19.06.2023 •

„Unsere größte Herausforderung liegt bei den ­Gesundheitsfachberufen.“

Interview mit Generalstabsarzt Dr. Stephan Schoeps, Kommandeur Gesundheitseinrichtungen und Stellvertreter des Inspekteurs des Sanitätsdienstes der Bundeswehr

WM: Sehr geehrter Herr GenStArzt, nach mehr als 45 Jahren endet Ihre Dienstzeit in der Bundeswehr am 31. März. In diesen Zeitraum fielen mehrere Ereignisse von weltpolitischer Bedeutung. Wenn Sie Ihre Karriere Revue passieren lassen, was waren für Sie die wichtigsten Stationen?

GenStArzt Dr. Schoeps: Da gibt es einige! Die ersten Jahre meiner militärischen Laufbahn waren geprägt vom Kalten Krieg. Unmittelbar nach Ende meines Generalstabslehrganges, in dem Landes- und Bündnisverteidigung das vorherrschende Thema war, folgte 1990 die Wiedervereinigung. Bald darauf begannen die ersten Auslandseinsätze des Sanitätsdienstes. Dabei leisteten wir, gerade vor dem Hintergrund der notwendigen Absicherung unserer Soldaten, Pionierarbeit. Zusätzlich erinnere ich mich in diesem Zusammenhang an die sehr kurzen Befehls- und Entscheidungswege. Parallel stand das Ringen um die Eigenständigkeit des Sanitätsdienstes im Vordergrund – und das noch bis heute. Leider wird unsere Leistungsfähigkeit an einigen Stellen nicht erkannt, was dazu führt, dass wir überwiegend als „Enabler“ angesehen werden.

Der aktuelle Krieg in der Ukraine zeigt die Notwendigkeit von Engagement für Frieden und Sicherheit. Dabei geht es nicht nur um die Bereitstellung von finanziellen Mitteln, sondern auch um den persönlichen Einsatz von Soldaten für die Demokratie. 

 WM: Verlief für Sie dienstlich immer alles „glatt“ oder gab es Situationen, wo Sie sich rückblickend wünschen würden, diese wären anders abgelaufen?

GenStArzt Dr. Schoeps: Natürlich verlief in meiner Dienstzeit nicht alles glatt. Die ständige Auseinandersetzung um Bedeutung sowie sachgerechte personelle und materielle Ausstattung des Sanitätsdienstes hat leider keinen dauerhaften Erfolg gebracht. In den Auslandseinsätzen haben wir Herausragendes geleistet. Zu Spitzenzeiten waren fast 1 200 Sanitäter im Einsatz und keine Aufgabe blieb ungelöst. Nachdem die Einsätze erfolgreich abgeschlossen sind, müssen wir wieder um unsere Strukturen und Ressourcen kämpfen.

Auch das zum Teil nur kurzfristige Einnehmen von Strukturen und die regelmäßigen „Umbrüche“ waren und sind unbefriedigend. Die vorherrschenden Rahmenbedingungen machen es nicht einfacher. Beispielsweise können wir notwendiges Personal nicht gewinnen und bekommen nicht beliebig viel Geld für benötigte materielle Ausstattung. Als Sanitätsdienst bewegen wir uns auch im Spannungsfeld des zivilen Gesundheitssystems mit seinen gesetzlichen Vorgaben und dem militärischen Alltag sowie den sich daraus ableitenden Erfordernissen.

Generalstabsarzt Dr. Stephan Schoebs, Kommandeur Gesundheitseinrichtungen und...
Generalstabsarzt Dr. Stephan Schoebs, Kommandeur Gesundheitseinrichtungen und Stellvertreter des Inspekteurs des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, im Gespräch mit dem Chefredakteur der Wehrmedizin und Wehrpharmazie, Oberfeldarzt Dr. Dr. Müllerschön, und der Verlegerin, Frau Lange
Quelle: Bundeswehr/Stefan Klaus

WM: Die veränderten sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen in Europa nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine stellen den Sanitätsdienst der Bundeswehr vor neue Herausforderungen. Neben immer wieder auftretenden Schwierigkeiten im Bereich der Materialbewirtschaftung ist sicherlich die Deckung des zukünftig notwendigen Personalbedarfs einer der dringendsten Aspekte zur Erfüllung der Bündnisverpflichtungen. Wie sehen Sie den Sanitätsdienst hierfür aufgestellt?

GenStArzt Dr. Schoeps: Der Dienst im Sanitätsdienst ist aus vielerlei Gründen attraktiv. Der wichtigste zuerst: Unsere Arbeit ist immer sinnstiftend, zu Hause und im Einsatz. Darüber hinaus bieten wir sehr gute Ausbildungs- und Fortbildungsmöglichkeiten. Immer mit zivilberuflichen Abschlüssen. Mit der Laufbahn der Sanitätsoffizieranwärter ist es uns bisher immer gelungen, den benötigten ärztlichen Nachwuchs zu generieren. Unsere größte Herausforderung liegt bei den Gesundheitsfachberufen, der größten Personengruppe des Sanitätsdienstes. Hier müssen wir die Attraktivität auch durch flankierende Maßnahmen – bessere Laufbahnchancen, Prämien o. ä. – steigern. Zusätzlich wird diesem Personenkreis noch zu oft mangelnde Wertschätzung entgegengebracht. Das beginnt schon bei der Wortwahl: Statt von Assistenz- oder Hilfsberufen zu sprechen, müssen wir uns alle bewusst machen, dass wir ein Team sind!

Bei der Ausstattung mit neuem Material steht der Sanitätsdienst nicht an erster Stelle, obwohl die notwendige Ausrüstung – CT-Geräte oder mobile Sanitätseinrichtungen – im Vergleich zu militärischem Großgerät wie Flugzeugen oder Panzern deutlich billiger ist. Ziel ist der Aufbau einer eigenen Beschaffungsorganisation in Zusammenarbeit z.B. mit dem BAIUDBw, so dass der Sanitätsdienst handelsübliche Geräte direkt kaufen kann. 

WM: Seit einigen Jahren sind Sie neben Ihren dienstlichen Aufgaben auch Präsident der DGWMP. Traten dabei Interessenskonflikte auf?

GenStArzt Dr. Schoeps: Da war und ist kein Interessenkonflikt, wir alle wollen einen leistungsstarken Sanitätsdienst, wozu natürlich auch fachliche Fortbildung gehört. Von Seiten des Sanitätsdienstes ist das Interesse an einer Art „eigener“ Fachgesellschaft groß und diese Funktion übernimmt die DGWMP. Neben meiner Hauptaufgabe als Kommandeur der Gesundheitseinrichtungen und stellvertretender Inspekteur ist die Präsidentschaft der DGWMP mein Ehrenamt. Für beide Ämter sitze ich quasi im gleichen Boot, beides sind keine Gegensätze. Neben der klaren Unterscheidung in Haupt- und Ehrenamt ist die Beachtung der Vorschriften und Regelungen unabdingbar.

WM: Im vergangenen Oktober wurden Sie als Präsident der DGWMP wiedergewählt. Wie sieht Ihre Agenda für die laufende Wahlperiode aus? Wie muss die Gesellschaft aus Ihrer Sicht im Jahre 2030 aussehen?

GenStArzt Dr. Schoeps: Zunächst ist es wichtig, die Regionalisierung weiter fortzuführen. Mit großer Sicherheit wird die Digitalisierung im Bereich der Fortbildung mit hybriden Veranstaltungen oder digital abrufbaren Inhalten weiter fortschreiten. Wir haben begonnen, die Bereichsgruppen mit dem dazu notwendigen Equipment auszustatten. In die regionalen Strukturen sollen direkt Anteile der seit kurzem für die Teilnahme an unseren großen Veranstaltungen erhobenen Tagungsgebühren fließen. Leider sind einige Gruppen nicht mehr lebendig, da ist in den vergangenen Jahren aus verschiedensten Gründen wenig passiert. Zum Teil haben wir Schwierigkeiten, Mitglieder zu finden, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.

Das zweite Ziel ist die Zusammenarbeit mit dem SanOA e. V., der für mich fast eine Jugendorganisation der DGWMP ist. Um unseren möglichen Nachwuchs müssen wir uns kümmern und ihn zu all unseren Veranstaltungen einladen. Wichtig ist dabei auch das Mentorenprogramm und die Tatsache, dass wir Jung und Alt unabhängig vom Dienstgrad völlig barrierefrei zusammenbringen. Gerade letzteres ist ein Alleinstellungsmerkmal unserer Gesellschaft.

WM: Abschließend noch einige Frage an den Privatmann Dr. Stephan Schoeps: Wie wollen Sie zukünftig Ihre Freizeit genießen? Welchen Hobbies wollen Sie demnächst frönen?

GenStArzt Dr. Schoeps: Natürlich werde ich Zeit in mein Ehrenamt als Präsident der DGWPM investieren, in die Bereichsgruppen reisen, an Veranstaltungen teilnehmen und mit Mitgliedern ins Gespräch kommen. Zusätzlich möchte ich meine Frau, die Flugbegleiterin ist, während ihrer Arbeit „begleiten“ und gemeinsam mit ihr reisen. Daneben war Sport und Bewegung immer schon mein Hobby und das wird auch so bleiben. An Rhein und Mosel gilt es unglaublich viele Wanderwege zu entdecken. Ich mache mir da keine Sorgen und freue mich auf den kommenden Lebensabschnitt.

WM: Herr GenStArzt, vielen Dank für das Gespräch. Wir wünschen Ihnen für Ihren weiteren Lebensweg alles, alles Gute!

Das gesamte Gespräch können Sie sich als Podcast hier https://wehrmed.de/tag/podcast/ anhören. 



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