Die Division Schnelle Kräfte, als eine der drei Divisionen des Deutschen Heeres, besteht aus dem Kommando Spezialkräfte, der Luftlandebrigade 1, dem Kommando Hubschrauber, der Gebirgsjägerbrigade (GebJgBrig) 23 und der niederländischen 11. luftbeweglichen Brigade. Die GebJgBrig als leichte, spezialisierte Infanteriebrigade ist universell einsetzbar und hochmobil. Ihren höchsten Einsatzwert erreicht die Brigade unter arktischen Bedingungen, in schwierigem unwegsamem Gelände und in großen Höhen bzw. bei großen Höhenunterschieden. Die sanitätsdienstliche Unterstützung in diesen Einsatzräumen stellt eine erhebliche Herausforderung dar. In diesem Beitrag wird speziell auf den Teilaspekt Gebirge, also schwieriges unwegsames Gelände mit großen Höhenunterschieden bzw. in großer Höhe eingegangen.
Die AJP 4.10 Allied Joint Doctrine for Medical Support beschreibt die Rettungskette mit ihren einzelnen Abschnitten, die auch im Gebirge grundsätzlich gelten. Ebenso sind Vorgaben für die Zeitlinien zur Versorgung von Verwundeten (10-1-2) Inhalt dieser Vorschrift. Diese Zeitlinien orientieren sich an fachlichen Empfehlungen, die unabhängig von Einsatzraum und Einsatzszenario zu betrachten sind. Bei der Betrachtung der Rettungskette müssen die Einsatzszenarien der Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) von Szenarien bei Ausbildungen und Übungen unterschieden werden.
Die Rettungskette im Gebirge weist Besonderheiten auf. Der Ort, an dem die Gesundheitsstörung (Verwundung, Verletzung oder Erkrankung) auftritt, in der Vorschrift „Point of Injury“ genannt, liegt meist im schwierigen unwegsamen Gelände. Im Einsatz wird sich der „Casualty Collection Point“ (CCP) ebenso in diesem Gelände befinden.
Bei der Versorgung sind hier die medizinischen Besonderheiten der alpinen Notfallmedizin und Höhenmedizin zu beachten. Aufgrund der Umgebungsbedingungen ist häufig ein anderes medizin-taktisches Vorgehen notwendig. Oft lassen gebirgsspezifische Faktoren (Absturzgefahr, Steinschlag oder Lawinengefahr) am Schadensort eine unmittelbare Versorgung nicht zu. Darüber hinaus treten durch den Aufenthalt in diesem schwierigen unwegsamen Gelände bzw. in diesen Höhen häufig Gesundheitsstörungen auf, die ein besonderes Vorgehen in der Behandlung bedingen (siehe Tabelle). Nach dem CCP folgt in der Rettungskette grundsätzlich eine Rettungsstation (RS). Aufgrund von Einflussfaktoren auf die Position dieser Einrichtung, wie Anfahrtsweg, logistische Versorgung, Abtransport von Patienten o. ä. sollte sich diese medizinische Behandlungseinrichtung an einem, durch die Fahrzeuge der RS, befahrbaren Weg befinden. Folglich ist der Großteil des Weges zwischen dem CCP und der Role 1-Einrichtung nur zu Fuß zu bewältigen. Dieser Faktor hat einen erheblichen Einfluss auf den Abtransport von Patienten. Der Einsatz von Hubschraubern in einem LV/BV-Szenario sollte in die Planung der sanitätsdienstlichen Versorgung im vorderen Bereich der Rettungskette nur eingeschränkt mitbetrachtet werden, da dieser aufgrund unterschiedlicher Faktoren (Nähe zum Aufklärungs- bzw. Wirkungsbereich gegnerischer Kräfte, Luftraumüberlegenheit, Wetter, u. ä.) als nicht verlässlich zu betrachten ist. Die Zeitlinien zur Versorgung von Schwerverletzten bzw. Verwundeten können unter den o. g. Umständen vermutlich nicht eingehalten werden.
Aus Sicht des Heeressanitätsdienstes müssen hier Sanitätskräfte der Ebene 1 an einem vorgeschobenen Behandlungs- bzw. Triagepunkt im Gebirge eingesetzt werden, um bei einer hohen Casualty Rate Behandlungs- und Transportressourcen zielgerichtet einzusetzen. Der Einsatzraum bedingt in den Behandlungsebenen bis zur RS eine hohe Kräftebindung der Kampftruppe für den Patiententransport. Die Anzahl und entsprechende Ausbildungshöhe von Nicht-Sanitätspersonal im Einsatzraum der Gebirgstruppe besitzt zusätzlich einen besonderen Stellenwert in der Erstversorgung, da die Zuführung von Sanitätspersonal im Gebirge sehr anspruchsvoll und zeitintensiv sein kann. Die Versorgung bzw. Rettung bei Ausbildung und Übung kann lageabhängig bei entsprechenden Witterungsbedingung durch den Einsatz von Hubschraubern und gezielt vor Ort eingesetztem Sanitätspersonal deutlich beschleunigt werden.
An das im Einsatzraum der GebJgBrig, speziell im Gebirge, eingesetzte Sanitätspersonal werden hohe Ansprüche gestellt, weshalb eine entsprechende Vorauswahl sinnvoll ist. Zusätzlich zur Kenntnis der medizinischen Besonderheiten, sind eine Gebirgsbeweglichkeit und die dazu notwendige hohe körperliche Belastbarkeit zwingende Voraussetzung. Die Ausbildung der sogenannten Gebirgsbefähigung im Sommer und Winter nimmt erhebliche Zeit in Anspruch und muss im Anschluss zusätzlich durch eine sehr enge Kohäsion mit der zu unterstützenden Truppe weiter vertieft werden.
Die Rettung und Versorgung im Gebirge fordern die Gebirgstruppe und das eingesetzte Sanitätspersonal in hohem Maße! Die entsprechende Ausbildung des Nicht-Sanitätspersonals und spezielle medizinische bzw. alpinistische Kenntnisse und Fertigkeiten des Sanitätspersonals sind unabdingbar.
Wehrmedizin und Wehrpharmazie 4/2023
Oberfeldarzt Dr. E. Staps
Gebirgsjägerbrigade 23
Hochstaufen-Kaserne
Nonner Str. 23-27
83435 Bad Reichenhall
E-Mail: EnricoStaps@bundeswehr.org