EIN NEUER EINSATZ

SANITÄTSDIENSTLICHE VERSORGUNG DER EUROPEAN TRAINING MISSION MALI

Seit März 2013 beteiligt sich Deutschland an der European Training Mission Mali (EUTM MALI), innerhalb der malische Battle Groups, sog. Groupements Tactiques Interarmes (GTIA), im Schwerpunkt auf Zug-, Kompanie- und Bataillonsebene zusammengeführt und ausgebildet werden. Deutschland unterstützt diese Ausbildungsmission mit Pionierausbildern, Stabs- und Sanitätspersonal.

Für die Sanitätsdienstliche Versorgung der Mission wurde ein Luftlanderettungszentrum, leicht (LLRZ, le) an den Ausbildungsort, das Koulikoro Training Camp (KTC), verlegt, wo es durch eine multinationale Sanitätseinsatzkompanie betrieben wird. Der nachfolgende Artikel soll eine Übersicht über die Aufgaben und Besonderheiten der sanitätsdienstlichen Versorgung in Mali darstellen und auch Impulse für zukünftige Einsätze mit vergleichbaren Anforderungen für die sanitätsdienstliche Versorgung geben (Abb. 1).

Organisation und Aufgabenspektrum der sanitätsdienst­lichen Versorgung
Neben einer Role 1 Einrichtung im Mission Headquarter (MHQ) in der Hauptstadt Bamako, welche bulgarische Sanitätskräfte betreiben, wird die sanitätsdienstliche Versorgung der Mission am Hauptausbildungsort in Koulikoro (ca. 80 km von der Hauptstadt Bamako entfernt) durch die multinationale Sanitätseinsatzkompanie EUTM MALI sichergestellt. Hier betreiben österreichische, ungarische und deutsche Sanitätskräfte folgende sanitätsdienstliche Einrichtungen und Fähigkeiten:

  • Stationäre Role 1 Versorgung in Form einer Truppenarztgruppe mit zusätzlicher tropenmedizinischer Kompetenz.
  • Stationäre Role 2 Versorgung mit integrierter zahnmedizinischer Versorgung in Form eines LLRZ, le (luftgestützte Zelte).
  • Mobile Role 1 Versorgung in Form von 2 Beweglichen Arzttrupps (BAT), jeweils ein österreichisches und ein deutsches Team.
  • Präventivmedizinische Fähigkeiten durch SanHyg Kräfte und Gesundheitsaufseher.

Somit wird die mobile notfallmedizinische, sowie die stationäre notfall-, allgemein- und tropenmedizinische wie auch die erste notfallchirurgische und intensivmedizinische Versorgung aller Soldaten der multinationalen Ausbildungsmission sichergestellt. Die Koordinierung der sanitätsdienstlichen Versorgung wird durch den Dienstposten JMed im MHQ übernommen, der im Schwerpunkt für die Organisation der Rettungskette im Einsatz verantwortlich zeichnet.
Neben der beschriebenen sanitätsdienstlichen Versorgung ist die Sanitätseinsatzkompanie auch für die Konzeption und Durchführung der sanitätsdienstlichen Ausbildungsabschnitte im Rahmen des Trainings der malischen GTIA zuständig. Hier werden sowohl Ersthelferausbildungen für alle Soldaten wie auch spezielle Fortbildungen für das sanitätsdienstliche Personal durchgeführt.

Truppenärztliche und truppenzahnärztliche Versorgung
Im Rahmen der EUTM MALI wird die komplette sanitätsdienstliche Versorgung der Mission durch die SanEinsKp gestellt, d. h. auch die Role 1 Versorgung (allgemein- und notfallmedizinische Versorgung), welche für gewöhnlich in der nationalen Verantwortung liegt, obliegt in dieser Einsatzoption der durch Deutschland geführten Sanitätskomponente.
Die Anforderungen an die truppenärztliche Versorgung sind im Malieinsatz besonders vielfältig. Zum einen müssen insgesamt 18 Nationen medizinisch versorgt werden, was schon einmal eine große Herausforderung an das Sprachvermögen stellt, denn nicht jeder EUTM-Soldat spricht oder versteht Englisch. Truppenarzt und Assistenzpersonal sind daher, wenn sie nicht von sich aus ein gutes Sprachprofil mitbringen (ideal sind hier Englisch, Französisch und Spanisch), auf Sprachmittler angewiesen, die in begrenztem Umfang vorhanden sind oder teilweise über die beteiligten Nationen (Soldaten mit erweitertem Sprachprofil) rekrutiert werden.
Der Behandlungsbedarf erstreckt sich im Schwerpunkt von Verletzungen durch Sport und Ausbildung über gastrointestinale Infekte bis hin zu Hauterscheinungen und fieberhaften Infekten, bei denen in erster Linie tropenmedizinische Infektionskrankheiten ausgeschlossen werden müssen. Aufgrund der Nähe zum Fluss Niger sowie wegen des heiß-feuchten Klimas in Mali ist die erweiterte Kompetenz hinsichtlich tropenmedizinischer Diagnostik und Therapie hier besonders wichtig. Der Truppenarzt der SanEinsKp ist grundsätzlich Tropenmediziner und betreut auch stationäre Patienten der Ebene 2, die in das tropenmedizinische Spektrum fallen, konsiliarisch mit.
Der Truppenzahnarzttrupp betreut ebenfalls das gesamte EUTM Personal und hat somit die gleichen sprachlichen Anforderungen wie bei der truppenärztlichen Versorgung beschrieben. Mit seiner zahnärztlichen Behandlungseinheit ist er in der Lage, zahnmedizinische wie auch kieferchirurgische Akutzustände zu behandeln. Gerade im feucht-heißen Klima Malis treten gehäuft Entzündungsprozesse im Mund-/Kieferbereich auf, die akuter Behandlung bedürfen.

Klinische/notfallchirurgische Versorgung
Für die klinische Versorgung der Ebene 2 steht die Einrichtung des LLRZ, le zur Verfügung. Aufgeteilt auf einen Systemverbund von 20 Zelten, stehen hier nahezu alle Möglichkeiten zur dringlichen klinischen Versorgung für die Mission zur Verfügung:

  • 1 OP-Zelt mit OP-Vorbereitung,
  • 1 Intensivzelt mit 2 ICU-Betten,
  • 1 Zelt Sterilgutaufbereitung mit 2 Sterilisatoren,
  • 1 Zelt klinisch-chemisches Labor mit Blutbank,
  • 3 Pflegezelte mit 16 Pflegebetten, 3 davon mit Monitorüberwachung,
  • 1 Zelt Schockbekämpfung,
  • 1 Zelt Röntgendiagnostik,
  • 5 Zelte Sanitätsmaterialversorgung,
  • 1 Zelt Gefechtsstand,
  • 5 Verbindungszelte.

Abzüglich der Role 1 Kräfte (stationär und mobil) wird dieses System von 36 Soldaten multinational betrieben (ein österreichischer Facharzt Chirurgie, ein ungarischer Stationsarzt, zwei ungarische MTA Labormedizin, zweiösterreichische Pflegekräfte). Hierdurch können sowohl die dringliche chirurgische und anästhesiologische/intensivmedizinische Versorgung über ein OP-Team (zwei Fachärzte Chirurgie, ein Facharzt Anästhesie/Intensivmedizin, ein Assistenzarzt Anästhesie/Intensivmedizin sowie zwei SanFw OPTA und ein SanFw FachKrPfl Anästhesie/Intensivmedizin) sichergestellt wie auch Fähigkeiten zur stationären Pflege und zur klinischen Diagnostik bereitgestellt werden. Die Sanitätsmaterialversorgung sowie der Bereich Medizintechnik werden im System ebenfalls abgebildet. So stellt die SanMat Versorgung dem System einen vier Wochen Vorrat an Medikamenten und sonstigen medizinischen Verbrauchsgütern bereit (Abb. 2).
Der Bedarf an klinischer Versorgung im Einsatz EUTM Mali erstreckt sich von mittleren bis schweren Verläufen von gastrointestinalen Infektionen über tropenmedizinische Erkrankungen bis hin zu Verletzungen im Rahmen von Sport, militärischer Ausbildung und Verkehrsun-fällen. Besonderheiten aufgrund von Klima und Geographie wie z. B. Schlangenbisse treten ebenfalls auf. Besonders die sehr eingeschränkten hygienischen Verhältnisse vor Ort bedingen ein relativ hohes Aufkommen an Magen-Darm-Erkrankungen, die gepaart mit dem tropischen Klima relativ häufig stationär mit Antibiotikagabe behandelt werden müssen. Auch in der stationären Versorgung nimmt das Spektrum der tropenmedizinischen Erkrankungen einen hohen Stellenwert ein, insbesondere fieberhafte Infekte bei denen Malariaformen in der Differenzialdiagnostik berücksichtigt werden müssen.

Mobile notfallmedizinische Versorgung
Die mobile sanitätsdienstliche Versorgung der Ebene 1 wird durch zwei Bewegliche Arzttrupps (BAT) sichergestellt. Ein deutsches sowie ein österreichisches Team stellen im Wechsel die Standortbereitschaft (Alarmierungszeit 10 min) und unterstützen bei Ausbildungsaktivitäten außerhalb des KTC (z. B. Mörserschießen oder Marschausbildung).
Neben der Abbildung der notfallmedizinischen Versorgung sind diese Elemente auch in die sanitätsdienstliche Ausbildung der GTIA eingebunden.
Für den Bereich der Luftrettung (AirMedEvac) standen am Beginn der Mission belgische AUGUSTA Hubschrauber zur Verfügung. Mit Ablauf Juni beendeten diese den Einsatz und wurden durch Hubschrauber eines zivilen Vertragsnehmers (Firma STARLITE) ersetzt, welche nun mit den Flugmustern PUMA und BELL das Feld AirMedEvac abdecken. Hier finden regelmäßig Übungen mit den Helikoptern statt, um Verfahren abzugleichen und zu intensivieren (Abb. 3).

Hygiene und Präventivmedizin
Ebenso wie die tropenmedizinische Begleitung des Einsatzes nimmt die hygienische und präventivmedizinische Komponente bei dieser Einsatzoption einen besonderen Stellenwert ein. Dies beginnt mit einer umfangreichen Bewertung des Einsatzlandes (Klima, Gesundheitsrisiken) sowie der hygienischen Bedingungen am Einsatzort (vorhandene Sanitäreinrichtungen, Umwelt- und Luftverschmutzung, Beurteilung der Wasserqualität, Küchenbegehungen, Vektorenscreening). Hiernach erfolgt die Bewertung der durch die Mission zu treffenden Maßnahmen (Baumaßnahmen, Entsorgungskonzepte, Maßnahmen zum Vektorenschutz, Maßnahmen zur Wasseraufbereitung).
Das KTC bietet gerade im Vergleich zu deutschen Einsatzliegenschaften, wie sie aus Afghanistan oder dem Kosovo bekannt sind, sehr eingeschränkte Voraussetzungen hinsichtlich Hygiene und Gesundheitsschutz. Insbesondere die Nähe zum Fluss Niger eröffnet ein nahezu ideales Reservoir für Stechmücken aller Art. Vor allem in der Regenzeit besteht damit am Standort ein sehr hohes Malariarisiko. Darüber hinaus stellt die an das Lager angrenzende Bergstruktur und die Training Area ein hervorragendes Habitat für Giftschlangen und Spinnentiere (Spinnen und Skorpione) dar. Das Camp selbst, welches von den malischen Streitkräften als Militärakademie genutzt wird, biete nur eine sehr eingeschränkte, teilweise baufällige Infrastruktur, darüber hinaus ist der gesamte Bereich Koulikoro stark vermüllt, was wiederum Schädlinge und Nager anzieht (Abb. 4).
Seit Missionsbeginn laufen umfangreiche Baumaßnahmen zur Verbesserung der Situation. Darüber hinaus sind die Fachkräfte SanHyg und Gesundheitsaufseher im ständigen Einsatz, um Aufklärung zu betreiben und um aktiv eine Verbesserung der Situation herbeizuführen (Tierfang, Maßnahmen zur Desinfektion, Entwesung, Entseuchung).
Einbindung in die Ausbildung und Zusammenarbeit mit den malischen Sanitätskräften
Im Rahmen des Auftrages führt die SanEinsKp die sanitätsdienstliche Ausbildung für die GTIA durch. Hierbei werden sowohl sanitätsdienstliche Grundfertigkeiten für alle Soldaten der Battle Group ausgebildet wie auch im Besonderen das zugehörige Sanitätspersonal. Insbesondere für die sanitätsdienstliche Grundbefähigung aller Soldaten werden auch Medics der anderen teilnehmenden Nationen bei der Ausbildung herangezogen. Hier werden Grundlagen nach dem Prinzip der Taktischen Verwundetenversorgung in Form einfacher Algorithmen ausgebildet und beübt. Schwierigkeiten bereitet dabei insbesondere die fehlende sanitätsdienstliche Ausstattung der malischen Soldaten. Erste Hilfe Ausstattungen, wie sie in den westlichen Armeen inzwischen Standard sind, gibt es nicht. Dementsprechend schwierig gestaltet sich auch die Implementierung und Ausbildung von Erste Hilfe Verfahren (Abb. 5).
Auch die Ausbildung der sanitätsdienstlichen Kräfte der GTIA (Role 1 mit zwei Ärzten und ca. fünf bis sieben Unteroffizieren) gestaltet sich aufgrund mangelnden Materials schwierig. Wege zur nationalen Sanitätsmaterialversorgung erscheinen derzeit nicht existent. Darüber hinaus ist der Ausbildungsstand des Personals sehr unterschiedlich. Die Rettungskette in den malischen Streitkräften endet bei der Role 1. Für weitere Versorgungen stehen hiernach nur zivile Einrichtungen zur Verfügung. Hier wurde vorwiegend der Weg gemeinsamer Fortbildungen gewählt, um im gegenseitigen Erfahrungsaustausch sanitätsdienstliche Ausbildung zu betreiben.
Um eine möglichst enge Kooperation mit den malischen Sanitätskräften zu erreichen, wird auch eine Kooperation bei der Behandlung erkrankter oder verletzter malischer Soldaten betrieben. Nach Maßgabe der malischen Ärzte besteht die Möglichkeit, Patienten zur Diagnostik oder zur fachärztlichen Untersuchung/ Behandlung in der EUTM Behandlungseinrichtung vorzustellen. Dies wird auch regelmäßig genutzt und trägt wesentlich zur Fortbildung und zum gegenseitigen Verständnis bei.

Zusammenfassung
Der Einsatz EUTM MALI und die darin abgebildete sanitätsdienstliche Versorgung der Missionsangehörigen stellen aufgrund der derzeit eingesetzten LSE-Systeme wie auch in Bezug auf den militärischen Auftrages und die multinationale Zusammensetzung eine Herausforderung dar. Bisherige Erfahrungen mit dem Einsatz zeigen, dass hier der Schwerpunkt der sanitätsdienstlichen Versorgung mehr im allgemeinmedizinischen/tropenmedizinischen Spektrum liegt, als in der notfallchirurgischen Stabilisierung von Verletzen und Verwundeten, wofür das sanitätsdienstliche Material aber ausgelegt ist. Darüber hinaus spielen vor allem Gesundheitsrisiken, die durch hygienische und klimatische Gegebenheiten des Einsatzlandes bedingt sind, eine herausragende Rolle.
Gerade der Auftrag zur sanitätsdienstlichen Ausbildung der malischen Soldaten stellt auf-grund fehlendem Materials sowie nicht vorhandener Sanitätslogistik eine besondere Herausforderung dar. Sowohl die Konzeption der Ausbildung wie auch die Durchführung sind zeit- und personalintensiv, dazu kommt die vorhandene Sprachbarriere.
Trotz der dargestellten Problemfelder birgt diese Einsatzoption eine hervorragende Möglichkeit, neue Erfahrungen im Rahmen von Ausbildungsmissionen auf dem afrikanischen Kontinent zu sammeln. Es ist nun besonders wichtig, diese Erfahrungen auszuwerten, um sie bei der weiteren Einsatzplanung und der einsatzvorbereitenden Ausbildung für den Einsatz gewinnbringend einsetzen zu können.

Datum: 28.11.2013

Quelle: Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2013/3

Verwandte Artikel

Die Abteilung JMed des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr

Die Abteilung JMed des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr

Seit 2001 plant und führt das Einsatzführungskommando der Bundeswehr (EinsFüKdoBw) im Auftrag des Generalinspekteurs der Bundeswehr unmittelbar auf operativer Ebene die Einsätze sowie anerkannte Missionen der Bundeswehr im Ausland. Um die...

Einsatzvorbereitende Ausbildung im ­Zentralen Sanitätsdienst der Bundeswehr - Von der Planung bis zum Einsatz

Einsatzvorbereitende Ausbildung im ­Zentralen Sanitätsdienst der Bundeswehr - Von der Planung bis zum Einsatz

Mit Inkraftsetzung der Zentralen Dienstvorschrift A-221/6 „Ausbildung zum Herstellen und Halten der Einsatzbereitschaft für militärisches Personal und Zivilpersonal im Soldatenstatus“ hat der Generalinspekteur der Bundeswehr verbindliche...

Meist gelesene Artikel