01.10.2010 •

KOMMANDEUR EINES SANITÄTSREGIMENTES

Warum ist es spannend, herausfordernd und extrem zufriedenstellend zugleich Kommandeur eines Sanitätsregimentes zu sein und die Verantwortung über nahezu 1000 Soldaten und deren fachgerechte Ausbildung zu tragen?

Diese Frage habe ich mir in den letzten zwei bis drei Jahren häufig gestellt. Vor Übernahme des Sanitätsregimentes 32 in Weißenfels im Herbst 2007 und auch ständig während meiner Zeit als Kommandeur. Diese Frage habe ich mir zum Beispiel dann gestellt, wenn ich mit Genugtuung und Freude festgestellt habe, dass die vielen kleinen und großen Dinge im Regiment in hervorragender Weise so funktioniert haben, wie sie funktionieren sollten, weil alle am gleichen Strang und in eine Richtung gezogen haben. In solchen Momenten fiel mir die Antwort leicht: Weil man Teil des Ganzen sein durfte. Diese Frage habe ich mir aber auch stellen müssen, als ich zusammen mit meinem Regiment am Grab eines verstorbenen und geschätzten Kameraden stand und wir einer gebrochenen Familie Beileid und Beistand entgegen bringen mussten. Aber auch hier fiel die Antwort leicht: Weil man Teil eines Ganzen, einer Gemeinschaft von Kameraden sein konnte.

Die Antwort, oder die Antworten, die ich auf diese Frage für mich gefunden habe, haben viel mit den Menschen des Regimentes und dem militärisch geprägten Zusammenhalt im Regiment zu tun. Wahrscheinlich ist es das Miteinander und die Verbundenheit, wenn 1000 Soldaten ein Ziel verfolgen, wenn hunderte von Spezialisten ihre Fachexpertise für ein Ziel einbringen und wenn alle Menschen und Persönlichkeiten des Regimentes Menschlichkeit und Verlässlichkeit an den Tag legen. Und wenn es einem als Kommandeur dann noch gelingt mit der eigenen Persönlichkeit und als „Spezialist“ dem Regiment eine Richtung oder Ziele zu geben, die gerne angenommen und gelebt werden, so erfährt man die Verantwortung nicht als Belastung, sondern erfährt die höchste Berufszufriedenheit, die ich in meiner bisherigen Dienstzeit in den Streitkräften genießen durfte.

Wie kam ich dazu, Berufssoldat zu werden?
Zu Schulzeiten galt mein Interesse noch den Naturwissenschaften, insbesondere der Biologie und der Mathematik. Durch die Lehrbücher meiner Schwester im klinischen Abschnitt ihres Medizinstudiums wurde meine Neugier für die Medizin geweckt. Noch dem Studienwunsch der Zahnmedizin folgend, absolvierte ich im letzten Schuljahr erfolgreich den Medizinertest der ZVS, ein Praktikum in einem zahntechnischen Labor und hätte mich im Anschluss auf eine Zeit als Grundwehrdienstleistender oder SaZ 02 und auf mein Studium gefreut. Ich habe mich letztendlich für die Humanmedizin als Sanitätsoffizieranwärter entschieden. Wahrscheinlich war es der freundliche Hinweis meines Vaters (Berufssoldat), dass man sein Medizinstudium auch über die Bundeswehr absolvieren könne, der mich im Juli 1987 zu einem jungen San- OA werden ließ. Meine Neugierde auf den Dienst in der Bundeswehr und der Ausblick auf ein Studium in finanzieller Unabhängigkeit waren dabei ebenso treibende Faktoren. Aber gerade diese Neugierde und die ständige Sehnsucht nach Abwechslung im Dienst, sei es in Deutschland oder im Einsatz, waren für mich der entscheidende Grund, Berufssoldat zu werden und sind prägend dafür, dass ich meinen Weg über eine Vielzahl an Fach-, Führungs- und Stabsverwendungen eingeschlagen habe. Ein Arbeitsleben ohne Abwechslung und ohne Höhepunkte bis zu einer späteren Pensionierung war für mich immer ein abschreckender Gedanke. Gleichwohl will ich aber auch nicht verhehlen, dass die dabei erforderliche Flexibilität der Familie mehr und mehr Grenzen findet in unzumutbaren und länderspezifischen Regelungen der Schulsysteme oder in der Akzeptanz der Familie für den stetigen Neuanfang an neuen Orten.

Was ich an Vorgesetzten schätze?
Sowohl das ärztliche Handeln als auch der militärische Dienst als Vorgesetzter sind wesentlich dadurch geprägt, dass man eng, teilweise persönlich und vertrauensvoll mit Menschen arbeitet. Die Akzeptanz als Arzt oder als Vorgesetzter ist dabei nicht nur abhängig von der jeweiligen Fachexpertise oder dem handwerklichen Können, sondern vielmehr vom gegenseitigen Vertrauen zwischen Arzt und Patient oder Vorgesetztem und Soldat. Ich schätze es, wenn man - wie ich es erfahren durfte – Vorgesetzte hat, die einem die nötige Sicherheit, aber auch den nötigen Spielraum geben, die einem Wertschätzung für die Person und für die Leistungen entgegenbringen und die authentisch in ihrer eigenen Persönlichkeit das Vorbild leben. Dies alles gibt Sicherheit und Berechenbarkeit für das eigene Handeln. Gelingt dies nicht, ist Misstrauen, Unsicherheit und Demotivation der Untergebenen vorprogrammiert und es existiert keine Chance für eigene Motivation, für die Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen oder ein Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln. Gerade im Auslandseinsatz brauchen wir vor dem Hintergrund der Belastungen diese vorbildlich und authentisch handelnden Vorgesetzten, die Vertrauen schaffen, aber auch ein nachhaltiges System der Förderung, welches das persönliche Engagement im Einsatz mehr als bisher würdigt und nachhaltig belohnt.

Was mich stolz macht
Mich macht es ausgesprochen stolz, Teil eines Sanitätsdienstes zu sein, der leistungsstark ist, absolut zuverlässig seine Patienten versorgt und dabei weltweit einen herausragenden Ruf genießt. Genauso stolz macht es mich, zu sehen, wie jeder Soldat im Sanitätsdienst, egal ob aus dem Bundeswehrkrankenhäusern, den Regionalen Sanitätseinrichtungen oder der Sanitätstruppe seinen Beitrag zu diesem Gesamtergebnis leistet.

Datum: 01.10.2010

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2010/3

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