01.01.2009 •

VOR DEM EINSATZ: CHECKLISTE GYNÄKOLOGIE?

M. H. Geller

Seit der Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 11.01.2000, Frauen den gleichen Zugang zum Beruf des Soldaten zu bieten und auch nach der Verabschiedung des Gesetzes zur Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten vom 01.01.2004, hat die Zahl an weiblichen Soldaten in unserer Bundeswehr stark zugenommen. In den bereits laufenden Einsätzen im Ausland, auch in schwieriger Mis sion wie auf dem Kosovo, in Afghanistan oder an Bord vor der Küste Afrikas werden immer mehr Soldatinnen ihren Dienst für Monate verrichten, ohne die im Heimatstandort gewohnte, jederzeit mögliche gynäkologische Betreuung durch niedergelassene Gynäkologen, die durch Überweisungsauftrag konsultiert werden können.

Die vorliegende FA InspSan zur Auslandsdienstverwendungsfähigkeit regelt klar und deutlich, welche Gesundheitsstörungen zum Ausschluss der geplanten Verwendung führen. Dazu dient u.a. der „Militärärztliche Fragebogen“, in dem unter „nur für Soldatinnen“ nach einer aktuellen gynäkologischen Behandlung, nach Zyklusbeschwerden oder – un regelmäßigkeiten und, ob ein Schwangerschaftstest durchgeführt werden soll, gefragt wird.

In den „Hinweisen zur Gesunderhaltung im Auslandseinsatz“ des Sanitätsamtes der Bundeswehr (letzte 7. überarbeitete Auflage vom Mai 2006) sind die besonderen Bedürfnisse der weiblichen Soldaten noch nicht berücksichtigt, wenngleich beispielweise Informationen über sexuell übertragbare Krankheiten vorhanden sind, die für alle, weibliche wie männliche Soldaten Gültigkeit haben. Truppenärzte sind erste Ansprechpartner nicht nur vor Ort im Einsatz und so sollten sie schon in der Heimat den Soldatinnen mit Hilfe von Richtlinien für die gynäkologische Gesunderhaltung im Einsatz hilfreich zur Seite stehen können, denn der weibliche Organismus bedarf besonderer medizinischer Betrachtungen und Erwägungen.
So können beispielsweise die vorhandenen hygienischen Verhältnisse im Einsatz derart sein, dass die Menstruation, vor allem, wenn sie einer Hypermenorrhoe entspricht, zu einer Belastung für die Soldatin wird. Sehr hilfreich ist dann, wenn truppenärztlich rechtzeitig vor dem Einsatz auf die Möglichkeit der Regelverschiebung zur Vermeidung der Regelblutung hingewiesen wird, etwa mit Hilfe der „Dreimonatsspritze“ oder dem „Langzeiteinnahmezyklus“ von bestimmten, dafür geeigneten oralen Ovulationshemmern.

Oder es wird der Hinweis auf die Einlage eines hormonellen Intrauterinpessars in Form der „Hormonspirale“ gegeben, die die meisten Frauen mit normaler Regelblutung von dieser befreit, während die starke Mensis deutlich reduziert wird. M.E. sollte eine „Checkliste Gyn“ für die Soldatin mit standardisierten Fragen zur Menstruationsanamnese, wie oft, wie lang, wie stark, nach Zyklusstörungen durch Zwischenblutungen oder Schmerzen erstellt werden. Kennt die Soldatin ein „Praemenstruelles Syndrom“? Migräne bei der Mens? Welches Verhütungsmittel nimmt die Soldatin, wie lange? Raucheranamnese? In welchem Zustand sind die Ovarien: Mit/ohne Follikelreifung, mehrzystisch? Hinweise auf ein PCO - Syndrom sollten fachärztlich wie der Uterus mit eventuellen Hinweisen auf Myome durch vaginale Sonographie abgeklärt werden.

Welche Impfungen sind aktuell durchzuführen/ wann durchgeführt, auch gegen HPV? Die Antworten können als sichere Hinweisgeber zur individuellen Frauengesundheit in der Liste verzeichnet werden und bei Auffälligkeiten dementsprechend durch einen Gynäkologen rechtzeitig vor dem Einsatz beurteilt und behandelt werden, damit nicht im Einsatz Beschwerden auftreten wie Dysmenorrhoen, Mastodynien, Unterbauchschmerzen und Kolpitiden, die durch eine verschleppte vaginale Keimbesiedlung auftreten und ggf. zu starken ascendierenden Infektionen des Bauchraums oder der Harnwege werden können.
Letztendlich fällt die Verantwortlichkeit für ihre „female soldier readyness“ der Soldatin aber auch selbst zu. Ein kurzgefasster Ratgeber in der Form ähnlich den „Hinweisen zur Gesunderhaltung im Auslandseinsatz“ für die besonderen Bedürfnisse der weiblichen Soldaten, könnte mit einer Beratung bei Übergabe für die Soldatin hilfreich sein, ihre weibliche Gesundheit und Einsatzbereitschaft zu erhalten, wenn hier alle gynäkologisch relevanten Fragen, auch der Hygiene, angesprochen werden. Oft sind den Soldatinnen einfache hygienische Verhaltensregeln nicht bekannt, ebenso wenig wie Hinweiszeichen auf eine beginnende vaginale Infektion, die auch durch übertriebene Sauberkeit im Sinne von „Überwaschungen“ mit vaginalen Milieuveränderungen entstehen kann. Als weitere Themen u.a. wären die Empfängnisverhütung, die Vermeidung sexuell übertragbarer Krankheiten (v.a. die korrekte Anwendung von Kondomen) und die Problematik einer möglichen sexuellen Belästigung („Wie gehe ich damit um?“) in einer solchen Broschüre zu behandeln.

Wenn auch die Vorschriften nicht fordern, dass ein Schwangerschaftstest durchgeführt wird, sollte der Soldatin unmittelbar vor dem Einsatz bei Ausbleiben der Mens nach über einer Woche dazu geraten werden.

Datum: 01.01.2009

Quelle:

Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2009/1

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