Kurzfristig wurde das Seminar „Zivil-Militärische Zusammenarbeit im Gesundheitswesen“ wegen steigender Infektionszahlen statt als Präsenzveranstaltung online durchgeführt. Durch das Programm führte Oberst a. D. Edgar Chatupa. Nach der Begrüßung durch Heike Lange, Verlegerin des Beta Verlags, folgten Vorträge der Fachreferenten.
Rüdiger Erben (Weißenfels) skizzierte seine positiven Erfahrungen mit Zivil-Militärischer Zusammenarbeit im Gesundheitswesen. In der Pandemie bewähre sich die Bundeswehr als qualifizierter Helfer beispielsweise in Impfzentren. Allerdings sah er die Bundeswehr häufig als Lückenbüßer in einem schlanken Staat, dem Reserven für die Erfüllung verschiedener ureigener Aufgaben fehlten. Flottillenadmiral a. D. Hubertus von Puttkamer (Kiel) betonte die Verantwortungsübernahme durch Ehrenamtliche in der Krise. Auch wenn die Hilfsorganisationen die ersten Ansprechpartner bei Katastrophen von nationaler Tragweite sind, seien die Aufgaben oft nur in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr und dem Technischen Hilfswerk (THW) zu bewältigen, sagte Puttkamer. Er verwies darauf, dass die Bundeswehr im Regelfall für Aufgaben der Verteidigung und Auslandseinsätze vorgesehen sei.
Generalarzt Dr. Bruno Most (Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung) informierte über den schrittweisen Ablauf im Zusammenhang mit der Pandemie. Interne Bereiche mussten gehärtet und gestärkt werden, die Bundeswehrkrankenhäuser mit ziviler Integration durchhaltefähig für die Krise gemacht werden, sagte Most. „Das alles [u. a. die Arbeit in eigenen oder gemischt geführten Impfzentren, Anm. d. Red.] wäre nicht möglich ohne unsere Reservisten“, so der Referent.
Michael Sieland (Deutsches Rotes Kreuz) beschrieb die umfassenden Aufgaben im Zusammenhang mit der Repatriierung deutscher Staatsangehöriger aus Wuhan. Zudem habe sich die Eindämmung eines Virus in einer hochmobilen Gesellschaft als problematisch erwiesen. Markus Bensmann (Malteser Hilfsdienst) pflichtete bei, dass die Bundeswehr nicht dauerhaft eingesetzt werden könne. Hier sei es angezeigt, tätig zu werden. Zudem sei die Selbsthilfekompetenz der Bevölkerung nicht stark ausgeprägt, die Zahl der Spontanhelfer in Katastrophenfällen wie im Juli 2021 sei hingegen augenfällig. Bensmann zufolge benötigen die ehrenamtlichen Helfer dringend bundeseinheitliche Regelungen für alle Einsatzorganisationen unter anderem zum Thema Freistellung und Ersatzleistungen. Anne Ernst (Johanniter-Unfall-Hilfe) stellte die Wichtigkeit der Abstimmung von Ausbildung und Aufbau verschiedener Initiativen und Organisationen sowie deren auskömmliche dauerhafte Finanzierung in den Vordergrund.
Martin Rick (Esri Deutschland GmbH) informierte über die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten von aussagekräftigen Dashboards bei der Bewältigung der Krise. Als Beispiele führte er unter anderem die zusätzliche Darstellung von Versorgungslogistik, Bevorratung von Covid-Medikamenten oder von Impfungen in Peergroups als Impfmotivation an.
Dr. Christa-Maria Krieg (Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe) stellte verschiedene Möglichkeiten von Vorgaben für Bevorratungsplanungen vor. Ein Simulationszentrum um Situationen abzubilden und zu üben, wäre ihr zufolge wünschenswert. Flottenarzt Dr. Andreas Dierich (Sanitätsunterstützungszentrum Neubrandenburg) verwies auf Probleme durch Mangel an medizinischem Fachpersonal. Auch hier unterstützen Reservisten, sagte Dierich. Die langen Wege zu Impfzentren im Flächenland Deutschland seien gerade für die vulnerable Gruppe der älteren Bevölkerung eine oft schwierig zu bewältigende Aufgabe. Oberstveterinär Dr. Katalyn Roßmann (Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr) referierte zu den Nutzungsmöglichkeiten von Laboranalysen, beispielsweise durch Abwassermonitoring, und berichtete von den Erfahrungen und Einsätzen von Impfbussen im Rahmen der Pandemie. Carsten Weiske (Eurocommand GmbH) informierte über die elektronische Unterstützung der Stabsarbeit, zum Beispiel der Unwetterkatastrophe in Westdeutschland. Hier wurde innerhalb von 24 Stunden ein Bereitstellungsraum am Nürburgring für die Bundeswehr, das THW und die Hilfsorganisationen in Betrieb genommen.
Heiko Rottmann-Großner (Bundesministerium für Gesundheit) verwies darauf, dass es zu früh sei, um aus der Pandemie endgültige Schlüsse zu ziehen, da man sich noch mitten in ihr befinde. Rottmann-Großner sprach die Versorgungssicherheit mit Schutzmasken ebenso an wie die Notwendigkeit, Schutzziele für den Pandemiefall zu definieren. Des Weiteren verwies er auf das Problem, dass Ehrenamtliche zeitgleich mehrfach eingeplant wurden, weil sie in mehreren Organisationen unterstützen.
In der zusammenfassenden Podiumsdiskussion verwies Prof. Dr. Christian Webersik (Johanniter-Unfall-Hilfe) auf die tendenziellen Unterschiede in der gesamtgesellschaftlichen Haltung in Norwegen – zum Wohle der Gesellschaft ausgerichtet – und dem eher individualistisch geprägten Deutschland, aufgrund derer die Pandemieempfehlungen im skandinavischen Land besser angenommen werden. Auch wenn alle ein persönliches Treffen bevorzugt hätten, so war dieses virtuelle Seminar geprägt von Vorträgen auf durchgehend hohem Niveau, die aufeinander aufbauten und den Teilnehmern viele neue fachliche Facetten boten. Der Beta Verlag freut sich bereits heute auf das 3. Seminar, das am 13.12.2022 in Berlin stattfindet.
Wehrmedizin und Wehrpharmazie 4/2021
P. Reuter