Unsere Welt ist in Unordnung und Kriege sind wieder verstärkt ein Mittel der Wahl. Geführt werden sie längst nicht mehr allein mit herkömmlichen Waffen. Cyberangriffe und gezielte Desinformationskampagnen erzeugen zunehmende Komplexität und Dynamik von und in Konflikten. Angriffe in oder aus der Dimension Cyber- und Informationsraum (CIR) können Ausmaß und Wirkung eines bewaffneten Angriffs erreichen. Daher sind kollektive Wachsamkeit und gesamtstaatliches Handeln erforderlich. Die Bundeswehr kann den komplexen Herausforderungen bei der Verteidigung Deutschlands und seiner Verbündeten nur mit innovativen Ansätzen und modernen, digitalen Fähigkeiten begegnen.
Im militärischen Operationsraum CIR werden der Cyberraum, das Elektromagnetische Umfeld und das Informationsumfeld zusammengeführt. Alle drei Teilbereiche werden als eine Dimension betrachtet und zentral gestaltet. Im Unterschied zu den Dimensionen Land, Luft, Weltraum und See gilt im CIR, dass die Akteure bereits lange vor einer Krise oder einem Konflikt gefordert sind, sich unter Friedensbedingungen in einem permanenten Wettbewerb zu behaupten und zur gesamtstaatlichen Cybersicherheit beizutragen.
In Krise und Krieg leistet die Teilstreitkraft (TSK) CIR mit all ihren Fähigkeiten und im engen Schulterschluss mit den anderen TSK sowie weiteren Institutionen der Bundeswehr einen wesentlichen Beitrag zur Landes- und Bündnisverteidigung, sowohl in der Dimension CIR selbst als auch bundeswehrgemeinsam. In der ressortübergreifenden Zusammenarbeit mit anderen Bundesbehörden, unter anderem mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, kurz: BSI, und der Bundesnetzagentur, wird zudem der Beitrag der Bundeswehr zur Abwehr von hybriden Bedrohungen auf die gesamtstaatliche Sicherheit geleistet.
TSK CIR: Eine moderne Organisations- und Führungskultur
Militärische Operationen finden nicht nur in der physischen Welt statt, sondern gleichermaßen im virtuellen Cyberraum, im elektromagnetischen Spektrum und wortwörtlich in den Köpfen – im kognitiven Bereich. Ähnlich, wie Heer, Luftwaffe und Marine die Verantwortung für die Dimensionen Land, Luft, Weltraum und See tragen, ist die TSK CIR ganzheitlich für die zugeordnete Dimension verantwortlich. Wirkung im CIR wird zumeist nichtkinetisch erzielt. Hierbei werden militärische Aktionen im Bereich Cyberoperationen, Operative Kommunikation und der Elektromagnetische Kampf geplant und ausgeführt. Das Kommando CIR verfügt hierfür über eine hochmoderne Führungseinrichtung: das Cyber and Information Domain Operation Center (CIDOC). Das CIDOC leistet auch einen Beitrag zur Unterstützung auf nationaler Ebene, also gesamtstaatlich, sowie in der Zusammenarbeit mit der NATO.
Die Dimension CIR ist eng mit den Dimensionen Land, Luft, Weltraum und See verbunden. Ohne Digitalisierung können Führungs- und Informationssysteme nicht vernetzt werden, ohne ein gesichertes Elektromagnetisches Umfeld wird nicht mehr kommuniziert, navigiert, der Luftraum überwacht, die moderne Waffe ins Ziel gebracht, ohne soziale Kontakte funktioniert keine Gesellschaft. Neben der Dimensionsverantwortung stellt die TSK CIR den anderen TSK und der operativen Ebene der NATO gleichzeitig einsatzbereite CIR-Kräfte bereit. Ziel ist, zusammen und mit den CIR-Kräften tief integriert, im Gefecht der verbundenen Dimensionen gemeinsam erfolgreich zu bestehen.
Eine weitere Besonderheit der TSK CIR ist die zentrale Verantwortung für die Digitalisierung der Bundeswehr, das Bereitstellen querschnittlicher IT-Services, die Aspekte des Militärischen Nachrichtenwesens sowie den Geoinformationsdienst der Bundeswehr. Hiermit leistet die TSK CIR zentrale Unterstützung für die gesamte Bundeswehr. Diese Verantwortung wird in enger Zusammenarbeit mit den anderen TSK und weiteren Institutionen der Bundeswehr im Sinne des gemeinsamen Auftrags gestaltet. CIR ist für alle, mit allen!
Dimension CIR: Wir leben und gestalten diese.
Was bedroht uns?
Angreifer nutzen hybride Methoden wie Desinformation parallel zu Angriffen aus dem Cyberraum, um Deutschland und seinen Partnern zu schaden. Dies geschieht oftmals unerkannt, aber gezielt. Gegner unserer Werteordnung attackieren damit den Zusammenhalt, die Offenheit und Freiheit der deutschen Gesellschaft und ebenso anderer demokratischer Staaten. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat nicht nur die europäische Friedensordnung erschüttert. Er führt uns auch deutlich vor Augen, welche zentrale Bedeutung der digitale Raum besitzt und wie wesentlich die Deutungshoheit über den Faktor „Information“ – einem der zentralen Kompetenzgebiete der TSK CIR – für Sicherheit, militärische Verteidigungsfähigkeit sowie die gesamtgesellschaftliche Widerstandskraft ist. Die TSK CIR wurde aufgestellt, um diesen Bedrohungen zu begegnen.
CIR-Operationen: Wirken ohne klassische Waffen
Die TSK CIR agiert und wirkt mit CIR-Operationen. Ziel hierbei ist, Veränderungen oder Effekte zu erzielen, die einen physischen – also kinetischen – Kampf zu eigenen Gunsten verhindert, unterbricht oder beendet. Operationen, die beispielsweise gegnerische Kommunikationsverbindungen unterbrechen, können größere Auswirkungen haben als ein Panzergeschoss oder eine Bombe.
CIDOC: Schaltzentrale für CIR-Operationen
Im CIDOC laufen alle Fäden zusammen. Hier werden CIR-Operationen geplant und geführt. Das CIDOC koordiniert sich mit benachbarten Führungseinrichtungen und gewährleistet, dass CIR-Fähigkeiten optimal orchestriert und zur Wirkung gebracht werden. Damit gelingt es, dass Fähigkeiten im CIR mehr leisten als die bloße Summe ihrer Teile.
Cybersicherheit: CIR schützt, was uns wichtig ist
Die TSK CIR gewährleistet die Cybersicherheit gemeinsam mit den operativen Kräften der Informationssicherheit in der Bundeswehr. Modernste Informationstechnologie zur Überwachung, Analyse und zum Schutz der Informationen kommt zum Einsatz. Zudem wird mit IT-Dienstleistern zusammengearbeitet. Behördenübergreifende sowie multinationale Kooperationen werden hierbei genutzt, auch als Beitrag für die gesamtstaatliche Cybersicherheit.
Cyberoperationen: Mittel mit strategischer Wirkung
Die Teilstreitkraft CIR operiert und wirkt im Cyberraum. Wirksame Cyberangriffe manipulieren Software und Daten. Der Aufwand lohnt sich: Aufgrund der hohen Abhängigkeit eines jeden Gegners von funktionierender IT ermöglichen es Cyberoperationen, mit geringem Aufwand große Wirkung auch außerhalb des Cyberraums zu erzielen, unabhängig wie stark die gegnerischen Streitkräfte mit konventionellen Mitteln ausgestattet sind.
Operative Kommunikation: Besser kommunizieren als der Gegner
Bereits heute wird mit potentiellen Gegnern um den Faktor Information – virtuell und kognitiv – gerungen. Operative Kommunikation ist die Fähigkeit im CIR, um Verhalten, Einstellung und Wahrnehmung von Zielgruppen, sowohl durch eigene Medien, als auch durch die Koordination weiterer Informationsaktivitäten gezielt zu beeinflussen. Im Kampf um die Deutungshoheit im Operationsgebiet schwächen Kräfte der Operativen Kommunikation mit maßgeschneiderten Botschaften die Position des Gegners und stärken die Eigene. Dafür verfügt die Operative Kommunikation über interkulturelle Kompetenz, Verständnis menschlicher Entscheidungsprozesse, zeitgemäße Medienkanäle und Empathie für die Zielgruppe.
Elektromagnetische Operationen: Unsichtbar und unverzichtbar
Beim Elektromagnetischen Kampf wird dem Gegner die Nutzung des elektromagnetischen Spektrums zur Kommunikation, Navigation und Waffenleitung verwehrt. Dies geschieht unter anderem durch Stören und Täuschen. Gleichzeitig kommt es darauf an, den eigenen Kräften die uneingeschränkte Nutzung des elektromagnetischen Spektrums zu ermöglichen. Durch Überwachung des elektromagnetischen Spektrums trägt der Elektromagnetische Kampf mit aktuellen, zeitkritischen Lageinformationen zum Gesamtlagebild bei und ist somit eine unverzichtbare Fähigkeit der Streitkräfte, um in militärischen Operationen erfolgreich zu bestehen.
TSK CIR – Mehr als eine Dimension: Streitkräftegemeinsame Aufgaben
Die TSK CIR übernimmt streitkräftegemeinsame Aufgaben. Die Verantwortung für den Cyberraum bedeutet zugleich die Verantwortung für das IT-System der Bundeswehr. Außerdem wird die streitkräftegemeinsame Militärische Nachrichtenlage erstellt. Folgerichtig wird das IT-Fach- und Funktionspersonal der gesamten Bundeswehr im Ausbildungszentrum CIR ausgebildet, ebenso wie die Soldatinnen und Soldaten des Militärischen Nachrichtenwesens. Zudem ist der Inspekteur CIR verantwortlich für die übergreifende Aufgabenwahrnehmung als Bedarfsträger der Werdegänge Cyber/IT-Dienst, Operative Kommunikation und Militärisches Nachrichtenwesen sowie die Laufbahnen und Werdegänge des Geoinformationsdienstes der Bundeswehr.
Treiber der Digitalisierung der Bundeswehr
Als „Treiber der Digitalisierung der Bundeswehr“ gewährleistet die TSK CIR, dass die gesamten Streitkräfte von allen Vorteilen der Digitalisierung profitieren. Als Kompetenzträger für Digitalisierungsaufgaben werden die vorhandenen Fähigkeiten zur Softwareentwicklung genutzt und Verantwortung für die Entwicklung von IT-Services für die Bundeswehr übernommen.
Hierbei wird der Bedarf der Truppe gedeckt, indem Digitalisierungsprojekte der Bundeswehr aus einer Hand koordiniert und harmonisiert werden. Dies befähigt die Streitkräfte zum gemeinsamen Kampf der verbundenen Dimensionen.
Aus der TSK CIR heraus wird die Verwaltungsarbeit modernisiert. Technologische Innovationen werden hinsichtlich ihrer Nutzbarkeit für die Bundeswehr bewertet und angestoßen. Dies trägt entscheidend zu einer zukunftssicheren Bundeswehr bei, die perspektivisch eng vernetzt in Multi-Domain-Operations im Bündnis bestehen kann.
CIR stellt das zentrale Nervensystem der Streitkräfte
Der Fokus liegt auf der Information als entscheidender operativer Faktor. Mit dem IT-System der Bundeswehr sind sämtliche Einheiten und Waffensysteme auf dem Gefechtsfeld, innerhalb Deutschlands und von Deutschland in alle Einsatzgebiete vernetzt und können miteinander kommunizieren. Alle relevanten Informationen für die Lagebilderstellung zur richtigen Zeit am richtigen Ort werden zur Verfügung gestellt und unterstützen den Führungsprozess. Durch Führungsüberlegenheit wird Wirkungsüberlegenheit ermöglicht. Die TSK CIR verantwortet den Betrieb und Schutz des IT-Systems der Bundeswehr als Dauereinsatzaufgabe. Gemeinsam mit den anderen TSK und weiteren Institutionen der Bundeswehr wird mit dem IT-System der Bundeswehr das digitale Rückgrat der Streitkräfte gebildet.
Das Militärische Nachrichtenwesen hat die Lage im Griff
Das Militärische Nachrichtenwesen liefert Antworten auf spezifische Fragen: Wo ist die Position des Gegners? Welche Schritte vollzieht er aktuell? Was hat er als Nächstes vor? Das Militärische Nachrichtenwesen greift auf zahlreiche Aufklärungsmittel zurück – von leistungsfähigen Antennen am Boden und fliegenden Drohnen über seegehende Einheiten bis hin zu Satelliten – und nutzt alle verfügbaren Informationen. Experten analysieren die Daten und antizipieren, was der Gegner machen wird, damit sich die Bundeswehr schnellstmöglich darauf einstellen kann. Die Lagebeiträge für die Dimension CIR werden hierbei zielgruppengerecht erarbeitet. Darüber hinaus trägt das Joint Intelligence Center (JIC) maßgeblich zur streitkräftegemeinsamen Anstrengung bei, indem die Teillagen aller Dimensionen – einschließlich der Dimension CIR – zu einer streitkräftegemeinsamen Militärischen Nachrichtenlage zusammengeführt und den Bedarfsträgern zur Verfügung gestellt werden. Gemeinsam, und unter zentraler Verantwortung der TSK CIR, erreicht das Militärische Nachrichtenwesen damit die Informationsüberlegenheit und ermöglicht die Führungsüberlegenheit!
Präzises Wirken nur mit Geoinformationen
Die zentrale Dienststelle des Geoinformationsdienstes der Bundeswehr ist in der TSK CIR zu Hause. Die Kräfte des Geoinformationsdienstes der Bundeswehr liefern als streitkräftegemeinsamer Fachdienst die passenden Antworten auf viele Fragen. Auf welchem Weg kann ein Zielort gangbar und schnellstmöglich erreicht werden? Wo können Feldlager errichtet, sicher versorgt und betrieben werden? Welches Wetter wird erwartet und wie beeinflusst dies die eigene Operationsführung? Das Fachpersonal des Geoinformationsdienstes der Bundeswehr erstellt in achtzehn verschiedenen geowissenschaftlichen Disziplinen qualitätsgesicherte Produkte und berät die gesamte Bundeswehr, um den Einfluss von Geo-Faktoren auf die eigene und gegnerische Operationsführung zu bestimmen. Geodaten werden hergestellt, verarbeitet und sowohl national wie international mit Partnern ausgetauscht, um stets topaktuelle Informationen und Dienstleistungen bereitzustellen. Darüber hinaus wird geowissenschaftliche Grundlagenforschung betrieben, damit die Leistungserbringung durch neueste wissenschaftliche Erkenntnisse stetig verbessert wird. Dies erfolgt auch durch Kooperationen mit zivilen Bildungs- und Forschungseinrichtungen.
Dimension CIR und Dimension Weltraum: Eine besondere Verbindung
In der Dimension Weltraum wird eng mit der Luftwaffe zusammengearbeitet, die die Dimensionsverantwortung trägt und unter anderem für Weltraumoperationen verantwortlich ist. Auf Basis verfügbarer und resilienter Daten, Dienste und Produkte gewährleistet die TSK CIR die Einsatzunterstützung aus dem Weltraum für die gesamten Streitkräfte. Unterstützt wird sie hierbei durch das Weltraumkommando der Bundeswehr zum Beispiel durch das Bereitstellen der Weltraumlage.
Das Umfeld militärischer Operationen ist komplex, digital und multidimensional. Veränderungen geschehen schnell und erfordern eine agile Anpassung. Die Vernetzung von unterschiedlichen Sensoren und Effektoren ist entscheidend für eine schnelle und gezielte Wirkung am Ziel. Für moderne Streitkräfte besteht ein stark ansteigender Bedarf an einer weltweit abbildenden Aufklärung und an einem permanenten sowie echtzeitnahen Datenaustausch. Militärische Führungsentscheidungen müssen ortsunabhängig und ohne Verzögerung getroffen werden können, basierend auf einem aktuellen – möglichst echtzeitnahen – digitalen Lagebild.
Fortschreitende Digitalisierung und verbesserte technische Mittel verändern die Relevanz der Faktoren Raum, Zeit und Information und wirken sich damit auf den Erfolg der Operationsführung der Bundeswehr aus. Die wesentliche Voraussetzung dafür ist die ungehinderte Nutzung des Weltraums, also ein gesicherter und ungehinderter operationeller Betrieb von Weltraumsystemen. Dies schließt die raumgestützten Fähigkeiten zur Aufklärung und Kommunikation und den dazu erforderlichen Datenaustausch über Satelliten ein.
Die Menschen im CIR
Die Dimension CIR wird von etwa 27 300 Menschen aktiv gestaltet, von denen rund 14 500 der Teilstreitkraft CIR angehören. Kennzeichnend in der Zusammenarbeit sind die innovative Arbeitsumgebung und der Wille, unkonventionelle Wege zu gehen. Dies schafft die Voraussetzung sich den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen stellen zu können, bei gleichzeitig schnellen und dynamischen Änderungen der Rahmenbedingungen. CIR ist für alle, mit allen!
Wehrmedizin und Wehpharmazie 4/2024
Oberstleutnant i.G. R. Gustmann
Kommando Cyber- und Informationsraum
Philipp-Freiherr-von-Boeselager-Kaserne
Max-Planck-Str. 17
53501 Grafschaft