02.02.2012 •

GESUND ZUM ERFOLG

Sportmedizin als Teil der Spitzensportförderung in der Bundeswehr

Fit for Success Sports Medicine as a Part of Sports Top Elite Promotion in the Bundeswehr

Aus dem Sportmedizinischen Institut der Bundeswehr¹ (Leiter: Oberstarzt Dr. A. Lison) und dem Streitkräfteamt der Bundeswehr² (Amtschef: Generalmajor T. Wollny)

Andreas Lison¹, Christoph Holtherm¹, Jens Hinder¹ und Harald Dobmeier²

Wesentlicher Teil der Förderung von Spitzensportlerinnen und Spitzensportlern durch die Bundeswehr ist eine sportmedizinische Betreuung, die höchsten fachlichen Anforderungen genügt. Dies erfordert den engen Verbund zwischen zuständigen Truppenärzten, erfahrenen Fachärzten der Bundeswehr sowie Verbandsärzten und Trainern. Das Sportmedizinische Institut der Bundeswehr leistet als zentraler Ansprechpartner hierzu einen wertvollen Beitrag.

Der Artikel beschreibt die Grundlagen der Spitzensportförderung in den Streitkräften, die Herausforderungen der sportmedizinischen Betreuung von Spitzensportlern in der truppenärztlichen Praxis sowie die sanitätsdienstliche Versorgung bei den Military World Games in Indien 2007 und Brasilien 2011.

Summary

An essential factor regarding the promotion of top sportsmen and sportswomen by the Bundeswehr is the availability of sports medical care that meets the highest specialist demands. This necessitates close ties between responsible unit physicians, experienced Bundeswehr medical specialists as well as medical directors of sports associations and trainers. As a main contact the Bundeswehr Institute of Sports Medicine makes a valuable contribution in this context. The article deals with the basics of top athletes promotion in military, the challenge in medical care of top athletes in daily praxis of military surgeons and the medical care in Military World Games in India 2007 and Brasilia in 2011.

Spitzensportförderung in der Bundeswehr

Spitzensportler und deren Höchstleistungen stellen auf nationaler wie internationaler Ebene ein wichtiges Element gesellschaftlicher Identifizierung und staatlicher Repräsentation dar. Sieg und Niederlage, Leistungsbereitschaft, Fairness und Toleranz bilden pädagogische Werte, die Vorbildfunktion erfüllen. Dass die Bundeswehr einen der größten öffentlichen Förderer des deutschen Spitzensports bildet, ist daher kein Zufall sondern erklärter politischer Wille. Die unentgeltliche truppenärzt - liche Versorgung von Sportsoldatinnen und Sportsoldaten ist elementarer Teil der Spitzensportförderung der Bun - deswehr. Sie wird durch die für die Sportfördergruppen zuständigen Truppenärzte, die fachärztlichen Unter - suchungsstellen und die Fachabtei - lungen der Bundeswehrkrankenhäuser (BwKrhs) sicher gestellt.

Das Sportmedizinische Institut der Bundeswehr (SportMedInstBw) hat sich in den letzten Jahren in enger Zusammenarbeit mit den Sportfördergruppen, der Sportschule der Bundeswehr sowie dem Sanitäts- und Streitkräfteamt als wichtiger Ansprechpartner für Sportler, Trainer, behandelnde Ärzte sowie Vertreter der Verbände etabliert. Das SportMedInstBw unterstützt die Spitzensportförderung der Bundeswehr. Die Regelung für die Förderung von Spitzensportlerinnen und Spitzensportlern in der Bundeswehr weist es als die zentrale Stelle für Beratung, Begutachtung, Untersuchung und Behandlung in der Bundeswehr auf dem Gebiet der Sportmedizin einschließlich Prävention und Rehabilitation aus. Darüber hinaus ist das SportMedInstBw ein lizenziertes sportmedizinisches Untersuchungszentrum des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) (1).

Das Konzept der Spitzensportförderung der Streitkräfte stellt seit seiner Geburtsstunde im Jahre 1968 unbestreitbar eine Erfolgsgeschichte dar (Abb 1). So waren 2008 bei den Olympischen Spielen in Peking 29 % der Athleten Angehörige der Bundeswehr, die 37 % der Medaillen errangen. Bei den Olympischen Winterspielen 2010 in Vancouver waren es sogar 57 % der Medaillen. Die 4. Military World Games des Conseil International du Sport Militaire (CISM) in Indien 2007 gingen für die deutsche CISMMannschaft mit 30 Medaillen und Rang 3 in der Nationenwertung zu Ende. 2011 konnte die deutsche Mannschaft in Brasilien insgesamt 36 der 634 möglichen Medaillen gewinnen und belegte damit den Rang 5 in der Gesamtwertung der Nationen.

Derzeit stellt die Bundeswehr in Kooperation mit dem DOSB in 15 Sportfördergruppen 784 Planstellen für olympische, nichtolympische und Militärsportarten bereit. Die sportfachliche Führung unterliegt dabei dem Sportdezernat des Streitkräfteamts in Bonn. Neben Gehaltszahlungen, unentgeltlicher truppenärztlicher Versorgung und Berufsförderungsmaßnahmen unterstützt die Bundeswehr personell, materiell und infrastrukturell auch das Training der Sportler, das überwiegend im Heimtraining erfolgt. Nach dem Prinzip „30 % marschieren – 70 % trainieren“ erhalten die Sportler eine militärische Ausbildung und werden für die Teilnahme an Wettkämpfen im Rahmen der Mitgliedschaft der Bundeswehr im CISM in enger Abstimmung mit den Spitzenverbänden nominiert und eingesetzt.

Sportmedizin als Teil der Spitzensportförderung

Das Fachgebiet Sportmedizin mit seinen Teilbereichen Prävention und Rehabilitation beschäftigt sich mit den Auswirkungen von Sport und Bewegung auf den gesunden und kranken Menschen. Mit ihrem interdisziplinären Ansatz erfüllt die Sportmedizin eine wichtige Aufgabe beim Wiederherstellen und Erhalt sowie bei der Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit aller Soldatinnen und Soldaten. Die fachkompetente Untersuchung, Beratung und Behandlung von Spitzensportlern setzt Kenntnisse in der Physiologie, Sportorthopädie, Inneren und Leistungsmedizin, Reise-, Impf- und Ernährungsmedizin sowie im Anti-Doping voraus. Darüber hinaus besteht eine Vielzahl fachlicher, organisatorischer, rechtlicher und ethischer Besonderheiten, deren Nicht-Beachten erhebliche Konsequenzen für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit des Sportlers sowie öffentlichkeitswirksame Folgen haben kann.

Spitzensportbetreuung in der truppenärztlichen Praxis

Die Erfolge der Sportsoldatinnen und - soldaten belegen, dass es zum Konzept der disziplinaren Anbindung an eine Sportfördergruppe in Verbindung mit dem Heimtraining keine sinnvolle Alternative gibt. Gleichwohl führt die Dislozierung der Sportler immer wieder zu vermeidbaren Problemen in ihrer sanitätsdienstlichen Versorgung.

Jeder Arzt, der Spitzensportler betreut, muss sich vergegenwärtigen, dass sein Patient auf eine absolut uneingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit angewiesen ist. Er unterliegt einem enormen physischen und psychischen Leistungsdruck von außen und stellt höchste Anforderungen an sich selbst. Dies verändert zuweilen die Wahrnehmung des eigenen Körpers im Sinne einer Maschine, die jederzeit funktionieren und deren Leistung ständig gesteigert werden muss. Jede Verzögerung oder Beeinträchtigung des Trainings bedroht den angestrebten Erfolg, was erhebliche berufliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Treten Übertraingssymptome, Sportverletzungen oder Überlastungsschäden auf, fordert der betroffene Athlet unverzügliche und maximale medizinische Betreuung ein. Der Arzt oder Physiotherapeut des Vertrauens stellt für den Sportler daher eine wichtige Anlaufstelle dar.

Die örtliche Entfernung zum zuständigen Truppenarzt bewirkt, dass Sportler oftmals auf eine medizinische Betreuung durch zivile Ärzte am Ort angewiesen sind. Letztere fällt nicht selten inadäquat aus, sofern seitens des Verbandes keine adäquate Versorgung gewährleistet ist. Truppenärzte sehen sich immer wieder in der Situation, über Erkrankungen oder Verletzungen der Sportler nicht oder erst im Nachgang informiert zu werden. Dies verursacht unnötige Kosten und erschwert die Dokumentation.

Die Erfahrung zeigt, dass bei Beachtung der wenigen Regularien der truppenärztlichen Versorgung durch den Sportler einerseits und andererseits Verständnis für die besondere Situation des Spitzensportlers solche Probleme vermieden werden können. Grundlage hierfür ist die gegenseitige Information und Zusammenarbeit zwischen zivilen und Truppenärzten. In der täglichen Praxis des SportMedInstBw hat sich die dienstleistungsorientierte Netzwerkbildung zwischen den beteiligten Personen bestens bewährt. Dabei zeigt sich, dass sowohl Spitzensportler als auch Trainer und Vertreter der Verbände Umfang und Qualität der Unterstützung durch die Bundeswehr auf das höchste schätzen und in Anspruch nehmen. Dieser Umstand wirbt für den Sanitätsdienst und seine Leistungsfähigkeit auch in der Öffentlichkeit.

Leistung um jeden Preis?

Wer Spitzensportler sportmedizinisch betreut, gerät auch als Arzt schnell in das Spannungsfeld zwischen Leistungssteigerung und fachlichen sowie ethischen Grenzen. Der unter Zeit- und Leistungsdruck stehende Sportler bevorzugt oftmals ein schnelles medikamentöses Unterdrücken von Symptomen vor einer ursächlichen, aber zeitaufwendigen Behandlung. Es gilt daher, in jedem Einzelfall den Sportler als mündigen Patienten empathisch und fachkompetent über die Möglichkeiten und Grenzen der verfügbaren Behandlung zu beraten. In manchen Fällen ist es unter Einhaltung der Regeln der ärztlichen Schweigepflicht erforderlich, Kontakt zu den mitbehandelnden Ärzten und Trainern aufzunehmen und das Vorgehen im Team abzustimmen.

All dies erfordert psychologisches Geschick und Engagement, vor allem aber Zeit, ein Umstand der in der truppenärztlichen Alltag schwierig umzusetzen ist. In der Praxis hat es sich daher bewährt, dass Truppenärzte für entsprechende Fragestellungen feste Ansprechpartner in Fachuntersuchungsstellen oder Bundeswehrkrankenhäusern identifizieren, die über entsprechende Erfahrungen und Möglichkeiten verfügen. Das SportMedInstBw bietet hierfür eine spezielle Sprechstunde und zusätzlich telefonische Beratung an und arbeitet seinerseits mit Verbandsärzten und Fachabteilungen der BwKrhs zusammen.

Doping gefährdet die Gesundheit und beschädigt das Ansehen des Sportlers in der Öffentlichkeit. Die Spitzensportförderung der Bundeswehr sieht sich daher dem Kampf gegen Doping verpflichtet. Der Nachweis einer Einnahme verbotener Substanzen zur Leistungssteigerung führt selbst im unbeabsichtigten Fall nicht nur zu zivilrecht - lichen Konsequenzen für den Sportler, sondern kann auch aus disziplinarrechtlicher Sicht nach Einzelfallprüfung zur Entlassung aus dem Dienstverhältnis führen. Jeder Arzt, der Spitzensportlern Medikamente verabreicht, ist daher verpflichtet zu überprüfen, ob es sich dabei um verbotene Substanzen handelt. Die laufend aktualisierte WADA-Verbotsliste (WADA: World Anti-Doping Agency) verbotener Mittel und eine Beispielliste zulässiger Medikamente finden sich auf der Internetseite (www.nada-bonn.de) der Nationalen Anti-Doping Agentur (NADA). Als weiteren Service bietet die NADA eine Medikamentendatenbank (NADAMed) an, die circa 3 000 Medikamente umfasst, darunter Nahrungsergänzungsmittel, pflanzliche Medikamente und Homöopathika. Mittels einer Suchfunktion können sowohl Ärzte als auch Betreuer und Sportler sich so schnell informieren, ob ein bestimmtes Präparat unter die Doping-Regularien fällt und auf diese Weise Doping-Fallen zuverlässig vermeiden. Auch das SportMedInstBw berät in allen Anti-Doping- Fragen.

Das SportMedInstBw als Dienstleister für den Spitzensport

„Gesundheit fördern - Leistung steigern - Belastbarkeit optimieren“, das sind die Ziele kompetenter medizinischer Spitzensportbetreuung, nach denen sich das Institut mit seinen Funktionsbereichen Präventiv- und Leistungsmedizin sowie Sportorthopädie ausrichtet. Als nach den Richtlinien des DOSB lizenzierte Untersuchungsstelle bietet das Institut gemäß STAN-Auftrag spezielle Termine für Spitzensportler an und führt jährlich eine Vielzahl von Gesundheitsund Kaderuntersuchungen auch bei zivilen Spitzensportlern auf nationaler und internationaler Ebene sowie im Nachwuchsbereich durch. So wurden im Jahr 2010 insgesamt 113 Kadersportler untersucht.

Hierzu verfügt das Institut über eine umfangreiche und qualitativ hochwertige Ausstattung. Sie umfasst ein Herz-Kreislauf-Labor zur Lauf-, Rad-, Schwimm-, Ruder- und Spiroergometrie, ein klinisch-chemisches Labor, Sonographie und Herzechokardiographie, digitales Röntgen, Lungenfunktionsdiagnostik einschließlich Bodyplethysmographie sowie isokinetische Extremitäten- und Rumpfkraftmessung (Abb 2). Die Leistungs- und funktionsdiagnostischen Untersuchungen dienen nicht nur der Überprüfung der Gesundheit des Sportlers, sondern erlauben Rückschlüsse auf die aktuelle Leistungsfähigkeit. Die im Laktatstufentest beziehungsweise bei der Spiroergometrie erhobenen Daten können herangezogen werden, um das Training gezielt zu steuern.

Nicht selten stellen Verletzungen und Überlastungsschäden des Bewegungsapparates den limitierenden Faktor für den sportlichen Erfolg dar. Um das Leitsymptom Schmerz einzugrenzen, ist die bildgebende Diagnostik oftmals nicht ausreichend oder gar irreführend. Dies erfordert eine ausführliche Trainings- und Schmerzanamnese sowie eine umfangreiche funktionell orientierte körperliche Untersuchung, die statische, biomechanische, muskuläre und neurophysiologische Aspekte berücksichtigt. Dies ist eine unabdingbare Grundlage der Therapieplanung beziehungsweise Trainingsempfehlungen, um die Belastbarkeit zu optimieren. Auch in zunächst therapieresistent erscheinenden Fällen kann ein enges Abstimmen zwischen Orthopäden, Physiotherapeuten und Trainer der Schlüssel zum Erfolg sein.

Das Institut hat eine eigene physiotherapeutische Abteilung in der neben Soldaten mit höchster körperlicher Belastung auch Sportsoldatinnen und -soldaten nach speziellen krankengymnastisch- physikalischen Therapieprogrammen behandelt werden. Dabei werden neben den Massage- und Weichteiltechniken, die Elektrotherapie, medizinische Bäder, die manuelle und Aqua- Therapie sowie das Spektrum der medizinischen Trainingstherapie angewandt. Ein isokinetisches Messsystem ermöglicht es, sowohl funktionsdiagnostische Daten zu erheben, als auch Therapie- und Trainingsmaßnahmen durchzuführen und zu steuern.

Sportmedizin im Training und Wettkampf

Die Begleitung von Trainings- und Wettkampfmaßnahmen erfordert insbesondere im Ausland neben fachlichem Können auch Erfahrung, Organisationstalent, psychologisches Geschick und Durchsetzungsvermögen. Dies sei anhand der sanitätsdienstlichen Versorgung der Military World Games dargestellt, die 2007 in Indien und 2011 in Brasilien stattfanden.

Dabei handelte es sich um sportliche Großveranstaltungen, die sowohl im Hinblick auf den Ablauf und die Organisation als auch Größe mit olympischen Spielen vergleichbar sind. So nahmen in Indien rund 5 000 Sportler aus 100 Nationen teil, in Rio de Janeiro waren es 7 000 Athleten aus 110 Ländern. Vor Beginn der Spiele wurden Planungsgespräche und Recherchen durchgeführt mit dem Ziel, Informationen über Reiseverlauf, Dauer, Unterbringung, Verpflegung, sanitätsdienstliche Versorgung vor Ort, Hygiene- und Seuchenlage sowie Klima zu erhalten und auszuwerten. Außerdem wurden die örtlichen Verhältnisse im Rahmen eines Erkundungskommandos mit einem Sanitätsoffizier vorab in Augenschein genommen. Diese Entscheidung, die sowohl von indischer als auch brasilianischer Seite hoch geschätzt wurde, ist im Nachhinein als überaus wertvoll zu betrachten. Zwar trafen nicht alle im Rahmen der Erkundung erhaltenen Informationen während der Spiele zu. Jedoch hat gerade der persönliche Kontakt des Sanitätsdienstes mit den verantwortlichen Vertretern des indischen beziehungsweise brasilianischen Organisationsteams die sanitätsdienstliche Versorgung der Mannschaft erheblich erleichtert.

In Zusammenarbeit mit dem Sportdezernat im Streitkräfteamt wurde für alle Delegationsmitglieder eine Informationsbroschüre erstellt, die Hinweise zu Ernährungsfragen, Regeneration, Impfungen, Gesundheitsgefahren und Infektionsprophylaxe enthielt. Es muss kritisch festgehalten werden, dass für das Gastgeberland Indien darüber hinaus eine psychologische Vorbereitung der Mannschaft auf die sozialen Verhältnisse sinnvoll gewesen wäre. Nicht wenige Sportler zeigten sich bereits nach der Fahrt vom Flughafen zur Unterkunft von Bildern der Armut und des Elends zutiefst betroffen, was sich auf die Gemüts- und Motivationslage negativ auswirkte und in Gesprächen aufgefangen wurde.

Nach Auswertung aller Informationen wurde im interdisziplinären Gespräch eine umfangreiche Medikamenten- und Ladeliste erstellt, die sich in Hinblick auf Mengen, Zusammensetzung und zu behandelnde Krankheitsbilder bewährt hat. Dabei wurde im Vorfeld die bereits bei anderen Wettkämpfen gemachte Erfahrung berücksichtigt, dass immer wieder ältere, gesundheitlich beeinträchtigte, Delegationsmitglieder anderer Nationen behandlungsbedürftig wurden und einer medizinischen Nothilfe bedurften. Letztere konnte sowohl in Hyderabat als auch in Rio de Janeiro in mehreren Fällen unter dem Motto der CISMOrganisation „Friendship through Sports“ geleistet werden, was dem Ansehen der deutschen Delegation und des Sanitätsdienstes diente.

In beiden Sportstätten gelang es durch Improvisationsvermögen und Beharrlichkeit, einen Untersuchungsund physiothe ra - peutischen Behandlungsraum in den Wohnbereich der Athleten zu integrieren (Abb 3 und 4). Während des 14-tägigen Aufenthaltes im Rahmen der 4. Military World Games in Hyderabat und Mumbai wurden 95 ärztliche Behandlungen durchgeführt und dokumentiert. Davon waren 41 % Sportverletzungen und Überlastungsschäden, die zu 82 % die unteren Extremitäten betrafen. Nicht in diese Zahl gingen Sehnen-, Band- und Muskelschmerzen ein, die einer direkten Versorgung durch die Physiotherapeuten zugeführt werden konnten.

Beschwerden am Bewegungsapparat stellten damit den häufigsten Grund für die Inanspruchnahme medizinischer Behandlung dar. Auffällig war die hohe Zahl grippaler Infekte und Gastroenteritiden, die einen Erkrankungsgipfel zwischen dem 8. und 12. Tag aufwiesen. Diese erklären sich aus der ungewohnten Ernährung und der Einwirkung von Klimaanlagen in den Unterkünften. Bei wesentlich günstigeren klimatischen und hygienischen Bedingungen konnte dieser Effekt in Rio de Janeiro 2011 nicht beobachtet werden.

Bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking wurde die Deutsche Mannschaft (circa 700 Personen, davon 440 Athleten) von 40 Physiotherapeuten und 29 Ärzten (davon 13 Orthopäden) betreut (2). Dabei stand eine umfangreiche technische Ausstattung für die Diagnostik und Therapie zur Verfügung, unter anderem EKG, Lungenfunktion und Ultraschall (3).

Die deutsche CISM-Delegation bestand 2007 aus 220 Teilnehmern, darunter 132 aktive Athleten in 11 Sportarten. 2011 war die Delegationsstärke 260 Personen mit 68 Sportlerinnen und 102 Sportlern in 16 Sportarten.

Die dem SportMedInstBw übertragene medizinische Versorgung wurde bei beiden Veranstaltungen durch drei Ärzte (zwei Fachärzte für Allgemein-/Innere Medizin, ein Facharzt für Orthopädie) sowie fünf Physiotherapeuten sichergestellt. Nicht nur dieses Zahlenverhältnis zeigt, dass die 24-Stunden- Rundum- und Sofortbetreuung der Sportler in weit dislozierten Sportstätten und Unterkünften, mit Schwerpunkt in den Abendstunden, die repräsentativen und organisatorischen Zusatzaufgaben, die große Verantwortung sowie die psychologische Betreuung der Sportler für das gesamte medizinische Personal eine hohe körperliche und psychische Herausforderung darstellte. Durch die strikte Kontingentierung des Sanitätspersonals kam es bei beiden Veranstaltungen zahlenmäßig zu einem im Vergleich zu den Olympischen Spielen in Peking sehr ungünstigen Verhältnis zwischen zu betreuenden Athleten und Therapeuten. Insbesondere das physiotherapeutische Personal leistete täglich von 08:00 bis 24:00 Uhr an den Wettkampfstätten und in den Behandlungsräumen körperliche und mentale Schwerst arbeit stets mit dem hohen Anspruch, Schmerzen am Bewegungsapparat binnen kürzester Zeit bekämpfen zu müssen (Abb 5).

So wurden im Verlauf der 14 Wettkampftage der 5. Military World Games in Rio de Janeiro mehr als 1 000 Behandlungen dokumentiert. Hinzu kam die Begleitung an den Sportstätten. In beiden Gastländern erfolgte die weitere Diagnostik und Behandlung durch den jeweiligen Sanitätsdienst in guter bis sehr guter Qualität. Bei schwereren Verletzungen wurden örtliche Sanitätseinrichtungen und Militärkrankenhäuser genutzt. In diesen Fällen war es aus psychologischen und fachlichen Gründen zwingend erforderlich, dass der eigene Arzt den betroffenen Athleten begleitete. Dieser hatte die folgenden wichtigen Aufgaben:

– dem Patienten Mut und Sicherheitsgefühl zu vermitteln,
– die Diagnostik und Therapie zu überwachen,
– sprachliche Probleme mit Hilfe der medizinischen Terminologie zu überbrücken,
– durch kollegiales kooperatives Auftreten Wartezeiten zu verkürzen,
– weiterführende Untersuchungen zu ermöglichen und
– Transporte sicherzustellen.

Medizinische Spitzensportbetreuung im Ausland ist somit keine Freizeitveranstaltung sondern eine überaus verantwortungsvolle Aufgabe, die bei Fehlern weitreichende Folgen auch in der Öffentlichkeit hat. Besonders die Verbände, die Spitzensportler abstellen, erwarten zu Recht eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung, da die im Rahmen der CISM-Wettkämpfe auftretenden Verletzungen und Erkrankungen die Karriere des Sportlers gefährden können.

Das Gefühl, Teil der Mannschaft zu sein, indirekt an Erfolgen mitgewirkt zu haben, Deutschland und den Sanitätsdienst zu repräsentieren, die Eindrücke, die fremde Kulturen bieten, vor allem aber die Anerkennung der Sportler selbst gehören sicher zu den wertvollsten und schönsten Erfahrungen, die man als Sportmediziner machen kann (Abb 6).

Schlussfolgerungen

Die sportmedizinische Betreuung von Sportsoldatinnen und Soldaten stellt eine verantwortungsvolle und komplexe Aufgabe dar. Das innere und öffentliche Identifizieren des Sportlers mit seinem „Arbeitgeber“ Bundeswehr und seinen Vorgaben, das Verständnis für die besonderen medizinischen Belange des Spitzensports und die gezielte Netzwerkbildung mit Trainern, Medizinern und Therapeuten sind Grundlage dafür, Sportler erfolgreich zu machen und dabei gesund zu erhalten. Die sanitätsdienstliche Versorgung stellt als Teil der Spitzensportförderung der Bundeswehr eine öffentlichkeitswirksame Repräsentation des Sanitätsdienstes dar. Das SportMedInstBw wird sich vor dem Hintergrund des ihm seitens der Verbände und der Sportler entgegengebrachten Vertrauens auch künftig dieser verantwortungsvollen Aufgabe stellen.

Fotos: Abb 3 und 4: Dr. Andreas Lison, Oberstarzt, SportMedInstBw Abb 5 und 6: Andrea Bienert, Bundeswehr

Literatur:

  1. VMBl 2011, Nr. 2 S. 27
  2. Kindermann W: Peking 2008 - auch eine medizinische Herausforderung. Dtsch Z Sport Med 2008; 59: 134-135
  3. Wolfart B, Engelhardt M, Eder K, Kindermann W: Sportmedizinische Betreuung bei den Olympischen Spielen 2008. Leistungssport 1/2009, 21-24

Datum: 02.02.2012

Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2011/11

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