Hyaluronsäure (HA) ist ein natürlicher Bestandteil der menschlichen Haut, wo sie mit Proteinen, die an HA binden, ein Netzwerk bildet.1 Daher trägt sie zur Aufrechterhaltung deren mechanischer Eigenschaften bei. Außerdem verfügt Hyaluronsäure über die einzigartige Funktion, Wasser zurückhalten zu können. Wenn sie auf eine Wunde aufgetragen wird, hält sie das feuchte Milieu aufrecht, was für eine erfolgreiche Wundheilung sehr entscheidend ist. Schon Galen, ein Arzt, der im alten Rom Gladiatoren behandelte, stellte fest, dass die Wunden nach einem Kampf in feuchter Umgebung besser heilten.2 Auch aktuelle Leitlinien für die Behandlung von schwer heilenden Wunden sehen die Aufrechterhaltung der Feuchtigkeit als entscheidend an.3
Bei Hautverletzungen wird die Struktur der extrazellulären Matrix (ECM), einschließlich ihrer Hyaluronsäure, beeinträchtigt. In der Folge initiieren Fragmente von Hyaluronsäure die Angiogenese und modulieren die Entzündungssignalisierung. Die De-novo-Synthese von körpereigener Hyaluronsäure wird stimuliert, um die Hautstruktur zusammen mit anderen Molekülen wie Kollagen und Fibronektin zu regenerieren.4 Hyaluronsäure trägt dazu bei, ein günstiges Umfeld für die Fibroblasten zu schaffen, die wiederum für die Bildung einer Granulationsgewebsmatrix verantwortlich sind.5
Hyaluronsäure unterstützt auch die Re-Epithelisierung indem sie die Migration von Keratinozyten anregt. Denn wenn diese an einer Bindung von Hyaluronsäure gehindert werden, verläuft eine Re-Epithelisierung signifikant langsamer.6 Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass eine Wundversorgung mit Hyaluronsäure zu einer deutlich schnelleren Re-Epithelisierung führen kann.7
Darüber hinaus korrespondiert das Ausmaß der Hyaluronsäure-Produktion während einer Wundheilung mit beabsichtigten, ästhetischen Ergebnissen, da sich bei narbenloser Wundheilung eine verlängerte Synthese von Hyaluronsäure und eine verringerte Entzündungssituation nachweisen lässt .8
Angesichts der Vorteile, welche der Wirkstoff Hyaluronsäure für eine erfolgreiche Wundheilung mit sich bringt, wird dieser bei verschiedenartigsten Behandlungen nicht infizierter chronischer und akuter traumatischer Wunden sowie Verbrennungen eingesetzt.9 Da Bakterien die Wundheilung erschweren, werden Antiseptika in Kombination mit Hyaluronsäure verwendet, um sowohl eine heilungsfördernde als auch eine antimikrobielle Wirkung sicherzustellen.10 Da Kriegsverletzungen als kontaminiert gelten, ist der Standard bei ihrer Behandlung ein gründliches Débridement und ein verzögerter Primärverschluss. Dennoch stellt diese besondere Form von Wunden oft eine Herausforderung für den Chirurgen dar, da insbesondere Schusswunden Hohlräume bilden, die schwer zu debridieren sind.
Vor diesem Hintergrund haben wir die debridierenden Eigenschaften und die heilungsfördernde Wirkung eines hyaluronsäure- und jodhaltigen Fluids untersucht. Unsere Hypothese war, dass nach dem anfänglichen Debridement einerseits die Hyaluronsäure die Heilung stimuliert und andererseits das Jod das Bakterienwachstum verhindert. Nach unserem Kenntnisstand ist dies die erste Studie, welche die Erfahrungen mit einem Fluid aus viskoser Hyaluronsäure und Jod präsentiert, das bei akuten Kriegswunden vor der primären, verzögerten Naht eingesetzt wurde. Für unsere Studie verwendeten wir ein zertifiziertes Hyaluronsäure-Medizinprodukt der Firma Contipro. Nach unseren ersten Ergebnissen zeigte die Behandlung eine hervorragende Wirkung bei der Versorgung dieser Wunden.
Behandlungsgruppen
Die beobachtende, vergleichende Studie wurde von einem chirurgischen Team im Feldlazarett der Armee der Tschechischen Republik in Afghanistan durchgeführt. Die Studiengruppe und die Kontrollgruppe umfassten ausschließlich Schusswunden und Schrapnell-Verletzungen von 14 Soldaten (Alter: 15-35 Jahre) mit 19 Wunden (Abbreviated Injury Scale (AIS) < 9). Alle Wunden galten als stark kolonisiert oder infiziert.
Die Behandlung in der Studiengruppe erfolgte mit einem Hyaluronsäure-Jod-Komplex und wurde bei 5 Patienten (insgesamt 7 Wunden) durchgeführt. Die dazu passende Kontrollgruppe (9 Patienten mit insgesamt 12 Wunden) wurde mit der bisher üblichen Therapie versorgt. Beide Gruppen unterzogen sich einem standardmäßigen chirurgischen Débridement, einer pulsatilen Lavage und einer Drainage der Wunde. Die in der Studiengruppe verwendete Drainage war eine mit einem Hyaluron-Jod-Komplex getränkte Kompresse (Abb. 2), während in der Kontrollgruppe dagegen Silikon-Drainagen verwendet wurden (Abb. 3). Die jeweilige Behandlung wurde regelmäßig evaluiert, bis sich ein sauberes Granulationsgewebe gebildet hatte, um den Transport der Patienten in ein afghanisches Krankenhaus zu ermöglichen.
Ergebnisse mit dem Hyaluronsäure-Jod-Komplex
Im Folgenden stellen wir zwei Fallberichte vor, um die Behandlungsmethode und die Ergebnisse besser verdeutlichen zu können.
Fall 1 – Schrapnell-Verletzung
Es handelt sich um einen jungen Soldaten mit einer Schrapnell-Verletzung am rechten Arm. In der erstversorgenden, lokalen medizinischen Einrichtung wurde die Primärnaht durchgeführt. Nach 24 Stunden wurde der Patient in das Feldlazarett transportiert. Die Eingangsuntersuchung ergab Anzeichen einer Infektion mit Staphylococcus-aureus (mikrobiellen Untersuchung). Unter Vollnarkose wurden die Fäden entfernt, die Wunde debridiert und gespült. Anschließend wurde die Wunde mit einer Hyaluronsäure-Jod-Komplex getränkten Kompresse austamponiert und offengelassen. Während der nächsten 4 Tage wurde die Wunde alle 24 Stunden auf die gleiche Weise nachbehandelt. Nach 4 Tagen war der Abstrich negativ und die Wunde war ohne jegliche Anzeichen einer Infektion. Infolgedessen wurde eine primäre, verzögerte Naht durchgeführt. Die Wunde war nach 8 Tagen ohne jegliche Komplikationen abgeheilt.
Fall 2 - Komplexe Wunde infolge eines Sprengkörpers
Es handelt sich um einen 18-jährigen Soldaten, den Überlebenden einer IED-Explosion mit komplexem Trauma des linken Beins. Nach der primären chirurgischen Behandlung war eine Unterdrucktherapie indiziert. Zehn Tage nach Beginn der Unterdruckbehandlung zeigte sich jedoch eine ausgedehnte bakterielle Besiedlung der Wunde unter dem Schaum. Daher wurde die Behandlungsstrategie geändert. Die Wunde wurde täglich mit einer Hyaluronsäure-Jod-Komplex getränkten Kompresse verbunden. Nach 4 Tagen dieser Behandlung war die Wunde sauber und granuliert. Dermo-epidermale Mesh-Hauttransplantate wurden eingesetzt und zeigten zu 95 % eine erfolgreiche Heilung. Die Weichteile des Patienten heilten vollständig ab und er war bereits 6 Wochen nach der Verletzung in der Lage, mit Gehhilfen zu gehen.
Zusammenfassung
Die Behandlung mit dem Hyaluronsäure-Jod-Komplex reduzierte in der Studiengruppe signifikant die Zeit, die zur Reinigung beider Arten von Verletzungen, Schuss- und Schrapnell-Wunden, benötigt wurde (Tab. 1). Außerdem wurde hier die schnelle Entwicklung von sauberem und vitalem Granulationsgewebe umgehend nach der Erstbehandlung beobachtet. Die antimikrobielle Wirkung dieses Medizinproduktes hat uns sehr überzeugt. Darüber hinaus haben wir die Reinigungswirkung von Schusswunden mit Partikeln (z.B. Schießpulver, Erde) durch die Hyaluronsäure-Jod-Komplex durchtränkte Kompresse sehr geschätzt. Feine Partikel wurden direkt in die getränkte Kompresse absorbiert, was das Debridement der Wunde erheblich erleichterte.
Die synergistischen Effekte dieser Methode (antimikrobiell, mechanisch reinigend, regenerierend) ermöglichten uns, die Primärnähte bereits 4 Tage nach der Verletzung durchzuführen. Bei der Kontrollgruppe mit Standardbehandlung konnte dies erst nach 8 Tagen erfolgen. Unseren Ergebnissen zur Folge zeigte die Behandlung von kampfeinsatzbedingten Wunden mit dem Hyaluronsäure-Jod-Komplex deutlich bessere Ergebnisse als die bisherige Standardbehandlung. Wichtig anzumerken ist, dass die anfänglich rötlich-braune Eigenfarbe des Hyaluronsäure-Jod-Komplexes ungefähr 40 Minuten nach einer Applikation verschwindet und damit zu keiner Verfärbung des heilenden Wundbetts führt. Zudem wurden bei keinem Patienten der Studiengruppe unerwartete Nebenwirkungen oder Arzneimittelinteraktionen im Zusammenhang mit dem Hyaluronsäure-Jod-Komplexes beobachtet.
Diskussion
Der Einsatz von antimikrobiellen Hyaluronsäure-Produkten in der militärischen, einsatzbezogenen Wundversorgung ist ein überzeugender therapeutischer Ansatz mit einem hervorragenden klinischen Ergebnis.
Analog zu unseren Kriegswunden werden Medizinprodukte auf Basis von Hyaluronsäure mit und ohne antiseptischem Additiv auch sehr erfolgreich zur Behandlung von chronischen Ulzera, Verbrennungen und chirurgischen Bauchwunden eingesetzt.11 Vergleichbar mit der Wirkung unseres verwendeten Hyaluronsäure-Jod-Komplex ist alternativ auch die Wirkstoffkombination aus Hyaluronsäure-Lyophilisat und antiseptischen Octenidin in Form einer Wundauflage als Medizinprodukt verfügbar, welche gegenüber einem Standardverband mit Silber eine deutlich intensivere Entfernung der Beläge gewährleistet und im direkten Vergleich eine bessere Heilungsdynamik aufweist.12
Insgesamt lässt sich festhalten, dass Hyaluronsäure eine einzigartige Substanz unter den Lokaltherapeutika darstellt, die an vielen Stellen aktiv zur Förderung der Wundheilung eingesetzt wird.13 Die vorhandene wissenschaftliche Literatur zur wundheilungsfördernden Bedeutung der Hyaluronsäure, umfasst mittlerweile mehr als 80 Publikationen der Grundlagenforschung, über 20 Übersichtsarbeiten sowie mehr als 30 kontrollierte Vergleichs- und Fallstudien. In der synergetischen Kombination mit einem Antiseptika ist Hyaluronsäure über alle Wundphasen hinweg einsetzbar; selbst bei infizierten Wunden. Sie hilft zudem Therapieresistenzen sowie stagnierende und chronifizierte Wunden zu überwinden, aber vor allem die Wundheilung zu beschleunigen.
Schlussfolgerung
Wir haben in unserer Vergleichsstudie sehr positive Wundheilungsverläufe beobachten können. Alle Wunden, die mit dem Hyaluronsäure-Jod-Komplex behandelt wurden, zeigten eine signifikant schnellere Wundheilungsdynamik als diejenigen der vergleichenden Standard-Wundversorgung. Die synergetische Kombination aus Hyaluronsäure und Jod stellte die bei den Patienten ins Stocken geratene Wundheilung wieder her. Insbesondere bei der medizinischen Behandlung komplexer und kontaminierter Kampfverletzungen ist das Fluid aus Hyaluronsäure und antibakteriellem Jod eine effektive und sichere Therapieoption.
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Wehrmedizin und Wehrpharmazie
Autoren der Studie:
- Martin Oberreiter, MD, PHD, Center for Clinical Competence Development, Masaryk University, Brno, Czech Republic
- Michal Plodr, MD, PhD, Dept of Emergency Medicine and Military General Medicine, Faculty of Military Health Science University of Defence, Hradec Kralove, Czech Republic
- Vojtěch Pavlík, MSc, Third Faculty of Medicine, Charles University, Prague, Czech Republic