02.03.2023 •

Training Einsatzchirurgie der Bundeswehr

Ausbildung spezialisierter Generalisten in Zeiten der generalisierten Spezialisierung

K. Schneider , M. Schulbert, T. Hauer, N. Huschitt, S. Grobert und D. Langier

Chirurgische Blutstillung
Niels Huschitt

Die Mehrheit der chirurgischen Karrieren entwickelt sich zunehmend in ähnlicher Weise: Auf dem Boden einer breiten chirurgischen Basisausbildung entwickeln sich individuelle Interessen, die zu einer trichterförmigen Verschmälerung des Spektrums zugunsten von Expertise führen. Dies kommt dem Patientenwohl im westlichen Gesundheitssystem zugute und ist lukrativ.

Das besondere Spektrum krisen- und kriegschirurgischer Verletzungen und Verwundungen erfordert jedoch vielfältige notfallchirurgische Fertigkeiten, die in deutschen Krankenhäusern nicht suffizient erlernbar sind. Zum Ausgleich dieses Defizits werden im Rahmen des zweimal jährlich stattfindenden Trainings „Einsatzchirurgie der Bundeswehr“ im simulierten Setting manuelle notfallchirurgische Fertigkeiten und mentale Kompetenzen an einsatzchirurgisch tätige Sanitätsoffiziere vermittelt. Die Teilnehmenden sollen aus der Stringenz des auf Spezialisierung basierenden Klinikalltags herausgeführt werden und innerhalb eines geschützten Raums neue, komplexe Manöver erlernen. 

Der sechstägige Kurs besteht aus einzelnen Bausteinen, die sich in Ziel und Methodik unterscheiden. Die Basis bilden die insgesamt zweitägigen Kurse Advanced Surgical Skills for Exposure in Trauma und Basic Endovascular Skills for Trauma des American College of Surgeons. Es werden chirurgische Zugangswege und überbrückende, interventionelle Verfahren wie das REBOA (Resuscitative Endovascular Balloon Occlusion of the Aorta)-Manöver am humanen Körperspender erlernt. 

Eine methodische Weiterentwicklung der letzten Jahre erlaubt die Reperfusion der humanen Körperspender mit Kunstblut durch Kanülierung der großen zervikalen und femoralen Gefäße, sodass im aufbauenden Ausbildungsabschnitt komplexes Szenario-Training am blutenden „Patienten“ möglich wird. Ergänzend erfolgt Team-Training an narkotisierten Großtiermodellen (Live Tissue Training) und Stationsausbildung zu einzelnen Skills. 

Das Ziel der praktischen Ausbildung geht jedoch über das Erlernen einzelner Manöver hinaus: Es werden mit jeder Simulation Freiräume geschaffen, die es den Teilnehmenden ermöglichen, Fehler ohne reale Konsequenzen zu begehen und zu korrigieren. Das Verinnerlichen von Handlungsalgorithmen und der Zuwachs subjektiver Handlungssicherheit im Umgang mit penetrierendem Trauma sind Kernlernziele des seit über zwanzig Jahren bestehenden und weltweit einzigartigen Kurses.

Eine besondere Neuerung stellt der vor wenigen Jahren entwickelte Einsatzchirurgiekurs für Operationstechnische Assistenten dar. Dieser wurde im Sinne des Teamtrainings – insbesondere mit Blick auf die kleinsten, vorgeschobenen chirurgischen Einheiten – als Pendant in den Kurs integriert und ermöglicht das simulierte Training der interdisziplinären Zusammenarbeit.

Theoretische Bausteine vervollständigen die Ausbildung. Um das Verständnis für das Verhalten von Geschossen im menschlichen Körper und die daraus resultierenden Konsequenzen für das chirurgische Handeln zu verbessern, ist ein Intensivseminar zur Wundballistik angegliedert.

Am Ende jedes Ausbildungstages werden außerdem Gesprächsrunden zu einsatzrelevanten Themen wie der Warmblutspende oder der Ausbildungskooperation im südafrikanischen Johannesburg angeboten und der Austausch mit anderen einsatzchirurgisch interessierten KameradInnen unterschiedlicher Ausbildungsniveaus ermöglicht. Trotz der Vielfältigkeit und Intensivität des Einsatzchirurgiekurses stellt dieser jedoch nur ein Puzzleteil der vielschichtigen militärchirurgischen Ausbildung dar.



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