Implementierung einer analytischen Vollautomation im Krankenhauslabor

Bereichsübergreifendes Zusammenwirken als Garant für den Projekterfolg

J. Hirschfeld

Aus der Abteilung XVI – Laboratoriumsmedizin (Direktor: Oberstarzt Dr. Raffel) des BundeswehrZentralkrankenhauses Koblenz1 (Kommandeurin und Ärztliche Direktorin: Generalarzt Dr. Nolte) und der Gruppe Wehrpharmazie, Sanitätseinrichtungen
und Sanitätsausstattungen – U72 (Gruppenleiter: Oberstapotheker
Dr. Kindling) des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr

Der Leitsatz des Bundeswehrzentralkrankenhauses Koblenz „Mit Kompetenz und Verantwortung für die Sicherheit unserer Patienten“ gibt allen Beteiligten innerhalb der interdisziplinären Zusammenarbeit der klinischen Versorgungselemente die Zielausrichtung vor. Die Abteilung XVI – Laboratoriumsmedizin ist eines dieser Elemente, von dem die behandelnden und versorgenden Kliniken innerhalb des Hauses eine hohe Leistungsfähigkeit erwarten. Diese Annahme kann nur dann erfüllt werden, wenn das Laboratorium, als eines der zentralen Elemente in der Diagnostik, auf medizinisch-wissenschaftlich und medizinisch-technisch höchstem Niveau agieren kann. Das medizinisch-technische Niveau hatte durch die rasante Weiterentwicklung im Bereich der analytischen Systeme in den letzten Jahren gelitten und es hatte sich dadurch ein Defizit in der Leistungsfähigkeit abgezeichnet. Die vorhandene halbautomatisierte Systemkombination war nicht mehr „up to date“ und aufgrund der langen Nutzungsphase deutlich störanfällig geworden. Dem sich, durch den Anstieg der Kennzahl „Mean Time Between Failures“, abzeichnenden Leistungsdefizit und der sich daraus als „Worst Case“ entwickelnden latenten Gefährdung der Patientensicherheit, konnte nur mit einem Austausch der veralteten Systeme begegnet werden.

In enger Zusammenarbeit mit der Gruppe Wehrpharmazie, Sanitätseinrichtungen und Sanitätsausstattungen des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) U7 und unter Einbindung der dort ansässigen Spezialisten mit ihrem Gehör für die Belange des Nutzers, wurde die Projektarbeit im Jahr 2019 mit dem Ziel des Austausches der analytischen Straße gestartet. In einem Zusammenwirken aus medizinisch- technischen Forderungen und vergabe- bzw. haushaltsrechtlicher Umsetzbarkeit, wurde unter immerwährender Beachtung der Zielausrichtung auf den Patientennutzen eine Leistungsbeschreibung als Projektgrundlage geschaffen. Diese umfasste folgende Kernziele: 

  • Höchstmöglicher Automatisierungsgrad
  • Einbindung von Prä- und Postanalytik in den Gesamtworkflow unter arbeitshygienischen Bedingungen
  • Redundante Darstellung der wichtigsten Systemkomponenten
  • Proaktive Systemüberwachung zur Verbesserung des technischen Supports
  • Größtmögliche Schonung der knappen Personalressourcen (Verkürzung der Laufwege und minimale zeitliche Bindung am System)
  • Lösung der suboptimalen Klimatisierungssituation
  • Softwarebasierte Logistik der zugehörigen Verbrauchsgüter
  • Berücksichtigung unveränderbarer räumlicher Bedingungen eines Altbaus

 

Integraler Bestandteil dieses Pflichtenheftes war die Erwartung der Klinikleitung, das Projekt nahezu unmerklich für die klinischen Leistungsnehmer umzusetzen – sozusagen eine Operation am offenen Herzen, in beengtem Situs, bei vollem Bewusstsein des Patienten und ohne markante Einschränkung seiner Arbeitstätigkeit.

Jetzt waren die renommierten Hersteller von Analysensystemen gefragt, wer sich in der Lage sah, diese Vorgaben in die Realität umzusetzen. Der Herausforderung stellten sich im Verlauf eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens mehrere namhafte Unternehmen. Dass es sich hierbei um keine leichte Aufgabe handelte, bestätigte sich unter anderem auch durch diverse Bieterfragen. Die Firma Roche Diagnostics Deutschland GmbH erhielt schließlich den Zuschlag. Mit dem Vertragsschluss zwischen Firma und BAAINBw im September 2019 wurde der Grundstein für das Projekt gelegt.

In Folge zeigte sich der Auftragnehmer als engagierter und geeigneter Partner, der mit der erforderlichen komplexen Zusammenarbeit zwischen einem Krankenhaus der Bundeswehr und der zu beteiligenden Bundeswehrverwaltung umzugehen imstande war. Bereits bei der Kick- Off-Veranstaltung mussten sich sowohl der mit der Leitung betraute Projektmanager aus der Abteilung XVI – Laboratoriumsmedizin als auch der verantwortliche Projektmanager der Herstellerfirma vielen Fragen stellen, unter anderem in Verbindung mit der vorhandenen Bausubstanz und deren Tragfähigkeit. Die unter Hinzuziehung aller künftig am Projekt beteiligten Stakeholder stattfindende Runde offenbarte vielschichtige Sichtweisen verwaltungstechnischer sowie ablauforganisatorischer Art. Das Erreichen einer zielführenden Mitwirkung aller Beteiligten bedurfte eines schonenden Umgangs mit den Betroffenen und eines nachhaltigen Appells an jene. Angepasste Kommunikationswege und -formen waren hierzu unabdingbar.

Unter projektspezifischer Anwendung von Methoden des agilen Projektmanagements erfolgte eine Abgrenzung des Projekts von der klassischen Art der Arbeitsorganisation. Hier sei aufgrund des divergenten Verständnisses von Agilität darauf hingewiesen, dass es sich beim angewandten Methoden-Portfolio nicht um „Selbststeuerung“ oder gar ein „planloses“ Projekt handelt, sondern vielmehr um ein mit flexiblen Reaktionen auf Veränderungen geprägtes Konzept. Auch innerhalb einer, nach militärischen Maßgaben geführten Dienststelle, ist eine exakte Planung kaum mehr möglich, da auch hier Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambivalenz vorherrscht. Die flexible Reaktion auf Veränderungen war dann gefordert, wenn die interne Leistungserbringung durch Unterstützungsbereiche als nicht machbar eingestuft wurde.

Agiles Projektmanagement bietet aber auch die Möglichkeit, unvorhersehbare Situationen und zunächst als katastrophal befürchtete Entwicklungen für den Projektverlauf, wie die COVID- 19-Pandemie in das Gegenteil umzuwandeln. So konnten bei Projektbeginn als limitierend definierte Meilensteine verschoben, und das Projekt fortgeführt werden.

Zum Gelingen dieses Projekts war zusätzliches Changemanagement gefordert. Durch die lange Nutzungsphase der alten Systeme war das Tagesgeschäft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angesichts der nachlassenden Systemzuverlässigkeit von Unsicherheit geprägt. Dadurch überwog der Wunsch zur Veränderung gegenüber dem üblicherweise zu erwartenden Widerstand. Durch das schrittweise Erreichen der Kernziele verfestigte sich im Team aus Leitungskräften und Mitarbeitenden das Gefühl einer deutlichen Verbesserung der analytischen Prozesse.

Die mit dem Abbau der ersten Altgeräte in der 51. Kalenderwoche 2019 beginnende reine Arbeitszeit im Projekt konnte mit der Übergabe der arbeitsfähigen Systeme im Juni 2020. abgeschlossen werden.

Die Abteilung XVI – Laboratoriumsmedizin des BundeswehrZentralkrankenhauses Koblenz verfügt heute über eines der modernsten vollautomatisierten Analysesysteme in Form einer „analytischen Straße“, das in einem Krankenhaus-Labor betrieben wird. Ein absoluter Vorteil für die Patienten und das ärztliche sowie pflegerische Kollegium innerhalb des Hauses.

Nach der Installation der analytischen Systeme können bis zu 2000 Tests pro Stunde durchgeführt und dabei mehr als 200 chemische und immunologische Messgrößen ermittelt werden. Ein ausgeklügeltes Klimatisierungssystem sorgt dabei für angenehme Umgebungstemperaturen.

Jede einzelne Probe wird einem automatischen Prüfablauf unterzogen und unterliegt während der gesamten Diagnostik einer vollständigen Rückverfolgbarkeit. Unter Beachtung der Vorgaben eines modernen „Patient Blood Managements“ wurde sichergestellt, dass im Falle einer zusätzlichen Analyse oder notwendig werdender Wiederholungstests die auf dem System verbleibende Probe reaktiviert werden kann, um eine weitere Blutabnahme zu vermeiden.

Die Systeme durchlaufen kontinuierlich einen Selbstfunktionscheck und im Falle einer Störung oder Abweichung wird der Herstellerservice automatisch benachrichtigt. Über ein Fernwartungs-­System können die Techniker des Herstellers, unter Beachtung besonderer datenschutzrechtlicher Vorgaben, auf die Geräte­para­meter zugreifen.

Fazit

Ein Projekt endet mit der Projektevaluation bzw. der Messung des Projekterfolgs. Messbar sind hier harte und weiche Faktoren. Der Mitarbeiterzufriedenheitsindex – als weicher Faktor – kann im laufenden Routinebetrieb bereits am Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abgelesen werden. Die erwartete Verbesserung der harten Faktoren – messbar anhand von Prozesskennzahlen – wird sich erst im weiteren Verlauf anhand einer Optimierung der Kennzahlen „Turnaround time“ und „Mean Time Between Failures“ belegen lassen.

 

Anschrift des Verfassers
OStFw Jürgen Hirschfeld
Bundeswehrzentralkrankenhaus
Koblenz
Abt. XVI – Laboratoriumsmedizin
Rübenacher Straße 170
56072 Koblenz

Datum: 23.11.2020

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