APOTHEKER BRAUCHT DER BUND!
VOM ANWÄRTER BIS ZUM OBERFELDAPOTHEKER
Ob es einfach ist, sich und seinen beruflichen Werdegang zu porträtieren? Sicherlich ist es einfacher, den beruflichen Werdegang als den Menschen hinter diesem Werdegang in Worten zu beschreiben. Den beruflich eingeschlagenen Weg kann man meist auf nüchterne Daten, Jahreszahlen, Dienstposten- und Dienststellenbezeichnung gepaart mit Orten reduzieren. Aber was ist mit dem Menschen, der sich hinter diesem Weg verbirgt?
Bevor ich Sie auf meine Reise vom Sanitätssoldaten (w) Sanitätsoffizieranwärter (SanOA) bis zum Oberfeldapotheker mitnehme, eines vorweg: Die auf dem Weg liegenden Herausforderungen anzunehmen, haben sich für mich gelohnt!
Warum ich mich ausgerechnet für die Bundeswehr und dann auch noch für die Laufbahn der Sanitätsoffiziere entschieden habe? Mit der Bundeswehr bin ich sprichwörtlich groß geworden: Mein Vater war Berufsoffizier, der jüngere meiner beiden Brüder hat die Offizierslaufbahn als Zeitsoldat durchlaufen. Bereits als Kind wollte ich es meinem Großvater gleich tun und Ärztin werden. Dieser Berufswunsch veränderte sich über die Jahre, so dass ich in der Oberstufe zwischen Medizin und Pharmazie schwankte. Die Entscheidung fiel zugunsten des Pharmaziestudiums, als Sanitätsoffizier Apotheker bei der Bundeswehr.
Ich möchte mich an dieser Stelle nicht lange mit der Bewerbung und dem damit verbundenen Einstellungstest aufhalten, nur so viel: Der einplanende Personaloffizier wollte mich anscheinend unbedingt für ein Medizinstudium gewinnen und machte die folgende Aussage, die ich bis zum heutigen Tage nicht vergessen habe: „Glauben Sie wirklich, dass Sie eine von nur acht zukünftigen Pharmaziestudenten sind, die wir pro Jahr einstellen? Wollen Sie nicht doch lieber Humanmedizin studieren?“. Meine Antwort auf diese Frage war einfach: „Entweder werde ich als Sanitätsoffiziersanwärter Pharmazie/Lebensmittelchemie eingestellt oder eben nicht!“ Und entgegen der Prognose des Personaloffiziers wurde ich einer dieser acht Studenten.
Fünf Tage nach meiner offiziellen Entlassung aus der Schule trat ich am 1. Juli 1993 meinen Dienst in der achten Kompanie des Sanitätsbattaillon (SanBtl) 5 in Rennerod an. Vor mir lagen drei Monate Grund- und Spezialausbildung, damals gerne auch als grüne und blaue Ausbildung bezeichnet. Anfänglich war einfach alles ungewohnt: das frühe Aufstehen, die Mehrbettstuben, das enge Zusammenleben, der geregelte und fremdbestimmte Tagesablauf. Trotz alledem ist mir die Grundausbildung in guter Erinnerung geblieben. Ich weiß noch wie heute, wie sich aus einer anfänglich bunt gemischten Zweckgemeinschaft allmählich ein „WIR“ formte. Das waren meine ersten prägenden Berührungspunkte mit der väterlicherseits oft gerühmten „Kameradschaft“, die meines Erachtens bis zum heutigen Tage ein bestimmendes Merkmal des Militärdienstes darstellt.
Normalerweise sollte im Anschluss an die Grundausbildung das sogenannte Krankenpflegepraktikum folgen. Aufgrund dessen, dass zum Sommersemester 2004 noch Studienplätze frei waren, wurde ich nach bestandener Grundausbildung direkt an die Sanitätsakademie der Bundeswehr (SanAkBw) kommandiert, um dort den Fahnenjunker- und im Anschluss daran den Offizierslehrgang zu absolvieren. Es folgten für mich also knapp sechs Monate in München. Die Teilnehmerzahlen beider Lehrgänge waren im Vergleich zu den turnusgemäß durchgeführten Lehrgängen so gering, dass der Umgang miteinander sehr familiär und vertraut erfolgte. Aufgrund dieser Tatsache haben wir uns schnell zur einer kleinen „Kampfgemeinschaft“ entwickelt. Zu Beginn dieses dreimonatigen Offizierslehrgangs wurde ich zum Gefreiten SanOA befördert. Nach Erhalt des Offizierspatentes fingen alle außer mir mit dem Studium an. Ich wurde aus persönlichen Gründen und auf eigenen Wunsch in den normalen zeitlichen Ausbildungszyklus rückgeführt, und mein Studium begann wie geplant im Wintersemester 1994. Die Zeit bis zum Studienbeginn verbrachte ich als Praktikantin in der Bundeswehrkrankenhausapotheke in Amberg und als Ausbilderin in der dritten Kompanie des SanBtl 4 in Feldkirchen. Während dieser Zeit wurde ich zum Fahnenjunker SanOA befördert. Für mich war die Zeit als Ausbilderin sehr lehrreich. Immerhin war ich doch mit gerade mal zwanzig Jahren nur ein knappes Jahr älter als die meisten Rekruten und als Frau in diesem Beruf immer noch eine Besonderheit. Ich kann heute nicht mehr sagen, wie ich es geschafft habe, die „Jungs“ für mich zu gewinnen und sie dazu zu bringen, mir als Gruppenführerin zu folgen. Aber sie taten es und die vier Monate bis zum Studienbeginn vergingen wie im Flug.
Von 1994 bis 1999 studierte ich Pharmazie an der Universität Regensburg. Das Studium bzw. und das dabei Erlebte wäre genug Stoff für eine weitere Geschichte, die ich vielleicht ein anderes Mal erzähle. Nach den ersten zwei Semestern wurde ich zum Fähnrich SanOA, nach dem erfolgreich bestandenen ersten Staatsexamen zum Oberfähnrich SanOA und schließlich ein weiteres Jahr später zum Leutnant SanOA befördert. Im Anschluss an das bestandene zweite Staatsexamen folgte eine zwölfmonatige praktische Ausbildung. Die ersten sechs Monate absolvierte ich in der regionalen Sanitätsmaterial-Ausgabestelle (RegSanMatAusgSt) in München und die anderen sechs in einer zivilen Apotheke in Straubing. Im Sommer 2000 legte ich erfolgreich das dritte Staatsexamen ab und erhielt die Approbation als Apothekerin.
Bis zur Aufnahme des Lebensmittelchemiestudiums zum Wintersemester 2000 unterstützte ich als Apothekerin die RegSanMatAusgSt in München. Für mich waren weder die Dienststelle noch die Tätigkeit als solches neu, da ich ja dort bereits sechs Monate meiner praktischen Ausbildung absolviert hatte. Einmal mehr erhielt ich vielfältige Einblicke in die Sanitätsmaterialversorgung, konnte Erfahrungen hinsichtlich der Beratung und Kommunikation mit dem Versorgungsbereich und der internen Personalführung machen. Bereits im Sommer kümmerte ich mich um einen Lebensmittelchemiestudienplatz. Ja, Sie lesen richtig, es lag im Verantwortungsbereich der SanOA, sich selbst um einen adäquaten Studienplatz zu kümmern. Aufgrund dessen habe ich mich zum einen direkt bei der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg und zum anderen über die Zentrale Vergabestelle für Studienplätze (ZVS) beworben. Mit der Direktbewerbung und im Fall der Anrechnung meines Grundstudiums Pharmazie durch die Universität wäre ein Einstieg in das fünfte Semester Lebensmittelchemie möglich, während bei einem durch die ZVS vermittelten Studienplatz nur ein Einstieg ins erste Semester möglich ist. Sowohl meine Direktbewerbung als auch die bei der ZVS führten zum Erfolg. Ich entschied mich für den Direkteinstieg in das fünfte Semester Lebensmittelchemie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und absolvierte dieses von 2000 bis 2002.
Nach den erfolgreich absolvierten Prüfungen des ersten Staatsexamens folgten im Anschluss an das achte Semester zwölf Monate praktische Ausbildung. Da Bayern zu dieser Zeit die Ausbildung neu organisierte und mir keine sichere Zusage für einen Praktikumsplatz geben konnte, habe ich mich – vermittelt durch das Personalamt und aufgrund der Mund-zu-Mund-Propaganda – um einen Praktikumsplatz in Schleswig-Holstein beworben. Zu dieser Zeit gab es dort noch keine Deckelung der Praktikantenzahlen. Der Praktikumsbeginn konnte mit der für die Ausbildung verantwortlichen Einrichtung mehr oder weniger frei vereinbart werden. Im Januar 2003 begann ich die praktische Ausbildung in der Abteilung III des Zentralen Institutes des Sanitätsdienstes der Bundeswehr (ZInstSanBw) Kiel. Es folgten Ausbildungsabschnitte im kooperierenden Landeslabor Schleswig-Holstein in Neumünster mit seinen Außenstellen in Lübeck und Kiel. In diesem Jahr hatte ich Einblick in die verschiedenen Untersuchungsbereiche der genannten Einrichtungen. Auch wenn die praktische Ausbildung nur zwölf Monate dauerte, so nahm das Gefühl des „Fertig-werden-wollens“ stetig zu. Im Januar 2004 absolvierte ich die letzten Prüfungen der Ausbildung zur Lebensmittelchemikerin. Nach erfolgreichem Abschluss und dem Erhalt des Briefes zur „staatlich-geprüften Lebensmittelchemikerin“ durfte ich, vom Dienstherrn abgenickt, erst mal zwei Wochen „durchschnaufen“.
Im Sommer 2003 wurde ich zur Vorbereitung der Ersteinplanung durch das Personalamt der Bundeswehr aufgefordert, einen Personalfragebogen auszufüllen. Diese Aufforderung war nicht das erste Mal, dass ich mich mit der Frage, was ich nach dem Studium an welchem Ort gerne machen würde, auseinandergesetzt habe. Es fiel mir nicht gerade leicht, Wünsche über Verwendungen zu äußern, die man nur vom Hörensagen her kannte. Ich habe mich damals für die kommenden Verwendungen in folgender Priorisierung entschieden: Kompaniechef (KpChef) einer Sanitätsmaterialkompanie (SanMatKp) ohne Ortsangabe, Dezernentin im Dezernat 6 Lebensmittelchemie/ Pharmazie der Abteilung I des Sanitätskommandos (SanKdo) IV in Bogen und Prüfleiter im ZInstSanBw in Kiel. Im Zuge des darauf folgenden Personalgespräches in Köln wurden mir vom damaligen Personalreferenten Dienstposten an folgenden Dienststellen angeboten: ZInstSanBw München oder SanKdo IV. Meinen Erstwunsch tat er mit der Aussage ab, dass ich aufgrund der beiden Studiengänge „Mangelware“ wäre und damit nicht auf einen Dienstposten eingeplant werde, der auch mit einem Seiteneinsteiger Fachrichtung Pharmazie besetzt werden könnte. Diese Aussage hat mich damals etwas getroffen. Warum sollte ich als SanOA „schlechtere“ Karten bekommen als ein sogenannter Seiteneinsteiger? Zumal ich ja wusste, dass sehr wohl SanOA in SanMatKp erstverwendet wurden. Letztendlich habe ich meine Chance bezüglich meines damaligen Erstwunsches auch noch bekommen, dazu aber später mehr. Ich entschied mich für das SanKdo IV.
Mitte Februar 2004 trat ich meinen Dienst als Dezernentin und lebensmittelchemische Sachverständige in der damaligen Abteilung I, der heutigen Abteilung Gesundheitswesen, im SanKdo IV in München an. Die Abteilung war zu diesem Zeitpunkt noch disloziert vom Stab SanKdo IV in Bogen. Wenige Tage nach meinem Dienstantritt wurde ich zum Stabsapotheker befördert. Damit war neben den beiden Studienabschlüssen das während des Studiums lang ersehnte Ziel endlich erreicht. Der Umzug der Abteilung Gesundheitswesen nach Bogen war für den Sommer 2004 geplant. Allerdings wurden weder die Dezernatsleiterin noch ihr Vertreter nach Bogen versetzt. Somit würde die Riege der Dezernenten, bestehend aus einem Oberstabsapotheker und zwei „Ersttäterinnen“ in Bogen vorerst „führungslos“ sein. Deshalb durften wir im Vorfeld des Umzugs keine Zeit bei der Einweisung durch die erfahrenen Sachverständigen und beim Erlernen des für die Überwachungstätigkeit notwendigen Handwerkszeuges verlieren. Aufgrund der Vielfalt der Aufgaben war das eine fordernde, aber auch sehr interessante Zeit. Ich war fasziniert davon, wie schnell ich von einer Inspektion zur nächsten und von Audit zu Audit zunehmend an Sicherheit und an Detailwissen gewinnen konnte. Die erfahrenen Sachverständigen standen uns bei Bedarf stets helfend zu Seite, gestanden uns jedoch auch den für unsere Entwicklung als Sachverständige notwendigen Freiraum zu. Bereits wenige Wochen nach meinem Dienstantritt führte ich als Sachverständige Begehungen in bundeswehreigenen Einrichtungen, zivilen Hersteller- und Lieferfirmen sowie in sanitätsdienstlichen Einrichtungen eigenständig durch. Im Sommer 2004 zog die Abteilung I tatsächlich nach Bogen. Ein neuer Dienstort sowie neue Kameraden bedingen auch immer aufs Neue eine Zeit des Eingewöhnens und Zurechtfindens. Hilfreich dabei war, dass die gesamte Abteilung in einem Rutsch umgezogen ist und es nur wenige personelle Abgänge zu verzeichnen gab. Aus den ehemaligen Wochenendpendlern wurden die neuen Ortsansässigen und aus den ehemals Ortsansässigen die Wochenendpendler. In meiner Zeit als Dezernentin habe ich viel gesehen, viele unterschiedliche Leute kennengelernt und musste mich bei jeder Überprüfung sowie jedem Audit neu auf die Beteiligten einstellen. Als überprüfende Instanz ist man nicht immer willkommen und in den meisten Fällen garantiert zum denkbar ungünstigsten aller Zeitpunkte in der betreffenden Einrichtung. All diese Befindlichkeiten sind durch Freundlichkeit und Offenheit, aber bei Bedarf auch mit dem notwendigen Maß an Bestimmtheit handhabbar. An dieser Stelle möchte ich nur ein paar Episoden aus dem Nähkästchen erzählen, die mir allesamt bis heute in Erinnerung geblieben sind:
So ergibt sich die Einsatzbereitschaft beweglicher Arzttrupps nicht zwangsläufig und ausschließlich dadurch, dass die Fahrzeuge vor kurzem die technische Materialprüfung bestanden haben. In diesem Fall muss bei der Beurteilung der Lage auch bedacht werden, dass eingefrorene oder stark unterkühlte Arzneimittel, eine Vielzahl an Einzelverbrauchsgütern mit überschrittenen Verfalldaten sowie Notfallgeräte mit abgelaufenen mess- und sicherheitstechnischen Kontrollen mit „Einsatzbereitschaft“ nicht zu vereinbaren sind.
Es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass zur Dokumentation der sogenannten betrieblichen Eigenkontrollen als Hilfsmittel nicht zwingend ein Computer mit einem extra für den Betrieb entworfenen Programm notwendig ist, um diese Aufgabe zu bewältigen. Gerade bei kleinen Betrieben kann die Dokumentation auf dem herkömmlichen Weg, d. h. manuell unter Nutzung eines Blattes Papier, eines Lineals und ein Stiftes, völlig ausreichend sein.
Ob ein Betrieb als Vorzeigebetrieb anzusehen ist, nur weil die zivile Lebensmittelüberwachung regelmäßig und in kurzen Abständen vor Ort ist, überlasse ich der Bewertung der jeweiligen Sachverständigen.
Der Wildrollbraten, der aus relativ kleinen, von Sehnen- und Blutgefäßen durchzogenen Fleischstücken mit Darminhalt, Fellanteilen, Geschossfragmenten und Steinen bestand, war ein weiteres „Highlight“ aus meiner Anfangszeit als Sachverständige.
Im Frühjahr 2006 führte ich mein zweites Personalgespräch. In diesem ging es vor allem um die weitere Verwendungsplanung, da Ende 2006 die für mich vorgesehene Zeit in Bogen zu Ende gehen sollte. Im Rahmen des Gespräches wurden die möglichen Verwendungen, wie z. B. im Stab der Division Luftbewegliche Operationen bzw. in der Abteilung VIII des Sanitätsamtes der Bundeswehr (San-ABw) durchgesprochen. Eine abschließende Entscheidung fiel zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Im September 2006 ereilte mich ein „Brandanruf“ aus dem Personalamt mit der Frage, ob ich immer noch bereit wäre, KpChef in einer SanMatKp zu werden. Nach einigem Hin und Her war klar, dass es um die 5. Kompanie des Gebirgssanitätsregimentes (GebSanRgt) 42 in Neugablonz/Kaufbeuren geht. Herausforderung hierbei war die im Raum stehende Auflösung dieser Kompanie zu Gunsten der SanMatKp in Sigmaringen, dem zukünftigen Versorgungs- und Instandsetzungszentrum Sanitätsmaterial (VersInstZ SanMat) Sigmaringen. Trotz dieser dunkelgrauen Wolken am Horizont fiel meine Entscheidung schnell zugunsten der Chefverwendung in Neugablonz. Auch wenn es nur knapp 14 Monate waren, die ich als KpChef der 5./GebSanRgt 42 der späteren SanMatKp Neugablonz hatte, so ist das die Zeit, die ich am allerwenigsten missen möchte. Das geht sogar soweit, dass ich wieder eine Verwendung mit Disziplinarfunktion übernehmen würde. Sicherlich gab es in dieser Zeit Höhen und Tiefen zu bewältigen. Tiefen vor allem dadurch, dass die Kompanie viel schneller als erwartet aufgelöst werden musste. Meine Soldaten wandten sich mit sehr persönlichen Belangen an mich, so dass ich mit Lebenssituationen konfrontiert wurde, die ich in meiner Gedankenwelt nie für möglich gehalten hätte. Vor allem aber gab es Loyalität und gelebte Kameradschaft, auch und gerade in diesen schwierigen Zeiten. Der damalige Kompaniefeldwebel ist für mich bis heute „mein Spieß“ geblieben. Auch über eine Aussage eines sehr erfahrenen Portepeeunteroffiziers bei meiner Abschiedsrunde freue ich mich immer noch sehr: „Danke, dass Sie eine echte Chefin für uns waren. Wir wussten immer, wie wir dran sind!“ Ich bin dankbar für die 14 Monate, in denen ich viel über Menschen, aber auch über mich selbst gelernt habe.
Während dieser Zeit habe ich meinen ersten Antrag auf Übernahme zur Berufssoldatin gestellt. Dieser wurde – wie fast zu erwarten war – negativ beschieden. Nach Aussagen des damaligen Personalreferenten war ich die einzige Bewerberin meines Jahrganges und die Jahrgangskameraden noch nicht bewerbungsreif oder hatten sich nicht beworben, so dass über eine Übernahme noch nicht entschieden werden konnte. Bereits zu diesem Zeitpunkt stand für mich jedoch fest, dass ich noch genau einen weiteren Antrag stellen und mich im Falle der Ablehnung von der Bundeswehr verabschieden würde.
Aufgrund der nahenden Auflösung der Kompanie wurde ich zu einem sogenannten Unterbringungsfall. Meinem Wunsch folgend wurde ich im April 2008 als Dezernentin in die Abteilung VIII des SanABw versetzt. Anfänglich war das für mich eine völlig andere Welt. Aus meiner Sicht hatte das Amtsleben mit der oft zitierten Basis nicht mehr viel zu tun und mit dem Kompaniealltag noch viel weniger. Da ich in meiner ersten Verwendung Dezernentin im SanKdo war, gehörte es mit zu meinem Aufgabengebiet, die entsprechenden koordinierenden Maßnahmen zwischen der Fachabteilung und den Dezernaten 6 der SanKdo herbeizuführen sowie Vorgaben des Ministeriums sachgerecht in diesen Bereich umzusetzen. Wie an vielen anderen Dienststellen auch, war die Personallage in der Abteilung zeitweise so angespannt, dass ich Tätigkeiten und Aufgabenbereiche auch der anderen Dezernenten teilweise mit übernehmen musste. Für mich war diese Verwendung eine weitere gewinnbringende Erfahrung, denn zuvor hatte ich keine Aufgabe auszufüllen, in der ich mit so vielen unterschiedlichen Dienstposteninhabern auf den verschiedensten Ebenen bzw. Bereichen zu tun hatte.
In dieser Verwendung stellte ich meinen zweiten Antrag auf Übernahme zur Berufssoldatin, dieses Mal mit positivem Ausgang. Damit hatte ich eines meiner bis dato größten beruflichen Ziele erreicht, und es dauerte nicht lange, bis die Frage nach dem „Wie geht es nun weiter?“ aufkam.
Für meinen weiteren Werdegang hatte ich eine klare Vorstellung: ich wollte zurück in die Lebensmittelüberwachung. Wie es der Zufall so wollte, wurde Anfang 2010 der stellvertretende Dezernatsleiter (DezLtr) Lebensmittelchemie/Pharmazie im SanKdo IV versetzt. Damit war dieser Dienstposten vakant und ich bekundete Interesse an dieser Verwendung. Ich musste mich jedoch bis zum Sommer 2010 gedulden, um den von mir herbei gesehnten Anruf aus dem Personalamt zu bekommen, dass ich für diesen, meinen (Wunsch-) Dienstposten vorgesehen sei. Im August 2010 wurde ich nach Bogen versetzt, allerdings für knapp zwei Monate zur Dienstleistung auf meinen bisherigen Dienstposten im SanABw zurück kommandiert. In dieser Zeit wurde ich zum Oberfeldapotheker befördert. Mit der Versetzung nach Bogen kehrte ich an die Dienststelle zurück, an der ich sechs Jahre zuvor nach dem Studium ins militärische Berufsleben gestartet bin. Mein eigentlicher Plan war, unter der Anleitung des damaligen DezLtr - einem sehr erfahrenen Kameraden - in Ruhe aus der zweiten Reihe agieren und Erfahrungen sammeln zu können. Es kam, wie sollte es auch anders sein, wieder mal ganz anders! Kaum ein halbes Jahr später wurde der DezLtr versetzt. Somit stand ich schneller als gedacht voll in der Verantwortung als Dezernatsleiter. Vieles hat sich seit meiner Tätigkeit als Dezernentin in fachlicher Hinsicht geändert, einige Dinge aber auch nicht. Gerade im Hinblick auf die reine Überwachungstätigkeit und der vor Ort gewonnen Eindrücke erlebe ich so manches Mal ein Déjà-vu. Ich bekomme aber auch Dinge zu sehen, die teilweise eine Fortsetzung oder gar Steigerung von bereits Gesehenem sind. Langweilig wird es einem in dieser Verwendung nie, jedoch muss man das Reisen und das Leben aus dem Koffer mögen!
Bis zum heutigen Tag habe ich insgesamt drei Einsätze als Leitender Apotheker im Einsatz (Ltd. Apotheker i. E.) absolviert: September 2005 bis Januar 2006 in Bosnien-Herzegowina; Januar bis März 2009 in Afghanistan und Januar bis März 2013 im Kosovo.
Während meines ersten Einsatzes habe ich vor allem an Stehvermögen und Durchsetzungsfähigkeit gewonnen. Auf dem Dienstposten des Leitenden Apothekers im Einsatz kann es unabhängig vom Dienstgrad zuweilen erforderlich sein, dem Kommandeur (Kdr) eines Sanitätseinsatzverbandes (SanEinsVbd) die Stirn zu bieten. Auch wenn die Gefährdungslage in Afghanistan überhaupt nicht mit der in Bosnien-Herzegowina zu vergleichen war und ist, so fiel mir der zweite Einsatz deutlich leichter. Die Zusammenarbeit mit dem Kdr SanEinsVbd war geprägt von gegenseitigem Vertrauen und Wertschätzung. In dieser Zeit kam es zwar immer mal wieder zu Anschlägen, aber es wurde kein deutscher Soldat dabei verletzt oder gar getötet. Umso härter traf uns als SanEinsVbd die plötzliche lebensbedrohliche und letztendlich tödlich verlaufende Erkrankung eines unserer Kameraden. Auch wenn dies ein sehr einschneidender und für uns fast unbegreiflicher Moment war, so half uns die gelebte Kameradschaft bei der Verarbeitung dieses schrecklichen Vorfalles; wir rückten als Verband noch enger zusammen! Während ich diesen Artikel schreibe, absolviere ich meinen dritten Einsatz, der mich in vielen Dingen an den in Bosnien-Herzegowina erinnert. Dank der beiden bereits geleisteten Einsätze und meiner in den verschiedenen Verwendungen im Inland gesammelten Erfahrungen bin ich in vielen Dingen ruhiger und gelassener geworden. Neben allen dienstlichen Belangen im Einsatz ist für mich folgende Erkenntnisse wichtig: Jeder braucht gezielt seine persönliche Auszeit und muss diese auch unbedingt nehmen. Darüber hinaus, sind gute Gesprächspartner, nicht nur daheim sondern auch vor Ort essenziell wichtig.
Die Vorbereitungen zur Einnahme der neuen Struktur sind in vollem Gange und ich bin gespannt, was mich bei meiner Rückkehr aus dem Einsatz an der Dienststelle in Bogen erwarten wird. Das Dezernat 6 wird in die Abteilung Lebensmittelchemie/Pharmazie der neu aufzustellende Überwachungsstelle für öffentlich-rechtliche Aufgaben des Sanitätsdienstes der Bundeswehr (ÜbwStÖffRechtlAufgSanDstBw) Süd überführt, die am 1. Januar dieses Jahres aufgestellt worden sind. Das vorhandene Personal wird, zumindest was die Soldaten angeht, eins zu eins übernommen werden. Die Dienststelle soll für eine derzeit noch nicht absehbare Zeit weiter in Bogen verbleiben, bis die Zielstationierung in München realisiert werden kann. Wie damals in der Kompanie heißt es für mich, die Soldaten bei Laune zu halten und für die gemeinsame Reise zu motivieren.
Bis zum heutigen Tage fanden alle meine Verwendungswünsche früher oder später, direkt oder indirekt Berücksichtigung. Es hat sich sowohl persönlich als auch beruflich für mich immer gelohnt, selbst mit den geschilderten Umwegen! Ich bereue es nicht, diesen Weg eingeschlagen zu haben, denn das Erreichen meiner gesetzten Ziele war trotz diverser Widrigkeiten immer möglich. Ich habe keinen Zweifel, dass das auch so bleibt. Zum Schluss möchte ich als mittlerweile verheiratete Frau eines nur kurz anschneiden und zum Nachdenken mit auf den Weg geben. Mein Mann hat mir in allen wichtigen Phasen den Rücken frei gehalten und alle Entscheidungen mitgetragen. Trotz eigener anspruchsvoller beruflicher Karriere wird er dies auch in Zukunft tun. Nichtsdestotrotz ist und bleibt es ein stetiger Prozess der Kompromissfindung, unser beider private als auch berufliche Vorstellungen sowie die damit verbundenen Ziele in Einklang zu bringen, ohne dass einer von uns beiden auf der Strecke bleibt. Dies ist nicht immer leicht, aber es lohnt sich! Eine letzte Frage gebe ich Ihnen noch mit auf den Weg: Eignet sich dieses, durch den Beruf zum Teil sehr unstete Lebensmodell, Kindern ein behütetes Zuhause zu geben? Eine Pauschalantwort oder gar ein Patentrezept hierzu gibt es wahrlich nicht; diese Frage muss sich jedes betroffene Paar selbst beantworten.
Datum: 26.06.2013
Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2013/2