Tracer-Diagnosen
Qualitätssicherung aus Routinedaten
Die Erarbeitung von Qualitätsinformationen aus Routinedaten liefern wesentliche Informationen über Krankheitsbilder, Prozeduren oder beliebige logische Kombinationen für das Krankenhausmanagement im Systemverbund der Bundeswehrkrankenhäuser und bieten gegenüber den gesetzlichen Qualitätsberichten deutliche Vorteile.
Am Beispiel der Einführung von „Tracern zur einsatzbezogenen fachlichen Ausbildung und Inübunghaltung des Sanitätspersonals“ wird der Nutzen ersichtlich. Ob als qualitative Marker für die Erfüllung bzw. Nichterfüllung des einsatzbezogenen Ausbildungsauftrages, als Kennzahlen im Sinne eines anzustrebenden Idealziels für Ausbildung- und Kompetenzerhalt, als Abbildung und Beschreibung essentieller Fertigkeiten im Fachgebiet oder als Definition von Fähigkeiten, deren Kompensation im Einsatz durch andere Fachgebiete oder durch Repatriierung problematisch wäre, bieten derartige Analysen neue Möglichkeiten der Qualitätssicherung aus Routinedaten für unterschiedlichste Problemstellungen.
Aufgrund des besonderen Auftrags der Bundeswehr mit ihren Bundeswehrkrankenhäusern im Spannungsfeld zwischen militärischen und zivilen Aufträgen, waren insbesondere im Bereich der Qualitätssicherung in den letzten Jahren besondere Anforderungen als Vorreiter bei der Auswertung und Publikation von Daten zur Ergebnisqualität der medizinischen Behandlung notwendig. Viele der derzeit laufenden Qualitätssicherungsverfahren waren und sind nicht immer hinreichend effizient und auf die Besonderheiten einer bundesweiten Einrichtung zugeschnitten.
So ist beispielhaft das Verfahren der „Kooperation für Transparenz und Qualität im Krankenhaus (KTQ)“ sehr stark von Elementen der Strukturqualität geprägt, und reicht für ein an medizinischen Zielen orientiertes Qualitätsmanagement nicht aus.
An dem von der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung (BQS) durchgeführten Verfahren nach § 137 SGB V nehmen selbstverständlich alle Bundeswehrkrankenhäuser teil. Problematisch ist, dass es sich aufgrund der länderspezifischen Auswertungen für ein bundesweit tätiges Unternehmen als äußerst schwierig erweist, zeitnah vergleichende Statistiken für die bestehenden Einrichtungen zu erhalten. Das Verfahren ist hierauf nicht ausgelegt und liefert daher für ein internes, bedarfsorientiertes Qualitätsmanagement nicht immer ausreichende und vor allem zeitgerechte Informationen.
Daher sollte aus Gründen der Ökonomie das Bemühen im Vordergrund stehen, aus den vorhandenen Routinedaten so viele Qualitätsinformationen wie möglich abzuleiten. Beispielhaft wird im Folgenden dargestellt wie die Abteilung C des Kdo SanDstBw beim Management des Systemverbundes der Bundeswehrkrankenhäuser durch die Einführung von „Tracern zur einsatzbezogenen fachlichen Ausbildung und Inübunghaltung des Sanitätspersonals“ verschiedene dieser Ziele intern und extern verfolgt.
Qualitätssicherung mit Routinedaten
Viele der Informationen, die in Qualitätssicherungsprogrammen oder in wissenschaftlichen Studien zur Analyse von bestimmten Parametern der Behandlungsqualität erfasst werden können, werden inzwischen auch in der routinemäßigen medizinischen Dokumentation erhoben. Mit der Einführung des DRG-Systems, mit den diagnose- und therapieorientierten Fallgruppen, gewinnen diese Daten eine neue Qualität: Die Vollständigkeit und Richtigkeit der Erfassung von Diagnosen, Operationen und nichtoperativen Prozeduren wird essentiell für eine korrekte Abrechnung der Krankenhausfälle. Interne Qualitätssicherungsprogramme bewirken, dass die Fehlerquote hier deutlich reduziert wird. Zusätzlich wird durch die externe Abrechnungsprüfung der Krankenkassen und des Medizinischen Dienstes die Richtigkeit der Kodierung verbessert.
Die in den EDV-Systemen erfassten Diagnosen und Prozeduren werden ergänzt durch teils obligate, teils optionale Zusatzinformationen. Alter, Geschlecht, Entlassungsgrund, Verlegungen, Verweildauer usw. müssen de facto immer erfasst werden. Je nach Ausbaustand der EDV stehen auch z. B. OP-Zeiten, teilweise auch Daten über Arzneimittel und Materialverbräuche zur Verfügung. Diese Daten können miteinander verknüpft werden, um statistische (d. h. anonymisierte) Informationen über bestimmte Fallgruppen (nicht Einzelfälle!) zu Zwecken der Qualitätsanalyse abzuleiten. Auf diese Weise können wesentliche Informationen über Krankheitsbilder, Prozeduren oder beliebige logische Kombinationen der verschiedenen Parameter gewonnen werden. Diese Möglichkeit macht sich die Abteilung C insbesondere bei den Besonderheiten im Systemverbund der Bundeswehrkrankenhäuser zu nutze.Ausbildung und Inübunghaltung des Sanitätspersonals
Entsprechend des Auftrages der Bundeswehrkrankenhäuser zur einsatzbezogenen fachlichen Ausbildung und Inübunghaltung des Sanitätspersonals, erarbeitete die Projektgruppe Weiterentwicklung BwKrhs (Abt. BwKrhs, ehemals SanFüKdo) eine Aufstellung der Klassifikationen für einsatzrelevante DRG (Diagnosis Related Groups) und eine Einteilung für einsatzrelevante Prozeduren.
In Zusammenarbeit mit den Konsiliargruppen und den klinischen Abteilungsleitern der BwKrhs wurden sogenannte Tracer-DRG bzw. Tracer-Prozeduren identifiziert und in die Leistungserfassung und -bewertung aufgenommen.
Die identifizierten Tracer haben dabei folgende Aufgaben:
- Sie sollen qualitative Marker für die Erfüllung bzw. Nichterfüllung des einsatzbezogenen Ausbildungsauftrages sein.
- Sie sind Kennzahlen im Sinne eines anzustrebenden Idealziels für Ausbildung und Kompetenzerhalt.
- Essentielle Fertigkeiten im Fachgebiet im Rahmen von Auslandseinsätzen können hierüber abgebildet und beschrieben werden.
- Im Weiteren sollen diese Marker Fähigkeiten definieren, deren Kompensation im Einsatz durch andere Fachgebiete oder durch Repatriierung problematisch wäre.
Die getroffene Auswahl wurde, zur besseren Übersicht, auf maximal 5 der am häufigsten codierten DRG / Prozeduren je Fachgebiet / Schwerpunkt reduziert.
Für konservativ tätige Abteilungen sind hierbei die identifizierten DRG entscheidend. Hingegen werden bei Fächern mit operativem Schwerpunkt als Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) aussagekräftige und vergleichbare Tracer Prozeduren aufgeführt.
Tracer betrachten nicht mehr nur die reine Fallzahl, sondern werden ergänzt durch verschiedenste Routinedaten wie: die Anzahl der Nebendiagnosen, die Verweildauer, den patientenbezogenen Gesamtschweregrad aus medizin-ökonomischer Sicht (PCCL, Patient Clinical Complexity Level), den Case Mix als Bewertungs- / Vergleichswert sowie Richtgröße für die Fallmischung (Patienten-Mix) einer Abteilung oder eines Schwerpunktes usw.
Fortgesetzte Evaluationen der Ergebnisse auf Basis der Leistungszahlen ergaben signifikanten Nachbesserungsbedarf in einzelnen Fachgebieten bzw. Schwerpunkten.
Unzureichenden Trennschärfen wurde durch die zusätzliche Aufnahme von ICD-10-Ziffern einerseits und dem Ersatz von DRG durch Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) / Diagnoseschlüssel (ICD-10) andererseits begegnet. So wurden die identifizierten Tracer-DRG, Tracer-ICD bzw. Tracer-Prozeduren im Sinne der optimierenden Weiterentwicklung konsequent beurteilt und ggf. erkannter Änderungsbedarf begründet.
Durch die Einführung dieser Tracer kommt es zu einer Transparenzsteigerung der einsatzrelevanten Leistungen in den Fachgebieten und Schwerpunkten. Eine Überprüfbarkeit einsatzrelevanter Fähigkeiten hinsichtlich Ausbildung und Kompetenzerhalt ist damit ermöglicht. Dadurch kommt es erstmalig zur Betrachtung von Prozeduren hinsichtlich der Abbildung tatsächlich erbrachter Leistungen.
Fazit
Es zeigte sich, dass die alleinige Betrachtung von Fallzahlen obsolet ist. Tracer geben einen fairen Leistungsvergleich zwischen Krankenhäusern und Abteilungen, mit transparenter Darstellung der Leistungsentwicklung im zeitlichen Verlauf und sind als Entscheidungshilfe für Strukturanpassungen ideal geeignet.
Tracer bilden jedoch nicht den für den Erwerb von Facharzt-, Schwerpunkt- oder Zusatzqualifikationen erforderlichen Ausbildungsumfang ab. Weitere abteilungsspezifische Ausbildungsinhalte und Aufgaben, wie z. B. Erfüllung vereinbarter Zielfallzahlen, Bewahrung regionaler Konkurrenzfähigkeit und Erhalt von Weiterbildungsermächtigungen, bleiben von der Einführung der Tracer unberührt.
Langfristiges Ziel ist der Ersatz des Katalogs einsatzbezogener medizinischer Ausbildungs- und Inübungshaltungsziele für Sanitätsoffiziere durch einsatzrelevant deklarierte DRG und Prozeduren. An diesem Beispiel zeigen sich die neuen Möglichkeiten mit der Qualitätssicherung aus Routinedaten, welche für unterschiedlichste Problemstellungen hilfreich sein kann.
Datum: 05.06.2015
Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2015/1