Aktuelle militärpsychiatrische und -psychologische Forschung in der Bundeswehr
Aus dem Bundeswehrkrankenhaus Berlin¹ (Chefarzt: Flottenarzt Dr. K. Reuter), dem Streitkräfteamt, Bonn² (Amtschef: Generalmajor W. Weisenburger), dem Bundeswehrkrankenhaus Hamburg³ (Chefarzt: Generalarzt Dr. J. Hoitz) und der Charité Universitätsmedizin, Berlin⁴ (Ärztlicher Direktor: Professor Dr. U. Frei)
Heinrich Rau¹, Jens T. Kowalski², Michael Stein², Helge Höllmer³, Stefan Siegel⁴, Gerd-Dieter Willmund¹
WMM, 60. Jahrgang (Ausgabe 1/2016; S. 15-18)
Zusammenfassung
Im Zuge der Strukturreform der Bundeswehr hat in den letzten Jahren auch die Forschungslandschaft im Bereich der Militärpsychiatrie und -psychologie einen erheblichen Wandel durchgemacht. Die Aufgabenfelder des Psychologischen Dienstes und des Sanitätsdienstes der Bundeswehr weisen dabei einerseits unterschiedliche Ausrichtungen und Schwerpunkte auf, andererseits hat sich aber mehr und mehr das interdisziplinäre Zusammenwirken sowohl im Sinne der Prävention als auch der Behandlung als zielführend erwiesen.
Ziel dieses Beitrags ist es, am Beispiel aktueller Forschungsprojekte die daraus resultierenden Synergieeffekte deutlich zu machen.
Schlüsselwörter: Bundeswehr, Militärpsychologie, Militärpsychiatrie, Forschung
Keywords: Bundeswehr, military psychology, military psychiatry, research
Einleitung
Die Forschungslandschaft innerhalb der Bundeswehr hat sich im Bereich der Militärpsychiatrie und -psychologie in den letzten Jahren wesentlich verändert. So wurde im Bereich des Sanitätsdienstes im Mai 2010 am Bundeswehrkrankenhaus (BwKrhs) Berlin das Psychotraumzentrum (PTZ) gegründet, in welchem schwerpunktmäßig zur Erkennung und Behandlung von psychischen Einsatzfolgeschäden geforscht wird. Der Psychologische Dienst der Bundeswehr (PsychDstBw) hat mit der Umgliederung des Streitkräfteamtes (SKA) in der Gruppe Wehrpsychologie (ab 2016: Gruppe Angewandte Militärpsychologie und Forschung) ein Dezernat Militärpsychologische Forschung (MilPsychForschung) etabliert. Seit November 2014 werden hier militärpsychologische Forschungsprojekte mit Schwerpunkt truppen- und präventionspsychologischer Fragestellungen durchgeführt. Ein weiterer wichtiger Beitrag zur klinischen Forschung wird durch die Fachabteilungen für Psychia-trie und Psychotherapie an den Bundeswehrkrankenhäusern geleistet. Ein Beispiel hierfür ist das Zentrum für Seelische Gesundheit (ZfSG) am BwKrhs Hamburg. Dieses interdisziplinäre Kompetenzzentrum hat sich in den letzten Jahren als Folge der Einsatzszenarien vermehrt mit einsatzbedingten Traumafolgestörungen und deren klinischer Begleitforschung beschäftigt.
Aufgrund der gemeinsame Aufgabe und der Überschneidungen zwischen Prävention und Behandlung von psychischen Er-krankungen besteht zwischen allen Einrichtungen eine enge Forschungskooperation in Form von gemeinsamen Projekten. Zum besseren Verständnis der jeweiligen Ausrichtungen und Schwerpunkte werden im Folgenden exemplarisch einige aktuelle Studien dieser Einrichtungen vorgestellt.
Projekte des Psychologischen Dienstes der Bundeswehr
Jens T. Kowalski, Michael Stein
Das Projekt „Gesunder Schlaf“ ist ein Verbundforschungsprojekt mit dem Kompetenzzentrum Schlafmedizin der Charité Universitätsmedizin Berlin (Leiterin: Prof. Dr. H. Danker-Hopfe). Wie Studien zeigen, gehören Schlafstörungen zu den häufigsten Beschwerden in der deutschen Bevölkerung. Etwa 25 % der Erwachsenen leiden darunter [1]. Auch unter Soldatinnen und Soldaten erleben zahlreiche Betroffene ihren Schlaf als nicht erholsam. Eine aktuelle Untersuchung ergab, dass zwischen 17 % und 41 % der untersuchten Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, unabhängig von einem Einsatz, unter schlechtem Schlaf leiden [2]. Den Teilnehmenden an der Studie „Gesunder Schlaf“ werden Selbsthilfemaßnahmen vermittelt, die es ihnen er-möglichen, ihren Schlaf und die eigene Schlafqualität zu verbessern. In der Evaluationsstudie soll die Effektivität und -Akzeptanz dieses auf der kognitiven Verhaltenstherapie basierenden, nicht-medikamentösen Schaftrainings [3] untersucht werden.
Das zweite Forschungsprojekt beschäftigt sich mit dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg). BGM ist ein umfassender Präventionsansatz, der im Rahmen der Umsetzung der Agenda „Bundeswehr in Führung – Aktiv. Attraktiv. Anders.“ entwickelt und implementiert wird [4]. In einem Pilotprojekt wurden dazu an elf Standorten der Bundeswehr unter anderem Maßnahmen in den Bereichen „Stressbewältigung“ und „Gesunder Schlaf“ entwickelt und erprobt. Das Dezernat MilPsychForschung untersuchte im Rahmen dieses Verbundforschungsprojektes, an dem neben den Universitäten der Bundeswehr in Hamburg und München auch zivile Hochschulen beteiligt sind, welcher Bedarf überhaupt in der Bundeswehr in Bezug auf betriebliche Gesundheitsförderung besteht. Basierend auf den Theorien des „Planned Behavior“ und des „Health Action Process Approach“ (HAPA-Modell) [5] wird versucht, Faktoren zu identifizieren, mit denen die erfolgreiche Teilnahme an den Maßnahmen vorhergesagt werden kann sowie Bar-rieren zu erkennen, die eine Inanspruchnahme verhindern.
Das dritte Projekt CHARLY (Chaos Driven Situations Management Retrieval System) basiert auf einer mit dem PTZ des -BwKrhs Berlin erfolgreich durchgeführten Kooperationsstudie, in der die Effektivität eines computerbasierten Trainingstools (multimediale Lernplattform) im Rahmen des psychologischen Einsatzvorbereitungstrainings erfolgreich untersucht wurde. In einer Längsschnittstudie konnte der traumapräventive Effekt an einer Stichprobe von Soldaten des Kommando Schnelle Einsatzkräfte Sanitätsdienst (Kdo SES) gezeigt werden, deren Ergebnisse in diesem Heft vorgestellt werden. Ziel der aktuellen Folgestudie ist es nun, eine lernpsychologisch fundierte und auf den Erkenntnissen der ersten CHARLY-Studie basierende mobile Anwendungsapplikation (Mobile-App) zur selbstgesteuerten Anwendung zu entwickeln und zu erproben. Neben der Umsetzung der im angeleiteten Training bewährten Elemente des „serious gaming“, der Psychoedukation und verhaltenstheoretisch basierter Selbstmanagementtechniken (Entspannung, Imagination, Gedankenstopp) wird ein neuer Biofeedbackparameter [6] hinsichtlich seiner Validität für die psychische Fitness untersucht.
Projekte des Zentrums für Seelische Gesundheit des BwKrhs Hamburg
Helge Höllmer
Am Anfang stand die klinische Erfahrung von „gefühlt“ unterschiedlichen Patienten mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und die klinisch unzureichende Differenzierung und Behandlung von Schlafstörungen und Albträumen. Ziel ist es hierbei letztendlich, ein differenzierteres Behandlungskonzept für einsatzbedingte Traumafolgestörungen bei Soldaten zu entwickeln.
Ein Forschungsschwerpunkt liegt hierbei auf der spezifischen Differenzierung der unterschiedlichen Symptommuster bei der PTBS mit dem Ziel, Subtypen zu erfassen und in Hinblick auf das therapeutische Vorgehen zu beschreiben, wobei der im -DSM-5 beschriebene dissoziative Subtyp [7 - 12] klinisch nur eine Form der PTBS zu sein scheint. Unter Betrachtung der drei Hauptsymptome Intrusion, Vermeidung und Hyperarousal der PTBS konnten schon von anderen Forschern Subtypen gefunden [13, 14] und in unseren Stichproben letztendlich drei unterschiedliche Subtypen identifiziert werden. Hier zeichnet sich beispielsweise eines der gefundenen Symptomcluster vor allem durch ein sehr starkes Vermeidungsverhalten aus, was intensiver beforscht wurde, um auch hier eine weitere Differenzierung dieses Vermeidungsverhaltens zu erreichen. Die gefundenen Subtypen werden derzeit im Rahmen von Qualifizierungsarbeiten in Bezug auf unterschiedliche Persönlichkeitsstrukturen und strukturelle hirnmorphologische Unterschiede weiter untersucht.
Als weiteres klinisches Problemfeld wurde die unzureichende Erfassung und Differenzierung von Schlafstörungen bei psychia-trischen Patienten insgesamt und insbesondere bei Traumafolgestörungen identifiziert. Dabei zählen Schlafstörungen ohnehin zu den häufigsten gesundheitlichen Beeinträchtigungen [15]. Die amerikanische Fachgesellschaft für Schlafstörungen (American Sleep Disorders Association, ICSD-2 [16]) unterscheidet dabei über 90 verschiedene Typen von Schlafstörungen [17]. Grob lassen sich die psychiatrischen Schlafstörungen Insomnien (Schlaflosigkeit), Hypersomnien (Schläfrigkeit), Parasomnien (Schlafwandeln, Alpträume, usw.) und Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen (Schichtarbeit, Jet Lag, usw.) voneinander abgrenzen [18]. Der überwiegende Teil der Forschung in Bezug auf Schlafstörungen innerhalb militärischer Strukturen kommt aus den USA [19, 20], deutsche Daten fehlen hier. Ein weiteres Problem ist, dass keiner der schon bestehenden Fragebögen ausschließlich nicht-organische Störungen erfasst oder umfassend die Bereiche Insomnie, Hypersomnie und Schlaf-Wach-Rhythmus-Störung abdeckt. In den meisten wird nur ein kleiner Bereich behandelt und der Fokus liegt häufig auf der Schlafqualität (beispielsweise der Pittsburgh Schlafqualitätsindex – PSQI) und nicht den Kriterien zur Differenzierung der Störungen. Darüber hinaus bestehen die Instrumente oft nur aus sehr wenigen Items. Außerdem sind für viele dieser Fragebögen – besonders für die deutschen Versionen – keine Werte über die Güte der Instrumente zugänglich/vorhanden. Um diese Lücke zu schließen, wurde ein eigener Fragebogen, der Hamburger Schlaffragebogen (HSFB/MIL), als Instrument zur Beurteilung von nichtorganischen Schlafstörungen durch das ZfSG am BwKrhs Hamburg entwickelt, der mittlerweile in der dritten Version vorliegt.Ein weiteres bekanntes Phänomen bei Traumafolgestörungen sind Albträume. Hierbei klassifiziert die „International Classification of Sleep Disorders“ (ICSD-2) nächtliche Albträume in der Untergruppe „Parasomnias usually associated with REM sleep“ der Gruppe der Parasomnien. Laut NIELSEN und -LEVIN [21] werden symptomatische Alpträume als Träume definiert, die im Vergleich zu idiopathischen Albträumen einen Bezug zu einem tatsächlich erlebten traumatischen Ereignis aufweisen, wobei eine inhaltliche Abweichung möglich ist. Auffällig ist jedoch, dass posttraumatische Albträume zum Teil auch außerhalb der REM-Schlafphase auftreten und hierbei oftmals in der zweiten Schlafphase zu erkennen sind. DAVIS [22] beschreibt, dass sogar rund 84 % an Albträumen im Non-REM-Schlaf auftreten, wovon 50 % im Schlafstadium 2 zu beobachten sind. Unter Berücksichtigung verschiedener Studien liegt die Prävalenz von Albträumen bei PTBS bei 50 % bis 70 % [23]. So lag es nahe, auch hierfür einen eigenen Fragebogen zu ent-wickeln, der nun „Hamburger Albtraumfragebogen für militärisches Personal“ (HAFB/MIL) heißt. Derzeitig werden mit Hilfe der Polysomnographiediagnostik weitere Differenzierungen untersucht. Auch werden die Fragebögen mithilfe von mobilen Langzeit-EEG`s und Aktographie (Polysomnographie mit Somnowatch™) derzeit validiert.
Projekte des Psychotraumazentrums der Bundeswehr des BwKrhs Berlin
Heinrich Rau, Stefan Siegel
Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr sind im Arbeitsalltag und insbesondere in Einsätzen besonderen körperlichen und seelischen Belastungen ausgesetzt. Etwa 20 % der aus einem Auslandseinsatz zurückkehrenden Soldatinnen und Soldaten erfüllen die Diagnosekriterien einer psychischen Störung, etwa 3 % die Kriterien einer PTBS [24]. -Dennoch hat nur knapp die Hälfte der Betroffenen professionelle Hilfe aufgesucht, und nur 18 % dieser Gruppe befindet sich tatsächlich in fachlicher Behandlung. Die Gründe hierfür könnten einerseits kontextueller Natur sein, etwa als unpassend empfundene Angebote oder auch Engpässe des Versorgungssystems. Andererseits ist auch denkbar, dass individuelle Faktoren einer Rolle spielen. So können Schamgefühle, Stigmatisierung und krankheitsbedingte Beeinträchtigungen dazu führen, dass Betroffene keine Hilfe in Anspruch nehmen [25, 26]. Auch Therapiestudien zeigen, dass es hinsichtlich der Behandlung von Soldaten mit PTBS noch Optimierungsbedarf gibt [27]. Vor diesem Hintergrund erforscht das PTZ in einem Pilotprojekt die Eignung einer Online-Therapieform für die PTBS. Die Wirksamkeit von Onlinetherapie bei PTBS ist generell gut belegt [28, 29]. Internetbasierte Psychotherapie kann Versorgungshürden begegnen, indem sie direkt am täglichen Lebensumfeld der Betroffenen ansetzt. Sie bietet niederschwellige Unterstützung durch qualifizierte Therapeut(inn)en an und adressiert insbesondere diejenigen Betroffenen, die einer konventionellen Psychotherapie mit Vorbehalten gegenüberstehen. Auf zahlreichen empirischen Forschungsergebnissen und insbesondere Vorarbeiten der Arbeitsgruppe Klinische Psychologie an der Freien Universität Berlin (Prof. Dr. C. Knaevelsrud) aufbauend können Soldatinnen und Soldaten mit einer PTBS ab Frühjahr 2016 im Rahmen einer kontrollierten Therapiestudie mit einer -Onlinetherapie behandelt werden. Die Behandlung ist verhaltenstherapeutisch ausgerichtet und umfasst elf „Sitzungen“, in denen gut wirksame Expositionsverfahren und kognitive Therapien zum Einsatz kommen. Die Behandlung wird von erfahrenen approbierten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten durchgeführt und mit etablierten Instrumenten begleitet und wissenschaftlich evaluiert.
Es ist aus anderen Ländern bekannt, dass die Prävalenzraten psychischer Erkrankungen bei Soldatinnen und Soldaten nach Auslandseinsatz mit den Jahren kontinuierlich steigen, während die Raten allgemeiner Erkrankungen stabil bleiben [30]. Dies gilt in besonderem Maße für Traumafolgestörungen. So fanden sich bei amerikanischen Soldatinnen und Soldaten Anstiege bei der PTBS von 3 % (2003) über 10 % (2005) auf 20 % (2008) [31]. Eine nicht unerhebliche Zahl der Betroffenen entwickelt das Vollbild einer PTBS dabei erst nach Entlassung aus dem aktiven Militärdienst [32, 33]. Gleichzeitig wurde bei aktiven deutschen Soldatinnen und Soldaten, im internationalen Kontext sowie auch bei ehemaligen Soldaten häufig eine Vermeidung von Kontakten zu professionellen Hilfeanbietern festgestellt [24, 34, 35]. In anderen Ländern, etwa den USA, Großbritannien oder den Niederlanden, wird die Versorgung ehemaliger Soldatinnen und Soldaten (Veteranen) von spezialisierten Gesundheitseinrichtungen (in den USA zum Beispiel durch das Department of Veterans Affairs, VA) übernommen. In Deutschland sind Veteranen im Bedarfsfall auf die Nutzung des zivilen Sozial- und Gesundheitssystems angewiesen. Der überwiegende Teil der Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen in der zivilen Versorgung hat jedoch mit dieser Klientel kaum Erfahrung und hält kein spezifisches Versorgungsangebot bereit. Genauere empirische Untersuchungen im deutschsprachigen Raum hierzu fehlen vollständig. Über die Gründe, weshalb vorhandene Angebote in Anspruch genommen werden oder nicht, kann also bisher nur spekuliert werden. Auch zu den konkreten Faktoren, wie sich die deutschen Rahmenbedingungen der Versorgung, insbesondere der Wechsel vom militärischen ins zivile System, auf die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen auswirken, gibt es unseres Wissens bisher keine wissenschaft-lichen Untersuchungen. Diese versorgungsrelevante Wissenslücke soll in den nächsten drei Jahren mit einem Kooperationsprojekt zur Versorgungsforschung zwischen dem PTZ des -BwKrhs Berlin (Oberstarzt Priv.-Doz. Dr. Zimmermann) und der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Campus Charité Mitte der Charité Universitätsmedizin Berlin (Prof. Dr. -Stroehle) geschlossen werden.
Im Forschungsprojekt GOTLAND-Studie soll der 13 Item umfassende Depressions-Screening-Fragebogen „The Gotland Scale for assessing male depression“ (kurz: Gotland-Skala) auf eine Beeinflussung durch verschiedene Faktoren untersucht werden. Hintergrund der Entstehung der Gotland-Skala war ein Aufklärungsprogramm für Allgemeinmediziner über Depres-sionen auf der namensgebenden Ostsee-Insel. Nach diesem Programm ging die Anzahl der Suizide spürbar zurück, was nach Analyse der Daten aber fast ausschließlich auf eine Reduktion der Suizide bei Frauen zurückzuführen war [36]. Männliche depressive Patienten hatten nicht davon profitiert, was damit erklärt wurde, dass Männer in erster Linie nicht die klassischen depressiven Symptome, wie niedergeschlagene Stimmung oder Antriebshemmung, sondern eher „männliche“ -Symptome, wie verstärkten Substanzkonsum, gesteigerte Aktivität bei Arbeit und Sport oder Aggressivität, zeigen und deshalb durch vorhandene Screening-Instrumente nicht als Erkrankte erkannt wurden. Solche Symptome wurden in die anschließend konzipierte Gotland-Skala aufgenommen [37]. In einigen Studien wurde die Gotland-Skala bereits auf ihre Verwendung als Screening-Instrument hin untersucht [38 - 40], so dass hier im Kern der Frage nachgegangen werden soll, ob es zwischen militärischen und zivilen Patientinnen und Patienten hinsichtlich der Ausprägung depressiver Symptome, wie sie in der Gotland-Skala erfasst werden, Unterschiede gibt. Hierzu sollen die Daten von 50 militärischen mit denen von 50 zivilen Patienten verglichen werden, wobei sich beide Kohorten aus ambulanten und stationären Patienten zusammensetzen. Die Patienten werden im BwKrhs Berlin und dem Asklepios Fachklinikum Brandenburg rekrutiert, nachdem bei ihnen klinisch erstmals eine depressive Episode beziehungsweise eine Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion diagnostiziert wurde. Mit diesem und anderen ähnlichen Projekten soll die Früherkennung von psychischen Erkrankungen bei Soldaten durch Screening-Instrumente verbessert werden. Durch eine frühzeitigere Intervention könnten chronische Verläufe von Erkrankungen verhindert werden.
Ein wesentlicher Schwerpunkt, welcher die meisten aktuellen Forschungsprojekte des PTZ untereinander verbindet, sind „persönliche Werte“ [41]. Hierbei stehen zum einen die Erforschung der Veränderung von persönlichen Werten durch die Partizipation an Auslandseinsätzen der Bundeswehr oder durch die Teilnahme an Therapien sowie zum anderen der Einfluss von Werten auf Prävalenz [42] und Therapie von psychischen Erkrankungen [43] im Mittelpunkt. Zimmermann et al. stellen die Ergebnisse einer ersten Untersuchung in dieser Ausgabe vor. Aufbauend auf diesen Forschungen haben Werte als therapeutische Einflussgröße schon Eingang in verschiedenste Therapieformen gefunden. So wird zum Beispiel im Rahmen der stationären Traumagruppen, in Kooperation mit dem Seelsorgeprojekt, ein „Moral Day“ durchgeführt. Darüber hinaus wird im Rahmen der ambulanten störungsübergreifenden Gruppentherapie ACT (Acceptance and Commitment Therapy) [44] wert-orientiertes Handeln der Patienten gestärkt.
Fazit
Die Bedeutung der psychischen Gesundheit von Soldaten und Soldatinnen ist in den letzten Jahren mehr und mehr ins Blickfeld der Öffentlichkeit und der Streitkräfte gerückt. Da Ergebnisse der zivilen Forschung nicht immer unmittelbar auf die Gruppe der Soldaten übertragen werden können, wurden hier deutliche Anstrengungen unternommen, um eine leistungsfähige Forschung durchführen zu können. Erste gute Ergebnissen konnten bereits erzielt werden, an vielen Stellen stehen wichtige Projekte jedoch erst am Anfang und wir dürfen für die kommenden Jahre weiterhin spannende Resultate erwarten. Auch weiterhin werden die Einrichtungen der Bundeswehr dafür sowohl untereinander als auch mit zivilen Verbundpartnern im Interesse unserer Soldaten eng zusammenarbeiten, um Prävention und Behandlung unserer Soldaten und Soldatinnen zu verbessern.
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Datum: 21.01.2016
Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2016/1