26.01.2022 •

Das Multinational CIMIC Command – multinationale Ausrichtung als „Markenzeichen“

R. Vogt

MN CIMIC Command

Am 01.10.2019 wurde das Zentrum Zivil-Militärische Zusammenarbeit der Bundeswehr (ZentrZMZBw) in Nienburg umgegliedert und in Multinational Civil-Military Cooperation Command (MN CIMIC Command) umbenannt. Das MN CIMIC Command versteht sich als Motor für eine Erhöhung der Qualität und Effizienz bei der Ausbildung und dem Einsatz von CIMIC-Kräften in der NATO und ist der zentrale Truppensteller deutscher CIMIC-Kräfte in den Einsätzen und einsatzgleichen Verpflichtungen. Grundlage dieser Ausrichtung ist das Rahmennationenkonzept (Framework Nations Concept = FNC) der NATO aus dem Jahr 2014. Das MN CIMIC Command wird bis 2024 den gegenwärtigen Herausforderungen angepasst und wächst dafür auch personell auf. Bis zu 38 CIMIC-Soldaten aus NATO und EU-Ländern können dann zukünftig in Nienburg dauerhaft Dienst leisten.

Was ist CIMIC?

CIMIC (Civil-Military Cooperation) ist eine militärische Fähigkeit mit dem Kernauftrag zur Erstellung eines bewerteten zivilen Lagebildes in einem Einsatzgebiet. Die Fähigkeit der Streitkräfte zur Zivil-Militärischen Zusammenarbeit (ZMZ) hat sich kontinuierlich und umfassend weiterentwickelt, sowohl im Einsatz als auch im Bereich der Ausbildung.

Die Fokussierung auf eine projektorientierte Zusammenarbeit mit anderen Akteuren, wie noch zu Beginn der Auslandeinsätze auf dem Balkan realisiert, ist bereits im Einsatz ISAF in Afghanistan ressortübergreifend weiterentwickelt worden und heute einer unterstützenden Zusammenarbeit zur Erhöhung der Kapazitäten von Partnern im zivilen Umfeld gewichen. 

Die Bereitstellung des zivilen Lagebildes ist der Kern des Auftrags der CIMIC-Kräfte mit dem Ziel, die militärische Führung im Rahmen der Operationsplanung und -führung und des „Comprehensive Approach“ zu beraten sowie den Einsatz als Bindeglied zu nicht-militärischen Akteuren zielgerichtet zu unterstützen.

Das zivile Lagebild enthält umfangreiche Informationen zum Beispiel über Bevölkerung, Infrastruktur und relevante Akteure im Einsatzgebiet. Es dient als Entscheidungsgrundlage für das Handeln der militärischen Führung, welche stets das nicht-militärische Umfeld in die Planungen mit einbezieht. Insbesondere die komplexen Wechselwirkungen zwischen den Streitkräften und dem nicht-militärischen Umfeld in einem Einsatz müssen durch die CIMIC-Kräfte bewertet und koordiniert werden.

Aufgebaut wird das zivile Lagebild durch CIMIC-Soldaten, welche in Trupps eingesetzt werden und relevante Informationen hauptsächlich im direkten Kontakt mit zivilen Ansprechpartnern sammeln. In den CIMIC-Stabselementen der unterschiedlichen Führungsebenen werden diese Informationen danach Ebenen gerecht aufbereitet, bewertet und fließen in den Führungsprozess ein. Die Arbeits- und Vorgehensweise erfolgt dabei nach festgelegten NATO-Standards. Umfassende Kenntnisse und ein aktives Gestalten der zivil-militärischen Beziehungen ermöglicht das Bewerten von wechselseitigen Einflüssen zivilen und militärischen Handelns, welches für die effektive Planung und Durchführung von Operationen unabdingbar ist. Ergänzend werden durch die CIMIC-Soldaten Informationsnetzwerke in das zivile Umfeld aufgebaut und gepflegt.

Das Framework Nations Concept

Das FNC, verabschiedet auf dem NATO-Gipfel 2014 in Wales, zielt auf eine qualitative Verbesserung der Fähigkeiten der NATO. Der Weg dahin führt über eine gesteigerte militärische Zusammenarbeit der Partner. Die Nutzung von Synergien soll eine erhöhte Effizienz und Kohärenz der Auftragserfüllung bewirken.

Das FNC wurde durch Deutschland in die NATO eingebracht. Die Fähigkeit zur zivil-militärischen Kooperation ist eines der FNC Handlungsfelder (Cluster). Deutschland nimmt hierbei seit Jahren in den Bereichen Ausbildung und Einsatz von CIMIC-Kräften eine Führungsrolle ein.

Das MN CIMIC Command in der Clausewitz-Kaserne in Nienburg ist seit Jahren in der Zusammenarbeit mit multinationalen Partnern erprobt. In englischsprachigen Lehrgängen werden Bündnispartner, aber auch Soldaten aus Nicht-NATO-Staaten, in der Gewinnung von Informationen, deren Bewertung sowie der darauf aufbauenden Erstellung eines zivilen Lagebildes in Einsatzgebieten geschult. Spezielle Kommunikationstrainings befähigen die CIMIC-Kräfte mit den unterschiedlichen nicht-militärischen Akteuren auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene einen Informationsaustausch zu etablieren und die Zusammenarbeit zu fördern.

Die jährlich stattfindende multinationale Übung JOINT COOPERA­TION des MN CIMIC Command ist innerhalb der NATO die größte Übung, die sämtliche Aufgaben von CIMIC-Soldaten vom Trupp bis zur Ebene eines Brigadegefechtsstandes zusammenhängend ausbildet und trainiert. Die regelmäßig mehr als 20 teilnehmenden Nationen, die Einbindung von NATO-Dienststellen sowie die Teilnahme zahlreicher ziviler Organisationen sind ein Beleg für gelebte ZMZ im multinationalen Rahmen.

Die jahrelange multinationale Zusammenarbeit mit Bündnispartnern im Einsatz sowie in Ausbildung und Übungen befähigen das MN CIMIC Command als zentrale Plattform für eine Vertiefung der Zusammenarbeit von CIMIC-Kräften in der NATO und EU.

 Multinationalität – Herausforderung und Chance zugleich

Das Erstellen eines zivilen Lagebildes ist in der NATO standardisiert. Die hierfür zur Verfügung stehenden Mittel und Verfahren sind jedoch in jeder Nation anders ausgeprägt. Dieses gilt insbesondere für die Ausbildung dieser Kräfte, welche in Nationen mit kleinen CIMIC-Kontingenten nur schwer in realitätsnahen multinationalen Szenarien zu realisieren ist. 

Durch das MN CIMIC Command werden in einem engen Abstimmungsprozess im Konsens mit jedem einzelnen Partner die Felder einer möglichen Kooperation identifiziert, welche für eine Vertiefung der Zusammenarbeit in Frage kommen. 

Dabei reicht die mögliche Bandbreite von der Teilnahme an Ausbildungsmaßnahmen über die zeitweise Beistellung von Personal für einzelne Projekte, Übungen oder Einsätze bis hin zur dauerhaften Dienstleistung in Nienburg. Dieser flexible Ansatz hat bereits zu ersten Vereinbarungen geführt. Seit 2018 ist ein niederländischer Soldat dauerhaft in Nienburg. Mit weiteren Nationen des FNC Cluster CIMIC laufen derzeit die Abstimmungen über zukünftige Dienstpostenbesetzungen am MN CIMIC Command.

Lagebilderstellung
Lagebilderstellung
Quelle: MN CIMIC Command

MN CIMIC Command – Aufgabenwahrnehmung als Fähigkeitszentrum

Das MN CIMIC Command ist das Fähigkeitszentrum für CIMIC in der Bundeswehr. Dabei dient es nicht nur als der zentrale Truppensteller für alle deutschen CIMIC-Kräfte in Einsätzen. Neben der Weiterentwicklung im Aufgabenbereich CIMIC deckt es auch den kompletten Bereich der Ausbildung ab. Hierzu verfügt es über ein umfassendes Leistungsportfolio mit einer Vielzahl von Lehrgängen einschließlich des Angebots von Fernlehre insbesondere für Reservisten. Es stehen in Nienburg unter anderem ein Standortübungsplatz und eine Standortschießanlage, moderne Hörsäle und ein Übungszentrum zur Verfügung, einschließlich Unterrichts-Mitschauanlage für das Medien- und Kommunikationstraining, sowie ein erprobtes und umfassendes Netzwerk an zivilen Spezialisten. Weiterhin unterstützen zivile Analysten und Recherchespezialisten bei fachlichen Fragen der CIMIC-Elemente aus den Einsatzgebieten („Reach Back“).

Darüber hinaus ist das MN CIMIC Command im Auftrag des Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr (Kdo TerrAufgBw) die zentrale Ausbildungseinrichtung für nationale territoriale Aufgaben der Bundeswehr und bildet Unteroffiziere und Feldwebei der territorialen Reserve in Laufbahnlehrgängen aus. Das militärische Ausbildungspersonal an der Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und Zivile Verteidigung – der ehemaligen Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz – wird durch das MN CIMIC Command gestellt; die Lerninhalte zur ZMZ sind aufeinander aufbauend und mit dem MN CIMIC Command abgestimmt.

Auf Weisung des Kdo TerrAufgBw unterstützt das MN CIMIC Command im Rahmen der ZMZ innerhalb Deutschlands bei Übungen oder Einsätzen.

Wie geht es weiter?

Der Aufgabenbereich CIMIC hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verändert und weiterentwickelt. Begriffe wie Civil-Military Interaction, Cross-Cutting Topics, Resilience, Civil Preparedness oder Civil Emergency Planning haben Einzug in die militärische Begriffswelt gehalten. Diese zum Teil aus der strategischen Ebene stammenden Begriffe sind bis auf die taktische Ebene und damit bei den Soldat*innen in den Einsätzen angekommen. Was aber bedeutet ein solcher Begriff für die Arbeit und Umsetzung auf der taktischen Ebene? Wie werden diese Themen in Vorschriften und Einsatzgrundsätze eingebracht? Welchen Nutzen oder Erfordernisse für die militärische Auftragserfüllung sind abzuleiten?

Diese und ähnliche Fragen gilt es insbesondere mit den multinationalen Partnern zu bearbeiten und abzustimmen. Hierzu verfügt das MN CIMIC Command über das Dezernat Weiterentwicklung, welches unter anderem auch in Abstimmung mit dem Civil-Military Cooperation Centre of Excellence (CCOE) in Den Haag die neuen Entwicklungen mitgestaltet und in die Vorschriftenlandschaft der Bundeswehr einbringt.

Die multinationale Ausrichtung bleibt die treibende Kraft bis zum geplanten Erreichen der vollen Einsatzbereitschaft („Final Operational Capability“) des MN CIMIC Command im Jahr 2024. Ziel ist ein MN CIMIC Command unter deutscher Führung in multi­nationaler Kooperation, orientiert an den Planungsvorgaben von NATO und EU, um die Ausbildung, Einsatzbereitschaft, Reak­tionsfähigkeit und Fähigkeitsentwicklung von CIMIC in einem systematischen und integrierten Ansatz gemeinsam mit den Verbündeten und Partnern zu stärken. 


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