To score or not to score – Fit in den Auslandseinsatz
To score or not to score – Fit in den Auslandseinsatz
15.03.2021 •

To score or not to score – Fit in den Auslandseinsatz

M. Umathum, W. Kroboth

Das Sanitätszentrum Ost in Wien-Stammersdorf ist eines von drei Sanitätszentren des Österreichischen Bundesheeres. Neben dem klinischen Routinebetrieb werden am dort ansässigen Institut für Medical Support (IMS) alle Soldaten, die sich in einen Auslandseinsatz begeben wollen, auf ihre Eignung untersucht. Ziel ist eine möglichst allumfassende Vorsorgeuntersuchung unter Einbindung aller relevanten Fachdisziplinen, durchschnittlich werden jährlich ca. 2500 Gutachten ausgestellt.

Im Juni 2020 präsentiert sich im Rahmen einer solchen Eignungsuntersuchung ein 56-jähriger Unteroffizier mit vorbekannten intermittierendem Vorhofflimmern, welches aber subjektiv vom Patienten nicht empfunden wird. Er ist sportlich aktiv und gibt keinerlei Einschränkungen im täglichen Dienstbetrieb oder unter sportlicher Belastung an.

Im Zuge der Auslandsuntersuchung wird im Rahmen der internistischen Begutachtung standardisiert ein 12-Kanal-EKG durchgeführt, ein normofrequentes Vorhofflimmern (AFIB) ohne Ischämiezeichen lässt sich darstellen. Der Patient ist normgewichtig, diätologisch ernährt sich der Patient äußert gesundheitsbewusst, anamnestisch lässt sich lediglich ein jahrelang zurückliegender Nikotinabusus erheben, Im CHA2DS2-VASc Score erreicht der Patient 0 Punkte, eine orale Antikoagulationstherapie (OAK) ist somit nicht indiziert.

Während der sportlichen Überprüfung, welche sich aus einem 2400 m Lauf und der Ableistung von Liegestützen zusammensetzt, äußert der Patient keinerlei körperliche Probleme, er läuft sogar eine neuerliche persönliche Bestzeit welche 1 Minute unterhalb des geforderten Limits liegt.

In den zwischenzeitlich eingelangten Laborbefunden sind lediglich das Gesamtcholesterin von 285 mg/dl und das LDL Cholesterin mit 186,4 mg/dl auffällig, alle anderen Werte liegen im Normbereich. Während sich aus internistischer Sicht auf Grund der erhöhten Cholesterinwerte – nach Einleitung einer Statintherapie – keinerlei Einschränkungen für einen militärischen Auslandseinsatz ableiten, wurde beim vorliegenden Patienten seitens des IMS eine vorläufige Sperre für einen militärischen Einsatz im Ausland veranlasst sowie eine weiterführende internistische Abklärung empfohlen.

Unser Patient sucht seinen betreuenden Hausarzt auf, welcher wiederum eine Überweisung zum Facharzt für Innere Medizin veranlasst. Ein Coronar-CT wird durchgeführt. Am 08.07.2020 erfolgt aufgrund eines pathologischen Coronar-CTs die stationäre Aufnahme in einem zivilen Krankenhaus zur geplanten Coronarangiographie und eine erfolgreiche PCI mit Stentimplantation des proximalen RIVA von 80 % auf 0 % sowie eine erfolgreiche Stentimplantation der distalen RCA von 80 % auf 0 % werden durchgeführt. Ebenfalls findet sich eine 70 % ige Stenose des medialen RIM, diesbezüglich wird vorerst ein konservatives Management gewählt. 

Nachdem in den Vordiagnosen ein intermittierendes AFIB, mit einem aktuellen CHA2DS2-VASc Score von 0 Punkten (56 Jahre, keine Herzinsuffizienz, keine Hypertonie) bekannt ist, wird vorerst auf eine orale Antikoagulation verzichtet und eine duale Plättchentherapie mit Clopidogrel und Acetylsalicylsäure (ASS) für 6 Monate und in Folge ASS als Monotherapie lebenslang empfohlen.

Das LDL-Cholesterin wird mit einem Zielwert < 70 mg/dl veranschlagt und eine Therapie mit Atorvastatin 40 mg verordnet. Der postinterventionelle Verlauf gestaltete sich erfreulicherweise unauffällig.

Der Patient ist aktuell beschwerdefrei, sportlich belastbar und kann seinen Dienst uneingeschränkt weiter an seiner Dienststelle versehen.

Diskussion

Bei den am Sanitätszentrum Ost durchgeführten Eignungsprüfungen wird das medizinische Personal durch eine hohe Anzahl von Untersuchungen einerseits sowie durch ein äußerst inhomogenes Kollektiv von zu testenden Personen regelmäßig vor Herausforderungen gestellt. Der Zeitrahmen für medizinische Untersuchungen ist naturgemäß knapp bemessen, gerade aber sportliche und asymptomatische Patienten mit einem geringen oder mittleren Risikoprofil erfordern oftmals ein spezifischere, weitergehende Untersuchungen sowie eine genaue Erhebung möglicher Risikofaktoren für eine koronare Herzerkrankung.

Im gegenständlichen Fall präsentierte sich ein völlig asymptomatischer Patient der selbst unter regelmäßiger sportlicher Belastung völlig beschwerdefrei bleibt. Der Framingham Score ergibt einen Wert von 10 %, auch der Procam-Score ergibt nur einen Wert von 7,3 %, somit liegt der Patient mit seinem Risiko ein kardiales Ereignis zu erleiden im unteren Bereich, der CHA2DS2-VASc Score beträgt 0 (2,3). Die aktuellen Guidelines würden also für diesen speziellen Fall keine weitere Diagnostik vorsehen. (1). Das dennoch durchgeführte und überraschend pathologische Coronar-CT hatte somit eine wegweisende Bedeutung, ohne welcher die bestehende KHK spät oder gar erst durch ein akutes Ereignis detektiert worden wäre.

Fazit für die Praxis/Zusammenfassung

Trotz der hohen Dichte an Testpersonen bei Eignungsuntersuchungen gilt es, immer auf das spezielle Risikoprofil sowie Begleiterkrankungen zu achten. Der vorliegende Fall beschreibt eindrucksvoll, dass additiv zu aktuellen Guidelines sich immer eine erweiterte Anamnese bezüglich des individuellen Risikoprofiles lohnt. Dies gilt vor allem in Hinblick auf einen geplanten militärischen Einsatz im Ausland, bei welchem nicht immer eine zeitgemäße oder zeitnahe medizinische Versorgung gewährleistet werden kann. Ob für Soldaten, welche für einen Auslandseinsatz vorgesehen sind, strengere oder erweiterte diagnostische Maßnahmen sinnvoll sind, bleibt weiterhin eine militärärztliche Individualentscheidung.

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