PRÄVENTION VON BERUFSDERMATOSEN IM SANITÄTSDIENST DURCH OPTIMIERTEN HAUTSCHUTZ
Die Berufskrankheiten der Haut als „schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Hauterkrankung ursächlich waren oder sein können“ sind die häufigsten Berufskrankheiten in Deutschland.
Insbesondere betroffen sind Beschäftigte im Gesundheitswesen, dort vor allem Pflegekräfte, Masseure und Physiotherapeuten und Reinigungspersonal. Die Gefahr der Chronifizierung von beruflichen Hautschäden erfordert ein möglichst frühzeitiges aktives Tätigwerden. Die Chancen für eine primäre Prävention am Arbeitsplatz sind hoch (technische und organisatorische Maßnahmen, persönliche Schutzmassnahmen und Unterweisung, Maßnahmen zur Verhaltensänderung). Interventionen wie “Hautschutztage” oder Hautschutzseminare können die Aufmerksamkeit der Beschäftigten für den beruflichen Hautschutz wecken und zu einem hautschonenden Verhalten am Arbeitsplatz motivieren. Gleichzeitig wird der optimierte Hautschutz unter Anleitung erprobt und lückenlos in der Praxis weiter umgesetzt.
Epidemiologie der Berufsdermatosen in Deutschland
Hautkrankheiten sind die häufigsten Berufskrankheiten. Sie sind definiert als „schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Hauterkrankung ursächlich waren oder sein können“ (BK 5101). 2005 wurden in Deutschland 15137 Verdachtsmeldungen auf eine BK 5101 erstattet, was 28% aller BKMeldungen entsprach. Bei 834 Patient (5.5%) erfolgte die Anerkennung einer Berufskrankheit, und etwa ein Drittel dieser Personen erhielt eine Entschädigung. Die Kosten für Berufskrankheiten der Haut betrugen für die gesetzliche Unfallversicherung im Jahr 2009 über 40 Millionen €, was etwa einem Drittel der Gesamtkosten entsprach. Nach einer aktuellen gesundheitsökonomischen Studie liegen die durchschnittlichen direkten und indirekten Kosten für leichte und mittelschwere Handekzeme bei 8799 €/Jahr; für schwere Handekzeme steigen sie auf 9406 €/Jahr.
Berufsdermatosen im Gesundheitswesen
Berufliche Hautkrankheiten sind im Gesundheitswesen besonders häufig. Eine dänische Studie zeigte, dass von 1909 Beschäftigten eines Krankenhauses 23% innerhalb von 12 Monaten ein Handekzem hatten (2). Insbeson-dere Beschäftige auf internistischen und chirurgischen Stationen waren betroffen. Bei einer kürzlichen Unter-suchung bei Altenpflegerinnen konnte ein Handekzem bei 18% der Beschäftigten diagnostiziert werden (4). In der Mehrzahl der Fälle verlaufen die Ekzeme chronisch. Berufsdermatosen im Auslands einsatz Ekzemerkrankungen und insbesondere Handekzeme spielen aufgrund der besonderen klimatischen Bedingungen der Einsatz-gebiete, vor allem in Hinsicht auf die Einsatzbereitschaft des einzelnen Soldaten, eine herausragende Rolle.
Im Rahmen des humanitären Einsatzes in Banda Aceh hatten eine große Anzahl der Soldaten Handekzeme, die aufgrund ihrer Ausprägung einer systemischen Steroidtherapie und intensiven dermatologischen Begleitung bedurften. In Afghanistan kommen insbesondere in den Sommermonaten überproportional viele Soldaten mit dyshidrosiformen Ekzemen in die dermatologische Sprechstunde. Auslöser sind die klimatische Umstellung, eine nicht ausreichende Pflege belasteter Hautareale sowie okklusive Effekte wie das Tragen von Handschuhen. Häufig müssen diese Patienten auch nach Ende des Einsatzes weiter in intensiver dermatologischer Betreuung nachgesorgt werden. In den Wintermonaten stehen Exsikkationsekzeme im Vordergrund. (Abb. 11)
Spektrum der Berufsdermatosen nach BK 5101
Beruflich bedingte Handekzeme sind überwiegend Kontaktekzeme vom irritativ-toxischen und/oder allergischen Typ. Obgleich in der Häufigkeit die irritativen Kontaktekzeme überwiegen, sind allergische Kontaktekzeme häufig schwerer und zwingen nicht selten zur Aufgabe des Berufes.
Irritatives Kontaktekzem
Das toxische oder irritative Kontaktekzem tritt auf in Form einer akuten Kontaktdermatitis im Kontaktareal nach Kontakt gegenüber einem starken Irritans (z. B. Säuren oder Laugen). Diese Fälle sind eher selten und erfüllen häufig die Kriterien eines Arbeitsunfalls (Einwirkung in einer Schicht). Häufig ist hingegen Entwicklung und Unterhaltung eines kumulativ- subtoxischen Kontaktekzems durch die wiederkehrende oder andauernde Einwirkung von primär nicht toxischen Faktoren wie z. B. Feuchtarbeiten oder häufiges Händewaschen über einen längeren Zeitraum.
Durch die ständig wiederkehrende Einwirkung irritativer Noxen kommt es allmählich zu einer Funktionseinschränkung der Hornschichtbarriere der Epidermis und zur Entwicklung von Entzündungs-herden an den betroffenen Hautstellen (Abb. 1, 2, 3, 4, 5). Häufig zeigt sich die Erstmanifestation eines kumulativ-subtoxischen Kontaktekzems zunächst in Form einer Rötung und Schuppung in den Fingerzwischenräumen (Abb. 2). Im weiteren Verlauf kommt es zu einer Ausdehnung der Ekzemstellen mit Exkoriationen und Erosionen. Juckreiz und Bläschenbildung können hinzutreten. Bei chronischem Verlauf kommt es zu einer entzündlichen Verdickung der Haut (Lichenifikation) mit Hyperkeratosen und schmerzhaften Rhagaden.
Das Vorliegen einer atopischen Haut-Diathese mit der damit einhergehenden Hautminderbelastbarkeit begünstigt die Entstehung eines kumulativ-subtoxischen Kontaktekzems durch irritative Einwirkungen. Die Einwirkung irritativer Faktoren in der Auslösung und Unterhaltung der Hauterkrankung wird angesichts berufsrelevanter Kontaktallergien oftmals verkannt. Ein kumulativ-subtoxisches Kontaktekzem kann durch die gestörte Barrierefunktion der Epidermis zur konsekutiven Entwicklung eines allergischen Kontaktekzems führen (2-Phasen-Ekzem).
Allergisches Kontaktekzem
Beim allergischen Kontaktekzem handelt es sich um eine zellvermittelte Allergie vom Spättyp, einer Typ-IV-Reaktion nach Coombs und Gell, die sich zunächst als Ekzem an der Kontaktstelle, dann aber auch als Streuung auf weitere Hautareale und das gesamte Integument manifestieren kann. Klinisch typisch sind Papeln und Vesikeln, bei chronischem Bestehen auch eine Lichenifikation, Schuppung und Rhagadenbildung (Abb. 6-7). Bei hochgradiger Sensibilisierung gegenüber luftgetragenen Allergenen (z. B. Duftstoffe, Pflanzeninhaltsstoffe, Epoxidharze) kann es auch zu aerogenen allergischen Kontaktekzemen kommen, die sich typischerweise an dden am Körper frei getragenen Hautstellen wie Gesicht, Händen und Armen manifestieren.
Im berufsdermatologischen Kontext ist ein kumulativ-subtoxisches Kontaktekzem oft wegbereitend für die nachfolgende Entwicklung eines allergischen Kontaktekzems. Allerdings gibt es auch Allergene, die bereits innerhalb kurzer Zeit des Kontakts zur Ausbildung von Kontaktekzemen führen können. Typische Allergene in Pflegebereich sind Gummiinhaltsstoffe, Konservierungs- und Desinfektionsmittel, Lokalantibiotika und Salbengrundlagen.
Atopisches Ekzem
Das atopische Ekzem ist primär eine endogene Dermatose, die in Assoziation mit Schleimhautallergien (Asthma, Heuschnupfen, Nahrungsmittelallergien, bis zur Anaphylaxie) auftritt. Eine genetische Disposition ist bekannt; in den letzten Jahren wurden Polymorphismen im Filaggrin-Stoffwechsel gesichert, die neben Veränderungen in der Lipidzusammensetzung des Stratum corneums eine Erklärung der typischen Barriere-störungen der Epidermis bieten. Beim atopischen Ekzem handelt es sich um eine der häufigsten Hauterkrank-ungen überhaupt (ca. 3-7% der Bevölkerung).
In den meisten Fällen nimmt das atopische Ekzem einen milden, zeitlich begrenzten Verlauf; in vielen Fällen kommt es aber auch zum einem chronischen Verlauf über Jahre oder Jahrzehnte. Dabei wechseln beschwerde-freie Phasen, z.B. im Sommer, mit Zeiten, in denen sich die Krankheit verschlimmert, z.B. im Winter. Beruflich ist das atopische Ekzem wesentlich als Risikofaktor für das irritative Kontaktekzem. Es kann durch berufliche Noxen aber auch zu einer richtungsgebenden Verschlimmerung eines atopischen Ekzems kommen. Diese liegt etwa dann vor, wenn ein bisher auf die Gelenkbeugen lokalisiertes Ekzem unter der beruflichen Tätigkeit in ein chronisches Handekzem oder gar ein generalisiertes Ekzem übergeht.
Prävention der Berufsdermatosen
Wie bei jeder präventiven Intervention ist bei den Berufsdermatosen zu unterscheiden zwischen der primären Prävention, die am Arbeitsplatz bei Hautgesunden dem Auftreten von Hautkrankheiten vorbeugen soll, der sekundären Prävention, die als Früh-Prävention einsetzt bei erstem Auftreten einer Hauterkrankung, und der tertiären Prävention, die eine Verschlimmerung schon manifester, möglicherweise nicht voll abzuheilender Hautkrankheiten verhindern soll.
Wesentliche Maßnahmen aller Stufen der Prävention sind bei allen Formen des Handekzems zunächst technische und organisatorische Maßnahmen, mit denen bei vorliegender Gefährdungsbeurteilung eine Minderung der Hautbelastung angestrebt wird.
Ergänzt werden diese Maßnahmen durch den individuellen Hautschutz. Handschuhe und Hautschutzpräparate sind noxen- und tätigkeitsorientiert auszuwählen und bereitzustellen. Im Rahmen eines Hautschutzplans, der an den hautbelasteten Arbeitsplätzen sichtbar ausgehängt sein sollte, sind die einzelnen Maßnahmen den Beschä-ftigten gut verständlich und praxisorientiert zu kommunizieren. Der dermatologische Hautschutz beinhaltet präexpositionell anzuwendende Hautschutzpräparate, die milde und schonende Hautreinigung sowie postexpositionelle Hautpflegemittel.
Dabei verhindern oder reduzieren Hautschutzsalben die Einwirkung von Irritantien auf die Haut. Gemäß TRGS 401 vom Juni 2008 sind Hautschutzmittel vor jeder hautbelastenden Tätigkeit, z.B. zu Arbeitsbeginn, nach Pausen, nach jeder Hautreinigung während der Tätigkeit oder spätestens nach einem vom Hautschutzmittel-Hersteller vorgegebenen Zeitraum auf die saubere und trockene Haut aufzutragen. Die für einen wirksamen Auftrag der Hautschutzmittel erforderlichen Zeiten sind bei der Arbeitsorganisation zu berücksichtigen. Mit der Hautreinigung wird eine Dekontamination angestrebt. Die Hautpflege hingegen dient dem reparativen Hautschutz.
Entscheidend ist der Einsatz geeigneter, aufeinander abgestimmter Hautschutzpräparate, deren Wirksamkeit für die am Arbeitsplatz vorkommenden Irritantien nachgewiesen ist. So konnten wir in einer eigenen doppelblinden, randomisierten Studie an Pflegenden des Universitätsklinikums Jena für ein kommerzielles Hautschutzpräparat (Excipial Protect) eine ausgezeichnete Wirkung gegenüber Wasch- und Spülmitteln mit einer hochsignifikanten Verbesserung des Hautzustandes sowie einer signifikanten Erhöhung der Hornschichtfeuchtigkeit nachweisen (1).
Es konnte gezeigt werden, dass bereits die regelmäßige Anwendung des optimierten Vehikels von Excipial Protect zu einer Verbesserung der klinischen Scores führte. Auch in einer nicht veröffentlichen Studie bei Pflegenden in der Geriatrie konnte eine Wirksamkeit des gleichen Präparates gezeigt werden. Nach 4 wöchiger Anwendung von Excipial Protect wurde eine deutliche Verbesserung des Hautzustandes beobachtet. Die hautphysiologischen Untersuchungen zeigten eine signifikante Verminderung des TEWL und des Hautoberflächen- pH. Die Anwendung führte zu einer deutlichen Reduktion von Trockenheit, Juckreiz, Spannungsgefühl, Brennen und Rötung.
Im medizinischen Bereich dürfen Hautschutzmittel die Wirkung einer Desinfektion nicht beeinträchtigen. Es wurde daher geprüft, ob Excipial Protect die desinfizierende Wirkung von 60%igem Isopropanol gegenüber vier Standardkeimen (E. coli, S. aureus, P. aeruginosa und E. faecalis) beeinflusst. Die Studie ergab, dass die bakteriostatische Wirkung von 60%igem Isopropanol durch die vorgängige Anwendung von Excipial Protect nicht beeinträchtigt wurde (3). Excipial Protect selbst entfaltete vielmehr in der kurzen Kontaktzeit bereits eine gewisse bakteriostatische Wirkung.
Neben der Verwendung wirksamer Präparate im Sinnes eines integrierten Hautschutzes ist die Einweisung und Motivation der Beschäftigten für den Hautschutz von besonderer Bedeutung. Dies beginnt mit dem Bewußt-machen der Hautgefährdung am Arbeitsplatz über die Vorstellung von Schutzmaßnahmen im Rahmen des Hautschutzplanes bis hin zu praktischen Anwendungsübungen. Im Rahmen von Studien zur Compliance konnten wir zeigen, dass Hautschutzmittel vielfach unzureichend, d.h. nicht flächenhaft abdeckend, aufgetragen werden. Durch Üben des Auftragens eines fluoreszenzmarkierten Hautschutzpräparates kann eine hohe Anwendungsqualität erreicht werden. Bei dieser Schulung, die im Rahmen von Hautschutztagen oder Hautschutzseminaren ablaufen kann, werden die Hautschutzpräparate ausgegeben und erprobt, so dass die Versicherten hoch motiviert unverzüglich mit der Prävention beginnen können.
Am Bundeswehrkrankenhaus Ulm fand am 02.11.2010 in Zusammenarbeit mit der Abteilung Dermatologie und Venerologie, der Sektion Krankenhaushygiene und der Pflegedienstleitung erstmals ein Hautschutztag statt. Grund war die Neueinführung von Excipial protect und Excipial repair als Standardhautschutzprodukt im Bundeswehrkrankenhaus. Mitarbeiter aus allen Bereichen des Hauses waren eingeladen, nach einem Einführungsvortrag das Erlernte praktisch anzuwenden, zu üben und im Anschluss unter der Fluoreszenzlampe einer Eigenkontrolle zu unterziehen. Dieser Workshop wurde an diesem Tag dreimal angeboten, um sowohl die Gruppen möglichst klein und effektiv zu halten, als auch dem Schichtpersonal die Möglichkeit zu geben, daran teilzunehmen. Unterstützt wurde diese Veranstaltung von einer Mitarbeiterin der Klinik für Hautkrankheiten der Universität Jena und der Fa. Spirig. Hautschutz versteht sich im Bundeswehrkrankenhaus Ulm als integraler Bestandteil der Krankenhaushygiene und wird daher weiterhin in der Aktion „Saubere Hände“ und dem Hygieneplan des Hauses proaktiv vorangetrieben. Ein weiterer Hautschutztag ist für das Jahr 2011 geplant (Abb. 8, 9,10).
Schlussfolgerungen
Für die häufigen Berufsdermatosen im Bereich des Gesundheitswesens existieren evidenz- basierte Präven-tionskonzepte. Diese bestehen neben organisatorischen und technischen Maßnahmen in der Vermeidung von Hautbelastung durch angepasste Handschuhe und optimierten Hautschutz. Neben der Auswahl von Präparaten im Sinne eines integrierten Hautschutzkonzeptes ist die Umsetzung in der Praxis durch Schulungsmaßnahmen, Wiederholung und Übung und Kontrolle durch die Vorgesetzten wesentlich. Damit kann ein Großteil der beruf-lichen Hautkrankheiten in diesem Bereich wirksam verhindert werden. Für den Sanitätsdienst der Bundeswehr bedeutet dies, dass alle Akteure eine intensive Zusammenarbeit pflegen müssen, der „Präventive Gesundheits-schutz“, die Betriebsärzte, die Truppenärzte, die Krankenhausingenieure sowie nicht zuletzt die Hautärzte.
Datum: 26.09.2011
Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2011/2