Bewährt, effektiv und effizient

Interview mit dem Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr,
Generaloberstabsarzt Dr. Michael Tempel

Seit Juli 2015 ist Generaloberstabsarzt Dr. ­Michael Tempel Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr. Er führt als Inspekteur den Sanitätsdienst der Bundeswehr und steht gleichzeitig an der Spitze des Kommandos ­Sanitätsdienst der Bundeswehr.

Im Interview mit Gertraud Assél, Verlagsleitung der Beta Verlag und Marketinggesellschaft mbH, und Oberstarzt Dr. Kai Schmidt, Chefredakteur der WEHRMEDIZIN UND WEHRPHARMAZIE (WM), äußert sich Generaloberstabsarzt Dr. Tempel zur aktuellen Situation und zur Zukunft des Sanitätsdienstes der Bundeswehr. 

WM: Sehr geehrter Herr Generaloberstabsarzt Dr. Tempel, seit 14. Juli 2015 sind Sie Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr und führen unmittelbar das Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr und den Zentralen Sanitätsdienst. Die Aufstellung des Kommandos im Jahre 2012 bündelte ja Aufgaben des ehemaligen Führungsstabes des Sanitätsdienstes im Bundesministerium der Verteidigung, des Sanitätsführungskommandos sowie des Sanitätsamtes der Bundeswehr. Gleichzeitig wurden Aufgabenpakete in das neue Verteidigungsministerium und auch in nachgeordnete Behörden, die neuen Fähigkeitskommandos für Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung, Regionale Sanitätsdienstliche Unterstützung sowie in die Sanitätsakademie überführt. Wie sehen Sie – gut drei Jahre nach der Indienststellung und ein halbes Jahr nach Ihrer Einführung als Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr – die Aufgabenwahrnehmung Ihres Kommandos am Deutschen Eck?

Generaloberstabsarzt Dr. Tempel: Im Zuge der Einnahme der neuen Struktur im Jahr 2012 war es erforderlich, den Personalkörper zu verschlanken und Aufgaben neu zuzuordnen. Heute, gut drei Jahre später und nach einer ersten „internen Revision“ mit einigen kleineren Anpassungen, steht diese neue Struktur nun auf festen Beinen. Die Schnittstellen zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung, dem Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr (Kdo SanDstBw) und den Fähigkeitskommandos sowie der Sanitätsakademie wurden sauber definiert. Durch die Neuregelungen der Zuständigkeiten wurden Aufgaben und Verantwortung teilweise neu zugeordnet. Nachdem mittlerweile auch fast alle wesentlichen Dienstposten besetzt sind, kann ich durchaus behaupten, dass sich das Modell bewährt hat und wir in der Lage sind, die an uns gestellten Aufgaben effektiv und effizient zu erfüllen.

WM: Im Rahmen der neuen Struktur ist u. a. ­
das Bundesministerium der Verteidigung verschlankt worden, und es wurden neue Organisationsbereiche geschaffen. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den anderen Playern in der neuen Struktur, beispielsweise mit den neuen ministeriellen Abteilungen, dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr oder auch dem Bundesamt für das Personalmanagement in der Bundeswehr?

Generaloberstabsarzt Dr. Tempel: Die Neuordnung des Bundesministeriums der Verteidigung, die damit einhergehende Ausgliederung der Inspekteure aus den ministeriellen Führungsstäben und die Aufstellung der Kommandos der militärischen Organisationsbereiche gehörten wohl zu den bedeutendsten Veränderungen im Zuge der Einnahme der neuen Struktur. Nach anfänglichen Friktionen aufgrund der Gleichzeitigkeit dieser umfangreichen Veränderungen hat sich das neue System nun etabliert.

Mit der Neuaufstellung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBw) liegt zum ersten Mal die fachliche und die organisatorische Verantwortung für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Personalmanagement „in einer Hand“ – unabhängig davon, ob es sich um Soldaten, Beamte, Tarif­beschäftigte oder Auszubildende handelt. Im ­BAPersBw erfolgen Personalgewinnung, Personalentwicklung und Personalbetreuung. Aus meiner Sicht ist dies ein richtiger und wichtiger Schritt, um sowohl den aktuellen als auch den zukünftigen hohen Herausforderungen in diesem Bereich gerecht zu werden.

Gemeinsam wollen wir den hohen Regenera­tionsbedarf in den Laufbahnen der Fachunteroffiziere und Feldwebel des Sanitätsdienstes trotz der Konkurrenzsituation mit dem zivilen Gesundheitsmarkt bewältigen. Gemeinsame Aktionen von Vertretern meines Kommandos mit Personalführern des BAPersBw, wie z. B. die Durchführung von Laufbahnberatungen für Rekrutinnen und Rekruten in den Grundausbildungseinheiten, seien als ein Beispiel der konstruktiven Zusammenarbeit genannt.

Einhergehend mit der Einnahme der neuen Struktur der Bundeswehr im Jahr 2012 wurde auch der Rüstungs- und Nutzungsprozess neu strukturiert. Hierzu waren in den Rüstungs- und Nutzungsämtern, in unserem Fall im Sanitätsamt der Bundeswehr, entsprechende Dienstposten zu identifizieren und an das neu geschaffene Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) zu übertragen. Da es gelungen ist, neben den Dienstposten auch eine wesentliche Anzahl von Wissensträgern zu transferieren, ließ sich der für uns so bedeutende Rüstungs- und Nutzungsprozess von Sanitätsmaterial, und hier insbesondere der des krankenhaus- und institutsspezifischen Sanitätsmaterials, nahezu bruchfrei weiterführen.

WM: Herr Generalarzt, Sie gehen sehr individuell auf jeden einzelnen Mitarbeiter in Ihrem Verantwortungsbereich zu. Was kristallisiert sich für Sie heraus, was bewegt die Angehörigen im Sanitätsdienst? Von welchen Sorgen und Nöten wird Ihnen berichtet?

Generaloberstabsarzt Dr. Tempel: In vielen Gesprächen mit Angehörigen meines Verantwortungsbereiches habe ich oft herausfordernde Belastungssituationen geschildert bekommen, die im Zusammenhang mit der Neustruktur unserer Streitkräfte stehen.

Die Einnahme der Zielstruktur 2020 ist ein fortlaufender Prozess. Wir haben in den zurückliegenden Jahren die Bereiche der regionalen Sanitätseinrichtungen und der Sanitätsregimenter zukunftsfähig ausgeplant und begonnen, diese umzubauen. Mit der Einnahme der neuen Struktur im Bereich der regionalen Sanitätseinrichtungen und der Sanitätsregimenter herrschten zu Jahresbeginn 2015 noch ungünstige Rahmenbedingungen für verlässliche individuelle Verwendungsplanungen. Dies sorgte verständlicherweise für Unsicherheit bei den Soldatinnen und Soldaten bezüglich der eigenen Zukunft, sowohl im dienstlichen wie auch im familiären Bereich. Absehbar stehen die Bundeswehrkrankenhäuser, die Sanitätsakademie der Bundeswehr und die Institutslandschaft im Fokus der Umgliederung. Diese gilt es zügig abzuschließen, um dafür zu sorgen, dass unserem Personal auch in diesen Bereichen eine sichere und verlässliche Lebensplanung ermöglicht wird.

Die Neuausrichtung des Sanitätsdienstes hat in Teilbereichen derzeit noch nicht kompensierte Personalvakanzen hervorgerufen. Ich habe dies zum Anlass genommen, um in meiner Jahresweisung für das Jahr 2016 explizit auf den Stellenwert von Personalgewinnung hinzuweisen. Die Personalbindung und die interne Personalgewinnung ist auch weiterhin eine vorrangige Aufgabe für Vorgesetzte aller Ebenen. Der Bindung und Förderung unseres außergewöhnlich gut qualifizierten Fachpersonals kommt dabei eine Schlüsselrolle zu.

Darüber hinaus wird mir in Gesprächen mit Soldatinnen und Soldaten Kritik am Begutachtungswesen zugetragen. Wir haben deshalb die Überarbeitung des Begutachtungswesens und die Anpassung der dementsprechenden Vorschriften in Angriff genommen. Dies wird aus meiner Sicht dazu führen, dass Anträge auf Weiterverpflichtung mit Blick auf gesundheitliche Einschränkungen sich rein an den konkreten Funktionseinschränkungen orientieren und dies der Maßstab der Entscheidung sein wird.

Sorgen und Nöte meiner Soldatinnen und Soldaten sind eine wichtige Stellgröße für den Pulsschlag an der Basis, den ich sehr ernst nehme.

WM: Der Großraum Koblenz entwickelte sich durch die Strukturentscheidungen zu dem Sanitätsstandort in Deutschland. Insgesamt ist im Sanitätsdienst eine Konzentration auf weniger Standorte zu beobachten. Kann dies Motivation und Berufszufriedenheit der Angehörigen des Sanitätsdienstes der Bundeswehr positiv beeinflussen?

Generaloberstabsarzt Dr. Tempel: Mit dem Kom­­mando Sanitätsdienst der Bundeswehr, dem Bundeswehrzentralkrankenhaus, einem Großteil des Sanitätsregiments 2 und dem Zentralen Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr haben wir wichtige und personalstarke Dienststellen in Koblenz. Das blaue Barett gehört mittlerweile zum gewohnten Straßenbild. Durch die Neuausrichtung der Bundeswehr sind einige Standorte geschlossen worden, andere wurden stark verringert. Dennoch ist die Bundeswehr in der Fläche präsent. Für eine Karriere im Sanitätsdienst ist dies durchaus ein Vorteil, weil Umzüge weniger häufig stattfinden, als früher. Dies fördert sicherlich die Berufszufriedenheit und ermöglicht Verbesserungen bei der Vereinbarkeit von Familie und Dienst.

WM: Was bedeutet diese Standortkonzentration für den truppenärztlichen Versorgungsauftrag und für die übrigen Aufgaben, die regional und in der Fläche wahrgenommen werden?

Generaloberstabsarzt Dr. Tempel: Die 13 neuen Sanitätsunterstützungszentren koordinieren neben der truppen- und fachärztlichen Versorgung auch die sanitätsdienstliche Ausbildungs- und Einsatzunterstützung für die Truppe. Sie führen 128 Sanitätsversorgungszentren im Inland und übernehmen auch deren administrative Aufgaben. Ärzte und medizinisches Personal können sich so intensiver um die Patienten kümmern. Militärärztliche Begutachtungen und vorbeugender Gesundheitsschutz ergänzen die Kompetenzen in der regionalen Sanitätsversorgung.

Jedem Sanitätsunterstützungszentrum ist zudem eine Sanitätsstaffel Einsatz zugeordnet. Hauptaufgabe der 13 Sanitätsstaffeln Einsatz ist die allgemein- und notfallmedizinische Erstversorgung im Einsatz und die sanitätsdienstliche Ausbildungs- und Übungsunterstützung in der Region. Damit wird bereits im Inland mit der zu unterstützenden Truppe geübt, um die gegenseitigen Einsatzgrundsätze und taktischen Verfahrensweisen zu vertiefen.

Bei der Planung der Standorte wurde darauf geachtet, dass der Weg zu einem Arzt der Bundeswehr maximal 30 Kilometer beträgt bzw. innerhalb einer halben Stunde eine Sanitätseinrichtung erreichbar ist. Bei einem sehr geringen Prozentsatz der Angehörigen der Bundeswehr werden diese Richtwerte nicht erreicht. Hier kann eine akutmedizinische Versorgung in einer zivilen Arztpraxis erfolgen.

Die ersten Erfahrungen mit der neuen Struktur sind durchweg positiv. Die Neuausrichtung ist erfreulich geräuschlos verlaufen. Unsere Truppenärzte haben jetzt tatsächlich mehr Zeit für die Patientinnen und Patienten.

WM: Herr Generalarzt, welche Ziele verfolgen Sie als Inspekteur des Sanitätsdienstes in 2016 und welche darüber hinaus?

Generaloberstabsarzt Dr. Tempel: Das neue Leitbild soll Richtschnur für alle Angehörigen des Sanitätsdienstes sein. Ein Kernsatz lautet: „Wir sind ein militärischer Dienst, der in besonderem Maße der Menschlichkeit verpflichtet ist“. Diese Haltung wird bei der umfangreichen Unterstützung der Flüchtlingshilfe durch den Sanitätsdienst gerade aktuell gelebt.

Ich möchte das „Wir-Gefühl“ im Sinne einer Corporate Identity stärken und meine Menschen mitnehmen. Das neue Leitbild des Sanitätsdienstes wird dazu beitragen, das gemeinsame Verständnis zu fördern und zu implementieren.

Ich bin dafür verantwortlich, dass der Sanitätsdienst der Bundeswehr der Politik stets die benötigten einsatzbereiten Kräfte und Mittel zur Verfügung stellen kann. Mit den vorhandenen Ressourcen haben wir einen umfassenden Sanitätsdienst, der alle Subspezialitäten der Wehrmedizin vorhält. Die Angehörigen des Sanitätsdienstes leisten einen besonderen Beitrag zur Einsatzbereitschaft der Streitkräfte. Kein Einsatz ist ohne medizinische Versorgung der Soldatinnen und Soldaten denkbar. Diese Besonderheit macht den Sanitätsdienst attraktiv. Ohne uns geht es nicht.

Wir entwickeln derzeit die Einsatzbereitschaft im Inland für unterschiedlichste Einsatzoptionen mit zum Teil sehr fordernden Reaktionszeiten. Dies bindet viel Personal. Derzeit liegt ein Schwerpunkt in der Versorgung der Flüchtlinge. Das ist ein Beispiel für einen schnell umzusetzenden Auftrag, ähnlich wie wir ihn bei der Ebola-Hilfe hatten. Wir müssen also in der Lage sein, innerhalb kürzester Zeit Experten zusammenzuziehen, um Einsatzunterstützung zu planen und bewältigen zu können. Ich nenne dies Kampagnenfähigkeit. Es ist die Fähigkeit, auf unterschiedliche Situationen mit einsatzbereiten Kräften zu reagieren.

Auch muss der Sanitätsdienst ein Höchstmaß an Integrationsfähigkeit zu jeglichen Kooperationspartnern erlangen. Vernetzt und multinational denkende Soldatinnen und Soldaten sind die Grundlage für diese geforderte Integrationsfähigkeit. Nur so kann der Sanitätsdienst flexibel und schnell einen Schulterschluss mit zivilen oder mit internationalen Partnern herstellen und jegliche Herausforderung annehmen.

WM: Die Bundesministerin der Verteidigung betreibt eine Offensive für ein attraktives Dienen in der Bundeswehr. Wie bewerten Sie die Nachwuchssituation für den Sanitätsdienst der Bundeswehr? Wie wollen Sie den Wettbewerb um die besten Köpfe gegenüber anderen Arbeitgebern gewinnen?

Generaloberstabsarzt Dr. Tempel: Die Bundeswehr muss sich als attraktiver Arbeitgeber positionieren. Der Sanitätsdienst steht dabei in einem starken Wettbewerb mit dem zivilen Gesundheitsmarkt. Wir müssen noch deutlich aufzeigen, wo unsere Stärken liegen. Wir betreuen beispielsweise unsere angehenden Ärztinnen und Ärzte während des Studiums sehr intensiv. Dazu gehört in erster Linie nicht nur die Unterstützung im Studium, sondern auch eine persönliche und fachlich profunde Begleitung durch Betreuungsoffiziere vor Ort.

Neben vielen anderen Anreizen können wir mit Themen wie Vereinbarkeit von Familie und Beruf, einer guten Aus-, Fort- und Weiterbildung und einer verlässlichen und langfristigen Personalentwicklung punkten. Die demographische Entwicklung und die Veränderung der Work-­Life-Balance sind Herausforderungen, denen wir uns stellen. Ein starker Sanitätsdienst lebt durch seine aktiven, zivilen und militärischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ebenso durch seine Reservistinnen und Reservisten.

Insgesamt kann sich der Sanitätsdienst unter den aktuellen Rahmenbedingungen weitestgehend erfolgreich positionieren. Mit der Einnahme der neuen Struktur besteht jedoch weiterhin Aufwuchsbedarf, der derzeit – aufgrund des starken Wettbewerbs mit dem zivilen Gesundheitsmarkt um qualifiziertes Personal – nicht vollständig gedeckt werden kann.

WM: Die Personalbindung im Rahmen der Stabilisierungseinsätze der Bundeswehr hat abgenommen, gleichzeitig sind vermehrt Aufgaben wie einsatzgleiche Verpflichtungen oder auch die Flüchtlingshilfe hinzugetreten und stehen im Blickpunkt. Welchen Einfluss hat diese Entwicklung auf die sanitätsdienstliche Auftragserfüllung weltweit sowie im Inland?

Generaloberstabsarzt Dr. Tempel: Die Einsatzbindung des Sanitätsdienstes ist nach wie vor hoch. Zwar stellen wir nicht mehr so viel Personal in Stabilisierungsoperationen, aber: für das Einsatzgebiet Mali, die Resolut Support Mission in Afghanistan, den KFOR-Einsatz auf dem Balkan und für die anderen kleineren Kontingente muss die Rettungskette auf hohem Niveau gewährleistet werden.

Dazu kommen nun verstärkt die einsatzgleichen Verpflichtungen, die im Umfang über das hinausgehen, was wir von bisherigen NATO Reaction Forces (NRF) oder den European Battlegroups (EU BG) kennen. Dies führt nicht immer zu einem unmittelbaren Einsatz, gleichwohl bindet es Personal durch zusätzliche Ausbildung, Übungen und einen Teil der Soldatinnen und Soldaten durch erheblich verkürzte Reaktionszeiten während der Stand-by-Phase.

Darüber hinaus führen die streitkräftegemeinsamen Überlegungen zum NATO Readiness Action Plan und zu Landes- als Bündnisverteidigung dazu, dass wir zukünftig größere Einsatzkontingente vorhalten müssen, um die sanitätsdienstliche Unterstützung möglicher Einsätze zu gewährleisten. Hier gilt es, sehr sorgfältig darauf zu achten, dass diese Herausforderungen ausgewogen verteilt und gemeinsam getragen werden.

Die Flüchtlingshilfe als gesamtstaatliche Aufgabe hat uns seit Mitte 2015 ebenso gefordert. Sanitätsdienstliche Hilfeleistungen sind ein Schwerpunkt der Unterstützungsforderungen der Bundesländer, Landkreise und Städte. Der Sanitätsdienst ist hierbei vor allem mit Kräften der medizinischen Grundversorgung, Röntgenkapazitäten und Sanitätsmaterialunterstützung beteiligt. Die sanitätsdienstlichen Hilfeleistungen erfolgen auf Anforderung deutschlandweit, dort wo die Gemeinden mit eigenen Mitteln die medizinische Versorgung nicht umfänglich sicherstellen können.

Letztendlich stehen wir immer vor der Herausforderung, die tägliche Patientenversorgung in Deutschland zu gewährleisten und mit dem gleichen Personalkörper in die Einsätze zu gehen. Um hier auch langfristig bestehen zu können, gilt es, immer wieder zu prüfen, von welchen Aufgaben ich meine Soldatinnen und Soldaten entlasten kann, welche Aufgaben unverzichtbar sind, und welchen Beitrag jeder Einzelne leisten kann, damit wir gemeinsam einsatzbereite und einsatzverfügbare Verbände in ausreichendem Maß stellen können.

WM: Welche Bedeutung hat die multinationale Zusammenarbeit für den Sanitätsdienst heute, und wie sehen Sie die Zukunft? Wo liegen hier Ihre Schwerpunkte? Wo sehen Sie in diesem Zusammenhang Vor- oder auch Nachteile?

Generaloberstabsarzt Dr. Tempel: Internationale Zusammenarbeit ist für moderne Streitkräfte in der heutigen Zeit eine absolute Voraussetzung zur effektiven Auftragserfüllung und daher von höchster Bedeutung.

Allerdings sind bei der Internationalen Zusammenarbeit der höhere Koordinationsaufwand und in einigen Fällen die Sprachbarrieren zwischen den Partnernationen eine Herausforderung. Es bedarf in der Tat kontinuierlicher Kommunikation und gemeinsamer Ausbildungs- und Übungsvorhaben mit den internationalen Partnern. Dieser Aufgabe stellen wir uns, unter anderem auch durch die sanitätsdienstliche Volltruppenübung VIGOROUS WARRIOR, die in 2017 erneut in Deutschland stattfinden wird.

Internationale Zusammenarbeit ist also auch im Bereich der Sanitätsdienste ein wichtiges militär- und sicherheitspolitisches Instrument. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass Innovationsprozesse und gemeinsam geführte Einsätze nur „combined“ wirklich erfolgreich sind. Es freut mich besonders, dass der Sanitätsdienst der Bundeswehr eine hoch anerkannte, starke Stellung im internationalen Gefüge einnimmt.

Selbstverständlich kann die Internationale Zusammenarbeit auch als intelligente Lösung zur Effizienzerhöhung genutzt werden. Die gemeinsame Nutzung von Material und die gemeinsame medizinische Betreuung durch multinationale Teams in Einsätzen sind ein ressourcensparender Ansatz.

Unsere Partner mit besonders hoher Priorität sind dabei die USA, Frankreich, die Niederlande, Israel, Österreich, die Schweiz und auch China.

Ein wichtiges Element ist die von deutscher Seite intensiv genutzte Initiative des Framework Nations Concepts (FNC); sie gewinnt vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Lage immer mehr an Bedeutung. Der Sanitätsdienst der Bundeswehr zeichnet für das Cluster Medical Support verantwortlich und ist somit die offizielle Rahmennation, respektive Framework Nation, für die sanitätsdienstliche Unterstützung. FNC greift dabei bestehende Projekte auf, verknüpft diese und führt sie fort.

WM: Seit dem letzten Sommer gibt es ein neues Leitbild für den Sanitätsdienst der Bundeswehr; Sie sprachen es bereits an. Wie betrachten Sie das berufliche Selbstverständnis von Angehörigen des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, und wie nehmen die Ihnen unterstellten Soldatinnen und Soldaten dieses Thema an?

Generaloberstabsarzt Dr. Tempel: Das neue Leitbild des Sanitätsdienstes ist über einen längeren Zeitraum entstanden. Für unser Sanitätspersonal ist mit dem neuen Leitbild eine trag­fähige Grundlage und Handlungslinie entstanden, die Handlungssicherheit für die sanitätsdienstliche Aufgabenerfüllung in den unterschiedlichen Einsatzszenarien bietet. Zudem war das alte Leitbild sehr auf den Arzt zugeschnitten. Gerade vor dem Hintergrund der Einsätze war es überfällig, hier auch alle anderen Approbations- und Berufsgruppen des Sanitätsdienstes mit einzubeziehen.

„Der Menschlichkeit verpflichtet“ beschreibt die Sichtweise, wie wir unsere Aufgabe als Sanitätspersonal verstehen. Dies ist für jeden moralische Richtschnur. Ich möchte, dass es nicht nur ein Leitbild bleibt, sondern so ins Bewusstsein des Sanitätspersonals übergeht, dass es verinnerlicht und bewusst gelebt wird.

WM: Herr Generalarzt, wir bedanken uns recht herzlich für dieses Interview und die Einblicke, die Sie unseren Leserinnen und Lesern vermittelt haben.

Datum: 31.03.2016

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