19.01.2023 •

Entwicklung zum Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe

S. Werminghaus, V. Jagel

Hauptgebäude des Zentrums für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe
Bundeswehr/Stephan Ink

Seit Oktober 2022 haben weitere Teile des Zentrums für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe (ZentrLuRMedLw) ein neues Zuhause in Köln auf dem Gelände des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) gefunden. Nach über 60 Jahren Flugmedizin am Fliegerhorst „Fürsty“ soll noch einmal die Entwicklung vom Flugmedizinischen Institut der Luftwaffe (FlMedInstLw) zum ZentrLuRMedLw dargestellt werden.

Im Jahr 1959 begann die institutionalisierte militärische Flugmedizin der Bundesrepublik Deutschland mit der Aufstellung des FlMedInstLw auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck. Das Institut bestand zunächst aus sechs Abteilungen. Zu den Hauptaufgaben gehörten die ärztliche Untersuchung auf Wehrfliegertauglichkeit, die flugphysiologische Ausbildung, die Flugunfalluntersuchung sowie die angewandte Zweckforschung. Die Nähe zu München ermöglichte Kooperationen im Bereich der flugmedizinischen Forschung mit der Ludwig-Maximilians-Universität München, der Technischen Universität München sowie der Max-Planck-Gesellschaft. In den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts lag der wissenschaftliche Schwerpunkt der Institutsarbeit vor allem auf Untersuchungen zur Belastbarkeit und den Leistungsgrenzen von Luftfahrzeugführern. In dieser Zeit wurden allein darüber 235 wissenschaftliche Arbeiten erstellt. Mit seinen hochqualifizierten und überaus engagierten Angehörigen hat sich das FlMedInstLw ein hoch anerkanntes Renommee auch über die Bundeswehr hinaus erworben.

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands konnte die Bundeswehr die neu von der österreichischen Firma AMST beschaffte Höhensimulationskammer wie auch die Humanzentrifuge im Standort Königsbrück von der Nationalen Volksarmee übernehmen. Dies ermöglichte ein zusätzliches flugphysiologisches Trainingsangebot und eine Vertiefung der flugmedizinischen Forschung. Alle PilotInnen durchlaufen seither ihre flugphysiologische Ausbildung in Königsbrück. Die Höhensimulationskammer und die Humanzentrifuge sind auch heute noch ein wichtiger Bestandteil der fliegerischen Ausbildung. Viele Partnernationen nutzen zwischenzeitlich dieses hervorragende Trainingsangebot.

Mit der Evaluation des FlMedInstLw hat der Wissenschaftsrat der Bundesregierung 2009 empfohlen, das bestehende wissenschaftliche Potenzial besser zu nutzen. Um dieser Empfehlung wie auch dem wachsenden Anspruch der Luftwaffe auf Beratung durch den Generalarzt der Luftwaffe bestmöglich nachzukommen, wurde das ZentrLuRMedLw aus den Dienststellen Generalarzt Luftwaffe, dem FlMedInstLw und dem Leitenden Sanitätsoffizier Luftwaffenführungskommando zunächst an den Standorten Köln, Fürstenfeldbruck, Königsbrück, Manching und Bückeburg aufgestellt. Das ZentrLuRMedLw verfügt seither neben seinen Stabselementen über drei Fachabteilungen, die jeweils eine besondere Aufgabe und einzigartige Fähigkeit repräsentieren. Die Bereiche Forschung und Wissenschaft, Flugphysiologisches Training, Wissenschaftsmanagement sowie die medizinischen Anteile der Flugunfalluntersuchung sind der Abteilung I zugeordnet.

Die Fachabteilung II ist zuständig für die Klinische Flugmedizin, die Flugpsychologie und die Aufgaben der Eignungsfeststellung für Verwendungen im Fliegerischen und im Flugführungsdienst der Bundeswehr. Der fliegerärztliche Dienst der Luftwaffe, die Aeromedical Evacuation sowie Ausbildung und Training bilden den Aufgabenschwerpunkt der Fachabteilung III.

Als wissenschaftlicher Partner, der vor allem auf dem Gebiet der Grundlagenforschung für die Luft- und Raumfahrtmedizin tätig ist, konnte das DLR gewonnen werden. Vorgesehen ist, dass das ZentrLuRMedLw mit seinem Ansatz, anwendungsorientierte Forschung durchzuführen und diese bis hin zur Industriereife zu entwickeln, Ergebnisse aus der Grundlagenforschung in dem Bereich der Luft- und Raumfahrtmedizin u. a. vom DLR übernimmt und weiterführt. Mit einem 2014 unterzeichneten Kooperationsvertrag konnten die Grundlagen für gemeinsame Projekte sowie die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses vereinbart werden.

Die Entscheidung zur Aufgabe des Standorts Fürstenfeldbruck machte es notwendig, für die dortigen Teile des ZentrLuRMedLw eine neue Heimat zu finden. Um die Kooperation mit dem DLR zu fördern, wurde der Beschluss für ein gemeinsames Gebäude am Standort des DLR in Köln-Porz getroffen. Damit sollte zugleich die Idee eines Campus der Luft- und Raumfahrtmedizin weiterentwickelt werden. 2017 wurde mit dem Bau der Infrastruktur am Standort Köln begonnen. Die Fertigstellung des Gebäudes erfolgte, bedingt durch unvorhersehbare Ereignisse, Mitte 2022.

Im Oktober 2022 konnten die Klinische Flugmedizin, die Eignungsfeststellung Phase II, das internationale Trainingszentrum, die Rechtsmedizin und das Wissenschaftselement den Betrieb in Köln aufnehmen. Die Verlegung der Eignungsfeststellung Phase III für Flächenflugzeuge und Hubschrauber erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die neuen psychologischen Testsysteme beschafft und evaluiert sind.

Der neue Standort repräsentiert in besonderer Weise Modernität, Zukunftsorientierung und Kompetenz. Das ZentrLuRMedLw knüpft hier an die in „Fürsty“ begonnene erfolgreiche Geschichte der Flugmedizin in der Bundeswehr an. Getreu dem Motto „Volanti subvenimus“ werden ab sofort aktive und zukünftige PilotInnen und LehrgangsteilnehmerInnen in Köln begrüßt.


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