (u. a. [2, 3]), weitere stehen noch aus. In dieser Studie wurden umfangreiche standardisierte Interviews bei insgesamt ca. 3 000 Soldaten durchgeführt, die einen methodisch sehr präzisen Einblick in das einsatzbedingte und nicht-einsatzbedingte psychiatrische Krankheitsgeschehen bei Soldaten geboten haben.
20 bis 22,5 % aller Soldaten mit und ohne Auslandseinsatz litten in einem Zeitraum von zwölf Monaten vor der Befragung unter einer psychiatrischen Erkrankung. Am häufigsten waren Angststörungen, depressive Erkrankungen, Suchterkrankungen, somatoforme Störungen sowie die posttraumatische Belastungsstörung. Dabei gab es Unterschiede zwischen Einsatzsoldaten und ihren Inlandskameraden. Bei ersteren standen vor allem Angststörungen (im Wesentlichen die Agoraphobie) sowie die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) im Vordergrund, in der Kontrollgruppe ohne Einsatz waren es Angststörungen und depressive Störungen.

In der Einsatzgruppe waren es bei 20 % der Einsatzteilnehmer vor allem bereits vorbestehende psychische Erkrankungen, die das Risiko für eine psychische Symptomatik nach dem Einsatz signifikant erhöhten. Die Art der Stressoren im Einsatz hatte demgegenüber nur einen geringen Einfluss auf die Symptomatik [3]. Auch die Einsatzdauer wirkte sich nur mäßig auf das Erkrankungsrisiko aus; besonders gefährdet waren Soldaten, die Kampftruppen angehörten und länger als 7 Monate im Einsatz waren [4].

In ersten Pilotstudien des Psychotraumazentrums scheinen sich einsatzbedingte psychische Erkrankungen auch anhand von Veränderungen im funktionellen MRT sowie im Blutspiegel von Omega-3-Fettsäuren abzubilden. Die Auswertungen dazu sind jedoch noch nicht abgeschlossen.

Darüber hinaus wird das einsatzbedingte Erkrankungsgeschehen von persönlichen Risiko- und Schutzfaktoren beeinflusst. Dazu zählen individuelle Wertorientierungen. In zwei kürzlich veröffentlichen Studien des Psychotraumazentrums trugen Wertorientierungen wie Hedonismus, die eine persönliche Bedürfnisbefriedigung in den Vordergrund stellen, eher zu einer geringeren depressiven, ängstlichen und posttraumatischen Symptombelastung nach Auslandseinsätzen bei, wohingegen Wertbildungen, die mit Kameradschaft in Beziehung stehen, z. B. Universalismus und Benevolenz (die Orientierung am Wohl anderer und der Gemeinschaft) signifikant mit einer erhöhten Krankheitsschwere assoziiert waren [5].

Auch im Auslandseinsatz selbst kann es zu psychischen Belastungen oder Erkrankungen kommen. Diese hängen u. a. von einsatzspezifischen Stressoren ab, die sich im Verlaufe verschiedener Kontingente verändern können. So standen 2009 in der fachärztlichen Untersuchungsstelle Psychiatrie und Neurologie in Afghanistan akute Belastungsreaktionen und PTBS im Vordergrund, die auf die umfangreichen Gefechtsaktivitäten zurückzuführen waren. Im Jahre 2012 dagegen war der Psychiater vor Ort eher mit Anpassungsstörungen befasst, die vor allem aus dienstlichen Konfliktfeldern mit Kameraden oder Vorgesetzten bzw. mit dem heimischen Umfeld resultierten [6]. Die Krisenintervention und initiale Behandlung derartiger Erkrankungen ist unter den Bedingungen eines Feldlazarettes gut möglich. Dazu gehören auch traumatherapeutische Interventionen bis hin zur Traumakonfrontation. Eine solide fachgerechte Ausbildung ist dafür allerdings erforderlich.

Kommt eine solche Behandlung nicht zustande oder ist die Erkrankung zu schwerwiegend, werden psychisch erkrankte Soldaten nicht selten auch vorzeitig aus gesundheitlichen Gründen aus dem Einsatzgebiet repatriiert. Eine Studie des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Kooperation mit dem Psychotraumazentrum ergab, dass offenbar vor allem jüngere Soldaten, Mannschaftsdienstgrade, sowie Kampftruppensoldaten eine Vulnerabilität für zur Repatriierung führende psychischen Erkrankungen aufweisen [7].

Prävention psychischer Erkrankungen

Um eine psychische Erkrankung während oder nach dem Einsatz zu verhindern oder die Früherkennung zu erleichtern, wurde in den letzten Jahren eine Reihe von Präventivmaßnahmen in der Bundeswehr etabliert. Zentrale Elemente der Primärprävention vor Auslandseinsätzen und der Sekundärprävention während und nach Auslandseinsätzen, sind in dem neuen Rahmenkonzept „Erhalt und Steigerung der psychischen Fitness von Soldaten und Soldatinnen“ des Psychologischen Dienstes der Bundeswehr zusammenfassend dargestellt worden und sollen nach der Evaluation noch durch weitere Maßnahmen ergänzt werden. Es handelt sich dabei allerdings nicht um psychotherapeutische Ansätze im engeren Sinne, da diese der Wiederherstellung der Gesundheit bei bereits bestehender psychischer Erkrankung dienen.

Die Basis für die präventiven Angebote in der Bundeswehr soll in Zukunft ein “Psychological Fitness Screening“ darstellen, das als truppenpsychologisches Instrument die truppenärztliche Überprüfung der Einsatzverwendungsfähigkeit und der Einsatzfolgen ergänzen wird. Die angewandten Testungen, deren Auswahl derzeit im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsprojektes des psychologischen Dienstes und des Psychotraumazentrums erfolgt, werden Aufschluss über die psychische Situation, aber auch über die Ressourcen von Einsatzteilnehmern geben und bilden dann den Ausgangspunkt für notwendige weitere Schritte.

Einsatznachbereitungsseminare sollen auf eine Woche verlängert werden und dadurch einen größeren Spielraum für ressourcenfördernde Interventionen bieten. Präventivkuren werden voraussichtlich weiterhin möglich sein, jedoch werden sie stärker zeitlich flexibilisiert und auf die Bedürfnisse der Einsatzteilnehmer zugeschnitten. Durch ihre grundsätzliche Beibehaltung würde u. a. der hohen Akzeptanz und positiven Bewertung dieses Angebots seitens der Einsatzsoldaten Rechnung getragen [8]. Auch die sporttherapeutischen Möglichkeiten an der Sportschule in Warendorf sollen vermehrt genutzt werden.

Trotz dieser Standardisierungsbemühungen sollten aber auch weiterhin lokale Präventions-Initiativen möglich sein, in der beispielsweise Truppenärzte und andere Mitarbeiter psychosozialer Netzwerke Angebote konzipieren und anwenden können. Ein entsprechendes positives Beispiel wurde kürzlich in der Wehrmedizinischen Monatsschrift publiziert [9].

Ergänzt werden die bundeswehrinternen Maßnahmen durch vielfältige Angebote externer Initiativen und Träger, die Beratungsangebote, aber auch konkrete Einzelfallhilfe zur Verfügung stellen. Einen Überblick gibt die Website www.bundeswehr-support.de.

Eine mögliche Zukunftsperspektive wirksamer Prävention stellt das Computerprogramm CHARLY dar. In diesem werden Bausteine wie Psychoedukation oder soziales Kompetenztraining in einer sehr strukturierten und anschaulichen Form aufbereitet und dem Teilnehmer unter psychologischer Unterstützung nahe gebracht. Insbesondere für potentiell hoch belastete Einsatzkräfte könnte dieser Ansatz, für den lediglich 1,5 Tage Durchführungszeit benötigt werden, eine hilfreiche Option darstellen. Erste Evaluationen verliefen sehr vielversprechend [10].

Therapie psychischer Erkrankungen

Die Therapie psychischer Erkrankungen von Soldaten erfolgt im Schwerpunkt in den Bundeswehrkrankenhäusern (BwKrhs).

In den letzten Jahren haben sich an allen 5 Häusern sowie auch in den eigenständigen fachärztlichen Untersuchungsstellen sehr differenzierte und vielfältige Behandlungskonzeptionen für einsatzbedingte und nicht einsatzbedingte psychische Erkrankungen entwickelt. Diese multimodalen Settings kombinieren Einzelgespräche mit indikationsbezogenen Gruppenprogrammen sowie komplementär-medizinischen Verfahren. Am Psychotraumazentrum sind beispielsweise tiefenpsychologisch fundierte Gruppentherapien, Gruppentrainings sozialer Kompetenzen sowie qualifizierte Entzüge bei Alkoholabhängigkeit mit positiven Ergebnissen evaluiert worden [11, 12].

Auch die traumaspezifische Therapie einsatzbedingter psychischer Erkrankungen erbrachte wissenschaftlich fundierte positive Veränderungen in den angewandten stationären Settings; dabei werden in der Bundeswehr insbesondere die Verfahren EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) und IRRT (Imagery Rescripting and Reprocessing) angewandt [13].

Stationäre Psychotherapie spielt in der Bundeswehr eine besonders große Rolle, da die oft weiten Entfernungen zwischen den Behandlungseinrichtungen und den Truppenteilen eine ambulante Therapie in vielen Fällen unmöglich machen. Zudem bietet das multimodale Arbeiten mit der Integration verschiedener Berufsgruppen auch wichtige Anregungen, der Nutzen für die Patienten wird so vergrößert.

Einen besonderen therapeutischen Fokus stellen Schlafstörungen dar. Diese sind sowohl bei einsatz- als auch bei nichteinsatzbedingten Erkrankungen eine sehr häufige Begleiterscheinung. Im ersten Schritt werden in der Regel Maßnahmen der Schlafhygiene (beispielsweise zu finden unter www.angriff-auf-die-seele.de) sowie Entspannungstrainings angewandt.
Nicht selten ist dies jedoch nicht ausreichend. Das BwKrhs Hamburg hat daher kürzlich einen Schlaffragebogen entwickelt und evaluiert. Zusätzlich werden versuchsweise Verfahren wie Akupunktur mit wissenschaftlicher Begleitung angewandt; die ersten Erfahrungen sind sehr positiv [14].

Medikamentös sollte bei Schlafstörungen von der Verabreichung von Benzodiazepinen/-Derivaten Abstand genommen werden. Stattdessen bieten sich Antidepressiva an, wie Trimipramin (10 - 50 mg zur Nacht) oder Mirtazapin (15 - 30 mg zur Nacht), die kein Abhängigkeitspotential haben und die Schlafarchitektur verbessern. Bei Trauma-assoziierten Schlafstörungen mit Alpträumen könnten in den nächsten Jahren Alpha-1-Adrenorezeptorantagonisten wie Prazosin (bis 16 mg) oder Doxazosin (bis 2 - 8 mg) (im Offlabel-Use) einen verstärkten Stellenwert erlangen.

Von zunehmender Bedeutung insbesondere bei einsatzbedingten psychischen Erkrankungen sind begleitende moralische Phänomene wie Schuldgefühle, Scham, aber auch Werteveränderungen durch Einsatzerlebnisse. Diese können mit speziellen Therapieformen günstig beeinflusst werden. In derzeit laufenden Projekten des Psychotraumazentrums wird die Acceptance and Commitment-(ACT)-Therapie für diese Indikation untersucht, zusätzlich kommen moralische Aspekte auch in traumatherapeutischen Ressourcengruppen zur Anwendung.

Die therapeutischen Aktivitäten der BwKrhs werden sehr positiv und engagiert durch das Seelsorgeprojekt der Evangelischen Militärseelsorge unterstützt. Diese bietet beispielsweise die Möglichkeit, Angehörigenangebote für die Familien traumatisierter oder auch suchtkranker Soldaten mit einem für die Teilnehmer sehr geringen finanziellen Aufwand durchzuführen. Dabei hat sich die Kombination psychotherapeutischer und spiritueller Ansätze bewährt.

Ebenfalls aus den Mitteln des Seelsorgeprojektes wurde ein Kinderbuch für die Kinder traumatisierter Soldaten finanziert, das seit Mitte 2014 über die Militärpfarrämter verfügbar ist. Dieses Kinderbuch wird ergänzt durch Broschüren des Psychotraumazentrums für einsatzbelastete Soldaten sowie für Ihre Angehörigen (Abbildung 1). Diese sind kostenfrei über die Fachinformationsstellen erhältlich oder können über die Webseite www.angriff-auf-die-seele.de heruntergeladen werden.

Ein weiteres komplementäres Element stationärer Psychotherapien im militärischen Kontext könnten zukünftig evtl. tiergestützte Therapien sein. Vereinzelte zivile Evaluationen im englischsprachigen Raum erbrachten ermutigende Ergebnisse. Auch in der Bundeswehr sind Studien dazu angelaufen, u. a. in Koblenz und in Berlin, jedoch ist es für eine bewertende Aussage zur Wirksamkeit noch zu früh.

Nach Abschluss von Therapien im BwKrhs ist nicht selten eine ambulante Fortsetzung im täglichen Leben erforderlich. Dafür greift die Bundeswehr in der Regel auf zivile Psychotherapeuten zurück. Seit 2013 können diese auch ohne Kassenzulassung (die Approbation ist jedoch zwingende Voraussetzung, um eine verlässliche Behandlungsqualität sicherzustellen) beauftragt werden und erhalten in strukturschwachen Regionen erhöhte Behandlungssätze. Bis zu 25 Sitzungen können direkt vom Truppenarzt verordnet werden. Dies stellt eine erhebliche Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgungssituation von Soldaten dar.

Neben einer fachgerechten Behandlung von Soldaten sind häufig auch gutachterliche Empfehlungen oder Stellungnahmen zu psychischen Erkrankungen seitens der BwKrhs notwendig. Diese erfolgen in verschiedenen Rechtsgebieten. Am häufigsten ist die Begutachtung der Verwendungsfähigkeit als Soldat oder für spezielle Dienstposten, in den letzten Jahren zunehmend aber auch die Begutachtung von Wehrdienstbeschädigungen. Das Einsatzweiterverwendungsgesetz, das Einsatzversorgungsgesetz sowie die Einsatzunfallverordnung haben in diesem Bereich erhebliche Verbesserungen gebracht, so dass die fach- und zeitgerechte Erfüllung von Begutachtungsaufträgen von besonderer Bedeutung ist.

Im Jahr 2013 ist ein Kompendium für Vorgesetzte entstanden, das sich u. a. auch diesen Gesetzen und Fragestellungen widmet und im Intranet verfügbar ist. Eine ebenfalls sehr wichtige Unterstützungsarbeit für die Versorgung einsatzgeschädigter Soldaten leistet der Beauftragte PTBS, der mit seinem Team sowohl Einzelfallhilfe leistet als auch Bewertungen des Versorgungssystems vornimmt und Verbesserungsvorschläge abgibt.

Zusammenfassung und Ausblick

Die psychiatrische Versorgung in der Bundeswehr hat sich in den letzten Jahren erheblich weiter entwickelt und bietet Soldaten mit einsatzbedingten und nicht einsatzbedingten psychischen Belastungen und Erkrankungen ein breites Spektrum präventiver und therapeutischer Maßnahmen. Eine Herausforderung für die Zukunft wird darin bestehen, weitere inhaltliche, militärspezifische Adaptationen vorzunehmen, um insbesondere einsatzbedingten Besonderheiten Rechnung zu tragen.

Dabei müssen aber auch die infrastrukturellen und personellen Ressourcen so gestaltet werden, dass die Angebote zukunftsfest und nachhaltig sein können. Die Beobachtung der Dunkelzifferstudie, dass sich derzeit nur 10 - 20 % der einsatzbedingt psychisch erkrankten Soldaten in zeitnahe psychiatrische Behandlung begeben, lässt für die Zukunft bei verbesserter Aufklärung einen wachsenden Versorgungsbedarf voraussehen. Ressourcenaktivierende therapeutische Optionen wie tagesklinische Behandlungskonzepte, die neben der täglichen psychotherapeutischen Behandlung auch eine Stärkung der Alltagsfähigkeit ermöglichen, könnten die klassischen stationären Konzeptionen sinnvoll ergänzen.

Um diesen Entwicklungen zu begegnen, wird auch die Weiterbildung von militärischen Vorgesetzten zu einem zentralen Anliegen, um betroffene Soldaten zeitgerecht zu identifizieren und zu einer fachgerechten Intervention zu motivieren.

In der Forschung werden in den nächsten Jahren objektivierbare Marker psychischer Erkrankungen wie beispielsweise das funktionelle MRT, im Vordergrund stehen. Auch Verbesserungen der verfügbaren therapeutischen Ansätze, z. B. durch neue therapeutische Elemente für die stationären Settings oder eine Entwicklung und Evaluation innovativer Versorgungsangebote, werden einen Fokus bilden. Hier kommen beispielsweise Internet-basierte Verfahren zur Behandlung von Depressionen oder einsatzbedingten psychischen Erkrankungen in Frage, aber auch weitere zielgruppenspezifische Forschungen, wie etwa zu bereits ausgeschiedenen Soldaten.

Wünschenswert wäre in der Gesamtheit eine neue Grundhaltung in der Wehrmedizin, die die Wehrpsychiatrie als einen zentralen Bereich in einer ganzheitlichen medizinischen Betreuung von Soldaten betrachtet.

Literatur

  1. Zimmermann P, Hahne HH, Biesold KH, Lanczik M: Psychogene Störungen bei deutschen Soldaten des Ersten und Zweiten Weltkrieges. Fortschritte der Neurologie / Psychiatrie 2005; 73(2): 91-102.
  2. Wittchen HU, Schönfeld S, Kirschbaum C, Thurau C, Trautmann S, Steudte S, Klotsche J, Höfler M, Hauffa R, Zimmermann P: Wie hoch ist die Dunkelziffer? Traumatische Ereignisse und Post-traumatische Belastungsstörungen (PTBS) bei Soldaten nach Auslandseinsätzen. Dt Ärztebl 2012; 109(35-36): 559-568.
  3. Zimmermann P, Höfler M, Schönfeld S, Trautmann S, Hauffa R, Kowalski JT, Wittchen HU: Deployment stressors and psychiatric disorders in German soldiers - empirical structure and predictive values. ZPPP 2014 (in press).
  4. Trautmann S, Schönfeld S, Höfler M, Heinrich A, Hauffa R, Zimmermann P, Wittchen HU: Posttraumatic stress disorder after deployment of German soldiers : does the risk increase withdeployment duration. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2013; 56(7): 930-40.
  5. Zimmermann P, Firnkes S, Kowalski JT, Backus J, Siegel S, Willmund G, Maercker A: Personal values in soldiers after military deployment: associations with mental health and resilience. Eur J Psychotraumatol 2014; doi: 10.3402/ejpt.v5.22939.
  6. Ungerer J, Weeke A, Zimmermann P, Petermann F, Kowalski JT: Akute psychische Störungen deutscher Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan. ZPPP 2013; 61(4): 273-277.
  7. Zimmermann P, Seiffert A, Herr H, Radunz N, Leonhardt R, Gallinat J, Heß J: Risk factors for mental health aeromedical evacuation among German Armed Forces soldiers deployed to Afghanistan. J Mil Behav Health 2014; (in press).
  8. Zimmermann P, Kowalski JT, Niggemeier-Groben A, Sauer M, Leonhardt R, Ströhle A: Evaluation of an inpatient preventive treatment program for soldiers returning from deployment. Work 2013 (in press: PMID: 23838190).
  9. Hartmann D, Sauer M, Zimmermann P, Wloszczynski M: Truppenärztliche Seminare zur psychischen Einsatzvorbereitung bei Bundeswehrsoldaten. Wehrmed Monatsschr 2013; 57: 206-209.
  10. Zimmermann P, Alliger-Horn C, Willmund G, Dunker S, Kowalski JT: Integration moderner Medien in das psychosoziale Versorgungsangebot deutscher Soldaten. ZPPM 2013; 11(2): 35-49.
  11. Zimmermann P, Alliger-Horn C, Kowalski JT, Plate S, Wallner F, Wolff E, Ströhle A: Treatment of avoidant personality traits in a German Armed Forces inpatient psychiatric setting. Mil Med 2013; 178(2): 213-217.
  12. Zimmermann P, Kröger N, Willmund G, Ströhle A, Heinz A, Hahne HH: Inpatient short-term group psychotherapy – a therapeutic option for Bundeswehr soldiers? Psychosoc Med 2008; 5: 1-8.
  13. Alliger-Horn C, Mitte K, Zimmermann P. Vergleichende Wirksamkeit vom IRRT und EMDR bei kriegstraumatisierten deutschen Soldaten. Trauma und Gewalt 2014 (in press)
  14. Eisenlohr V, Römer HW, Zimmermann P. Akupunktur – eine neue Option in der Behandlung traumatisierter Bundeswehrsoldaten? Dt Zschr Akupunktur 2010; 53(2): 29-34.

Abbildung 1: Neue Broschüren des Psychotraumazentrums zu einsatzbedingten psychischen Erkrankungen für Einsatzsoldaten und deren Angehörige (erhältlich über die Fachinformationsstellen der Bundeswehr und zum Downlaod über www.angriff-auf-die-seele.de)

 

Datum: 30.03.2015

Quelle:

Wehrmedizinische Monatsschrift 2015/2

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