Die digitale Transformation unserer Gesellschaft, der privaten Wirtschaft und öffentlichen Verwaltung bleibt weiterhin eines der bestimmenden Zukunftsthemen und ist gleichsam Garant für eine moderne Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit. Eine einsatzorientierte Bundeswehr muss daher die Digitalisierung für ihre täglichen Prozesse, vor allem aber für ihre Kernaufträge in der Landes- und Bündnisverteidigung, kontinuierlich und effizient voranbringen sowie zielgerichtet nutzen.
Ein moderner, durchgängiger und resilienter Informations- und Kommunikationsverbund ist hierzu die wesentliche Voraussetzung zur Sicherstellung der technischen Führungsfähigkeit und bildet die Basis für eine kriegstüchtige Armee. Der Einsatz neuer Technologien, zum Beispiel aus dem Bereich Künstlicher Intelligenz, wird künftig eine immer zentralere Rolle einnehmen und vollständig neue Möglichkeiten eröffnen. Bereits heute werden auf dem Weg zum durch Digitalisierung geprägten Gefechtsfeld aktuelle und zukünftige Möglichkeiten effizient in den Vorhaben berücksichtigt. Dazu gehören neue Denkansätze, wie Software Defined Defence. Hierbei wird davon ausgegangen, dass mit fortschreitender Digitalisierung bei jedem Rüstungsvorhaben in allererster Linie digital zu denken ist und Fähigkeitsverbesserungen softwarebasiert und damit schneller und kostengünstiger herbeigeführt werden können.
Das „Waffensystem“ dafür ist das Engagement und die Begeisterung der Menschen, die im Zentrum Digitalisierung der Bundeswehr und Fähigkeitsentwicklung Cyber- und Informationsraum (ZDigBw) in Bonn, Euskirchen und weiteren fünf Außenstellen seit Oktober 2022 ihren Dienst leisten.
Die Digitalisierungsplattform Geschäftsbereich Bundesministerium der Verteidigung
Mit der Indienststellung des ZDigBw am 01.10.2022 wurde die planerische Verantwortung für alle IT-Projekte des Geschäftsbereichs Bundesministerium der Verteidigung (GB BMVg) zentralisiert. Das wesentliche Instrument dazu ist die Digitalisierungsplattform GB BMVg, über die in neun fachlichen Clustern IT-Services standardisiert, modular, skalierbar und wiederverwendbar geplant und rüstungstechnisch im Wirkverbund über das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) umgesetzt werden. Dabei bleibt für den weiteren Erfolg ein aktiv gelebtes Veränderungsmanagement in allen Bereichen des Wirkverbundes (BMVg Cyber- und Informationstechnik, Kommando Cyber- und Informationsraum/ZDigBw, BAAINBw sowie der BWI GmbH und den Nutzern) entscheidend.
Das ZDigBw hat sich in den zwei Jahren seit seiner Aufstellung schnell innerhalb der Bundeswehr etabliert: Einerseits durch Bündelung prozessualer und fachtechnischer Expertise und andererseits durch seine verschiedenen Rollen. Als „Think Tank“ werden die erforderlichen nationalen und multinationalen konzeptionellen Dokumente als Voraussetzung und Abholpunkt für die weitere Planung und Rüstung bewertet beziehungsweise erstellt.
Als zentrales Planungselement für die Digitalisierung der Bundeswehr laufen im ZDigBw alle Fäden zusammen, sodass über die Digitalisierungsplattform GB BMVg kostengünstige, standardisierte IT-Services in zentraler Verantwortung geplant und entsprechende Steuerungsimpulse gegeben werden können. Das heißt, dass teure, proprietäre und monolithische Systeme der Vergangenheit angehören werden. Nicht zuletzt bringen dabei die Experten aus dem ZDigBw ihr Wissen und ihre Erfahrung gewinnbringend in bestehende Vorhaben ein und tragen dazu wesentlich zum Erfolg aller Digitalisierungsaktivitäten bei.
ZDigBw 1.1 – Restrukturierung und Einnahme der Arbeitsgliederung
Geführt wird das Zentrum Digitalisierung mit seinen über 700 Mitarbeitenden als Ein-Sterne-Kommando aus Bonn heraus. Neben der Sicherstellung der Führung durch die Abbildung der Führungsgrundgebiete in der Abteilung I, verfügt das Zentrum über insgesamt drei Fachabteilungen, die sich im Zuge der Umstrukturierung aktuellen Rahmenbedingungen und Herausforderungen vor dem Hintergrund des Kernprinzips Agilität weitergehend anpassen. Die bewusst gewählte Namensgebung ZDigBw 1.1 macht dabei deutlich, dass dieser agile Ansatz fortgeführt und die in der Folge dargestellte Arbeitsgliederung weiter auf dem Prüfstand steht.
Abteilung II – Steuerung und Fähigkeitsentwicklung CIR (Cyber- und Informationsraum):
Diese Abteilung verantwortet die Erstellung der konzeptionellen Grundlagen sowie die Durchführung der Fähigkeitsentwicklung CIR und die Digitalisierung der Bundeswehr. Mit Blick auf die Digitalisierung bewertet, ordnet und priorisiert sie die im Geschäftsbereich artikulierten Bedarfe zur Planung, Realisierung und Nutzung von IT-Services im Rahmen der Digitalisierungsplattform GB BMVg. Dazu wird innovativ die Expertise zur Digitalisierungsunterstützung der anderen Dimensionen (Land, Luft/Weltraum, See) eingebunden sowie die digitale Zusammenarbeit mit den zivilen Organisationsbereichen und NATO/EU sichergestellt.
Abteilung III – Digitalisierungsplattform GB BMVg:
Digitalisierungsplattform GB BMVg weiter. Dazu verantwortet sie die Projekte und Clusterprogramme des gesamten Teilportfolios Cyber/IT, also aller IT-relevanten Vorhaben im GB BMVg, insbesondere durch deren kontinuierliche, interaktive Entwicklung. Außerdem berät und begleitet sie alle Dimensionen und Organisationsbereiche bei großen Digitalisierungsprojekten, zum Beispiel im Bereich der „Digitalisierung Landbasierter Operationen“.
Abteilung IV – Nutzerapplikationen, Erprobung und Einführung:
Diese Abteilung entwickelt selbstständig oder in Kooperation mit anderen Stakeholdern Anwendungssoftware für den Geschäftsbereich und passt selbst- und fremdentwickelte Softwareprodukte den spezifischen Anforderungen der Bundeswehr an. Als ein prominentes Beispiel ist die Aufgabenwahrnehmung für den Bereich „Digitalfunk Behörden und Organisation mit Sicherheitsaufgaben“ als mobiler Service außerhalb des IT-Systems der Bundeswehr für die gesamte Bundeswehr zu nennen. Darüber hinaus leistet die Abteilung eine fachliche Begleitung der Integration zur operativen Anwendung von Künstlicher Intelligenz (KI) in IT-Services für das IT-System der Bundeswehr. Mit dieser Fähigkeit wird sichergestellt, dass die Bundeswehr Anschluss an die rasante Entwicklung dieser Technologie hält.
Die Digitalisierungsplattform als strategischer Orientierungsrahmen des Handelns
Im Sinne der Zeitenwende setzt die Bundeswehr auch in der Gesundheitsversorgung verstärkt auf digitale Lösungen. Innovationen leisten einen entscheidenden Beitrag, um die medizinische Versorgung zu optimieren und das sanitätsdienstliche Personal nachhaltig zu entlasten. Das Kommando CIR/ZDigBw, das Bundeswehrkrankenhaus (BwKrhs) Berlin und die BWI haben in Zusammenarbeit mit dem Cyber Innovation Hub der Bundeswehr zwei bedeutende digitale Lösungen erfolgreich getestet: die Online-Videosprechstunde und die Pflegeruf- und Kommunikations-App.
Beide Digitalisierungsvorhaben basieren auf Ideen von Ärzten und Pflegekräften. Die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Institutionen der Bundeswehr zeigt, wie wichtig ein systematischer Innovationsprozess ist. Mithilfe von Prototypen konnten beide Ideen im Krankenhaus erfolgreich getestet werden.
Online-Videosprechstunde (OVS): Effiziente Arzttermine per Video
Die OVS ermöglicht es derzeit den Patienten der regionalen Sanitätsunterstützungs- und -versorgungszentren (später auch BwKrhs), ihre medizinischen Konsultationen bequem und sicher von zu Hause aus mit einem Dienstrechner durchzuführen. Diese digitale Lösung spart Zeit, reduziert Anfahrtswege und ermöglicht eine flexible ärztliche Betreuung. Die Videosprechstunde wurde zuvor erfolgreich im BwKrhs Berlin getestet und mit dem Paul-Schürmann-Preis, einer renommierten Auszeichnung im Bereich der Wehrmedizin, ausgezeichnet.
ePflegeruf und Kommunikations-App: Verbesserte Kommunikation zur Personalentlastung
Neben der OVS wurde auch die Pflegeruf-App getestet, welche die Kommunikation zwischen Patienten und Pflegepersonal erleichtert. Über die App können Patienten einfach und direkt ihre Anliegen (z. B. „Durst“) durch Symbole mitteilen, wodurch das Pflegepersonal effizienter reagieren kann als über das bisherig benutzte Lichtrufsystem. Diese Innovation entlastet nicht nur das Personal, sondern verbessert auch die Pflegequalität im BwKrhs Berlin erheblich.
Einsatz von Robotic Process Automation (RPA)
Ebenfalls kurz bevor steht das Etablieren von RPA im BwKrhs Ulm, um stetig wiederholende Büroaufgaben – beispielsweise das Extrahieren von Daten und das Ausfüllen von Formularen – durch intelligente Automatisierungstechnologien durchführen zu können. Dies wird ebenfalls zur Entlastung des Fachpersonals beitragen.
Die Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung der Bundeswehr hat nicht nur begonnen, sondern nimmt stetig mehr Fahrt auf mit dem Ziel, die medizinische Versorgung ganzheitlich und nachhaltig zu optimieren und die Arbeitsbelastung spürbar zu reduzieren.
Der Blick geht nach vorn: Zusammenfassung und Ausblick
Im Kern wird sich der Erfolg der Digitalisierung der Bundeswehr an der zeitnahen Bereitstellung von Fähigkeiten messen lassen müssen, welche die digitale Überlegenheit über potentielle Gegner und die Interoperabilität der Dimensionen, sowie das Zusammenwirken mit unseren Verbündeten in Operationen verbessert. Die Erfahrungen aus dem Ukrainekrieg zeigen dabei nach wie vor sehr deutlich auf, dass im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung in einem erheblichen Umfang mit begleitenden oder auch ausschließlich hybriden Bedrohungsszenarien zu rechnen ist.
Das ZDigBw sieht sich folgerichtig als dimensionsorientierte, zentrale Ansprechstelle zur Koordination von konzeptionellen und planerischen Entwicklungs- und Digitalisierungsaktivitäten aller Organisationsbereiche. Mit der schlanken, effizienten und agilen Struktur wird es die Verantwortung für die Fähigkeitsentwicklung des Cyber- und Informationsraums und die planerischen Aufgaben im Teilportfolio Cyber/IT und CIR für die Bundeswehr weiterhin konsequent umsetzen können.
Ein Leitmotiv bildet dabei die agile Arbeitsweise des ZDigBw, die sich auch in der Umstrukturierung („ZDigBw 1.1“) widerspiegelt, um sich aufbauorganisatorisch bestmöglich den anstehenden Herausforderungen stellen zu können. Dies stellt einen wesentlichen Schritt in Richtung Systemhaus CIR dar. Darüber hinaus wird die Rolle als zentraler Bedarfsträger für das Teilportfolio Cyber/IT und die Steuerung des Portfolios CIR durch Anpassungen der Strukturen der Abteilungen II und III geschärft. Die Zusammenlegung der Abteilungen IV und V zu einer Abteilung unter einer Führung reduziert Transaktionskosten und wird erhebliche Synergieeffekte in den hauseigenen Fähigkeiten zur Entwicklung, Erprobung und Evaluierung von Software und IT-Systemen erzeugen.
Wehrmedizin und Wehrpharmazie Ausgabe 4 / 2024
Oberstleutnant P. Zimmer
Zentrum Digitalisierung der Bundeswehr und Fähigkeitsentwicklung Cyber- und Informationsraum
Fontainengraben 150
53123 Bonn
E-Mail: Philipp1Zimmer@bundeswehr.org