Valetudo Vestra - Professio Nostra

Erste Erfahrungen als 2. Fliegerarzt im Verband

Die zwei Jahre meiner ersten klinischen Verwendung in den Abteilungen Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie sowie Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerz­therapie des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg haben mir ein sehr gutes Rüstzeug vermittelt.

Die vielen Herausforderungen, die der Klinikalltag brachte, haben mich immer wieder gefordert, so dass ich viel gelernt habe und mich sehr auf die Fortsetzung meiner Fach­arztausbildung freue. So war mein Gefühl, die Klinik verlassen zu müssen, zwischen­zeitlich etwas verhalten, da ich wirklich sehr gerne in Hamburg gearbeitet habe und meine Kameraden und die Arbeit bestimmt vermissen würde.

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Abb. 1: NH-90.

Aber jede Veränderung birgt neue Erfahrungen und erweitert das bisher erworbene Wissen. Da ich im Rahmen zweier Truppenpraktika im ­Marinefliegergeschwader 5, Kiel, schon während meines Studiums erste Erfahrungen mit der Fliegerei und der Flugmedizin machen konnte und diese Zeit mir sehr gut gefallen hat, fiel meine Wahl auf einen Fliegerarztdienstposten. Ich hatte das Glück, dass meiner Wunschverwendung, 2. Fliegerarzt im Transporthubschrauberregiment 10 in Faßberg, entsprochen wurde.

Bereits vor meiner Versetzung hatte ich die Möglichkeit das Transporthubschrauberregiment 10 näher kennenzulernen und wurde außerordentlich freundlich willkommen geheißen. Ich nahm als Beobachter an einem Übungsflug mit dem NH-90 teil. Nachdem ich schon mehrfach mit unterschiedlichen Hubschraubertypen geflogen war, war der Flug mit dem NH-90 eine ganz neue interessante Erfahrung für mich und die Vorfreude auf meinen neuen Dienstposten wuchs weiter.

Faßberg, als Heimat des Transporthubschrauberregimentes 10, liegt im Landkreis Celle (Niedersachsen) inmitten der Lüneburger Heide, welche auch als Namensgeber für das Regiment dient. Die Aufträge des Regimentes beziehen sich auf In- und Ausland. Es handelt sich um Unterstützung luftbeweglicher Operationen mit Truppen- und Versorgungstransporten, Unterstützung der Spezialkräfte bei Spezial- und Evakuierungsoperationen unter nationalem Kommando, notfallmedizinische Luftrettung von Schwer- und Schwerstverwundeten mit modernster Medizintechnik vom Ort der Verwundung (Forward Aeromedical Evacuation) sowie Katastrophen- und Feuerlöschhilfe aus der Luft (Quelle Transporthubschrauberregiment 10).

Aufgabenfeld des Fliegerarztbereiches ist die flieger- sowie die truppenärztliche Versorgung und Begutachtung des fliegerischen Personals und des Flugsicherungskontrolldienst-Personals des Regimentes. Gemeinsam mit der Sanitätsunterstützungsgruppe wird die Flugunfallbereitschaft für den Flugbetrieb sichergestellt. Fliegerarztbereich und Sanitätsunterstützungsgruppe bilden zusammen das „Team Flugmedizin“.

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Abb. 2: NH-90 im Landeanfl ug – Staublandung, Italian Blade, Italien 2015.
Um die erforderlichen Qualifikationen für diese verschiedenen Aufgaben zu erwerben, schloss sich an meine chirurgische Weiterbildung direkt nach der Versetzung in den Verband eine 4-monatige lehrgangsbedingte Abwesenheit vom Regiment an. Neben den PUMA-C-Lehrgängen (Postuniversitäre modulare Ausbildung), die von sanitätsdienstlicher Seite ein Pflichttor darstellen, gehört eine flugmedizinische Weiterbildung als weiterer Bestandteil dazu. Letztere besteht aktuell aus einer flugphysiologischen Ausbildung in Königsbrück, dem Lehrgang Basistraining Aeromedical Evacuation, dem Fliegerarztlehrgang (inklusive dem Anteil Aeromedical Coordination) in Fürstenfeldbruck und einem Crew-Ressource-Management-Seminar.

Wie setzt sich dieser Lehrgangsmarathon zusammen?

Während der flugphysiologischen Ausbildung soll der Teilnehmer zum Beispiel die möglichen Auswirkungen der Fliegerei auf Körper und Geist in extremen Situationen, wie zum Beispiel einer Sauerstoffmangelsituation, erfahren und kennen lernen.

Im Laufe des Lehrgangs Basistraining Aeromedical Evacuation wird man zudem mit dem Ablauf einer Medical Evacuation (MedEvac) sowie den gesetzlichen Vorgaben vertraut gemacht. Des Weiteren erhält man praktisches Wissen beim Einrüsten verschiedener Rüstsätze unterschiedlicher MedEvac-Luftfahrzeuge der Bundeswehr. Im Rahmen dieses Lehrgangs hatte ich die Möglichkeit, einen MedEvac-Übungsflug auf der Transall (C-160) zu begleiten.

Die sechswöchige Fliegerarztausbildung (Lehrgang Flugmed I A-C) war ein sehr schöner, interessanter Lehrgang. Viel theoretisches und praktisches Wissen über die Flugmedizin wurde uns nahegebracht, um dieses im Anschluss vertiefen zu können. Neben zivilen und militärischen gesetzlichen Grundlagen wurden flugmedizinisch relevante Krankheitsbilder thematisiert. Außerdem lernten wir auf mehreren Ausflügen die Luftfahrzeugherstellung, als auch das Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin sowie zivile Einrichtungen wie Airbus oder Lufthansa kennen. 

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Abb. 3: OSA Dr. Heidelmann als Crew Member während eines NH-90-Fluges, Italian Blade, Italien 2015.

Als Fliegerarzt wird man als Crew-Member (Besatzungsmitglied) auf einem Luftfahrzeug eingesetzt. Während des Seminars Crew-Ressource-Management werden daher z. B. Inhalte über Kommunikation zwischen Crew-Mitgliedern, situative Aufmerksamkeit und Kooperation vermittelt, um dadurch die Flugsicherheit zu erhöhen. Hier wurde mir deutlich, wie viel Verantwortung man als Fliegerarzt trägt und welches umfangreiche Wissen für diese Tätigkeit nötig ist, da einige Entscheidungen sogar Werdegänge und Lebensträume der Probanden verändern können.

Nach dem Lehrgangsmarathon kaum wieder am Standort in Faßberg angelangt, war „ans Luftholen“ nicht zu denken. Als Einsatzverband beteiligte sich das Transporthubschrauberregiment 10 an der multinationalen Hubschrauberübung „Italian Blade“ des Helicopter Exercise Program der European Defence Agency in Ita­lien, um sich für künftige Einsätze, wie die Bereitschaften für Rettungs- und militärische Evakuierungsoperationen (MilEvakOp) oder European Battle Group (EUBG) neben nationalen Übungen auch auf internationaler Ebene vorzubereiten. Hierfür durfte ich die fliegerärztliche Begleitung unseres Übungskontingentes übernehmen. Der Hinflug mit dem NH-90 nach Ita­lien sollte mein erster Sichtflug über die Alpen werden. Dies war eine wunderschöne Erfahrung, wie auch die gesamte Übungsbegleitung. Als Crew-Member nahm ich an Trainingsflügen und auch an Übungsmissionen verschiedener internationaler Hubschraubertypen teil. Flugmedizinisch betrachtet konnte ich die physischen und psychischen Belastungen der fliegerischen Besatzungen beobachten, was mein Verständnis für flugmedizinische Fragestellungen stark erweiterte. Vor und während der Trainingsflüge wurde ich in das taktische Konzept „Forward Aeromedical Evacuation NH-90“ eingewiesen und konnte dann auch die Übungsmissionen als Teil der Medical Crew NH-90 mit einem Rettungsassistenten notfallmedizinisch begleiten. Dieser notfallmedizinische Aufgabenbereich wird im regulären Einsatzgeschehen durch in unserem Verband speziell eingewiesenes Personal des zentralen Sanitätsdienstes abgebildet.

Wie sieht eigentlich der Alltag als 2. Flieger­­arzt aus?

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Abb. 4: Wappen Fliegerarztbereich Transporthubschrauberregiment 10: „Fliegerarzt Heidefl ieger – Valetudo Vestra - Professio Nostra“. (Bild: F. Grube)
Wieder zurück in Faßberg war und ist der Schwerpunkt meiner Arbeit als 2. Fliegerarzt die allgemeinmedizinisch flugmedizinische Sprechstunde. „Valetudo Vestra - Professio Nostra“ ist unser Motto und gleichzeitig unsere Handlungsgrundlage. Unterstützung erhalte ich stets durch das gesamte „Team Flugmedizin“. In diesem herrscht ein sehr gutes Arbeitsklima, welches von gegenseitigem Respekt im Umgang miteinander geprägt ist. Der Teamgeist ist charakterisierend für unseren Bereich. Dadurch ist mir das Arbeiten in der Sprechstunde sowie in der Flugunfallbereitschaft deutlich erleichtert und macht mir gerade deshalb viel Freude. Hierfür möchte ich mich bei unserem „Team Flugmedizin“ an dieser Stelle einmal ausdrücklich bedanken.

Ich glaube, dass meine Entscheidung, in meiner Truppenarztzeit als 2. Fliegerarzt tätig zu sein, für mich genau die richtige war. Die bisherigen Erfahrungen gekoppelt mit dem neu erworbenen Wissen werden mir in meinem folgenden Werdegang und meiner weiteren Facharztausbildung auf jeden Fall zu Gute kommen.

Und selbst Fliegen?

Während einer Flugstunde im NH-90-Simulator zeigte mir ein Fluglehrer die ersten Grundlagen der Hubschrauberfliegerei und nach einiger Zeit konnte ich sogar eine „virtuelle Platzrunde“ drehen. Einmal selbst zu fliegen war ein sehr eindrucksvolles Erlebnis.

So birgt jeder Tag, jede Woche, jeder Monat neue Erfahrungen und ich freue mich darauf, noch viele weitere sammeln zu dürfen!

Datum: 11.04.2016

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2016/1

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