17.01.2022 •

Zivil-Militärische Zusammenarbeit bei ­Planung, ­Aufbau und Betrieb des Impfzentrums ­Schönefeld

R. Schneider

Als sich im Dezember 2020 abzeichnete, dass die Bundesländer kurzfristig Impfzentren (ImpfZ) aufstellen und betreiben würden, um einen möglichst großen Teil der Bevölkerung gegen Covid-19-Infektionen impfen zu können, wurde schnell klar, dass die Bundeswehr um Amtshilfe gebeten werden würde.

Vor diesem Hintergrund habe ich als Leiter des Sanitätsunterstützungszentrums (SanUstgZ) Berlin Kontakt mit den beiden Kommandeuren der Landeskommandos (LKdo) Berlin und Brandenburg aufgenommen, noch bevor Amtshilfeanträge gestellt worden waren. Rational dieses Handelns war, über die jeweiligen LKdo Einfluss auf die Ausgestaltung möglicher Amtshilfeanträge noch vor Formulierung zu nehmen, da die LKdo eng in die Entscheidungsprozesse des Berliner Senats beziehungsweise der Landesregierung von Brandenburg eingebunden waren. Diese enge Kooperation des LKdo Berlin mit dem Berliner Senat ermöglichte mir, frühzeitig Einblick in die planerischen Überlegungen zum Aufbau von ImpfZ zu nehmen. Erste praktische Erfahrungen in Fragen der Organisation aber auch im Handling der Impfstoffe konnten Ärzt*innen sowie weiteres Personal des SanUstgZ Berlin ab dem 27.12.2020 bei der Unterstützung der ersten in Berlin durchgeführten Impfungen sammeln.

Da die sechs Berliner ImpfZ sehr groß sein sollten und im Ballungsraum weniger ein Mangel an Impfärzt*innen zu erwarten war als im ländlichen Raum, bot es sich an, das Land Brandenburg beim Aufbau und Betrieb eines ImpfZ zu unterstützen. Da mein Ziel war, weite Anfahrtswege für unser eingesetztes Personal zu vermeiden, fiel die Wahl auf das in einem ehemaligen Terminal des Flughafens Schönefeld im Landkreis Dahme-Spreewald am Stadtrand von Berlin geplante ImpfZ. Ein entsprechender Amtshilfeantrag auf Unterstützung sowohl durch medizinisches Fachpersonal als auch durch sogenannte „Helfende Hände“ ging nach informeller Vorabstimmung ein.

Daraufhin trafen sich am Ort des geplanten ImpfZ Schönefeld am 04.01.2021 Vertreter des Gesundheitsministeriums des Landes Brandenburg, des Landkreises Dahme-Spreewald, der Kassenärztlichen Vereinigung des Landes Brandenburg, der Flughafengesellschaft, der Bundespolizei, der Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH) und der Bundeswehr. Seitens der Bundeswehr waren das LKdo Brandenburg, die Regionale Führungsstelle 3 Ost und das SanUstgZ Berlin vertreten. Ziel war, am 11.01.2021 den Impfbetrieb mit bis zu sechs Impfstraßen aufzunehmen. Es wurde in einem konstruktiven Dialog ein Aufbauplan des ImpfZ entwickelt, Verfahren (zum Beispiel die Terminvergabe) besprochen, Verantwortlich­keiten und Zuständigkeiten definiert und der erforderliche Personalansatz abgeschätzt. Hinweise des SanUstgZ Berlins, wie ­beispielsweise auf die Notwendigkeit zum Betrieb eines Notfallbehandlungsraums, wurden gerne angenommen.

Vertrauensvolle Zusammenarbeit mit zivilen Hilfsorganisationen
Vertrauensvolle Zusammenarbeit mit zivilen Hilfsorganisationen
Quelle: SanUstgZ Berlin

Es gelang einer engagierten Firma für Messebau auf Basis der gemachten Vorgaben innerhalb einer Woche im leeren ehemaligen Terminal ein ImpfZ mit sechs Impfstraßen aufzubauen. Zusätzlich waren sechs Registraturren, ein Lager für Sanitätsmaterial, Kühlmöglichkeiten für die Impfstoffe, die IT-Ausstattung, der Notfallbehandlungsraum und ein Umkleide-/Aufenthaltsraum zu realisieren. Am 10.01.2021 fand ein Probebetrieb des ImpfZ einschließlich einer Einweisung in die Dokumentation mittels IT statt, am 11.01.2021 eröffnete Ursula Nonnemacher, Ministerin für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg, das ImpfZ Schönefeld und der Impfbetrieb begann.

Dabei stellte die Bundeswehr die Masse des im ImpfZ eingesetzten Personals: bis zu 30 Soldat*innen als sogenannte „Helfende Hände“ – lange Zeit gestellt vom Feldjägerregiment 1 – zur Registratur und zur Begleitung der zu Impfenden sowie zur allgemeinen Organisation des Impfbetriebs. Das SanUstgZ Berlin stellte das Fachpersonal für mindestens drei Impfstraßen, dabei bis zu vier Ärzt*innen, acht Notfallsanitäter*innen zur Unterstützung der Impfärzt*innen, einen Notfallsanitäter zum Betrieb des Notfallraums sowie einen Koordinator. Der Operative Betrieb, die Führung vor Ort, des ImpfZ wurde von dem Regionalverband Südbrandenburg der JUH wahrgenommen.

Sehr schnell entwickelte sich eine überaus vertrauensvolle, konstruktive, ja freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen der JUH und der Bundeswehr. Als sehr hilfreich erwies sich die Einrichtung des Koordinators, der als unmittelbarer Ansprechpartner der Bundeswehr für die JUH vor Ort im ImpfZ fungierte. Die Stehzeit des Sanitätspersonals betrug grundsätzlich eine Woche, häufig auch zwei Wochen. Einweisungen in den Auftrag für die Nachfolger*innen erfolgten am letzten Tag vor dem Wechsel im ImpfZ. Diese Verlässlichkeit und Professionalität wurde immer wieder dankbar herausgestellt. Wesentlich war auch, dass das ärztliche Personal der Bundeswehr die Führung des ImpfZ durch die JUH, welche nicht über die ärztliche Qualifikation verfügte, anerkannte. Auf der anderen Seite wurde dem ärztlichen Personal natürlich auch Entscheidungsfreiheit in fachlichen Dingen zugestanden. Die jungen Soldat*innen der „Helfenden Hände“ waren voller Engagement und Empathie bei der Betreuung der zu Impfenden, insbesondere auch für die hochbetagten Personen. Hier waren anrührende Szenen der Dankbarkeit zu beobachten. Immer wieder wurde darüber hinaus auch die hohe fachliche Leistungsfähigkeit des Sanitätspersonals und die freundliche, menschliche Art des Umgangs mit den zu Impfenden herausgestellt.

Regelmäßige Besuche von mir als Leiter des SanUstgZ Berlin im ImpfZ und Gespräche mit dem eingesetzten Personal, aber vor allem auch der Leitung der JUH, ergänzten die völlig reibungslose Zusammenarbeit. Es entstand ein Team aus ziviler Hilfsorganisation und Bundeswehr, verbunden durch Vertrauen, Verlässlichkeit und gegenseitige Wertschätzung. Sowohl die „Helfenden Hände“ als auch das Sanitätspersonal haben die Tätigkeit im ImpfZ ausgesprochen gerne absolviert, auch wenn diese zusätzlich zum eigenen Auftrag zu absolvieren war und somit in erheblichen Umfang Mehrarbeit zur Folge hatte. Motivierend war dabei die hohe Wertschätzung, die dem eingesetzten Personal von allen Seiten entgegengebracht wurde, der als befriedigend empfundene eigene Einsatz in einer medizinischen und gesellschaftlichen Krise und das gute Betriebsklima in der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit.

Am 24.09.2021 wurde das ImpfZ Schönefeld geschlossen, nachdem insgesamt mehr als 112 000 Impfungen verabreicht worden waren.

Einige wenige Punkte möchte ich als „lessons learned“ ansprechen: Frühzeitiges, aktives Handeln zur Mitgestaltung der Amtshilfeanträge hilft unrealistische Erwartungshaltungen der zivilen Seite zu vermeiden. Dabei spielt die Abstimmung zwischen den sanitätsdienstlichen Anteilen der territorialen Verbindungsorganisation und den SanUstgZ eine wesentliche Rolle. Die Rolle der LKdo mit ihrer guten Vernetzung in die Ebenen der zivilen Verwaltung ist essentiell, sollte jedoch auch durch eine gute Vernetzung der Sanitätseinrichtungen mit den Hilfsorganisationen ergänzt werden. Die Einteilung eines Leitenden/Koordinierenden als ständig erreichbaren Ansprechpartner vor Ort dient der unmittelbaren Problemlösung und hält dem eingesetzten Sanitätspersonal administrativ den Rücken frei. Besondere Anerkennung fanden die freundliche, offene Art der Bundeswehrangehörigen, ihre fachliche Kompetenz und die gute, verlässliche Organisation. Die Hilfsorganisationen verdienen unseren Respekt und Anerkennung, mit zum Teil nebenberuflich und ehrenamtlich Tätigen wurden hervorragende Leistungen erzielt. 


Verwandte Artikel

Zivil-Militärische Zusammenarbeit im Rahmen der ­Covid-19-Pandemie

Zivil-Militärische Zusammenarbeit im Rahmen der ­Covid-19-Pandemie

Mit Feststellung des ersten, sowie wenige Monate später des zweiten, Katastrophenfalles des Freistaates Bayern zur Bewältigung der Herausforderungen der Covid-19-Pandemie war sehr schnell klar, dass auch die territorialen Elemente der Bundeswehr...

Wehrmedizin und Wehrpharmazie 4/2021

Von Wuhan nach Pasewalk

Von Wuhan nach Pasewalk

„Die Bundeswehr kann auf Antrag der Länder mit bis zu 26 Impfzentren sowie bis zu 26 mobilen Impfteams helfen.“

Wehrmedizin und Wehrpharmazie 4/2021

Einfluss von COVID-19 auf Krankenhauspersonal und betroffene kardiologische Hochrisikopatienten

Einfluss von COVID-19 auf Krankenhauspersonal und betroffene kardiologische Hochrisikopatienten

Hintergrund: Seit COVID-19 von der WHO zur Pandemie erklärt wurde, hat sich der wissenschaftliche Fokus auch auf die psychischen Auswirkungen gerichtet.

Wehrmedizinische Monatsschrift 3-4/2021

Meist gelesene Artikel