DIE BUNDESWEHRKRANKENHAUSAPOTHEKE ULM

Die Apotheke des Bundeswehrkrankenhauses (BwKrhs) Ulm nahm ihren Betrieb im Jahre 1979 zeitgleich mit der Eröffnung des Haupthauses auf. Durch die Erweiterung des Aufgabenspektrums (z.B. die Großherstellung von Arzneimitteln), die Ausweitung des Versorgungsbereichs und Auflagen wie GMP (Good Manufacturing Practice) wurden im Laufe der Zeit die Anforderungen an die Apotheke erheblich erhöht. Der Raumbedarf der Apotheke stieg dadurch so stark an, dass die Planung und Erstellung eines Neubaus unabdingbar wurden.
Mitte 2004 konnte die Apotheke aus dem Keller des Haupthauses in einen auf dem Gelände des Bundeswehrkrankenhauses errichteten Neubau umziehen. Dieser entspricht in allen Belangen dem mannigfaltigen wehrpharmazeutischen Auftrag in optimaler Weise.

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Aufgaben

Der BwKrhs-Apotheke Ulm obliegen die gleichen Aufgaben wie jeder Krankenhausapotheke im zivilen Bereich, wie z.B. die Versorgung der einzelnen Stationen mit Arzneimitteln und Medizinprodukten, die Durchführung von Stationsbegehungen oder die Beratung von Ärzten und medizinischem Fachpersonal in fachlichen und pharmako-ökonomischen Fragen. Darüber hinaus erfüllt sie jedoch noch die nachfolgend genannten vielseitigen Aufgaben:

  • Versorgung der Bundeswehrapotheken Sigmaringen und Kaufbeuren-Neugablonz mit de-zentral zu beschaffendem Sanitätsverbrauchsmaterial, daraus resultiert ein Versorgungsauftrag für ca. 50.000 Soldaten in Baden-Württemberg und Teilen Bayerns
  • Zuständigkeit für die Versorgung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr mit Sanitätsver-brauchsmaterial
  • regelmäßige Abstellung von Personal für Auslandseinsätze
  • Herstellungsstätte für Arzneimittel und für Dermopharmazeutika im Rahmen der Großherstellung
  • von der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg anerkannte Weiterbildungsstätte für die Gebiete „Klinische Pharmazie“, „Pharmazeutische Technologie“ und „Pharmazeutische Analytik“
  • Ausbildungsstätte für Pharmazeutisch-Kaufmännische Angestellte
  • Durchführung der praktischen Ausbildung von Famulanten, Pharmaziepraktikanten und Pharmazeutisch-Technischen Assistenten


In der Apotheke sind insgesamt 33 Zivilangestellte und 10 Soldaten beschäftigt; hierbei ist das pharmazeutische Fachpersonal mit 6 Sanitätsoffizieren (SanOffz) Apothekern und 4 pharmazeutisch-technischen Assistenten berücksichtigt.

Nachschub

Der Versorgungsauftrag beinhaltet im Wesentlichen die Bereitstellung und Belieferung von Arznei- und Desinfektionsmitteln, Medizinprodukten (z.B. Verbandstoffe, chirurgisches Nahtmaterial) und Diagnostika (z.B. Verbrauchsmaterial für das Klinisch-Chemische Labor oder Radiopharmazeutika) für die Stationen und FU-Stellen des BwKrhs. In gleicher Weise werden die in der unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung tätigen regionalen Sanitätseinrichtungen weiter Bereiche des Sanitätskommandos (SanKdo) IV in Bogen versorgt. Hinzu kommt der Nachschub mit Sanitätsverbrauchsmaterial für die Aus-landseinsätze auf dem Balkan und in Afghanistan, der in enger Zusammenarbeit mit den ein-satzversorgenden Sanitätsmaterialkompanien in Sigmaringen und Kaufbeuren Neugablonz sichergestellt wird. Die rezeptur- und defekturmäßige Herstellung von Arzneimitteln, wie z.B. Ophthalmika, Dermopharmazeutika oder Zytostatikazubereitungen runden den Versorgungsauftrag ab. Zur Bearbeitung und Dokumentation der gesamten Versorgungsabläufe vom Einkauf über Wareneingang, Rezeptausgabe und Auslieferung des beschafften Sanitätsmaterials steht der Apotheke das zwar inzwischen in die Jahre gekommene, aber durchaus noch leistungsfähige EDV-gestützte Warenbewirtschaftungssystem PHAMOS zur Verfügung. Der Rollout von SASPF wird in absehbarer Zukunft erfolgen. Insgesamt werden auf einer Lagerfläche von 1700 m2, die sich über zwei Stockwerke erstreckt, über 3200 verschiedene Artikel zur sanitätsdienstlichen Versorgung mit einem Lagerwert von rund 2 Millionen Euro bevorratet. Das Warenlager wird pro Jahr etwa 10 bis 12 mal umgeschlagen. Pro Jahr wird durch die Nachschubgruppe (NschGrp) der Apotheke des BwKrhs Ulm Sanitätsmaterial in der Größenordnung von ca. 450 t auf der Straße und per Post versandt. (Abb.2) Weiterer fachlicher Schwerpunkt in der NschGrp ist die pharmazeutische Kontrolle der Arz-neimittelbestände auf den Stationen, die durch regelmäßige Stationsbegehungen sichergestellt wird. Alle Apotheker sind zudem intensiv mit der Information und Beratung von Ärzten, Pflegepersonal und Sanitätseinrichtungen im zugeordneten Versorgungsbereich befasst. Hierbei kommt neben der pharmakologischen Beratung insbesondere auch der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimitteltherapie eine große Bedeutung zu.

Galenik

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„Galenik“ steht in einer Bundeswehrkrankenhausapotheke als Synonym für Arzneimittelherstellung. Sie ist neben den Tätigkeiten der Versorgung eine der wesentlichen Säulen im Aufgabenspektrum einer großen Krankenhausapotheke. Die Produktion erfolgt auf drei Ebenen, die sich in ihren Bestimmungen und Umfang deutlich voneinander unterscheiden: So werden in kleinem Maßstab patientenbezogene Einzelanfertigungen nach individueller Verordnung des therapierenden Arztes hergestellt (Fertigungsstufe 1). Meistens handelt es sich hierbei um Zubereitungen für den sofortigen Verbrauch, wie z.B. Lösungen, Salben, Kapseln, sterile Augentropfen und Testlösungen. Die Anfertigung dieser Zubereitungen ist eine pharmazeutische Tätigkeit, in der sich alte Apothekerkunst mit neuesten wissenschaftlichen Verfahren vereint. Bestimmte Arzneimittel und Dermopharmazeutika werden für den speziellen Bedarf der Klinik auf Vorrat hergestellt (Fertigungsstufe 2). Antiseptische Spüllösungen, dermatologische Produkte zur unterstützenden Behandlung von Dermatosen, externe Einreibemittel und Tropfen zum Einnehmen seien nur als die hauptsächlichen Vertreter auf dieser Ebene genannt. Sind die beiden vorgenannten Fertigungsstufen charakteristisch für die Herstellung von Arzneimmitteln in einer Krankenhausapotheke, so geht die Fertigungsstufe 3 weit darüber hinaus. Hier findet man die großtechnische Produktion von Fertigarzneimitteln und Dermopharmazeutika, die als Versorgungsartikel zentral gelistet, bevorratet und in der gesamten Bundeswehr in Verkehr gebracht werden. Im Herstellungsspektrum finden sich alle wesentlichen Arzneiformen, wie Tabletten, Salben und Gele, Lösungen zum Einnehmen und Einreiben sowie die sterilen Zubereitungen (z.B. Infusions- und Injektionslösungen). Für die Herstellung von Arzneimitteln gelten in der Bundeswehr dabei die gleichen strengen Vorgaben wie für den zivilen Bereich. Daher ist für diesen Bereich der Apotheke bereits für ein Erzeugnis eine Herstellungserlaubnis nach § 13 Arzneimittelgesetz erteilt worden, die Beantragung der Ausweitung dieser Herstellungserlaubnis ist beabsichtigt. Ausgangspunkt für jede Herstellung ist die Einwaage der benötigten Grundsubstanzen entsprechend der Herstellungsvorschrift. Hierfür steht eine Wägezentrale zur Verfügung, in der computergesteuert und -dokumentiert alle Wägevorgänge nach fest vorgegebenen Vorschriften ablaufen. Ein ausgeklügeltes Be- und Entlüftungssystem sorgt dafür, dass einerseits keine Verunreinigungen von außen an die Arzneistoffe gelangen und andererseits die einwiegende Person vor den Arzneistäuben geschützt wird. (Abb. 3)

  • Tabletten werden aus den homogen gemischten, pulverförmigen Grundsubstanzen auf einer Rundläufer-Tablettenpresse mit einer Stundenleistung von 70.000 Stück gepresst und danach in moderne Durchdrückpackungen eingeblistert und in Faltschachteln verpackt. (Abb. 4)
  • Salben und Cremes werden für therapeutische Zwecke der Dermatolgie des BwKrhs Ulm, als pflegende Dermopharmazeutika für die truppenärztliche Versorgung sowie in überwiegender Anzahl als Lichtschutzmittel, die insbesondere im Auslandseinsatz immer wichtiger werden, produziert. Während die Therapeutika wie gewohnt in Aluminiumtuben in Verkehr gebracht werden, lassen sich künftig die Lichtschutzprodukte in handlichen und stabilen Kunststofftuben in Verkehr bringen. Diese Art der Konfektionierung verbessert die Sicherheit und Handhabung gerade unter Einsatzbedingungen erheblich. (Abb. 5)
  • Flüssige Arzneiformen werden für innerliche und äußerliche Anwendungen hergestellt und in Flaschen abgefüllt. Hierzu gehören z.B. Dosiersprays für die Behandlung von Schnupfen oder bei Bedarf innerlich anzuwendende Präparate mit antiviralen Wirkstoffen zur Behandlung der Influenza.
  • Kernstück der Produktionsanlagen ist die Sterilabteilung zur Herstellung von Infusions- und Injektionslösungen. Dazu zählen überwiegend Präparate zur intensivmedizinischen Versorgung. (Abb. 6)

Die Auswahl der herzustellenden Präparate erfolgt nach Kriterien der wehrmedizinischen Relevanz. Es handelt sich hierbei zumeist um Produkte, die entweder auf dem freien Markt nicht verfügbar sind, wie z.B. spezielle Antidote gegen Kampfstoffe oder Präparate mit einsatzspezifischen Eigenschaften oder die bei einem dringenden größeren Bedarf nicht zeitgerecht aus anderen Quellen beschafft werden können. Der Umfang der Großherstellung orientiert sich am Bedarf, wobei die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit zu beachten sind.

Analytik

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Die Qualität von Ausgangsstoffen und der produzierten Ware wird durch eine engmaschige Probenziehung und -untersuchung mit modernsten Analyseverfahren geprüft und dokumentiert. Diese Untersuchungen beginnen bereits bei der Anlieferung der Ausgangsstoffe durch die In-dustrie durch Prüfung jedes gelieferten Gebindes auf Identität. Reinheitsuntersuchungen und Gehaltsbestimmungen werden in der erforderlichen Tiefe durchgeführt. Das Zwischenprodukt wird dann chemischen und pharmazeutisch-technologischen Untersu-chungen unterzogen. Parallel erfolgt die Prüfung auf mikrobiologische Unbedenklichkeit. Zur Vorbereitung der Freigabe wird abschließend die korrekte Konfektionierung der fertigen Pro-dukte geprüft. Neben dem für die klassische nasschemische Analyse benötigten Laborgerätesatz stehen eine Vielzahl von modernen Analysengeräten zur Verfügung, wie z.B.:
• zwei Hochleistungsflüssigchromatographiesysteme,
• ein Gaschromatograph,
• ein Infrarotspektrometer und
• ein UV-VIS-Spektralphotometer.

Mit dieser analytischen Ausstattung können alle für eine Herstellungsstätte relevanten Frages-tellungen bearbeitet werden.

Qualitätssicherung

Um dem hohen Qualitätsanspruch gerecht zu werden, der von Seiten des Gesetzgebers und von Seiten der Bundeswehr an die Arzneimittelherstellung und –prüfung gestellt wird, wurde in der Bundeswehrkrankenhausapotheke Ulm nach Maßgabe des Sanitätsamtes als pharmazeutischem Unternehmer der Bundeswehr ein Qualitätsmanagementsystem etabliert. Alle Dokumente im Qualitätssicherungssystem unterliegen der ständigen Überprüfung auf Richtigkeit und Aktuali-tät. (Abb. 8)

Zytostatika-Zubereitung

Die Stationen des Krankenhauses können EDV-gestützt mittels Online-Bestellung Zytostatika-Anforderungen direkt an die Apotheke senden. Die aufgrund der zyto- und genotoxischen Ei-genschaften der Wirkstoffe besonderen Auflagen unterliegenden Arzneimittel werden in der neu bezogenen Zytostatikaabteilung der Apotheke für jeden betroffenen Patienten individuell vorbereitet. Mit dem höchstmöglichen Maß an Schutz für das Personal werden diese Präparate aseptisch nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik zubereitet. Die fertigen In-fusionslösungen werden mit einem Infusionsbesteck versehen, in Folie eingeschweißt und mit der automatischen Warenbeförderungsanlage den anfordernden Stationen zugeführt. Der Kon-takt des applizierenden medizinischen Personals mit dem Produkt wird somit auf ein Minimum reduziert. Insgesamt wurden im Jahr 2005 über 2500 Rezepturen zur Deckung des Therapiebe-darfs im BwKrhs Ulm hergestellt und patientenbezogen dokumentiert. (Abb. 7)

Zusammenfassung

Die Apotheke stellt in Erfüllung ihres Auftrages weit über den Krankenhausbereich hinaus die Versorgung von Bundeswehrsoldaten im In- und Ausland mit Arzneimitteln und Medizinpro-dukten sicher. Durch die Beratung von Ärzten und medizinischem Fachpersonal leistet die Apo-theke einen wichtigen Beitrag zum sachgerechten und ökonomischen Einsatz von Sanitätsver-brauchsmaterial. Die moderne Arzneimittelherstellung in der BwKrhs-Apotheke Ulm erfüllt alle derzeitigen rechtlichen Anforderungen und eröffnet die Möglichkeit, insbesondere wehrmedizinisch relevante Produkte unabhängig von der Lieferfähigkeit Dritter auch ad hoc herzustellen. Die hier vorhandene Kompetenz und die langjährige Erfahrung haben eine moderne und vorbildliche Krankenhausapotheke und Arzneimittelherstellungsstätte der Bundeswehr entstehen lassen, die den Vergleich mit entsprechenden Einrichtungen unserer Bündnispartner nicht zu scheuen braucht.

Datum: 01.01.2006

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2006/1

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