Vom Studenten zum Assistenzarzt

Erwartungen Befürchtungen und Erfahrungen eines Berufseinsteigers

Nach insgesamt sechs Jahren Studium in Ham­burg begann nach einer kurzen, fünf­wöchigen Truppenarztzeit im damaligen Sanitätszentrum Hamburg an der Führungsakademie und anschließender Postuniversitäre-Modularer-Ausbildung (PUMA) am 6. April 2015 meinen erster Tag am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg als Assistenzarzt.

Auch wenn ich das Krankenhaus und viele der Mitarbeiter durch das Studium und zahlreiche Famulaturen sowie PJ-Ter­tiale bereits gut kannte, startete ich aufgeregt mit vielen Erwartungen und auch Befürchtungen meinen Dienst. Was genau mich erwarten würde konnte ich nicht sagen. Viel hatte ich bereits von Kameraden der vorherigen Jahrgänge gehört. Einige waren enttäuscht, viele berichteten jedoch Positives.

Als Weiterbildungsassistent in der Allgemeinmedizin war in meinem Rotationsplan zur Facharztausbildung am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg vorerst ein 18-monatiger Aufenthalt in der Inneren Medizin vereinbart worden. Da ich diese Abteilung bereits durch eines meiner PJ-Tertiale kannte, hatte ich den Wunsch auf der Gastroenterologie zu arbeiten, da es mir dort sehr gut gefallen hatte. Im Vorfeld versuchte ich dies auch mit dem zuständigen Oberarzt zu kommunizieren.

Erwartungsgemäß begann der Tag mit der obligatorischen Abarbeitung des Laufzettels, welches sich jedoch auf Grund von nicht anwesenden oder im Urlaub befindlichen Mitarbeitern etwas schwierig darstellte. Nach Einkleidung, Rechnungsführer, DV-Abteilung etc. stand für mich der wichtigste Punkt auf dem Laufzettel, die Vorstellung beim leitenden Oberarzt der Abteilung. Hier sollte mir eine Station zugeteilt und in einem ersten Gespräch meine Erwartungen und Stärken erörtert werden. Zugeteilt wurde ich allerdings nicht auf die von mir gewünschte Station, sondern auf die Onkologie, eine Station, die auf meinem Wunschzettel ganz unten gestanden hatte. Wie ich erfuhr hatte eine Kameradin den Platz auf der anderen Station bekommen. Von Erfahrungen der Kameraden aus den Vorjahren wurde ich im Vorfeld gewarnt, dass dies passieren könne. Bereits nach einem halben Tag wurde also meine erste Erwartung nicht erfüllt und ich stellte mir die Frage was wohl die Ausbildung auf einer Onkologie für mich als angehender Allgemeinmediziner bringen könnte. In meinen Augen und der kurzen Erfahrung als Truppenarzt wäre eine gastroenterologische oder kardiopulmonologische Komponente doch viel wichtiger. Enttäuscht und nun mit noch mehr Befürchtungen im Gepäck ging es nun auf die besagte Station zur Vorstellung im Team und bei der Pflege. Von der Oberärztin sehr nett aufgenommen und am ersten Tag bereits mit vielen Informationen und Aufgaben beladen beendete ich erschöpft, aber nicht wirklich glücklich meinen ersten Arbeitstag.

Am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg gibt es ein gut ausgearbeitetes Einarbeitungssystem, welches den Einstieg für Berufsanfänger vereinfachen soll. Dazu gehören unter anderem Einführungstage. Verpflichtend für jeden Neuling im Haus werden hier grundlegende, stationsübergreifende Regeln, Aufgaben, Aufträge und Abläufe erläutert. Hier hatte ich bereits im Vorfeld keinerlei Befürchtungen, dass etwas schief gehen könnte, meine Erwartungen bezüglich der Einarbeitung in das Haus wurden vollends erfüllt. Alle Mitarbeiter waren äußerst freundlich und zuvorkommend. Neben den administrativen, unumgänglichen Dingen, auf die man wenig Einfluss ausüben kann, waren meine größten Befürchtungen dem sozialen Aspekt geschuldet. Insbesondere was die Integration in ein gefestigtes, gut eingearbeitetes Stationsteam angeht. Ich stellte mir die Fragen, wie ich wohl in das Team aufgenommen werde, welche Rolle ich dort einnehmen kann und vor allem, ob ich respektiert werde. Zusätzlich stellte sich noch die Frage, ob die Pflege mich, als blutjungen Assistenzarzt, trotz ihres massiven Vorsprungs an Erfahrung ernst nehmen und respektieren würde. Anfangs zeigte sich dies folglich in der Tat schwierig. Die ersten zwei Wochen ging ich mit dem Gefühl nach Hause keinen Platz zu finden. Nach dem Studium fühlt man sich stark durch das Wissen, welches man angesammelt hat, das jetzt raus will, dennoch ist man plötzlich in der Hierarchie wieder das unterste Glied, darf und kann sicherlich auch nur wenig machen. Im Prinzip waren es hauptsächlich Aufgaben, die ich als bereits als Student im Praktischen Jahr gemacht habe. Aber ich wollte doch jetzt richtig loslegen, Arzt sein, Menschenleben retten.

Nach ca. zwei Wochen auf dieser Station wurde ich sehr überraschend, vom einen auf den anderen Tag, ohne vorher richtig gefragt zu werden von der Station, auf der ich gerade versuchte mir einen Platz zu erkämpfen, für drei Monate an den Fachbereich Tropenmedizin gesandt, um dort personelle Unterstützung zu leisten. Wieder vollkommen enttäuscht wechselte ich nun also in den Fachbereich Tropenmedizin, der am Bernhard-Nocht-Institut ausgelagert ist. Die drei Monate waren wider Erwarten spannend, lehrreich und von Menschen begleitet, die das Arbeiten zu einem Vergnügen machten. Auch wurde mir klar, dass gerade die Tropenmedizin für mich als angehenden Allgemeinmediziner mit dem Ausblick auf die kommenden Auslandseinsätze der Bundeswehr essentiell wichtig ist. Gestärkt und motiviert ging es nach drei Monaten mit denselben Befürchtungen und Fragen zurück auf die alte Station, um dort wieder von vorne anzufangen. Meine Rolle im Team fand ich nun ganz schnell, kleinere Konflikte wurden zum Teil mit Hilfe von Supervisoren geklärt und die Stimmung unter den Jungassistenten war sehr gut. Man traf sich privat und konnte die oft nicht einfachen und sehr belastenden Situationen des Stationsalltags zusammen gut bewältigen. Kameradschaft findet eben nicht nur in der Truppe, sondern auch im Krankenhaus statt. Insbesondere rückte jedoch nun wieder der fachliche Teil vermehrt in den Fokus. Wieder stellte sich mir die Frage, ob man als angehender Allgemeinmediziner auf einer onkologischen Station gut aufgehoben ist und ob ich die für meinen Facharzt laut Weiterbildungsordnung benötigten „Zahlen“ bei bestimmten Untersuchungsmethoden erreichen kann. Heute bin ich froh, dass ich auf dieser Station arbeiten kann. Das Verhältnis zu den Oberärzten, Altassistenten und Jungassistenten ist ausgezeichnet, das „Teaching“ ist häufig 1:1, sodass man fachlich, nicht nur zu onkologisch speziellen Themen, viel mitnehmen kann. Auch ergibt sich durch ein ausgefeiltes Rotationssystem die Möglichkeit genügend Untersuchungszahlen zu erwerben. Ergänzt wird die Lehre durch die vom Krankenhaus für alle Sanitätsoffiziere im ersten klinischen Abschnitt organisierte fachübergreifende Fortbildungsreihe „Common Trunk für Sanitäts­offizier“, die mich sicherlich viel für meine spätere Truppenarztzeit gelehrt hat. Abgerundet wird dieses Lehrangebot durch zusätzliche, abteilungsinterne Fortbildungen.

Nach einer sehr guten Einarbeitungszeit, inklusive Mentoring durch einen Altassistenten, standen als Nächstes die Bereitschaftsdienste für mich auf dem Plan. Zu der eh schon bestehenden Angst etwas falsch machen zu können und einem Patienten Schaden zuzufügen, kam nun auch noch die Angst dazu, dass niemand vor Ort ist, der dies schnell wieder retten könne. Im Dienst ist man, mit einem Oberarzt im Hintergrund, weitestgehend auf sich alleingestellt. Meine Befürchtungen waren, dass man mich eventuell überschätzen und ich etwas falsch machen würde, gepaart mit dem Gefühl irgendwie allein gelassen zu werden. Nach den ersten Diensten kann ich nun jedoch sagen, dass alle diese Befürchtungen nicht zutreffend waren. Im Gegenteil, aus meiner Erfahrung sind Bereitschaftsdienste zwar fordernd, im gleichen Schritt jedoch fördernd und bringen einen großen Lernerfolg mit sich. Auch ist es hier möglich sich zu bewähren und sein Wissen und die Art und Weise, wie man als Arzt mit dem Menschen umgeht, zu präsentieren. Damit geht eine Wertschätzung einher, durch die Patienten aber auch durch die Kollegen. Eine große Befürchtung war und ist sicherlich noch, nicht genügend Anerkennung, Respekt oder Wertschätzung zu erhalten. Für mich als junger Assistent ist die Erfüllung im Beruf derzeit die Anerkennung der Patienten. Besonders dann, wenn Patienten anrufen, oder auch erneut ins Krankenhaus kommen, nur um sich noch einmal persönlich zu bedanken. Dies ist für mich die Bestätigung dafür, dass ich genau das Richtige mache. Insbesondere ist es wichtig jeden Menschen mit Respekt zu behandeln und freundlich zu sein, gilt doch am Bundeswehrkrankenhaus die Losung „Achtung und Respekt“. Und da ist es auch egal gegenüber wem, sei es der Chefarzt, die Reinigungskraft, oder die Dame vom Bettenmanagement. Ein freundliches „Moin“ sollte immer möglich sein. Leider wissen das wohl noch nicht alle Kollegen.

Eine weitere Herausforderung war der Einsatz als Bundeswehrarzt in der Flüchtlingshilfe. Durch meine Erfahrungen als ehrenamtlich tätiger Arzt in einer Flüchtlingsunterkunft in Hamburg, die ich bereits im Sommer 2015 aufgenommen hatte, sowie aus der Untersuchung und Behandlung von minderjährigen, unbegleiteten Flüchtlingen im Fachbereich Tropenmedizin, war es mir möglich als Teil einer kleinen Planungsgruppe des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg mich am Aufbau und dem Betrieb einer ärztlichen Behandlungseinrichtung in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu beteiligen, die das Bundeswehrkrankenhaus seit dem Herbst 2015 in Amtshilfe betreibt. Nach der Planung und Umsetzung in kürzester Zeit, begann ich als erster Arzt den Dienst in der Unterkunft, ohne zu wissen, was genau auf mich zukommt. Respekt hatte ich insbesondere vor der Behandlung von Säuglingen und kleinen Kindern. Gerade was die Medikation bzw. auch das Erkennen von Notfällen angeht, bestand anfangs eine große Un­sicherheit. Nach kürzester Zeit mit Unterstützung von Kollegen und jeder Menge Literaturstudium legte sich diese Befürchtung jedoch und wurde im Gegenteil zu einer großen Freude und spannenden Herausforderung, die man als junger Arzt bei der Bundeswehr so sicherlich sonst nicht so schnell erhält.

Zusammenfassend kann ich nach knapp einem Jahr als Assistenzarzt sagen, dass sicherlich nicht alles so gekommen ist, wie ich es mir vorgestellt habe, und das auch einige meiner Befürchtungen wahr geworden sind, dies jedoch nicht schlecht sein muss. Im Gegenteil, denn mein Motto bei Bundeswehr ist, dass man sich auf die Dinge, die auf einen zukommen, einlassen muss. Der ganzen Entwicklung eine Chance geben, sodass es zu einer positiven Erfahrung wird und man damit glücklich werden kann. Tut man dies nicht und ist von vornherein nur negativ gestimmt, ist Unglücklichsein meines Erachtens bereits vorprogrammiert.

Datum: 13.04.2016

Quelle:

Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2016/1

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