Die zeitgemäße Krankenhaus­infra­struktur

Der lange Weg zum Ziel

Die infrastrukturelle Weiterentwicklung im Systemverbund der Bundeswehrkrankhäuser bedarf einer engen fachlichen konzeptionellen Abstimmung. Hierbei sind Schwerpunktbildungen unter dem Aspekt der Einsatzerfordernisse im Sinne einer Struktur und Prozessoptimierung zu berücksichtigen. Dabei sind verfügbare Personalressourcen, Patienten- und Mitarbeiterzufriedenheit sowie die Entwicklung des Gesundheitsmarktes im Zuge von infrastrukturellen Entwicklungen mit Nachhaltigkeit in Betracht zu ziehen.

Der medizinische Fortschritt und die stetige Erweiterung der medizinischen Fähigkeiten in unseren Bundeswehrkrankenhäusern, sowie die infrastrukturellen Anpassungsmaßnahmen mit dem Ziel einer zeitgemäßen Diagnostik-, Behandlungs- und Pflegeinfrastruktur, stellen große Herausforderungen für den Bedarfsträger, Bedarfsdecker und nicht zuletzt für den Nutzer einschließlich der anvertrauten Patienten dar.

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Abb. 1: Verhältnismäßigkeit der Bauinvestitionen an deutschen Krankenhäusern

Mit sorgfältiger Planung, präziser Ermittlung des erforderlichen Investitionsbedarfs und Umsetzung der Baumaßnahmen, z. T. im laufenden Krankenhausbetrieb unter Inkaufnahme massiver Einschränkungen, müssen sich alle Beteiligten diesen Herausforderungen stellen. Nur so kann das Ziel, eine moderne Medizin nach „state of the art“ für unsere Soldaten und die uns anvertrauten zivilen Patienten praktizieren zu können, erreicht werden.

Im Wandel der Zeit

Stand früher noch die patientenorientierte Grundversorgung bei den meisten Krankenhäusern im Mittelpunkt der Betrachtung, so bildet heute die Schwerpunktversorgung in vielen Häusern das Kernelement. Anforderungen aus Zertifizierungskatalogen zur Zentrumsbildung, (z. B. Darmzentrum, Traumazentrum) stellen immer höhere Ansprüche auch für den Bereich der Infrastruktur dar. Darüber hinaus bedingt die geforderte Teilnahme an berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren zusätzliche Anpassungen der bestehenden Krankenhausinfrastruktur. Stärkungen der High-Care-Bereiche sowie die Gestaltung der ambulanten Patientenversorgung zwingen zum planerischen und gestalterischen Neudenken. So stieg die Zahl der Kliniken, welche ambulantes Operieren anbieten, von 1 059 im Jahr 2002 auf 1 222 im Jahr 2012. Die Anzahl der ambulanten klinischen Operationen stieg im gleichen Zeitraum von 576 Tsd. auf 1,868 Mio. In einer Gesamtbetrachtung wirken sich diese Entwicklungen auch auf die heutigen infrastrukturellen Planungen und Investitionen aus.

Der erste Eindruck zählt

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Abb. 2: Bewertungsmethode am Beispiel Entwicklungsplanung BwZKrhs Koblenz
Wer kennt diese Situation nicht: Sonntagnachmittag, ein hoher Geräuschpegel und ständiges Kommen und Gehen von Besuchern im Drei- beziehungsweise sogar Vierbettzimmer auf der Station eines beliebigen Krankenhauses bestimmen die Szene. Eine vertrauliche Kommunikation zwischen Patienten und Angehörigen ist nicht möglich. Sanitärräume für Patienten sind zu klein, in einigen Häusern befinden sich die Sanitäranlagen sogar noch auf dem Flur. Diese Zeiten sollen endgültig der Vergangenheit angehören. Der Schritt zum Ein- beziehungsweise Zweibettzimmerstandard ist entweder bereits vollzogen oder in der Planung. Dieser Standard zählt schon heute zu den Kriterien bestimmter Zertifizierungen (z. B. Zertifizierung nach Joint Commission International) und stellt den erforderlichen Stellenwert heraus. Oft entscheiden die ersten Sekunden, ob sich ein Patient wohlfühlt oder nicht. Dieser Wohlfühlcharakter fängt bereits im Eingangsbereich an und findet seine Fortsetzung im Patientenzimmer.

Der Planungsprozess

Von hoher Bedeutung im Hinblick auf die infrastrukturelle Weiterentwicklung der Krankenhäuser ist der vorgeschaltete Planungsprozess. Er entscheidet über Erfolg oder Misserfolg. Diese Entwicklungsplanungen sollten idealtypisch durch externe Dienstleister in Verbindung mit interner Fachkompetenz erfolgen. Neben der Berücksichtigung von Gebäudearchitektur, Technischer Gebäudeausrüstung (TGA) und Außenanlagen nehmen im Rahmen einer infrastrukturellen Entwicklungsplanung auch bestehende und zukünftige Strukturen sowie Prozessabläufe im Krankenhaus eine entscheidende Position ein. Dem zu Folge setzt sich eine idealtypische Planungsgruppe wie folgt zusammen:

  • Architekturbüro
  • Planungsbüro TGA
  • Krankenhausbetriebsplaner
  • Planungsbüro Außenanlagen
  • Planungsbüro für Automatische Warentransportanlage (bei Bedarf)
  • Zuständiges Bauamt bzw. zuständige Liegenschaftsbetreuung
  • Krankenhausträger
  • Nutzer

Im Sinne eines Drei-Stufen-Modells ist in einem ersten Schritt unter Berücksichtigung bestehender und zukünftiger Strukturen der Bestand zu analysieren und Defizite hinsichtlich Betriebsorganisation, Architektur, Gebäudetechnik und Freianlagen herauszuarbeiten. Auf Basis dieser Ergebnisse sind entsprechende mögliche Varianten (maximal fünf Varianten) zu entwickeln sowie anhand von Bewertungskriterien zu bewerten und zu sondieren. Sinnvoll ist hierbei die Berücksichtigung sowohl von Neubauvarianten als auch von Sanierungsvarianten. Im letzten Schritt sind die favorisierten Varianten (maximal drei Varianten) detaillierter zu untersuchen und darzustellen und anhand der Bewertungskriterien erneut zu bewerten. (Im Anschluss folgt die Realisierungsphase) Für die Erstellung einer zielgerichteten Entwicklungsplanung muss von einem Zeitansatz von mindestens sechs Monaten ausgegangen werden. 

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Bild 1: Zweibettzimmer BwKrhs Hamburg.

  • Strukturen und Prozesse            35 %
  • Bauliche Konzeption                  15 %
  • Freiraumplanung und Verkehr        5 %
  • TGA                                          15 %
  • Logistische Konzeption und AWT  5 %
  • Wirtschaftlichkeit                        25 %

(Gewichtung der Kriterien am Beispiel Entwicklungsplanung BwZKrhs Koblenz)

Die dargestellte Gewichtung verdeutlicht den Stellenwert der Prozessoptimierung durch Infrastrukturvorhaben. Unter Bezugnahme knapper Personalressourcen stellt eine zeitgerechte Krankenhausinfrastruktur ein Mittel zur Lösung dar. Hierbei stehen kurze Wege für Personal und Patienten, Interdisziplinarität, die Realisierung idealtypischer Strukturen, optimale Prozessauslegungen sowie Nachhaltigkeiten im Vordergrund.

Die Infrastrukturlage und der Stand der Baurealisierung in den Bundeswehrkrankenhäusern

Gilt das Bundeswehrkrankenhaus Westerstede sollorganisatorisch als das Kleinste unserer fünf Bundeswehrkrankenhäuser, so ist es aufgrund eines Komplettneubaus infrastrukturell am besten aufgestellt. Dieser Umstand beruht auf der zivil-militärischen Kooperation zwischen der Bundeswehr und der ortansässigen Ammerland Klinik GmbH. So konnte der Neubau nach drei Jahre Bauzeit im Juni 2008 mit Beginn der Kooperation in Betrieb genommen werden.

Das am 15. Oktober 1979 fertiggestellte Bundeswehrkrankenhaus Ulm befindet sich in einer vollständigen Kernsanierung. Die Sanierung erfolgte überwiegend im Bestand und im laufenden Betrieb. So konnten bisher Pflegestationen einschließlich Intensivkapazitäten mit moderner Krankenhausinfrastruktur ausgestattet werden. Mit Inbetriebnahme der neugestalteten Zentralen Notfallaufnahme verfügt das BwKrhs Ulm über eine der modernsten Notfallaufnahmen Europas: der interdisziplinäre Behandlungsansatz ist mit Schockraum einschließlich integriertem CT, mehreren separaten Behandlungsplätzen und einer direkt angeschlossenen interdisziplinären Aufnahmestation abgebildet. Als neues Bestandsgebäude wurde im BwKrhs Ulm ein Neubau des Zentral-OP mit acht Operationssälen 2013 in Betrieb genommen. Das Gebäude verfügt u. a. über zwei Hybrid-OPs, die mit einer Angiografieanlage und einem 3-Tesla-MRT ausgestattet sind. Diese innovativen Techniken in Operationssälen sind bisher nur an wenigen Kliniken in Deutschland etabliert und bilden die infrastrukturellen Highlights in der operativen Versorgung. Bis 2016 ist die Fertigstellung des zentralen OP-Traktes mit drei weiteren OP-Sälen (einschl. TUR-OP) und Ergänzung eines ambulanten OP-Zentrums mit vier OP-Sälen geplant. Mit der Fertigstellung der Sanierungsmaßnahmen im Ambulanzbereich verfügt das BwKrhs Ulm über eine prozessoptimierte Krankenhausinfrastruktur. Darüber hinaus befindet sich derzeit der Bau einer Rettungswache und einer Kindertagesstätte in der Ausführungsphase.

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Bild 2: Hybrid-OP BwKrhs Ulm.
Mit der Fertigstellung und Inbetriebnahme des neuen Bettenhauses konnte das unter Denkmalschutz stehende und 1937 erbaute alte Bettenhaus in der Funktion am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg abgelöst werden. Im Zuge der Planung des Neubaus wurden alle Bettenkapazitäten des Normal-Care-Bereiches und des High-Care-Bereiches des Krankenhauses berücksichtigt. Die Ausführung der Baumaßnahme erfolgte im Ein- und Zweibettzimmer Standard. Im Erdgeschoss des Hauses wurde der Ausbau einer modernen interdisziplinären Notfallaufnahme einschließlich Herzkatheterlabor realisiert. Für den weiteren infrastrukturellen Entwicklungsprozess wurde seitens des Bundesministeriums der Verteidigung eine entsprechende Entwicklungsplanung beauftragt. Kernergebnisse zum weiteren Zielausbau der Liegenschaft sind:

  • Neubau eines Multifunktionsgebäudes mit Hubschrauberdachlandeplatz in Verlängerung zum neuen Bettenhaus, dabei Unterbringung der Elemente Zentral-OP, Ambulanz-OP, Zentrale Sterilgutversorgung, Radiologie, Labormedizin sowie Ambulanzen einschließlich Funktionsstellen.
  • Nutzung der unter Denkmalschutz stehenden Altbausubstanz durch die Elemente Logistik, Apotheke, Administration, Unterkünfte, sowie Psychiatrie.

Die Umsetzung dieser Ergebnisse führt zu einer prozessoptimierten, nachhaltigen Infrastruktur. Dabei werden das neue Bettenhaus sowie die denkmalgeschützte Altbausubstanz in zukünftige Prozesse und Strukturen eingebunden.

Das Bundeswehrkrankenhaus Berlin stellt mit der unter Denkmalschutz stehenden Kernin­frastruktur aus dem Zeitraum 1853 - 1856 aus infrastruktureller Sicht das älteste Bundeswehrkrankenhaus dar. Nach dem Mauerfall und der Übernahme des Krankenhauses durch die Bundeswehr 1990 erfolgten zahlreiche Sanierungs- und Neubaumaßnahmen im Wesentlichen in drei Bauphasen.

Den Abschluss dieser Phasen bildet die Fertigstellung der Baumaßnahmen „Neubau Küche“ und „Neubau Apotheke mit Zentrallager“ (voraussichtlich 2016 und 2019) sowie die Kernsanierung des Hauptbettenhauses, welche voraussichtlich 2017 abgeschlossen sein wird.

Zum weiteren Zielausbau wurde seitens des Bundesministeriums der Verteidigung eine Entwicklungsplanung beauftragt. Als Kernergebnisse sind zu nennen:

  • Auf Grund begrenzt verfügbar und geeignetener Baufelder weiter Zielausbau nach dem Rochadeprinzip
  • Neubau eines Psychotraumazentrums im räumlichen Zusammenhang zum Patientengarten und abgesetzt von der Hauptinfrastruktur des Krankenhauses
  • Neubau eines Multifunktionsgebäudes mit Hubschrauberdachlandeplatz zur Unterbringung der Elemente Zentral-OP, Ambulanz-OP, Zentrale Sterilgutversorgung, Zentrale Interdisziplinäre Notfallaufnahme, Intensivkapazitäten, Radiologie, sowie Labormedizin
  • Neubau einer Rettungswache sowie einer Kindertagesstätte  

Die Fallzahlen der Notfallaufnahme des BwKrhs Berlin aus dem Jahr 2010 und die Ergebnisse einer vorhergehenden Machbarkeitsstudie begründeten die Notwendigkeit zum Bau einer provisorischen Notfallaufnahme. Diese wird seit Jahresbeginn betrieben und bietet Mitarbeitern sowie Patienten bis zur Fertigstellung des neuen Multifunktionsgebäudes (voraussichtlich 2023), in dem die Notaufnahme zukünftig untergebracht sein soll, einen modernen, zeitgerechten Standard mit interdisziplinärem Behandlungsansatz. Ebenfalls seit Jahresbeginn verfügt das BwKrhs Berlin über eine S 3 Isolierstation.

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Bild 3: MRT-OP BwKrhs Ulm.

Das Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz stellt sollorganisatorisch mit seinen 506 Betten das größte Bundeswehrkrankenhaus dar. Ergebnisse der Entwicklungsplanung zeigen hier den größten zukünftigen Investitionsbedarf, der zum einen mit der Größe des Krankenhauses zu begründen und zum anderen auf einen deutlich beschränkten Sanierungsumfang in der Vergangenheit zurückzuführen ist.

Mit der Fertigstellung des neuen 160-Bettenhauses 2016 verfügt das BwZKrhs Koblenz über moderne Infrastruktur für dann insgesamt 235 Betten, die zu einer deutlichen Verbesserung der derzeitigen räumlichen Situation im Bereich der stationären Pflege führt. Im Rahmen der 2014 durchgeführten Entwicklungsplanung stellte dieser Neubau jedoch planerisch eine komplexe Herausforderung dar; es galt dieses Bettenhaus in den zukünftigen Zielausbau des Krankenhauses zu integrieren. In unmittelbarer Nähe zur Hauptzufahrt wird nach Abschluss vorbereitender Maßnahmen im Zeitraum 2017-2023 ein neues Operationszentrum entstehen, welches alle intensiv- und notfallmedizinischen infrastrukturellen Komponenten integriert. Zur Unterbringung der verbleibenden Normal-Care Bereiche erfolgt in einem zweiten Schritt anschließend ein Anbau an dieses Operationszentrum.

Mit der Eröffnung der Kindertagesstätte im vergangenen Jahr 2014 sowie dem zeitnahen Neubau einer Rettungswache konnten beziehungsweise werden weitere Zeichen zur Steigerung der Attraktivität in Koblenz für Mitarbeiter des Krankenhauses gesetzt.

Fazit

Ärztliche, pflegerische, medizintechnische und militärische Anforderungen an die Krankenhaus­infrastruktur und Möglichkeiten zur bautechnischen Umsetzung entwickeln sich stetig weiter. Aus diesem Grund ist eine kontinuierliche Anpassung der Infrastruktur der Bundeswehrkrankenhäuser unabdingbar. Insbesondere unter Berücksichtigung des zu erwartenden Fachkräftemangels im Bereich der Gesundheitsversorgung gilt es, neben den klinischen Behandlungsprozessen auch die Infrastruktur unserer Krankenhäuser zu optimieren. Hierzu bietet der Bereich Infrastruktur zahlreiche Möglichkeiten zur Steigerung von Effektivität und Effizienz, die auch die Höhe der Investitionsvolumina rechtfertigt. Mit den bisher durchgeführten Baumaßnahmen sind entscheidende Schritte auf dem langen Weg zum Ziel erfolgt. Auf das bereits Erreichte gilt es nun unter Berücksichtigung der erstellten Entwicklungsplanungen und unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit aufzubauen. Auf dieser Basis kann auch zukünftig Attraktivität für alle Mitarbeiter und Wettbewerbsfähigkeit im regionalen Umfeld gesichert werden. So wird es auch zukünftig möglich bleiben, auftragsgemäß ärztliches und nicht-ärztliches Personal einsatzorientiert auszubilden und unseren soldatischen und zivilen Patienten eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung anzubieten.

Datum: 23.04.2015

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2015/1

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