Mit Feststellung des ersten, sowie wenige Monate später des zweiten, Katastrophenfalles des Freistaates Bayern (16.03.–16.06.2020 sowie 09.12.2020–06.06.2021) zur Bewältigung der Herausforderungen der Covid-19-Pandemie war sehr schnell klar, dass auch die territorialen Elemente der Bundeswehr, vertreten durch die Kreis- und Bezirksverbindungskommandos (KVK/BVK) sowie das Verbindungskommando Sanitätsdienst auf der Ebene Landeskommando/Landesregierung Bayern (VKdo San LKdo/LReg BY) gefordert sein würde. Schon vor Ausrufung des Katastrophenfalles kam es zu ersten Kontaktaufnahmen von zivilen Verwaltungsstrukturen (Landräte, Landratsämter, Oberbürgermeister) aber auch von Einzelinstitutionen (Kliniken, Alten- und Pflegeheimen) mit den vor Ort beheimateten Strukturen der Bundeswehr (KVK), mit den BVK (auf Ebene der Bezirksregierungen), sowie mit dem LKdo BY.
Die besondere Lage – eine bundesweite Pandemiebekämpfung – führte sehr schnell bei allen Beteiligten zur Erkenntnis, dass die medizinische Beratung durch sanitätsdienstliche Verbindungselemente auf allen Ebenen erforderlich ist.
Wie ist das System der KVK/BVK aufgebaut?
Jeder Kreis sowie jeder Regierungsbezirk verfügt über ein entsprechendes VKdo, bestehend aus vier Stabsoffizieren (wovon einer der Leiter des Kommandos ist), einem Sanitäts(stabs)offizier, drei Offizieren, vier Unteroffizieren mit Portepee (darunter ein Sanitätsfeldwebel). Zudem ist auf der Ebene des LKdo und der LReg eines Bundeslandes ein VKdo San beheimatet, das den Kommandeur LKdo in allen sanitätsdienstlichen Belangen berät und aus zwei Sanitätsstabsoffizieren, einem Offizier und einem Feldwebel besteht.
Die VKdo beraten die zivile Seite in den jeweiligen „Führungsgruppen Katastrophenschutz“ der Landkreise zu militärischen Fachfragen und Fähigkeiten der Bundeswehr, die in der jeweiligen Notlage zum Einsatz gebracht werden könnten und in der Zentralvorschrift „Einsatzoptionen, Kräfte und Fähigkeiten der Bundeswehr zur Hilfeleistung im Inland“ (A1-255/0-5) zusammengefasst sind.
Die sanitätsdienstlichen Fähigkeiten sind in 13 Unterpunkten zusammengefasst und erleichtern die Antragstellung und Bearbeitung von Amtshilfeanträgen durch entsprechende Standardisierung erheblich.
Einbindung des VKdo San LKdo/LReg BY in das Lagezentrum des LKdo BY
Die enge Einbindung des SanDstBw sowie der vertrauensvolle Umgang und die gegenseitige Wertschätzung der unterschiedlichen Organisationsbereiche von Anfang an war ein wesentlicher Baustein für das reibungslose Miteinander im Bereich des LKdo BY. Die Teilnahme an Lagebesprechungen des Kommandeurs war ebenso selbstverständlich wie die Beteiligung an Prozessen und Entscheidungen des LKdo. Umgekehrt wurden sanitätsdienstliche Entscheidungen und Hintergründe klar und verständlich kommuniziert, ein besonderes Augenmerk lag hier auf medizinischen und pandemisch-epidemiologischen Fachbegriffen.
Ferner war die Teilnahme an den Lagebesprechungen im bayerischen Staatsministerium des Inneren sowie bedarfsabhängig im Lagebriefing des Ministers ein fester Termin, an dem das VKdo San LKdo/LReg BY regelmäßig teilgenommen hat. Die Beratungsleistung zu Amtshilfeanträgen fand auf allen Ebenen und mit kurzen Kommunikationswegen statt. Somit war eine Informationskette in alle Richtungen ohne Informationsverlusten zu jedem Zeitpunkt gewährleistet. Komplexe Fragestellungen oder Probleme konnten sehr schnell bearbeitet werden und wurden entsprechend begleitet. Die Etablierung eines Lagezentrums im Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung (Kdo SanEinsUstg), welches über lange Zeiträume durchgehend ansprechbar war, hat sich als unverzichtbarer Bestandteil zur Bewältigung der Pandemielage herauskristallisiert.
Wissen der KVK um die sanitätsdienstlichen Fähigkeiten des Kommandos Territoriale Aufgaben der Bundeswehr
Die KVK/BVK hielten bis zum Pandemiebeginn in der Regel über Übungen mit dem sanitätsdienstlichen Anteil ihrer zugeordneten Struktur Kontakt. Vereinzelte KVK/BVK hatten durch lokal begrenzte Szenarien (Hochwasser, Schneekatastrophen) bereits miteinander Einsätze abgearbeitet. Dabei spielte der SanDstBw bis dato eine eher untergeordnete Rolle. Die neue Lage – eine gesamtdeutsche medizinische Einsatzlage – war für nahezu alle Beteiligten ein Novum. Vor diesem Hintergrund wurden die KVK/BVK in der gesamten Breite sehr schnell in den Einsatz gebracht. Anfängliche organisatorische Probleme wurden hierbei mit Hilfe des Sanitätslehrregimentes und des Kdo SanEinsUstg zügig gelöst. Federführung hatte auf Landesebene hierzu das VKdo San LKdo/LReg BY, das durch die Etablierung eines schichtfähigen und durchhaltefähigen Dienstmodells rund um die Uhr für die KVK/BVK und die zivilen Bedarfsträger ansprechbar war.
Durch Informationsschreiben und parallel etablierte Fortbildungen konnte das Wissen der KVK/BVK um sanitätsdienstliche Fähigkeiten sehr schnell aktualisiert und fortlaufend präsent gehalten werden. Durch die Komplexität der Lage und die herausfordernden Amtshilfeanträge kam es auf Ebene des VKdo San LKdo/LReg BY sehr schnell zu einer Strukturierung in die Bereiche Innen- und Außendienst, um die Antragsteller, insbesondere bei großen Gesuchen, stets adressatengerecht und vor Ort unterstützen zu können. Das gemeinsame Agieren des Sanitätsdienstes im Zusammenspiel mit den Kräften des territorialen Stranges ermöglichte eine zügige und zielgerichtete Beratung, die stets durch das Lagezentrum Kdo SanEinsUstg begleitet, gelegentlich auch moderiert wurde.
Ressourcenmanagement
Eine der größeren Herausforderungen war die Beantragung von vielen sanitätsdienstlichen Kräften zur Bewältigung der Krise auf kommunaler Ebene. Aus dieser Lage erwuchsen zwei wesentliche Modelle zur Beratung der zivilen Antragsteller: Das „Augsburger Modell“ für AHA von Kliniken, Alten- und Pflegeeinrichtungen sowie die Bearbeitung von AHA für Impfzentren und Impfzentren der Bundeswehr.
Die Bezeichnung „Augsburger Modell“ geht auf die erstmalige Beratung und Umsetzung des entwickelten Schemas am Universitätsklinikum Augsburg zurück. Der Antragsteller wurde dabei gebeten, zunächst die internen freien Ressourcen an Fachpersonal zu eruieren, um diese in die Patientenbehandlung zu bringen. Anschließend erfolgte die Unterbreitung eine Unterstützungsvorschlages. Der sanitätsdienstliche Anteil der Kräfte lag in der Regel zwsichen 20 und 30 %. Der SanDstBw unterstützte zivile Antragsteller und eingesetzte eigene Kräfte. Neben der medizinischen Begleitung erfolgte zusätzlich die Kontrolle der medizinischen Auflagen der Amtshilfe durch das Kommandos Territoriale Aufgaben der Bundeswehr (Kdo TerrAufgBw) und des Kommandos Sanitätsdienst der Bundeswehr. Das Modell bewährte sich auf hervorragende Weise und wird bis heute im Zusammenspiel des Sanitätsdienstes und des territorialen Stranges in vielen Amtshilfen angewendet.
Analog zum „Augsburger Model“ wurde ein Verfahren für die Amtshilfe bei Impfzentren verfolgt. Hier wurde der zivile Antragsteller gebeten, seine Ressourcen zu prüfen und konkreten Unterstützungsbedarf zu melden. Aus den Erfahrungen des Impfzentrums in Lebach mit einer sehr hohen Bindung an Fachpersonal wurde der Ansatz verfolgt, Ergänzungsmodule an bestehende Infrastruktur anzubinden oder etwaiges vorhandenes ziviles Personal für mobile Impfteams durch die Unterstützungsleistung der Bundeswehr herauszulösen und zu generieren. Diese Umsetzung hat sich unter dem Aspekt der Ressourcenknappheit bewährt. Sehr hilfreich war aus Sicht des Sanitätsdienstes die enge und stets nachhaltig unterstützende Begleitung durch das LKdo BY und durch den Kdr LKdo BY, Herrn Brigadegeneral Hambach.
Einbindung in die ministerielle Arbeit und medizinische Beratung zu den Fähigkeiten des Sanitätsdienstes
Die Einbindung und Mitarbeit in den Ministerien (Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration sowie Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege) war frühzeitig an das VKdo San LKdo/LReg BY herangetragen worden. Die Teilnahme an den täglichen Besprechungen des obersten Lagezentrum des Katastrophenschutzes des Freistaates Bayern sowie den Lagebesprechungen der beiden Ministerien und des LKdo BY ermöglichten schnelle und ergebnisorientierte Beratungen, um schnellstmöglich Entscheidungen herbeizuführen.
Zusammenfassung
Die Begleitung der medizinischen Lage durch das System der KVK/BVK im Rahmen der ZMZ hat sich in den ersten drei Wellen der Covid-19-Pandemie bewährt. Die enge Kooperation der Staatsregierung, der Bezirksregierungen sowie der Landkreise und kreisfreien Städte, aber auch der verschiedenen Lagezentren haben dazu geführt, dass die Bundeswehr, vertreten durch ihre KVK/BVK, einen nicht unerheblichen Anteil zur Bewältigung der wahrscheinlich größten (medizinischen) Krise seit Bestehen der Streitkräfte geleistet hat. Die Unterstützung aller KVK/BVK durch das VKdo San LKdo/LReg BY hat sich ebenfalls bewährt und den Austausch der KVK/BVK mit dem SanDstBw deutlich intensiviert. Die Begleitung durch ein zugeordnetes Sanitäts(Lehr)Regiment und das Kdo SanEinsUstg führte zu einem lückenlosen Aufwuchs und Ersatz von sanitätsdienstlichem Personal. Die Einbettung des Personalanteils des Sanitätsdienstes in ein Regiment sowie die Verankerung der beratenden Elemente direkt in den KVK/BKV hat sich ebenfalls als tragfähige Lösung herauskristallisiert, die für künftige Krisensituationen beibehalten und personell gestärkt werden sollte.
Wehrmedizin und Wehrpharmazie 4/2021
Für die Verfasser:
Oberstarzt d. R. Dr. W. M. Burgaß
Verbindungskommando Sanitätsdienst Landeskommando/Landesregierung Bayern
E-Mail: Burgass@aol.com