Der Sanitätsdienst im Fokus – Integration in die neue Struktur
Herausforderungen in der modernen sicherheitspolitischen Lage und der Wegweiser
„Osnabrücker Erlass“
Kommando Gesundheitsversorgung
Die aktuelle außen- und sicherheitspolitische Landschaft ist von vielschichtigen, dynamischen und oft unvorhersehbaren Herausforderungen geprägt – von hybriden Angriffen wie Cyberattacken bis hin zu konventionellen militärischen Bedrohungen. Diese komplexen Rahmenbedingungen erfordern eine kontinuierliche Anpassung bestehender Konzepte und Strukturen innerhalb der Bundeswehr. Neben der internen Optimierung spielt auch die verstärkte Zusammenarbeit mit zivilen Partnern eine immer größere Rolle. Die Gestaltung dieser neuen Epoche ist eine gesamtstaatliche Aufgabe, die sowohl traditionelle als auch innovative Ansätze miteinander verbinden muss. Der Osnabrücker Erlass markiert hierbei einen entscheidenden Wendepunkt: trotz einer organisatorischen Neuorientierung, in welcher der Zentrale Sanitätsdienst der Bundeswehr (ZSanDstBw) neu strukturiert wird, bleiben seine bewährten Fähigkeiten erhalten. Am Kernauftrag des SanDstBw – die Gesundheitsversorgung der Bundeswehr sicherzustellen – wird sich nichts ändern. Die Neuorientierung definiert vielmehr eine vernetzte und funktionsübergreifende Zusammenarbeit in einem streitkräftegemeinsamen Unterstützungsbereich – einem Wir. Gleichzeitig wird der Sanitätsdienst als Fachdienst nach wie vor in seiner tiefen Funktionalität bestehen bleiben. Ziel ist es, Synergien, wo immer möglich, zu nutzen und so die letztlich begrenzten Ressourcen effektiv und effizient zum Einsatz zu bringen.

Neue Rollen und Verantwortlichkeiten: Verstärkte Expertise durch den Befehlshaber des Zentralen Sanitätsdienstes
Mit der Umstrukturierung geht zunächst eine grundlegende Neuverteilung der Führungsrollen einher. Besonders bedeutsam ist hierbei die erweiterte Verantwortlichkeit des ehemaligen Inspekteurs des Sanitätsdienstes. In den neuen Strukturen wird er künftig nicht nur als Befehlshaber des Zentralen Sanitätsdienstes (Befh ZSanDstBw) und stellvertretender Befehlshaber des Unterstützungskommandos der Bundeswehr (StvBefh UstgKdoBw) agieren, sondern zusätzlich auch die Rolle als Wehrmedizinischer Berater des Bundesministers der Verteidigung übernehmen. Diese Position ermöglicht weiterhin ein effektives Wirken in die deutsche und internationale Politik, in Fach- und Standesorganisationen und in das zivile Gesundheitssystem hinein, was in Anbetracht der gesamtstaatlichen Herausforderungen der Zeitenwende unerlässlich ist.
Der Befh ZSanDstBw führt truppen- und fachdienstlich den ZSanDstBw und ist direkter fachdienstlicher Vorgesetzter des Kommandeurs Kommando Gesundheitsversorgung der Bundeswehr (Kdr KdoGesVersBw), der General- und Admiralärzte der Teilstreitkräfte (TSK) sowie der Leitenden Sanitätsoffiziere des Operativen Führungskommandos (OpFüKdoBw), des Bundesamtes für das Personalmanagement (BAPersBw) und des Unterstützungskommandos (UstgKdoBw). In dieser Rolle entwickelt er Richtlinien für die Gesundheitsversorgung der Bundeswehr und macht Vorgaben zur Gewährleistung der Patientenversorgung und Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben mit wehrmedizinischem Bezug. Seine Stellvertreterin ist die Abteilungsleiterin der Abteilung Einsatz und Gesundheitsversorgung (Abt EinsGesVers) im UstgKdoBw, gleichzeitig ist sie Leitender Sanitätsoffizier (LSO) für den Unterstützungsbereich (UstgBer). Gemeinsam mit dem Befehlshaber des Unterstützungskommandos (Befh UstgKdoBw) repräsentiert und positioniert der Befh ZSanDstBw den Unterstützungsbereich gegenüber anderen militärischen Führungsstrukturen, etwa dem Operativen Führungskommando (OpFüKdoBw) oder dem Militärischen Führungsrat (MFR). Dies öffnet Türen und ermöglicht neue Chancen für die Integration und Zusammenarbeit mit dem SanDstBw.
Transformation der Organisationsstruktur: „OrgBer neu aufgestellt – Fähigkeiten bewahrt – Vernetzung verdichtet“
Ein zentraler Punkt der Neuausrichtung liegt in der Zusammenführung der bisherigen Organisationsbereiche (OrgBer) SKB und ZSanDstBw, ohne dass dabei Kernkompetenzen und Fähigkeiten verloren gehen. Dieser Paradigmenwechsel ist nicht als ein Einschnitt, sondern vielmehr als strategische Neuausrichtung zu werten. Die neuen Strukturen sichern sowohl eine horizontale als auch vertikale Integration des SanDstBw innerhalb der Gesamtorganisation der Bundeswehr. Dies bedeutet, dass die sanitätsdienstliche Fachlichkeit sowohl Beratungs- und Unterstützungsaufgaben in der Zusammenarbeit mit anderen Truppenteilen auf Augenhöhe als auch eigene Führungsaufgaben wahrnimmt – querschnittlich und durch alle Ebenen. Denn trotz des umfassenden strukturellen Wandels bleibt die zentrale Mission unverändert: Die Gesundheitsversorgung der Bundeswehr sicherzustellen und somit einen entscheidenden Beitrag zur Einsatz- und Durchhaltefähigkeit der Streitkräfte zu leisten.
Im UstgBer wird die Zusammenarbeit auf allen Ebenen gefördert, das Lernen voneinander im kollegialen und kameradschaftlichen Kontext ermöglicht und durch enge Verzahnung der Arbeitsprozesse die Streitkräfte für gegenwärtige und zukünftige Herausforderungen unter einer Führung gestärkt.
Dem UstgKdoBw untersteht unter anderem direkt das KdoGesVersBw als Fachkommando in Koblenz, welches die beiden Kommandobehörden Kommando Regionale Sanitätsdienstliche Unterstützung (KdoRegSanUstg), verantwortlich für regionale sanitätsdienstliche Versorgung der Truppe im Rahmen der Kohäsion, und das Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung (KdoSanEinsUstg), welches Ausbildung und sanitätsdienstliche Unterstützung im In- und Ausland sicherstellt, führt. Zudem ist mit der Sanitätsakademie der Bundeswehr (SanAkBw) und ihren unterstellten Fachinstituten die geballte medizinisch-fachliche Forschungs- und Ausbildungskapazität im Zuständigkeitsbereich des KdoGesVersBw verortet. Dies gilt nicht zuletzt auch für die fünf Bundeswehrkrankenhäuser, welche außerdem als Rolle 4 maßgebliche Leistungen für die klinische Gesundheitsversorgung unserer Soldatinnen und Soldaten vollbringen. Zudem tragen letztere als bilaterale Player durch ihre Vernetzung im zivilen Gesundheitssystem zur zivilmilitärischen Zusammenarbeit und sichtbaren Integration der Bundeswehr in die gesamtgesellschaftliche Gesundheitsversorgung bei. Angesichts der Rolle der Bundeswehr im Kontext der Drehscheibe Deutschland wird gerade hier ein enger zivilmilitärischer Schulterschluss in Zukunft noch bedeutsamer werden.
Fachliche Koordination aus einer Hand – in Frieden, Einsatz und Krieg
Die Abteilung EinsGesVers des UstgKdoBw bildet den Nukleus zur Führung sanitätsdienstlich dominierter Einsätze auf der obersten taktischen Führungsebene ab. Ein aufwuchsfähiges Lage- und Führungszentrum (LFüZ), das zukünftig mit dem Patient Evacuation Coordinatination Centre (PECC) unter dem gemeinsamen Dach des UstgKdoBw in Bonn einziehen wird, formt dieses leistungsstarke Führungselement. Außerdem wächst im Falle der Landes- oder Bündnisverteidigung das UstgKdoBw zum Medical Component Command (MCC) im Kontext der Drehscheibe Deutschland auf, welches aus der Abt EinsGesVers herausgeführt wird. Die auf diese Weise zentral gebündelte fachliche Führungskompetenz von Kräften im In- und Ausland, auf Augenhöhe mit den Dimensionen, ermöglicht eine vernetzte Zusammenarbeit auf allen Ebenen sowie maximale Effizienz und Effektivität. Diese Fähigkeit dient als Dreh- und Angelpunkt der taktischen Führung in Deutschland sowie im Ausland, vor allem bei sanitätsdienstlich dominierten Einsätzen.
Synergien und Bündelung von Fachwissen im Unterstützungsbereich: Vernetzung, Expertise und gemeinsame Verantwortung
Durch die enge Zusammenarbeit des Fachkommandos mit den spezialisierten Fähigkeitskommandos (FäKdo) wird ein breites Spektrum an Schlüsselkompetenzen und Erfahrungen im UstgBer genutzt. Dieser gemeinsame Erfahrungsschatz und ein umfassendes operationsentscheidendes Fähigkeitsportfolio ermöglichen es, die Streitkräfte jederzeit, sei es in Krisensituationen oder durch präventive Maßnahmen, gewinnbringend in der Auftragserfüllung zu unterstützen. Eine engere Kooperation zwischen den Ressortforschungsinstituten und den Dienststellen der ABC-Abwehr (ABCAbw) optimiert die Forschungs- und Entwicklungsprozesse beispielsweise im Bereich des medizinischen ABC-Schutzes. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen der Sportschule der Bundeswehr (SportSBw) und dem Zentrum für Sportmedizin und Rehabilitation (ZSportMedRehaBw), mit ihren sich ergänzenden Ansätzen in einem gemeinsamen Verantwortungsbereich, gewährleistet eine umfassende und ganzheitliche Betreuung sowie Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit der anvertrauten Soldatinnen und Soldaten. Durch die Neudefinition der operationsentscheidenden Prozesse der Logistik wird die Versorgungssicherheit und Effizienz beim Materialfluss auch in der Sanitätsmateriallogistik maßgeblich verbessert.
Zusammengefasst führt diese Fusion der Expertisen aus dem Sanitätsdienst und der ehemaligen Streitkräftebasis (SKB) zu einer breiteren Perspektive und vereint vielfältige Kompetenzen. Diese Diversität kann mit gutem Gewissen als ein wesentlicher Innovationsmotor angesehen werden – als die wesentliche Bereicherung für die optimal ausgerichteten Fähigkeiten eines neuen gemeinsamen Unterstützungsbereiches. Ein Unterstützungsbereich, der mehr ist als die Summe seiner Einzelteile, in dem man voneinander und füreinander lernt, um die Streitkräfte effektiv und effizient voranzubringen – gemeinsam gewappnet für die Herausforderungen der Zukunft.
Fazit
Die Neustrukturierung des Unterstützungsbereichs und die Integration des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr in das Gewerk der überlebenswichtigen Enabler stellen einen bedeutenden Schritt in der sicherheitspolitisch notwendigen Modernisierung unserer Streitkräfte dar. Die Beschlüsse des Osnabrücker Erlasses tragen dazu bei, altbewährte Stärken zu bewahren und zugleich durch innovative Kooperationen neue Handlungsfelder zu eröffnen. Diese Transformation verbindet traditionelle Werte mit modernen Ansätzen – ein notwendiger Schritt, um den stetig wachsenden Herausforderungen in einem komplexen internationalen Sicherheitsumfeld auch weiterhin gerecht zu werden.
Diversität macht uns stark und wird uns gut durch die wandelbaren und herausfordernden Zeiten der Zukunft bringen. Getreu dem Motto des Unterstützungskommandos: Vereint für alle.
Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2 / 2025
Kommando Gesundheitsversorgung
Von-Kuhl-Straße 50
56070 Koblenz