IDENTIFIKATION ATYPISCH RESISTENTER ENTEROBACTERIACEAE BEI PATIENTEN EINER INFEKTIOLOGIEABTEILUNG AUF MADAGASKAR
Aus dem Bundeswehrkrankenhaus Hamburg
Volker Micheel
WMM, 58. Jahrgang (Ausgabe 10-11/2014; S. 361)
Zusammenfassung:
Einleitung
Die Ausbreitung zunehmend resistenter bakterieller Erreger spart auch Einsatzgebiete wie Afghanistan oder das tropische und subtropische Afrika nicht aus. Angesichts aktueller Szenarien wie EUTM Mali wird dieses Problem für den Sanitätsdienst aktuell bleiben.
Belastbare epidemiologische Daten fehlen in Ländern mit eingeschränkter medizinischer Versorgung. Am Beispiel von Patienten eines madagassischen Krankenhauses wurde die nasale Kolonisation Einheimischer untersucht, um Risikofaktoren für die Stratifizierung des Hygienemanagements bei der Behandlung zu eruieren. Der Focus lag dabei auf den Nachweis von atypisch resistenten Enterobacteriaceae mit einem Extended-Spectrum Beta- Lactmase (ESBL) Resistenzmechanismus, welcher mit Penicillin- und Cephalosporin-Resistenz einhergeht. Diese resistenten Enterobakterien stellen bekannterweise Erreger vieler nosokomialer Infektionen dar, welche die Liegedauer und die Letalität der Patienten bei der Behandlung erhöhen. Der ESBL-Resistenzmechanismus kann unter anderem durch den in Europa häufigen bla(CTX-M) Genotyp ausgelöst werden, welcher in Madagaskar schon bei Hochrisiko-Patienten nachgewiesen werden konnte. In Stichproben mit geringerem Risikopotenzial ist die Bedeutung dieser Genvarianz allerdings noch zu validieren.
Material und Methoden
Nasenabstriche von 169 Patienten der Infektiologieabteilung des Universitätsklinikums Joseph Raseta de Befelatanana, Antananarivo, Madagaskar, wurden direkt bei stationärer Aufnahmen über einen sechsmonatigen Studienzeitraum in Kooperation mit der Station abgenommen (Abbildung 1). Alle Studienpatienten beantworteten einen Fragebogen zu Geschlecht, Wohnort, professionellem Tierkontakt, chronischen Vorerkrankungen, früheren Krankenhausaufenthalten sowie vorausgegangenen Antibiotikatherapien. Vor Ort erfolgte zunächst ein erstes Screening. Die Mikroflora der Nasenabstriche wurde auf einen chromogenem ESBL Selektivagar überführt und positive Resultate wurden bei der Therapieplanung berücksichtigt. Die weiterführenden Analysen erfolgten am Fachbereich für Tropenmedizin am Bernhard-Nocht-Institut. Um die Sensitivität zu erhöhen, sind die Proben zunächst in Thioglycolat-Bouillon nicht selektiv vermehrt worden. Anschließend wurden die Enterobacteriaceae auf dem chromogenem ESBL Selektivagar isoliert. Folgend ermittelten wir die Empfindlichkeit gegenüber Piperacillin, Ceftazidim, Meropenem und Ciprofloxacin mittels E-Testen, um Erreger mit Resistenz gegen 3 bis 4 der bakteriziden Antibiotikaklassen (3MRGN/4MRGN) zu identifizieren. Ferner wurden ESBL- oder AmpC-Expression mittels ABCD-Testung und das Vorhandensein eines bla( CTX-M) ESBL Genotyps unter der Verwendung einer kommerziellen ‘Hyplex’ ESBL PCR getestet. Die Speziesanalyse erfolgte mittels 16S-PCR und MALDI-TOF-Verfahren.
Ergebnisse
Insgesamt 12 von 169 Patienten (7,1 %) wiesen eine nasale Kolonisation mit ESBL-positiven oder 3MRGN-/4MRGN-Isolaten auf. Alle 12 entsprechenden Enterobacteriaceae vom chromogenen Brilliance ESBL Selektivagar waren mit einer Ceftazidim- Resistenz vergesellschaftet. Ein Anteil von 11 der 12 war resistent gegen 3 der 4 getesteten bakteriziden Antibiotika und bei 11 von 12 konnte ein phänotypischer ESBL Resistenzmechanismus nachgewiesen werden. Dieser wurde in 4 Fällen durch den bla(CTX-M) Genotyp verursacht. Die Mehrheit der resistenten Isolate ließ sich der Pantoea agglomerans und vereinzelt der Enterobacter cloacae Spezies zuordnen. Es konnten keine spezifischen Risikofaktoren für eine Besiedlung ermittelt werden, wenngleich die Bewohner der Hauptstadt Antananarivo sogar mit etwas geringerer Häufigkeit kolonisiert waren als die Patienten aus den ländlichen Regionen.
Schlussfolgerung
Ein relevanter Anteil madagassischer Patienten wies nasale Besiedlungen mit Cephalosporin-resistenten Enterobacteriaceae beziehungsweise 3MRGN-Bakterien auf, was mit dem Risiko endogener Infektionen wie auch nosokomialer Übertragungen vergesellschaftet ist. Eine mögliche Ursache für die erhöhten Resistenzraten könnte die Eigentherapie der Patienten mit verschiedenen Antibiotika sein, welche gerade in ländlichen Landesteilen durch eine eingeschränkte, nicht flächendeckende medizinische Versorgung sowie der teilweisen Freiverkäuflichkeit der Arzneimittel möglich wird. In Übereinstimmung mit vorangegangen Untersuchungen auf Madagaskar, stellte sich der bla(CTX-M) Genotyp erneut als ein relevanter Auslöser für den ESBL-Resistenzmechanismus dar. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung einer kontinuierlichen Resistenzsurveillance in tropischen Einsatzgebieten, um die Resistenzentwicklung zu verfolgen und kalkulierte Antibiotikatherapien entsprechend der Resistenzlage anzupassen. Spezifische Risikofaktoren für die Besiedlung mit ESBL-positiven oder 3MRGN Enterobakterien ließen sich nicht nachweisen, so dass jeder Einheimische als potenzieller Keimträger atypisch resistenter Erreger angesehen werden sollte.
Abb.: Medizinisches Labor an der Universitätsklinik Joseph Rasetea de Befelatanana (Foto: Volker Micheel)
Datum: 02.12.2014
Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2014/10-11