Evaluation von Human Performance Enhancement (HPE) unter -sportwissenschaftlichen Aspekten
Aus der Abteilung 2 Einsatz¹ (Abteilungsleiter: Brigadegeneral G. Katz) des Kommandos Luftwaffe, Berlin (Inspekteur der Luftwaffe: Generalleutnant K. Müllner) und dem Taktischen Luftwaffengeschwader 73 „Steinhoff“² , Laage (Kommodore: Oberst B. Teicke)
Oliver Bartz¹, Aimé Jäschner²
WMM, 59. Jahrgang (Ausgabe 09-10/2015; S. 311-315)
Zusammenfassung
Hintergrund: Die Umsetzung des Konzeptes Human Performance Enhancement (HPE) der Luftwaffe nahm seinen Anfang in drei Jetverbänden, in den das Waffensystem EUROFIGHTER zum Einsatz kommt.
Im Taktischen Luftwaffengeschwader 73 „Steinhoff“ (TaktLwG 73 „S“) wurde im Jahr 2013 mit der Evaluation eines spezifischen Trainingsprogramms für EUROFIGHTER-Piloten begonnen.
Zusammenfassung
Hintergrund: Die Umsetzung des Konzeptes Human Performance Enhancement (HPE) der Luftwaffe nahm seinen Anfang in drei Jetverbänden, in den das Waffensystem EUROFIGHTER zum Einsatz kommt. Im Taktischen Luftwaffengeschwader 73 „Steinhoff“ (TaktLwG 73 „S“) wurde im Jahr 2013 mit der Evaluation eines spezifischen Trainingsprogramms für EUROFIGHTER-Piloten begonnen.
Methode: Es wurden sportwissenschaftlich fundierte Tests zur körperlichen Leistungsfähigkeit von Jetpiloten (n = 23) durchgeführt. Dabei bildete ein Eingangsscreening die Grundlage für einen individuell gestalteten wöchentlichen Trainings- / Therapieplan, der überwiegend in Kleingruppen umgesetzt wurde. Das Screening wird im Sinne einer kontinuierlichen Leistungsdokumentation jährlich wiederholt.
Ergebnisse: Die Tests deckten Defizite mit Schwerpunkten in den Bereichen Mobilität Schulter/Hüfte, Stabilität Körperstamm sowie Kraftfähigkeit Halswirbelsäule (HWS)/Körperstamm auf. Darüber hinaus zeigte sich bei 50 % der Piloten eine innerhalb der Untersuchungsgruppe unterdurchschnittliche Gleichgewichtsfähigkeit. Die ganzheitliche Bewertung des Gesundheits- und Leistungsstandes war trotz dieser Defizite bei mehr als 90 % der Piloten gut.
Nach Absolvierung von durchschnittlich 29 angeleiteten Trainingsanwendungen pro Pilot und Jahr konnten die zu Beginn aufgezeigten Defizite in weiten Teilen ausgeglichen werden, wobei bisher erst 13 der 23 Probanden nachuntersucht wurden. Insbesondere die flugmedizinisch besonders relevanten Bereiche HWS und Körperstamm konnten stabilisiert und funktionell optimiert werden.
Schlussfolgerungen: Die für HPE notwendigen Trainingsmaßnahmen lassen sich in den fliegerischen Grundbetrieb eines Ausbildungsgeschwaders integrieren. Das multidisziplinäre Anwenderteam aus Sportwissenschaftler, Physiotherapeut und Fliegerarzt findet Akzeptanz bei den Piloten. Für eine kontinuierliche Umsetzung von HPE sollte eine längere Stehzeit des Personals (Fliegerarzt / Physiotherapeut / Sportwissenschaftler) gewährleistet sein.
Schlüsselwörter: Human Performance Enhancement, Akzeptanz, Piloten, Evaluation, fliegerische Ausbildung
Keywords: Human Performance Enhancement, acceptance, pilots, evaluation, pilot training
Einleitung
Die primäre Zielsetzung von Human Performance Enhancement (HPE) ist es, die körperliche und mentale Leistungsfähigkeit von Luftfahrzeugbesatzungen zu erhalten und idealerweise zu verbessern. Basierend auf dem HPE-Konzept der Luftwaffe aus dem Jahr 2012 begann das TaktLwG 73 „S“ in Laage im Folgejahr, nach Erarbeitung eines Realisierungsplans auf der operativen Ebene, die organisatorisch-materiellen Voraussetzungen zur Umsetzung des Konzeptes herzustellen.
Der fliegerärztliche Bereich des Verbandes, welcher für die Umsetzung des HPE-Konzeptes fachlich verantwortlich ist, konnte im Herbst 2013 sein Team in Laage vervollständigen. Zum Fliegerarzt-Team gehören, neben den beiden Fliegerärzten, ein Sportwissenschaftler, ein Physiotherapeut und ein dem Verband zugeordneter (assignierter) Psychologe. Die Zusammenarbeit dieser verschiedenen Fachrichtungen ermöglicht einen multimodalen Ansatz, verbunden mit einer ganzheitlichen Betrachtung der Probanden. Darüber hinaus wurden Abstimmungsgespräche mit den Schwesterverbänden in Nörvenich (TaktLwG 31 „Boelcke“) und Neuburg (TaktLwG 74) geführt, welche fortlaufend eine einheitliche Dokumentation der Eingangstests und Trainingsdurchführungen ermöglichen sollen. Mit den ersten Untersuchungen wurde im Dezember 2013 begonnen und damit auch die Grundlage für eine spätere Evaluation geschaffen.
Aufgrund eingeschränkter örtlicher Sportmöglichkeiten am Standort Laage entschied man sich dafür, den jährlichen Eingangstest sowie das Trainingsprogramm im Großen und Ganzen räumlich unabhängig zu gestalten. Aus dieser Festlegung ergaben sich darüber hinaus positive „side effects“:
- Die Durchführung von HPE-Maßnahmen in dieser Form ist auch im Ausland oder auf Übungen möglich.
- Bedingt durch eine räumliche Flexibilität ergeben sich geringere Kosten für Trainingsgeräte im Vergleich zu fest montierten Sportgeräten.
Die Akzeptanz des Programms ist hoch. Eine Evaluierung an 18 Piloten aus dem Jahr 2014, auf die in diesem Artikel nicht weiter eingegangen wird, zeigt eine hohe Zufriedenheit bei den Probanden mit den getroffenen Maßnahmen und dem Angebot.
Auf das Problem der Evaluation von HPE gehen Grove et al. in einem anderen Beitrag dieses Heftes ein. In diesem Beitrag werden Teilaspekte der jährlichen Eingangstests erläutert und die Ergebnisse aus den ersten Testreihen dargestellt.
Methode
Das Team Flugmedizin des TaktLwG 73 „S“ formulierte in enger Abstimmung mit der Geschwaderführung die nachfolgende HPE-Zielsetzung für den Verband:
„Wir streben eine Unterstützung des Geschwaders mit einem ganzheitlichen Trainingskonzept an, welches aus flugmedizinischer Sicht ein effizientes und fehlerfreies Arbeiten der Luftfahrzeugbesatzungen fördert und die Probanden vor Gesundheitsschäden auch bei langfristiger Ausübung ihrer Tätigkeit schützt. Dabei stehen Akzeptanz und Zweckmäßigkeit im Vordergrund.“
Der eintägige und jährlich zu wiederholende Eingangstest dient dazu, die individuelle körperliche Leistungsfähigkeit unter Beachtung der Anforderungen im Cockpit zu bewerten und therapeutische Ansätze zur Verbesserung aufzuzeigen. Hohe Beweglichkeit in den Wirbelsäulensegmenten, gleichmäßige und symmetrische Kraftentwicklung der autochthonen Muskulatur sowie eine überdurchschnittliche Fähigkeit im Bereich der Grundlagenausdauer sind die wesentlichen Marker der Testmodule. Neben der Verwendung etablierter sportwissenschaftlicher Testverfahren, waren das Konzept HPE und die fachlichen Vorgaben des Zentrums für Luft-und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe (ZentrLuRMedLw) Grundlage für die Etablierung der folgenden Module:- kurze sportmedizinische Anamnese und Untersuchung durch den Fliegerarzt,
- sportwissenschaftliche Untersuchungen der koordinativen -Fähigkeiten,
- Erhebung des physiotherapeutischen Status,
- gemeinsame Auswertung und Abschlussgespräch mit dem Proband sowie
- Trainings- und Therapieumsetzung.
Der inhaltliche und zeitliche Schwerpunkt liegt hierbei in der Bestimmung und Interpretation sportwissenschaftlicher Parameter. Die Untersuchung findet dabei jeweils zur gleichen Tageszeit sowie in einer festgesetzten Reihenfolge statt, um die Testergebnisse reproduzierbar nutzen zu können. Alle untersuchten Personen befanden sich zum Zeitpunkt der Testdurchführung in einem subjektiven Wohlbefinden und waren insbesondere frei von Beschwerden seitens des Bewegungsapparates.
Die Prüfung der Mobilität, der isometrischen Maximalkraft sowie der isometrischen Kraftausdauerfähigkeit erfolgt in den Wirbelsäulensegmenten der HWS und der Brustwirbelsäule (BWS)/Lendenwirbelsäule (LWS) in drei Bewegungsebenen durch Extension/Flexion, Lateralflexion sowie Rotation. Der Testablauf ist durch die Software der Trainingsgeräte (Diagnos Med®, Firma Schnell) bestimmt. Die Ergebnisse (absolute und relative Kraftwerte) werden – unter Beachtung der Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung zum Umgang mit besonderen personenbezogenen Daten – in einer Datenbank gespeichert und zur Evaluierung genutzt. Darüber hinaus erfolgt eine Interpretation dieser Daten zur Weiterentwicklung der Auswahlkriterien für Luftfahrzeugführer durch die Fachgruppe Orthopädie/Anthropometrie des Zentrums für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe (ZentrLuRMedLw).
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Untersuchung alltäglicher Bewegungsmuster und möglichen, im Einzelfall schmerzhaften Ausgleichstrategien des Körpers. Hintergrund ist die Vorstellung, den Körper als Einheit zu betrachten und nicht nur auf einzelne Muskelpartien zu beschränken. Zu diesem Zweck wird der sogenannte „Functional Movement Screen“ (FMS®) nach Gray Cook und Lee Burton (siehe auch www.functionalmovement.com) verwendet. Er basiert auf sieben einfachen Bewegungsabläufen (Deep Squat, Hurdle Step, In-Line Lunge, Shoulder Mobility, Active Straight Leg Raise, Trunk Stability Push Up, Rotary Stability) und bewertet deren Durchführung. Der FMS®-Test deckt Dysbalancen oder Asymmetrien bei Bewegungszusammenhängen verschiedener Muskelgruppen und im Zusammenspiel zwischen Nerven und Muskeln auf. Die Bewertung erfolgt mit einer Punktvergabe für jede Übung (maximal drei Punkte). Mit dem Punktesystem können funktionelle Zusammenhänge von Beweglichkeit, Stabilität sowie Kraft anhand der Gesamtpunktzahl
(0 - 21 mögliche Punkte) kategorisiert werden. Ferner kann man hieraus therapeutische Konsequenzen ableiten.
Gleichgewichtsfähigkeiten werden darüber hinaus statisch -mithilfe der zeitlichen Testung des Einbeinstandes (mit geöffneten und geschlossenen Augen) bestimmt und bewertet. Für eine positive Bewertung des Tests muss der Proband 30 Sekunden lang mit geöffneten Augen beziehungsweise 15 Sekunden lang mit geschlossenen Augen einen sicheren Stand demonstrieren, bei dem die Hände an der Hüfte angelegt und das Gegenbein in einer Hüftflexion von 90° gehalten werden müssen. Die Ermittlung der dynamischen Gleichgewichtsfähigkeit erfolgt hingegen – mit softwaregestützter Standardisierung von Ablauf und Bewertung – mithilfe einer MFT® Challenge Disc (Training, Level 4). Mit diesen Verfahren wird zeitgleich die Stabilität der Sprung- und Kniegelenke untersucht.
Der zur Ermittlung der individuellen Grundfertigkeiten (IGF) jährlich durchzuführende Basis Fitness Test erfolgt im Rahmen des HPE-Jahresscreenings gemäß den einschlägigen Vorgaben und ist in die zeitliche Abfolge der Untersuchung integriert.
Ein weiterer Bestandteil des Screenings ist die Bestimmung der Maximalkraft der unteren Extremitäten, welche eine orientierende Einschätzung über die Fähigkeit zur Durchführung von Anti-G-Manövern geben kann. Obgleich Anti-G-Anzüge zur Ausrüstung von Jetpiloten der Bundeswehr gehören, können Muskelkontraktionen der unteren Extremitäten (vor allem M. quadrizeps femoris und Mm. glutei) die G-Toleranz unterstützen, welche ein Absacken des Blutes in die Körperperipherie und somit eine Sauerstoffunterversorgung des Gehirns verzögern können. Die Testung findet ebenso an den bereits zuvor erwähnten Trainingsgeräten (Diagnos Med®, Firma Schnell) statt. Dabei wird die isometrisch erzeugte Maximalkraft im Sitzen und Liegen analysiert und im Vergleich zum Durchschnitt der von anderen Jetpiloten erbrachten Leistungen bewertet.
Zur Bestimmung der Ausdauerfähigkeit, die ein geeigneter Indikator zur Bestimmung der allgemeinen Leistungsfähigkeit sowie des individuellen Fitnesszustandes ist, wurden verschiedene wissenschaftliche Methoden in die Überlegungen einbezogen. Auf den Goldstandard in der Sportmedizin, die Spiroergometrie mit Laktatmessung, wurde dabei nicht zuletzt auf Grund einer Abwägung zwischen personellem Aufwand und Nutzen verzichtet. Auf der Suche nach einer geeigneten Alternative stieß man auf einen Feldtest, der unter anderem von Stefan Schurr beschrieben wurde (siehe Stefan Schurr: Trainingsplanung & -steuerung im Ausdauersport: Block- & klassische Periodisierung als alternative Planungsmodelle, Books on Demand, 2014, S. 74). Hierbei absolviert der Proband einen 30-minütigen Tempodauertest auf dem Fahrradergometer oder der Laufbahn. Die Aufgabe besteht darin, innerhalb dieser Zeit eine möglichst große Distanz zu überwinden (Bezugsgröße Leistung), während zeitgleich die Herzfrequenz (Bezugsgröße Puls) gemessen wird. Innerhalb der letzten fünf Minuten soll der Proband an seine individuelle Leistungsgrenze gebracht werden, um einen möglichst realistischen Maximalwert der Herzfrequenz ermitteln zu können. Nach Testbeendigung wird die Entwicklung der Herzfrequenz nach ein und zwei Minuten Erholungspause registriert, um eine zusätzliche Aussage über den Fitnesszustand machen zu können. Die sich in dieser Testung einstellende, durchschnittliche Herzfrequenz wird grob als anaerobe Schwelle definiert und bewertet. Darüber hinaus wird der Fitnesszustand des Probanden dann positiv bewertet, wenn sich der Puls nach 1 min Erholungsphase im Bereich Grundlagen--ausdauer 2 (75 - 85 % HFmax) und nach 2 min Erholungsphase im Bereich Grundlagenausdauer 1 (65 - 75 % HFmax) befindet.
Im Jahr 2014 konnten nach dem eben beschriebenen Schema 23 Piloten des TaktLwG 73 „S“ erfolgreich getestet werden. Die erhobenen Daten wurden zunächst innerhalb des Fliegerarztteams analysiert und im Anschluss mit dem Probanden erörtert. Hierzu wurden im Schwerpunkt erkannte Problemfelder besprochen, ehe eine Priorisierung für die therapeutische Konsequenz anhand der sogenannten Eisenhower-Matrix (Abbildung 1) nach den Merkmalen Wichtigkeit und Dringlichkeit festgelegt und eine Verordnung/Empfehlung mit einem Trainings-/Behandlungszeitansatz von insgesamt 2 x 2 Stunden pro Woche ausgesprochen wurde. Darüber hinaus erfolgte eine abschließende gesamtheitliche Probandenbewertung nach einer Ampelsystematik (rot/gelb/grün). Das Resultat ist ein individueller Anwendungs- und Trainingsplan, welcher im Rahmen von Kleingruppentrainings oder mitunter auch im Einzeltraining durchgeführt wird.Ergebnisse
Die Untersuchungen des Jahres 2014 wurden statistisch ausgewertet[1]. Es fanden sich Problemfelder, die sich in die Kategorien Mobilität, Stabilität, Kraft, Gleichgewicht und Grundlagenausdauer einteilen lassen (Abbildung 2). Hierbei fällt auf, dass ein Großteil der Probanden Defizite im Bereich „Mobilität Schulter und Hüfte“, „Stabilität Körperstamm (Core)“ sowie „Kraftfähigkeit HWS und Core“ aufweisen. Darüber hinaus zeigt sich bei annähernd 50 % der Untersuchten eine zu gering ausgeprägte Gleichgewichtsfähigkeit (negative Bewertung Einbeinstand und/oder unterdurchschnittlicher Score bei MFT® Challenge Disc).
Die gesamtheitliche Probandenbetrachtung (Ampelsystem) zeigt jedoch, dass die körperliche Leistungsfähigkeit und der damit verbundene gesundheitliche Gesamteindruck durchaus akzeptabel sind. Trotz vorhandener spezifischer Probleme liegen nur weniger als zehn Prozent der Probanden unterhalb des gelben Bereiches, der die Phase des Aufbautrainings beschreibt. Mit den Probanden aus dem roten Bewertungsbereich wurde zunächst versucht, eine körperliche Basisfitness (auf individuelle Defizite fokussiert) zu erarbeiten, bevor ein spezifisches Training begonnen werden konnte (Abbildung 3).
Ein solcher Trainingszyklus orientiert sich dabei an den in der Sportwissenschaft etablierten Grundfähigkeiten, welche aufeinander aufbauend trainiert und systematisch ausgebildet werden. Diese sind im Einzelnen:
- Grundlagenausdauer,
- Koordination,
- Kraft und
- Schnelligkeit.
Etwa ein Jahr nach dem ersten HPE-Screening folgt – neben zwischenzeitlichen kleineren individuellen Leistungskontrollen – ein weiteres Screening, um die Entwicklung aufzuzeigen. Im noch laufenden Kalenderjahr 2015 konnten bisher 13 der bereits im Vorjahr untersuchten Probanden erneut getestet werden. Abbildung 4 zeigt die bisher ermittelten Ergebnisse.
Neben einer Reduzierung der Problembereiche insgesamt, konnte vor allem bei den Kernproblemen eine deutliche Verbesserung erreicht werden. Vorzugsweise für die flugmedizinisch relevanten Strukturen HWS und LWS (Mobilität und Kraft) wird deutlich, dass durch funktionelles Training auch ohne geführte Geräte mithilfe einfacher Mittel (wie Gummibändern, Schlingentrainern, Gymnastikbällen, Faszienrollen und so weiter) und Methoden (zum Beispiel High Intensive Training, Curcuit-Training) deutliche Erfolge erzielt werden konnten.
Die getesteten Probanden leisteten ein durchschnittliches Pensum (angeleitet im Rahmen von HPE) von etwa 29 Trainings pro Jahr. Die Abbildungen 5 und 6 zeigen dabei die Ergebnisse. In Abbildung 5 ist die prozentuale Verteilung der Gesamtbewertung aller im jeweiligen Jahr getesteten Probanden im Ampelsystem dargestellt. Hier konnte der gelbe Bereich (Aufbautraining) reduziert und der des Leistungserhalts (grün) deutlich verbessert werden. Auffällig bleibt der nahezu unveränderte rote Bereich. Hier muss zukünftig noch intensiver auf die Probanden eingegangen werden, um an deren grundlegender Gesamtfitness (aus gesundheitssportlichen Aspekten) zu arbeiten.
Vor allem in den besonders aussagekräftigen Ergebnissen des FMS®-Tests (Abbildung 6) wird deutlich, dass im Bereich der motorischen Kontrolle von komplexen Bewegungsmustern ein deutlicher Fortschritt erzielt werden konnte. Die im Rahmen des HPE-Konzepts in Laage getroffenen Maßnahmen zeigen somit, hinsichtlich der eingangs vorgestellten Verpflichtung zur Gesundheitsfürsorge, gute Ergebnisse. Die Maßnahmen sollten also fortgesetzt und kontinuierlich weiter entwickelt werden.
Schlussfolgerung
Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass im TaktLwG 73 „S“ die gesteckten Ziele in weiten Teilen erreicht wurden. Die Module des Eingangstests haben sich sowohl auf Seiten der Anwender, als auch bei den Probanden als praktikabel erwiesen. Der eintägige Zeitansatz für den Test ist eine in den Staffelalltag integrierbare und akzeptierte Maßnahme.
Einfache Teststrukturen sowie die Zusammenführung bereits etablierter Verfahren haben Daten generiert, aus denen sich sinnvolle Trainingsprogramme ableiten ließen und die einen eindeutigen Bezug zu den Anforderungen im Cockpit haben.
Zukünftig sollte eine kontinuierliche Evaluation der Anwender in allen Verbänden erfolgen sowie die enge wissenschaftliche Kooperation mit Experten aus den Fachbereichen Ergonomie und Sportmedizin weiter ausgebaut werden.
Zumindest in der Aufbauphase sollte darüber hinaus unbedingt angestrebt werden, dem „Fliegerarzt-Team“ eine ausreichend lange Zeit der Zusammenarbeit am Standort zu ermöglichen. Hier können häufigere Personalwechsel den langfristigen Erfolg des Konzeptes HPE gefährden.
Beim TaktLwG 73 „S“ in Laage wurde bislang ein solider Grundstein gesetzt, auf dem es nun gilt, aufzubauen. Die weitere wissenschaftsbasierte Evaluation der HPM-Maßnahmen, deren Konzept im Artikel von Grove et al. beschreiben wird, wird dazu beitragen.
Kernaussagen
- Eine strukturierte Umsetzung von HPE begann Ende 2013 im TaktLwG 73 „S“ in Laage durch das Team Flugmedizin mit dem Schwerpunkt einer sportwissenschaftlichen Betrachtung.
- Die Screening-Verfahren am Beginn und im Verlauf bedienen sich etablierter und unkomplizierter Verfahren, die einen Bezug zu flugmedizinisch relevanten physischen Anforderungen herstellen.
- Als Trainingsanwendungen kamen vorwiegend Mittel aus dem funktionellen Bereich zum Einsatz, die eine preiswerte Alternative darstellen und eine hohe räumliche Flexibilität gewährleisten.
- Defizitschwerpunkte der HWS und des Körperstamms bezüglich Kraft und Mobilität konnten mit einem funktionellen Training innerhalb eines Jahres nachhaltig beseitigt werden.
- Dieser erste Ansatz von HPE konnte in den Geschwader-Alltag eines fliegenden Verbandes integriert werden und wurde von den Piloten und der Geschwaderführung akzeptiert.
Literatur beim Verfasser
[1] Details zu den Messmethoden und Bewertungen der einzelnen Tests würden den Rahmen dieses Artikels sprengen und sind für eine spätere Publikation auf der Grundlage einer größeren Datenmenge vorgesehen.
[2] Für das High Intensive Intervall Training wurden verschiedene Verfahren entwickelt, die im Prinzip alle aus einer maximaler kurzzeitigen Ausbeleastung im Intervall mit kurzen Erholungspausen bestehen. Professor Izumi Tabata inaugurierte 1996 ein Training, welches über 4 Minuten insgesamt 8 Zyklen aus 20 sek Sprint und 10 sek Erholung umfasst.
Datum: 10.11.2015
Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2015/3