EINFLUSS VON BELASTUNGEN VOR AUSLANDSEINSÄTZEN AUF DIE VERARBEITUNG TRAUMATISIERTER EREIGNISSE BEI BUNDESWEHRSOLDATEN
Impact of pre-deployment stress towards Bundeswehr soldiers for reprocessing after an traumatic incident
Aus der Abteilung VIB - Psychotraumazentrum der Bundeswehr/Forschungssektion (Leiter: Oberstarzt Priv.-Doz. Dr. P. L. Zimmermann) am Bundeswehrkrankenhaus Berlin (Chefarzt: Admiralarzt Dr. W. Titius, MBA)
Amanda Bauer, Jörn Ungerer, Jens T. Kowalski und Peter L. Zimmermann
WMM, 57. Jahrgang (Ausgabe 8-9/2013: S. 202-205)
Zusammenfassung
Hintergrund: Es ist bisher wenig über psychische Belastungen vor einem Auslandseinsatz und die Entwicklung einer psychischen Traumasymptomatik nach einem kritischen Ereignis bekannt. Anliegen dieser retrospektiven Studie ist es herauszufinden, ob es einen Zusammenhang zwischen psychischem Stress vor dem Einsatz und einer traumaspezifischen Symptomentwicklung gibt.
Methoden: Im Rahmen einer psychologischen Einsatznachbereitung von Einsatzsoldaten der Bundeswehr wurden Daten zu erlebten Traumatisierungen sowie psychischen und körperlichen Symptomen nach dem Auslandsaufenthalt erhoben. Dabei beteiligten sich etwa die Hälfte (N = 14) der überlebenden Opfer eines terroristischen Busanschlages an dieser Studie. Es wurden standardisierte Fragebögen für die Untersuchung verwendet.
Ergebnisse: Eine verstärkte Symptomatik sechs Wochen nach dem Bombenanschlag, die für eine posttraumatische Belastungsstörung spricht, fand sich bei Soldaten, welche bereits psychisch belastet in den Einsatz gingen. Auch wenn es den Soldaten schwerfiel, über das kritische Ereignis zu berichten, lässt sich eine verstärkte traumaspezifische Symptomatik erkennen.
Schlussfolgerungen: Ein erweitertes psychologisches Screeningverfahren, welches besondere Rücksicht auf Stresserleben vor dem Einsatz nimmt, könnte hinsichtlich der Ergebnisse möglicherweise dazu dienen, vorbelastete Soldaten besser auf einen Auslandseinsatz vorzubereiten oder vor psychischen Belastungen zu schützen.
Schlagworte: Vorbelastungen, Bundeswehr, Auslandseinsatz, PTBS, traumatisches Ereignis
Summary
Introduction: At this stage, there is not much knowledge about the influence of pre-deployment distress on the progression of a posttraumatic symptomatology after critical incidents. The concern of this predictive study is the prospect to find out if there is an association between pre-deployment distress and traumatic symptomatology.
Methods: In the context of a post-deployment psychological debriefing for Bundeswehr soldiers facts were gathered concerning if experience of traumatization as well as physical and mental symptoms are an outcome of deployment. Half of the survivors (N = 14) of the terroristic attack towards a Bundeswehr bus participated in this study. Standardized questionnaires have been used for this study.
Results: Within six weeks after the bomb attack an intensified symptomatic for PTSD at soldiers with pre-deployment stress were detected. If it is difficult to report on the critical incident means that this leads to an increase in symptoms.
Conclusions: An enhanced psychological screening, which specifically considers the pre-deployment distress, could eventually help to prepare or to protect handicapped soldiers.
Key words: Stress, Bundeswehr, deployment, PTSD, traumatic event
Einleitung
Einer der wohl tragischsten Anschläge auf Soldaten der Bundeswehr ereignete sich am 07. Juni 2003 in der afghanischen Hauptstadt Kabul. Die Bundeswehrsoldaten wurden in ihrem Bus auf der Fahrt zum Flughafen KAIA (Kabul International Airport) Opfer eines terroristischen Attentats. Ein mit Sprengstoff beladenes Taxi kollidierte mit dem Bundeswehrbus, eine kräftige Explosion folgte. Von den 33 Insassen verstarben vier Soldaten, die anderen Soldaten waren mindestens leicht verletzt. Dieses Ereignis veränderte nicht nur das Leben der beteiligten Soldaten, sondern auch die Sicherheitsbestimmungen und die gesamte Herangehensweise an den Einsatz in Afghanistan. Dieses traumatische Attentat prägte die Bundeswehr.
Unter den psychischen Störungen, die auf ein Trauma folgen können, ist die bekannteste die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Im Jahr 2010 war in der Bundeswehr die PTBS die am häufigsten gestellte psychiatrische Diagnose nach ISAF-Einsätzen [1]. Die Prävalenz der PTBS bei deutschen Soldaten betrug in einer kürzlich zum Abschluss gebrachten epidemiologischen Untersuchung 2,9 % [2]. Dies entspricht im Vergleich zum PTBS-Risiko von Soldaten ohne Auslandseinsatz (0,3 %) einem 6 – 10-fach erhöhtem PTBS-Risiko. Weitere Studien an US-Soldaten zeigen, dass die Anzahl einer PTBS linear mit der Anzahl der Feuerkämpfe zunimmt: 9 % bei ein bis zwei Feuerkämpfen, 13 % bei drei bis vier Feuerkämpfen und 19 % bei mehr als fünf Feuerkämpfen [3].
Doch nicht jedes kritische Ereignis oder Trauma mündet in einer PTBS. Es zeigen sich stark unterschiedliche, individuelle Verläufe nach derart belastenden Erfahrungen, die sich auch in anderen psychischen Störungen widerspiegeln. Eine amerikanische Studie der Veterans Affairs Health Care erhob zwischen 2002 und 2008 Daten von 289 328 Hilfe suchenden Irak- und Afghanistanveteranen [4]. Dabei bekamen 106 726 Soldaten (37 %) eine psychische Störung diagnostiziert und 62 929 (22 %) litten unter der PTBS. 50 432 (17 %) Soldaten erkrankten an Depressionen und etwa 28 932 (10 %) missbrauchten Alkohol und/oder Drogen.
Eine umfangreiche, allerdings vorwiegend angloamerikanische Literatur beschäftigt sich mit Schutz- und Risikofaktoren dieser Krankheitsbilder. Hinsichtlich des Geschlechts weisen Studien darauf hin, dass für Frauen ein höheres Risiko besteht, an einer PTBS zu erkranken. Auch das Alter und der Bildungsstand sowie der Schulabschluss werden als Prädiktoren für PTBS diskutiert [1, 4]. Die Wahrscheinlichkeit, traumatischen Stress nicht verarbeiten zu können, ist erhöht, wenn Betroffene bereits vor dem kritischen Ereignis psychisch vulnerabel waren. Zu denken ist zum Beispiel an einen Hochstresszustand, der nicht abgebaut werden konnte, an nicht verarbeitete traumatische Vorerfahrungen und/oder chronische dienstliche Belastungen [5].
Welche Auswirkungen vorherige psychische Krankheitsbelastungen auf die Symptomentwicklung haben, zeigt eine deutsche Studie bei knapp 60 Opfern schwerer ziviler Unfälle (hauptsächlich Verkehrsunfälle), die den Verlauf psychischer Krankheiten direkt nach dem Geschehnis und sechs Monate danach ermittelte. Dabei kam es eher selten zur PTBS. Dies erklären die Autoren mit der seltenen Angabe von Todesangst beim Unfall. Auffällig war jedoch, dass Probanden, die bereits im Verlauf ihres Lebens psychiatrische Krankheiten angaben, mit höherer Wahrscheinlichkeit auch sechs Monate nach dem Unfall immer noch, wieder oder neue Diagnosen bekamen. Einen starken Einfluss hatten aber auch zusätzliche vorherige Lebensstressoren und erlebte Traumata. Eine Referenzgruppe ohne Lebensstressoren oder Traumata zeigte signifikant weniger Symptome als Teilnehmer mit einem oder mehr Stressoren beziehungsweise Traumata. Das prämorbide Stresserleben insgesamt scheint also hier eine große Rolle zu spielen [6].
Auch bei Polizeibeamten sagten vorherige traumatische Erlebnisse, traumarelevante Symptome und geringe soziale Unterstützung eine höhere Vulnerabilität für pathologische Stressreaktionen nach einem beruflichen kritischen Ereignis, besonders langfristig betrachtet, voraus [7].
Bei der Bundeswehr liegen bislang nur wenige Daten zu Prädiktoren der PTBS vor.
Ziel dieser prospektiven Studie ist es daher herauszufinden, wie sich die psychische Traumasymptomatik nach einem terroristischen Anschlag bei Bundeswehrsoldaten entwickelt und ob diesbezüglich Korrelationen zu psychischen Vorbelastungen gefunden werden können.
Methoden
Stichprobe
Aus den 29 Überlebenden des Busattentates von Kabul (Juni 2003) ergab sich eine Gesamtstichprobe von N = 14, die zur Beantwortung der fünf Fragebögen bereit war. Es handelte sich bei den ausschließlich männlichen Probanden um 23- bis 37-jährige Bundeswehrsoldaten, von denen ein Soldat nicht den Anschlag auf den Bus als das Ereignis beschrieb, welches ihn während des Einsatzes am stärksten belastet hat, sondern einen Minenunfall. Im Interesse der methodischen Genauigkeit wurden seine Daten nicht in die Auswertung einbezogen. Sieben Soldaten waren Unteroffiziere mit Portepee, während sich jeweils zwei Teilnehmer auf die Mannschaften, Unteroffiziere und Offiziere verteilten. Die meisten Militärdienstleistenden besaßen einen Realschulabschluss (neun mit Abitur, Gesamtschule jeweils zwei) und zehn waren verheiratet oder in einer festen Beziehung. Etwa die Hälfte (sechs) waren zuvor noch nicht im Einsatz gewesen, zwei Probanden waren vorher einmal im Einsatz und weitere fünf waren bereits zum dritten Mal im Einsatz.
Fragebogenverfahren
Der Kölner Risikoindex 2.1 (KRI) stammt aus dem Bereich der Unfallpsychologie und wurde zur Verbesserung der Kriseninterventionsmaßnahmen nach kritischen Ereignissen in humanitären und militärischen Einsätzen der Bundeswehr weiterentwickelt. Neben demografischen und einsatzbezogenen Daten erfasst dieses Messinstrument hauptsächlich das subjektive Erleben des belastenden Ereignisses und ob in der Vergangenheit schon ähnliche Erfahrungen gemacht wurden. Das Verfahren wurde mittlerweile komplett validiert und hat auch neue Items dazugewonnen [8]. In dieser prospektiven Studie kam allerdings die ältere Version 2.1 zum Einsatz. Neben den Einzelitems kann ein Risikowert berechnet werden. Dieser Wert ist Ausdruck einer Kumulation von Risikofaktoren, die in einem Bedingungsgefüge stehen, und ergibt sich aus der Summenbildung verschiedener Einzelitems. Die Posttraumatic Symptom Scale (PTSS-10) ist ein vielfach eingesetztes Screeninginstrument zur Erfassung von Stressbelastungen und PTBS nach dem Konzept des Diagnostischen und Statistischen Manuals Psychischer Störungen (DSM-III). Zur Messung von peritraumatischen Dissoziationen wie Konfusion, Störungen in der Zeitwahrnehmung, Depersonalisations- und Derealisationsgefühle während des Ereignisses, wurde der Peritraumatic Dissociative Experience Questionnaire (PDEQ) eingesetzt [9]. Die revidierte Form der Impact of Event-Scala (IES-R) ist geteilt in drei Subskalen: Intrusionen, Vermeidung und Übererregung. Sie untersucht damit die drei Symptomcluster der PTBS. Aus einer Schätzformel (Regressionsgleichung) kann aus den drei Subskalen ein PTBS-Diagnoseprognosewert berechnet werden [10]. Die subjektiv empfundene Beeinträchtigung durch körperliche und psychische Symptome einer Person innerhalb der letzten sieben Tage misst die Symptom-Checkliste (SCL-90).
Durchführung
Die Fragebögen wurden freiwillig im Rahmen einer psychologischen Krisenintervention, die der Psychologische Dienst der Bundeswehr durchführte, ausgefüllt, nachdem die betroffenen Soldaten wieder in Deutschland waren. Das Ausfüllen der Fragebögen dauerte maximal 30 Minuten. Zwischen dem terroristischen Anschlag auf den Bundeswehrbus in Afghanistan und der Teilnahme an den Testverfahren lagen somit sechs Wochen. Es war kein Ethikvotum erforderlich, da es sich bei der Betreuungsmaßnahme und Exploration um eine routinemäßige Intervention des Psychologischen Dienstes der Bundeswehr nach einem kritischen Ereignis handelte.
Statistische Analyse
Für die erhobenen Werte liegt keine Vergleichsstichprobe vor. Als unabhängige beziehungsweise erklärende Variablen (Prädiktoren) dienen Einzelitems des KRI und als abhängige Variablen wurden die Summenwerte des PTSS-10, PDEQ, IES-R und SCL-90 definiert. Die hinreichende Normalverteilung der Werte wurde durch den Kolmogorov-Smirnov-Anpassungstest bestätigt. Es wurden die Korrelationskoeffizienten nach Pearson ausschließlich einseitig berechnet. Zur Auswertung und Analyse der Daten wurde das Programm SPSS 21.0 verwendet.
Ergebnisse
Unter den demografischen Angaben im KRI korrelierten der Familienstand (r = 0,63, p < 0,05) und der Dienstgrad (r = 0,76, p < 0,01) mit dem Alter. Ältere Probanden (r = 0,55, p < 0,05) und Soldaten aus höheren Dienstgradgruppen (r = 0,53, p < 0,01) gaben auch signifikant mehr belastende Erlebnisse an (Einzelitem KRI).
Für das KRI-Item „Standen Sie vor dem Einsatz durch sonstige Lebensumstände unter Stress?“ ergaben sich für fast alle Gesamtscores der einzelnen Fragebögen hochsignifikante positive Korrelationen, die in Tabelle 1 aufgeführt sind.
Am höchsten fielen diese für den IES-R aus, während auch seine Subskalen Intrusion (r = 0,76, p < 0,01) und Hyperarousal (r = 0,61, p < 0,05), sowie der errechnete PTBS-Diagnosevorhersagewert des IES-R (r = 0,64, p < 0,01) positiv korrelieren. Auch für das KRI-Item „Fällt es Ihnen schwer offen über das Erlebnis zu berichten?“ konnten signifikante Ergebnisse berechnet werden (Tab. 1). Zuletzt sollte bezüglich der Gesamtscores die Einschätzung der Belastung durch den Einsatz insgesamt betrachtet werden (Einzelitem KRI, Tab. 1). Soldaten, die den Einsatz als stark belastend empfanden, erreichten auch höhere Werte beim PTSS-10 und beim IES-R. Die aussagekräftigste Korrelation ergab sich jedoch für den PTBS-Prognosewert des IES-R (r = 0,66, p < 0,01). Die Belastung des Einsatzes insgesamt wurde auch höher eingeschätzt, wenn der Proband fest liiert war (r = 0,85, p < 0,01), einer höheren Dienstgradgruppe angehörte (r = 0,88, p < 0,01) oder mit höherem Alter im Einsatz war (r = 0,72, p < 0,01).
Diskussion
Die Ergebnisse dieser Studie lassen erkennen, dass psychische Belastungen vor einem Auslandseinsatz einen erheblichen Einfluss auf die mögliche PTBS-Symptomatik nach einem einsatzbedingten traumatischen Ereignis haben können. Je höher die hier untersuchten Bundeswehrsoldaten vor dem Einsatz gestresst oder belastet waren, desto höher war auch die Wahrscheinlichkeit, nach einem kritischen Ereignis, hier der terroristische Bombenanschlag auf einen Bundeswehrbus, eine psychische Traumasymptomatik zu entwickeln. Die Symptomatik war ebenfalls verstärkt, wenn es den betroffenen Soldaten schwerfiel, über das kritische Ereignis zu sprechen. Der Einfluss des offenen Sprechens über das Ereignis weist auf den hohen Stellenwert sozialer Unterstützung sowie etwaiger Stigmatisierungsängste hin, die in weiteren Studien analysiert werden sollten. Das Alter der untersuchten Soldaten und höhere Dienstgrade scheinen ebenfalls einen Einfluss auf die Höhe der erlebten Einsatzbelastungen zu haben. Interessant ist weiterhin, dass in dieser Stichprobe die verheirateten oder liierten Soldaten den Einsatz insgesamt als belastender wahrgenommen hatten, als die nicht liierten.
Eine Untersuchung des prädiktiven Wertes des KRI bei einer so homogen traumatisierten Gruppe von Soldaten wurde bislang nicht vorgenommen. Übereinstimmungen mit der Studie von Dunker [8] sind aber gerade bei den Korrelationen mit den Gesamtscores der verwendeten Messinstrumente auszumachen. Eine weitere groß angelegte Studie über deutsche Einsatzsoldaten hat gezeigt, dass zwei Drittel der betroffenen Bundeswehrsoldaten auch psychisch traumatisiert erneut in einen Auslandseinsatz gehen [2]. Außerdem wurden Zusammenhänge zwischen einer einsatzbedingten Störung (insbesondere der PTBS) und psychischen Vorerkrankungen bei Bundeswehrsoldaten gefunden. Es wird vermutet, dass insgesamt 20 % aller Einsatzsoldaten schon vor dem Einsatz psychopathologisch auffällig sind [2]. Diese Tendenzen spiegeln sich ebenfalls in den Ergebnissen dieser prospektiven Studie wider. Vorbelastete Soldaten scheinen insgesamt psychisch vulnerabler zu sein und entwickeln nach kritischen Ereignissen eher eine traumaspezifische Symptomatik.
Auch der Einfluss des Alters auf die Belastbarkeit wurde in anderen Studien untersucht [11]. Ältere Polizeibeamte beispielsweise sind gestresster als jüngere Polizeibeamte. Die Stressresistenz sinkt im Alter. In und nach Polizeieinsätzen waren deutlich mehr psychische Symptome bei den älteren Beamten zu erkennen.
Auch in unserer Studie waren die älteren Soldaten im Einsatz subjektiv höheren Belastungen ausgesetzt als die jüngeren Soldaten. Es wurden von den älteren Soldaten auch deutlich mehr belastende Ereignisse angegeben. In einer anderen Studie mit einer umfangreichen Stichprobe aus Lehrkräften ging allerdings steigendes Lebensalter tendenziell mit einer Abnahme von Symptomen einher [12]. Der festgestellte Alterseffekt war dort jedoch nur gering. Gleichwohl können hier Überlegungen angestellt werden, ob bei speziellen Tätigkeiten der beruflichen Hochrisikopopulationen wie Soldaten oder Einsatzkräfte der Polizei Belastungen eher kumuliert werden und somit im Alter zu einer häufigeren psychischen Symptomatik führen. Warum Soldaten mit höherem Dienstgrad und liierte Soldaten insgesamt belasteter waren, müssen weitere Studien zeigen.
Im Oktober 2012 wurde vom Generalinspekteur der Bundeswehr ein Konzept erlassen, indem ein umfassenderes Screening der psychischen Fitness deutscher Soldaten vorgesehen ist [13]. Eine Arbeitsgruppe des Bundesministeriums der Verteidigung ist dabei, dieses Konzept für die Praxis umzusetzen. Das Screening der psychischen Fitness bildet die Basis, um bei Bedarf frühzeitig, zielorientiert und vor dem Auslandseinsatz präventive Maßnahmen zur Wiederherstellung, zum Erhalt und zur Steigerung der psychischen Fitness durchzuführen. Dass gezielte Trainingsmaßnahmen vor einem Einsatz präventiv gegenüber einsatzbedingten Störungen wirken können, wurde durch eine Pilotstudie an UN-Beobachtern bereits aufgezeigt [14]. So können beispielsweise nach den hier gefundenen Ergebnissen bei älteren oder vulnerablen Soldaten individuelle und intensivere präventive Trainingsmaßnahmen vor einem Auslandseinsatz durchgeführt werden (zum Beispiel CHARLY – computergestützte, interaktive truppenpsychologische Trainingsplattform).
Das psychologische Screening soll regelmäßig und anlassbezogen durch Truppenpsychologen erfolgen. Voraussetzung für ein valides Screening sind geeignete Messinstrumente, die die psychische Fitness eines Soldaten auch erfassen können. Dazu konnten in dieser Studie auch interessante Hinweise gefunden werden. Insgesamt scheinen die hier angewendeten psychometrischen Verfahren für ein psychologisches Screening durchaus geeignet zu sein.
Limitationen
Der wohl wichtigste limitierende Faktor dieser Studie ist der retrospektive Ansatz und die kleine Zahl der Stichprobe. Außerdem konnten keine klinischen Interviews durchgeführt werden. Die Einstufung der Vorbelastung basiert ausschließlich auf der Grundlage eines Items des KRI und bedarf der Bestätigung durch detaillierte Erhebungen.
Schlussfolgerungen
Vorbelastete Bundeswehrsoldaten scheinen ein höheres Risiko zu besitzen, nach einem Trauma im Auslandseinsatz unter psychischen und körperlichen Symptomen zu leiden. Dabei wirkt sich der Stress vor dem Einsatz möglicherweise bereits schwächend auf die psychische Stabilität der Soldaten aus und verursacht somit letztlich eine Vulnerabilität für potenzielle psychische Störungen. Epidemiologische Studien und insbesondere die Auswertung der Einsatzerfahrungen aus Afghanistan haben zur Weiterentwicklung der Betreuung und Fürsorge bei Bundeswehrsoldaten angeregt [1, 2, 13]. Hier könnten und sollten unter anderem psychologische Screenings vor dem Einsatz Abhilfe schaffen, vorbelastete Soldaten zu identifizieren und gegebenenfalls präventiven Maßnahmen zuzuführen. Für dieses psychologische Screening müssen noch valide Messinstrumente gefunden werden und auch Langzeitstudien wären nötig.
Literatur
- Kowalski J, Hauffa R, Jacobs H, et al.: Deploymentrelated stress disorder in german soldiers: Utilization of psychiatric and psychotherapeutic treatment. Dtsch Arztebl Int 2012; 109 (35–36): 569 – 575.
- Wittchen HU, Schönfeld S, Kirschbaum C, et al.: Traumatic experiences and posttraumatic stress disorder in soldiers following deployment abroad: how big is he hidden problem? Dtsch Arztebl Int 2012; 109 (35–36): 559 – 568.
- Hoge CW, Castro CA, Messer SC, McGurk D, Cotting DI, Koffmann RL: Combat Duty in Iraq and Afghanistan, mental health problems, and barriers to care. N Engl J Med 2004; 351: 13 – 22.
- Seal KH, Metzler TJ, Gima KS, Bertenthal D, Maguen S, Marmar C: Trends and risk factors for mental health diagnoses among Iraq and Afghanistan veterans using Department of Veterans Affairs health care, 2002–2008. Am J Public Health 2009; 99 (9): 1651 – 1658.
- Ungerer J, Zimmermann P: Psychotraumatologie. In: Neitzel C und Ladehoff C (Hrsg.): Taktische Medizin: Notfallmedizin und Einsatzmedizin. Berlin: Springer-Verlag 2012; 267 – 276.
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- Regehr C, LeBlanc V, Jelley RB, Barath I, Daciuk J: Previous trauma exposure and PTSD symptoms as predictors of subjective and biological response to stress. Can J Psychiatry 2007; 52 (10): 675 – 683.
- Dunker S: Prognose und Verlauf der Posttraumatischen Belastungsstörung bei Soldaten der Bundeswehr. Längsschnittstudie zur Neuvalidierung des Kölner-Risiko-Index (KRI-Bw). Inauguraldissertation, Uni Köln 2009.
- Maercker A: Unveröffentlichtes Manuskript. TU Dresden, Dresden 1994.
- Maercker A, Schützwohl M: Erfassung von psychischen Belastungssfolgen: Die Impact of Event Skala-revidierte Version. Diagnostica 1998; 44: 130 – 141.
- Jain A, Stephan E: Stress im Streifendienst: Wie belastet sind Polizeibeamte. Logos Verlag, Berlin 2000.
- Wegner R, Szadkowski D, Baur X: Zum Einfluss des Lebensalters auf die Ergebnisse des Maslach-Burnout-Inventars (MBI) bei berufstätigen mit vorwiegend psychomentalen Belastungen. Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin 2003; 38 (3): 127
- Rahmenkonzept Erhalt und Steigerung der psychischen Fitness von Soldaten und Soldatinnen (Konz ErhSteigPsychFit); BMVg – Generalinspekteur – vom 31.10.2013.
- Böhme J, Ungerer J, Klein R, Jacobsen Th, Zimmermann P, Kowalski J: Psychische Ressourcenstärkung bei VN-Beobachtern zur Prävention einsatzbedingter psychischer Störungen – eine Pilotstudie. Wehrmed Monatsschr 2011; 10: 231 – 234.
Datum: 25.09.2013
Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2013/8-9