27.03.2023 •

„Medizin in besonderen Lagen und Mee(h)r 2023“ in Travemünde

Bundeswehr/Tobias Palkoska

„Was habe ich mit ZMZ zu tun?“ waren Frage und Aussage in Einem einer niedergelassenen Ärztin auf der medizinischen Fortbildungsveranstaltung „Medizin in besonderen Lagen und Mee(h)r 2023“ und zeigte damit auch gleich eine der Zielrichtungen der Veranstaltung. Viele Teilnehmer trugen Uniform, waren also als aktiver Soldat oder Reservist schon mit der zivil-militärischen Zusammenarbeit ver- oder betraut. Aber ZMZ muß ja auch im zivilen mitgetragen werden, kommen die Mitarbeiter oder Reservisten eben aus dem medizinischen Bereich, der auch mit Personalverknappung zu kämpfen hat oder sind selbst im eigenen Auftrag gebunden. Will man aber die Akzeptanz steigern, so muss man Ärzte in der Niederlassung oder den zivilen Kliniken erreichen. Das ist mit reinen ZMZ-Veranstaltungen zumindest eine Herausforderung.

Also galt es ein Päckchen zu schnüren aus ZMZ und medizinischen Themen, die einen Brückenschlag zwischen Militär und zivil darstellen können. So widmete sich der Donnerstag hauptsächlich dem Feld ZMZ, wurde aus dem BMVg, dem Kommando Sanitätsdienst, dem Landeskommando Mecklenburg-Vorpommern und auch dem Gesundheitsministerium berichtet, waren Generalstabsarzt Dr. Schoeps und Generalarzt Dr. Most anwesend, um die Lage aus Ihrem Bereich darzustellen, aber auch Referenten, die mit ihren Bildern aus der Ukraine und der Ukrainehilfe zeigten, wie eng schon jetzt die Verzahnung ist. Am Nachmittag verschob sich der Schwerpunkt mehr zum Medizinischen, aber die Besonderheiten des Marinesanitätsdienstes und des Polizeieinsatzes, aber auch die der technischen Rettung bildeten immer wieder Brücken, die die Zuhörer in Grenzbereiche der medizinischen Versorgung führten und ein wenig auch auf den kommenden Vormittag vorbereiteten. Die posttraumatische Belastungsstörung betrifft ja nicht nur Soldaten, ist kein alleiniges Problem der Bundeswehr, sondern erreicht auch schnell die Angehörigen der Rettungs- und Hilfsorganisationen, wo auch noch Ehrenamtliche und Jugendliche betroffen sein können. 

Die Diskussionsrunde erweiterte sich schnell auf weitere Teilnehmer und brachte das Plenum zum Nachdenken. Eindrucksvoll waren dabei die Filme vom Verband der Einsatzveteranen, die unter die Haut gingen, die der Belastung auch der Angehörigen ein Bild gaben. Die Diskussion hallte quasi noch nach, als hauptsächlich junge Referenten von ihrer persönlichen „Medizin in besonderer Lage“ berichteten, aus Südafrika, im ehrenamtlichen Einsatz für die Flüchtlinge, bei der Seenotrettung. Und da Führung ein wichtiger Teil ist, war „Was ist gute Führung?“ der Abschlußvortrag des Freitags. Der heimliche Höhepunkt, auf den schon die eigens für die Tagung herausgegebene Zeitung „Travemünde today (fake news)“ hinarbeitete, sollte der Samstagnachmittag werden. Vormittags eingestimmt auf die limitierenden Faktoren wie Unterkühlung, für die der erfahrene Bergretter Markus Isser aus Tirol und der Seenotarzt Dr. Jens Kohfahl weiße und nasse Kälte darstellten, dann Oberstarzt Dr. Schwartz engagiert die Relevanz von „stopp the bleeding“ untermauerte.  

„Medizin in besonderen Lagen und Mee(h)r 2023“ in Travemünde
Quelle: Bundeswehr/Tobias Palkoska

Die Bewegungen auf der Travemünder Promenade deuteten es langsam an, Fahrzeuge in oliv-grün und in Signalfarben reiten sich auf, die Luftlanderettungsstation des Kommando SES wurde aufgebaut, Antennen von Einsatzführungsfahrzeugen wie der technischen Einsatzleitung Stormarn reckten sich in den Himmel. Boote von DLRG, Wasserwacht und freiwilligen Feuerwehren sammelten sich im Verfügungsraum auf See, ein Seenotrettungsboot und ein -kreuzer der DGzRS liefen in die Trave ein. 30 Mimen wurden geschminkt, die kombinierten Erkrankungs- und Verletzungsmuster erklärt, Moderatoren bereiteten sich vor, Polizisten der 1. Einsatzhundertschaft legten Ausrüstung und Waffen an. Die vielen Uniformen und Warnwesten gingen im Meer der Besucher in Travemünde nahezu unter, als ein Knall die Stille zerriß und die Übung begann. Eindrucksvoll konnte man von der Promenade die Polizeikräfte bei den ersten Handlungen beobachten, dann das Anlanden der Sanitätskräfte sowie Versorgung und Transport der Verwundeten, deren „Reise“ in der Luftlanderettungsstation ihr Ziel fand. Auf dem Wasser sah nun jeder, was ein geordneter Suchverband ist, bis die vermisste Person gerettet und medizinisch betreut werden konnte. Das Besondere an „Medizin in besonderen Lagen und Mee(h)r“ ist eben der maritime Faktor, die Mischung von Menschen, die sich sonst vielleicht nicht begegnen und nun die gemeinsame Lösung suchen, die Verbindung von Theorie und Praxis, von zivil und Militär, dabei aber unter Berücksichtigung des Küstenlandes.

Für viele zivile Rettungskräfte war es der erste Kontakt mit dem Sanitätsdienst der Bundeswehr. Da machte es die gemeinsame Arbeit einfacher zu fragen, ob man gucken darf. Bei so vielen Organisationen gibt es aber auch unterschiedliche Handlungsweisen und Hindernisse, die es zu identifizieren und zu verstehen galt. So ist Kommunikation ein großes Thema, das von analog und digital, über „wir haben keinen Funk“ bis zu „wir haben Seefunk, dürfen ihn aber nicht nutzen“ reichte. Wer führt an der Einsatzstelle? Von „Wir lassen niemanden in unsere Strukturen eingreifen“ der Polizei bis „Wir fügen uns in die Strukturen der zivilen Rettung ein, unterstützen die vorhandenen Mittel“ von Oberstarzt Matthias Marth, dem stellvertretenden Kommandeur des Kommando Schnelle Einsatzkräfte Sanitätsdient (Kdo SES) „Ostfriesland“ aus Leer war auch hier die Palette breit, war es wichtig zu diskutieren, um die Anderen zu verstehen.

Der große Aufwand, der in Leer betrieben wurde, um mit Personal und Material präsent zu sein, um mit den Reservisten der 5. Kompanie und den zivilen Rettungsorganisationen gemeinsam zu üben sowie die umfangreiche Planung, die in Travemünde von Oberstarzt d.R. und seinem Praxisteam betrieben wurde, um Vorträge und Übung zu planen, hat sich gelohnt. Darin waren sich zumindest die Teilnehmer der Übung einig, die zum Teil in ihrer Freizeit extra für diese aus anderen Bundesländern angereist waren. Für Viele der 120 Übungsteilnehmer war es das erste Mal, dass sie Teil von ZMZ waren, dass sie zusammen mit der Bundeswehr eine Aufgabe lösen konnten.                  


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