CMC-CONFERENCE 2014 - EIN VOLLER ERFOLG
Unter dem Motto „train as you fight“ trafen sich zur ersten Combat Medical Care (CMC) Conference am 4./5. Juni 2014 mehr als 1000 Soldaten, Polizisten, Rettungskräfte und Notärzte im Neu-Ulmer Edwin-Scharff-Haus.
Über ein Jahr lang hatte die Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin des Bundeswehrkrankenhaus Ulm, das Ausbildungszentrum Spezielle Operationen in Pfullendorf, die TREMA e. V. (Tactical Rescue and Emergency Medical Association e. V. ) und der Förderverein traumateam e. V. mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. auf diese Tagung hingearbeitet.
General a.D. Wegener (Gründer der GSG 9) bei den interaktiven Workshops der TREMA e.V.Einsatzkräfte aus 28 Nationen konnten sich an zwei Tagen in Fachvorträgen, Workshops, Seminaren und auf einer umfangreichen Industrieausstellung über die neuesten Techniken in der notfallmedizinischen Versorgung unter taktischen Einsatzbedingungen informieren.
Schirmherr der Veranstaltung war der Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Generaloberstabsarzt Dr. Ingo Patschke. Der Eröffnungsvortrag wurde durch den Terrorismusexperten General a. D. Ulrich Wegener, dem Gründer der GSG 9, gehalten, der ebenso wie der Inspekteur auch Workshops und Vorträge besuchte. Ein besonderer Ehrengast war Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall, der sich speziell für die notfallmedizinische Versorgung im Rahmen von Polizeieinsätzen interessierte. Dazu konnte er gemeinsam mit anderen Teilnehmern am Mittwoch vor dem Kongresszentrum verfolgen, wie im Rahmen einer von TREMA e. V. organisierten Lehrvorführung ein Anschlag auf eine Schutzperson verübt wurde und diese von speziell geschulten Personenschützern („Medics“) solange versorgt wurde, bis die Lage geklärt war und die notwendige Sicherheit bestand, um den Regelrettungsdienst zur Einsatzstelle vorrücken zu lassen.
Zur Eröffnung der CMC-Conference konnte ein im Einsatz verwundeter Soldat die Erfahrungen mit der Rettungskette aus Sicht eines Patienten darstellen. Dabei berichtete er eindrücklich über seine persönliche Wahrnehmung der beteiligten Kameraden, Combat-First-Responder, Sanitäter und Ärzte. Die Zuhörer konnten aus erster Hand erfahren, wie die notfallmedizinische Versorgung wahrgenommen wurde und wie wichtig eine gute algorithmus-basierte Ausbildung ist, um in solchen Ausnahmesituationen die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Ziel der Konferenz war es, allen an der Verwundetenversorgung beteiligten Soldaten zielgruppenorientiert eine Plattform zu bieten. Dazu wurden am 1. Tag, nach einer gemeinsamen ersten Sitzung über Blutstillung die Teilnehmer der Konferenz auf das wissenschaftliche Programm sowie auf 32 Workshops und Seminare aufgeteilt. Auch am 2. Tag wurden separate, parallel stattfindende, Veranstaltungen angeboten: das wissenschaftliche Programm im Hauptsaal, ein Seminar für medizinisches Assistenzpersonal, ein TEMS (Tactical Emergency Medical Support)-Workshop für die Einsatzkräfte der Polizei, der CFR-Arbeitskreis für die Combat First Responder der Spezial- und spezialisierten Kräfte, sowie schließlich eine Schulung zum Kompetenzerhalt für die Einsatzersthelfer Bravo.
Seminar für medizinisches Assistenzpersonal
Die Vortragsreihe des Seminars für medizinisches Assistenzpersonal richtete sich in insgesamt neun Vorträgen direkt an Rettungsassistenten und Einsatzsanitäter. Dabei galt es vor allem der Schnittstelle zwischen dem Sanitätspersonal und dem speziell ausgebildeten infanteristischen Nichtsanitätspersonal in der qualifizierten Verwundetenversorgung gerecht zu werden. In diesem Rahmen konnte auch eine Kompetenzerweiterung der in diesem Bereich als Ausbilder eingesetzten Kameraden erreicht werden.
Dieser Block wurde eingeleitet durch ein Update des Algorithmus zur Verwundetenversorgung gemäß dem Tactical Combat Casualty Care (TCCC) und den empfehlungen der TREMA e. V. durch OSA Josse aus Ulm. Eine anschließende Podiumsdiskussion zwischen Vertretern der Abteilung „Ausbildung, Übung, Rettung“ (AÜR) der regionalen Sanitätseinrichtung, des Heeressanitätsdienstes innerhalb des KSK, der klinischen Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin, der Fachschulen Rettungsdienst der Sanitätsakademie der Bundeswehr machte vor allem deutlich, wie groß die Unsicherheit an der Basis ist. Hauptkritikpunkte waren hierbei die große zeitliche Diskrepanz zwischen der schnelllebigen Weiterentwicklung der taktischen Medizin und der verzögerten Umsetzung in den Strukturen der Bundeswehr. Weitere Vorträge waren den neurologischen Schäden durch Explosionstraumata und den psychologischen Traumata, der PTBS (Posttraumatischen Belastungsstörung), gewidmet. Dabei wurde deutlich, dass Verletzungen durch die direkte Explosionswirkung leichter zu erkennen sind als ein PTBS; bei dieser Diagnose handelt es sich vielfach um Schädigungen, welche nicht sofort augenscheinlich sind. Umso mehr spielt ein frühzeitiges Erkennen solcher Psychotraumata durch Kameraden, Vorgesetzte und Sanität eine wichtige Rolle für die weitere Betreuung solcher Kameraden. In der Diskussion der Vorträge über das neue Notfallsanitätergesetz wurde ein Informationsdefizit der Rettungsassistenten der Bundeswehr, sowohl bezogen auf ihre Laufbahn innerhalb der Bundeswehr, als auch auf ihre beruflichen Perspektiven nach dem Ausscheiden als Zeitsoldaten deutlich.
TEMS-Workshop
Im von der TREMA e. V. veranstalteten TEMS-Workshop wurde erstmalig die taktische Verwundetenversorgung spezifisch für die Polizei mit über 100 Teilnehmern dargestellt. Mit einer Vielzahl von Fachvorträgen und Erfahrungsberichten konnten die Besonderheiten und Möglichkeiten von TEMS veranschaulicht werden. Die Fachvorträge beschäftigten sich u.a. mit dem Problem der Analgesie durch nichtärztliches Personal und den medizinischen Folgen von Taser-Einsätzen. Unter den vielen Fallberichten fesselte vor allem eine Präsentation über „Tactical Medicine in California“ die Zuhörer. Mit großen Erfolg konnten im Rahmen dieser Veranstaltung erstmals Polizisten von nationalen und internationalen Spezialeinheiten ihre Erfahrungen in der taktischen Patientenversorgung austauschen. Nach der überaus positiven Ressonanz aller Beteiligten ist auch für die nächste CMC-Conference wieder ein TEMS-Workshop geplant.
TCCC-Vorführung während der Eröffnungszeremonie.Einsatzersthelfer Bravo Fortbildung (EH-B)
Im Rahmen der CMC-Conference konnte ein Programm auf die Beine gestellt werden, welches neben der Kongressteilnahme den Kompetenzerhalt für die teilnehmenden Ersthelfer-Bravo ermöglichte. Die Organisation und Planung dieser Veranstaltung war nur in enger Zusammenarbeit mit der Fachschule Rettungsdienst Ulm und der Sanitätsakademie der Bundeswehr möglich, die auch den überwiegenden Teil des nichtärztlichen Ausbildungspersonals stellten.
Während die EH-B am ersten Kongresstag die Möglichkeit hatten nach eigenem Ermessen am wissenschaftlichen Programm und den zahlreichen Workshops teilzunehmen, kamen am zweiten Tag alle EH-B zusammen, um im Rahmen eines kompakten Programms alle weiteren Inhalte des Kompetenzerhalts zu vervollständigen. Dabei wurde besonders viel Wert auf praktische Anteile gelegt und die Ausbildung als Stationstraining in Kleingruppen durchgeführt.
Auch wenn die für einen Kompetenzerhalt nötigen Inhalte nur mit größtem Aufwand in ein derartiges Konzept gepresst werden konnten, bot die Teilnahme an einem Kongress, der alle Ebenen der Sanitätsdienstlichen Versorgung umfasste, gerade den EH-B die Möglichkeit die Notwendigkeit und Konsequenzen ihres Auftrags zu erkennen.
Das wissenschaftliche Programm zeichnete einen Bogen über die verschiedenen Rollen der sanitätsdienstlichen Versorgung. 44 Referenten berichteten Erfahrungen und neue Entwicklungen von der Erstversorgung unter taktischen Bedingungen über Forward MedEvac, erster Versorgung im Einsatzlazarett („Damage Control Surgery“) und Repatriierung bis zur definitiven Versorgung und Rehabilitation im Heimatland. Ausgewählte Zusammenfassungen der Vorträge (abstracts) sind auf den folgenden Seiten dargestellt. Aus Sicht der Veranstalter war die erste CMC-Conference ein großer Erfolg. Mehr als 1 000 Teilnehmer aus 28 Nationen übertrafen bei weitem die Erwartungen aus der Planungsphase. Die durchweg gut besuchte Industrieausstellung mit über 50 Firmen bestätigte das beiderseitig große Interesse bei Ausstellern und Besuchern. Das Neu-Ulmer Edwin-Scharff war als Tagungsort gut gewählt; bot es doch neben einem vielfältigen Raumangebot auch den Freiraum, um in den Pausen das Gehörte am Ufer der Donau lebhaft zu diskutieren.
Das Kongress-Motto „train as you fight“ bestätigte die Notwendigkeit einer gemeinsamen Ausbildung, um im gemeinsamen Einsatz von Sanität und Kombatanten unter taktischem korrektem Verhalten eine bestmögliche Patientenversorgung zu gewährleisten.
Nicht erst auf der gelungenen Abendveranstaltung waren sich ausnahmslos alle Teilnehmer einig, dass eine solche Tagung seit langem gefehlt hat. Dieses positive Feedback ist Ansporn für die Organisatoren 2016 erneut zur CMC-Conference nach Ulm einzuladen – der Termin steht bereits fest: Am 29./30. Juni 2016 sind alle interessierten Einsatzersthelfer, Combat-First-Responder, Rettungsassistenten und Ärzte von Militär und Polizei aus aller Welt erneut eingeladen unter dem Motto „there, and back again“ zu diskutieren, wie eine gesunde Rückkehr aus Einsätzen für alle Kräfte ermöglicht werden kann.
Datum: 11.02.2015
Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2014/4