Soldatinnen und Soldaten berichten flächendeckend über Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem einsatzorientierten neuen Schießausbildungskonzept (neuSAK) der Bundeswehr: Die Muskelermüdung des Abzugsfingers beim Schießen mit der Handwaffe P8 führt häufig zu Problemen bei der Schussabgabe und damit zum Verfehlen des Ausbildungsziels.
Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde ein Dynamometer entwickelt, der die Beugekraft am distalen Indexfingerendglied quantifiziert. Hinsichtlich der Testgütekriterien ergaben sich bei den dynamometrischen Verlaufsmessungen Intraklassen-Korrelationskoeffizienten von bis zu 0,99, was eine exzellente Test-Retest-Reliabilität belegt. Die Konstruktvalidität konnte ohne Nachweis eines systematischen Fehlers mit ebenfalls als exzellent zu interpretierenden Ergebnissen nachgewiesen werden.
Weiterhin wurde die muskuläre Ermüdung des Indexfingers durch Pistolenschießen (HK-P8) beim neuen Schießausbildungskonzept quantifiziert. Alle (15/15) weiblichen Soldaten und 8/15 der männlichen Soldaten waren muskulär-ermüdungsbedingt nicht in der Lage, das Schießtraining mit einem Umfang von 60 Schuss erfolgreich zu bestehen. Kurze Pausen, wie z. B. das Nachladen der Pistole, reichen nicht aus, um die Fingermuskulatur signifikant zu regenerieren. 10 von 15 Soldatinnen waren nicht in der Lage, einen einzigen Double-Action-Schuss regulär abzufeuern. Die geschlechts- und altersspezifische Beugekraft des Indexfingers wurde bei insgesamt 589 Probanden erfasst.
Unter Zuhilfenahme theoretischer Modelle zur Bestimmung der maximal akzeptablen Kraft (MAF) – auf Basis des spezifischen Arbeitszyklus und der Maximalkraft der beanspruchten Muskelgruppe – lassen sich maximale Abzugsgewichte von näherungsweise 24,8 ± 4,1 N für Frauen und 35,7 ± 6,5 N für Männer ableiten. Aufgrund der eklatanten Differenz zwischen theoretischer MAF (24,8 ± 4,1 N für Frauen) und ermittelten Double-Action-Abzugsgewichten von bis zu 58,8 N sind ergonomisch-technische Anpassungen der Handwaffe zielführend. Dazu zählen insbesondere die Reduzierung des Abzugsgewichts und eine ergonomische Optimierung des Griffstücks. Das ideale Abzugsgewicht sollte ein wiederholtes Schießen ermöglichen und eine sichere Handhabung gewährleisten, um unnötige Gefahren für den Anwender zu vermeiden. Kurze Pausen, z. B. beim Nachladen der Pistole, reichen zur Erholung der Fingermuskulatur nicht aus. Auch ein Krafttraining der Hand- und Fingermuskulatur, um dem technisch bedingten Kraftmangel entgegenzuwirken, wird selbst unter optimalen Bedingungen nicht bei allen Anwendern genügen.
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Wehrmedizinische Monatsschrift 6/2023
Oberfeldarzt Dr. Kai Nestler
Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz
Klinik VIII – Radiologie und Neuroradiologie
Rübenacher Str. 170, 56072 Koblenz
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