WISSEN SCHAFFT VERÄNDERUNG

Lehre und Wissenschaft: Interventionsmaßnahmen für Gesundheitsförderung und körperliche Leistungsfähigkeit in der Bundeswehr



Knowledge Creates Change



Teaching and Science: Intervention Measures in the Promotion of Health and Physical Fitness in the Bundeswehr



Aus dem Sportmedizinischen Institut der Bundeswehr¹ Warendorf (Leiter: Oberstarzt Dr. A. Lison) und der Sportschule der Bundeswehr² Warendorf (Kommandeur: Oberst M. Rondé)



Andreas Lison¹ und Matthias Trautvetter²

Die körperliche Leistungsfähigkeit von Soldatinnen und Soldaten stellt im Einsatz eine wesentliche Grundlage für die Auftragserfüllung und im Extremfall für das Überleben dar. Ausbildung und Lehre müssen auf die Gesunderziehung, das Selbstmanagement und die Umsetzung sportwissenschaftlicher Erkenntnisse ausgerichtet sein.

 Diese gilt es durch bedarfsgerechte, praxisorientierte Anwendungsforschung weiterzuentwickeln und konsequent in die Ausbildung einfließen zu lassen. Am Beispiel ausgewählter, an der Sportschule der Bundeswehr durchgeführter, Lehrgänge wird die Bedeutung sportmedizinischer Expertise für die Durchführung gezielter Interventionsmaßnahmen aufgezeigt.

Summary

During deployments, the physical performance of military personnel is crucial to mission accomplishment and – in extreme situations – to survival. Training and instruction must be geared to health education and self-management and should implement knowledge of sports science. It is essential to further develop these areas through applied research that is both needs-based and practice-oriented, and to integrate them consistently into the training process. Using as an example selected cour - ses conducted at the Bundeswehr Sports School, light is thrown on the importance of expertise from the field of sports medicine for carrying out specific intervention measures.

1. Einleitung

Körperliche Leistungsfähigkeit: Grundlage des Überlebens

In der Entwicklungsgeschichte der Erde hat sich der Mensch in der Gesamtheit seiner motorischen und psychomentalen Fähigkeiten als allen anderen Arten überlegen erwiesen. Das menschliche Gehirn gilt als die komplexeste Struktur in dem uns bekannten Universum, seine Leistungsfähigkeit ist eng mit der Befähigung zum aufrechten Gang verbunden. Als Grundlage des Überlebens können optimierte Bewegungshandlungen somit als erfolgreiche Anpassung verstanden werden. Durch die Verarbeitung von Reizen und die nachfolgende Anpassung betroffener Strukturen und Systeme gelang es dem Menschen unter Nutzung seiner mentalen Fähigkeiten, seine Belastbarkeit innerhalb seiner genetischen Grenzen optimal an vorgegebene Belastungen anzupassen.

In den letzten 100 Jahren hat der Mensch dieses biologische Grundprinzip umgekehrt. Wie keine andere Art ist er nunmehr in der Lage, seine Belastungen an seine jeweilige Belastbarkeit anzupassen. Gleichwohl hat sich das menschliche Genom nicht relevant verändert. Bewegungsmangel als Ausdruck von erfolgreicher Unteranpassung führt bei gleichzeitig steigender Lebenserwartung daher zu vielfältigen Erkrankungen und damit zu einer Minderung der Lebensqualität im Alter. Die Bedrohung durch Verwundung und Tod im Krieg zeigt drastisch die Grenzen dieser Entwicklung. Dem Soldaten im Gefecht werden durch Klima, Gegner und Auftrag Belastungen vorgegeben, die er nicht mehr beeinflussen kann und die nur durch eine entsprechende Resilienz kompensiert werden können.

Die Umwandlung der Bundeswehr von einer Wehrpflicht- zu einer Freiwilligenarmee, die zunehmend mit robusten Einsätzen konfrontiert wird, zwingt vor dem Hintergrund der epidemiologischen und demografischen Entwicklung zu entschlossenem Handeln. Dabei ergeben sich folgende Problemfelder:

Bewerberinnen und Bewerber

Der Konkurrenz zum zivilen Arbeitsmarkt kann durch vielfältige Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung des Berufsbildes „Soldat“ begegnet werden. Keinen Einfluss hingegen hat die Bundeswehr auf die bestehende psychomentale und körperliche Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit von Bewerberinnen und Bewerbern. Vor dem Hintergrund der Einsatzrealität stellt die Ressource Mensch mit seinen vielfältigen Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie Möglichkeiten und Grenzen seiner Belastbarkeit den zentralen Faktor für die Auftragserfüllung dar. Die epide - mio logischen Daten des aktuellen Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS) weisen allerdings auf eine Abnahme der motorischen Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen hin. Darüber hinaus zeigt sich ein Anstieg des Anteils übergewichtiger und adipöser Kinder auf bereits mehr als 15 % bei den 7- bis 10-Jährigen (1). Gleichzeitig nimmt die Zahl der Kinder und Jugendlichen gegenüber der Gruppe der über 60-Jährigen bei einer aktuell bestehenden Geburtenrate von 1,39 weiter ab (2, 3), was die Zahl geeigneter Bewerber zusätzlich verringert. Die Bundeswehr sieht sich daher mit der Notwendigkeit konfrontiert, dass Mängel der körperlichen und mentalen Leistungsfähigkeit bei jungen Soldatinnen und Soldaten durch fachgerechte Interventionen nach Eintritt in die Streitkräfte bearbeitet werden müssen.

Aktive Soldatinnen und Soldaten

Die zunehmende körperliche Inaktivität der Gesellschaft wirkt nicht nur in den Bereich der Nachwuchswerbung der Streitkräfte hinein. Als Spiegel der Gesellschaft treten verminderte körperliche Belastbarkeit, Übergewicht und Adipositas sowie die damit verbundenen Erkrankungen auch bei älter werdenden Soldatinnen und Soldaten auf. Derartige Entwicklungen müssen in enger Zusammenarbeit zwischen Vorgesetzten und Truppenarzt rechtzeitig erkannt und fachlich kompetent bekämpft werden, um eine lebenslange IGF zu erhalten und damit die bereits 2009 erlassene Weisung des Generalinspekteurs (4) umzusetzen.

Einsatz

Die verwendungsspezifische Ausbildung von Fähigkeiten und Fertigkeiten entscheidet über die Auftragserfüllung im Einsatz und muss durch Vorgesetzte konsequent eingefordert werden. Training und Sport dürfen daher im dienstlichen Alltag nicht länger vernachlässigt werden, Vorgesetzte müssen die Umsetzung des befohlenen Dienstsportes nicht nur verlangen, sondern vorleben. Dies setzt eine entsprechende Erziehung und Ausbildung voraus.

2. Ausbildung und Lehre

Die Ausbildung von Ausbildern ist ein wesentliches Instrument, die Erziehung von Soldatinnen und Soldaten in den Themengebieten vorbeugender Gesundheitsschutz sowie Wiederherstellung, Erhalt und Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten. Dabei kommt es darauf an, das Gesundheitsverhalten von Soldatinnen und Soldaten positiv zu beeinflussen. Entsprechend dem Grundsatz „Verhalten folgt Verhältnissen“ müssen hierzu geeignete Strukturen und Angebote entwickelt und evaluiert werden. Als zentrale Ausbildungsstelle des Sports bietet die Sportschule der Bundeswehr (SportSBw) dazu ein umfangreiches, aufeinander abgestimmtes Lehrgangsangebot an, in dem sportmedizinische Inhalte in unterschiedlichen Anteilen durch das Sportmedizinische Institut der Bundeswehr (SportMedInstBw) abgebildet werden.

Das Sportmedizinische Institut der Bundeswehr ist als zentrale Untersuchungs-, Behandlungs-, Beratungs-, Ausbildungsund Forschungsstelle auf dem Gebiet der Sportmedizin mit derzeit 770 Unterrichtseinheiten pro Jahr fester Bestandteil des Lehrgangskonzepts der Sportschule der Bundeswehr. Die Lehrinhalte aller Lehrgänge kombinieren sportwissenschaftliche und sportmedizinische Inhalte zielgruppenorientiert in unterschiedlicher Ausprägung und in aufeinander abgestimmter Form.

Die Mehrzahl der Lehrgänge wurde fachübergreifend konzipiert. Lehrgangsziele und -inhalte wurden definiert, sodass Lehre und Ausbildung als konkrete Interventionsmaßnahme wirken können. Die Bündelung sportwissenschaftlicher und -medizinischer Expertise und Kompetenz in einer Liegenschaft führt zu Synergien, die sich auch im Bereich der Lehre und Ausbildung niederschlagen (Abb 1). Die Konzeption und Weiterentwicklung von Lehrgängen beruht auf dem Prinzip, aus der täglichen Praxis heraus Fähigkeitslücken und Interventionsbedarf zu erkennen.

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Abb 1: Kompetenzbündelung aus Sportwissenschaft und Sportmedizin an einem Standort zum Erhalt und zur Wiederherstellung sowie Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit der Bundeswehrangehörigen.

Betrachtet man die Lehrgangsstruktur im Ganzen, so zeigt sich ein in sich stimmiges Gesamtkonzept, in dem alle handelnden Akteure, das heißt, Vorgesetzte, Truppenärzte, Sportausbilder und Auszubildende, erfasst werden. Im Folgenden wird das gemeinsame Lehrgangsangebot mit seinen Zielgruppen und Inhalten umfassend dargestellt.

2.1 Übungs- und Fachsportleiterlehrgänge

An der Sportschule der Bundeswehr werden derzeit jährlich etwa 3 500 Soldatinnen und Soldaten zu Übungsund Fachsportleitern ausgebildet. Die Fachsportleiterlehrgänge umfassen Mannschafts- und Individualsportarten, die in der ZDv 3/10 „Sport in der Bundeswehr“ aufgeführt und vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) gefördert werden (5). Dies ist Grundlage einer zielgerichteten verletzungsarmen Sportausbildung in den Streitkräften sowie des Erhalts und der Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit (KLF). Sie dient damit der Einsatzbereitschaft der Streitkräfte. Seit 2009 absolvieren auch die Offizieranwärterinnen und -anwärter des Heeres ihren Übungsleiterlehrgang (ÜL Bw) an der SportSBw. Im ÜL Bw werden zudem sportmedizinische Inhalte aus den Bereichen Sportverletzungen und Überlastungsschäden sowie Ernährung in vier Unterrichtseinheiten vermittelt.

2.2 Instruktor Military Fitness

Mit dem Lehrgang Instruktor Military Fitness wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Anwendung leistungsphysiologischer, bewegungstechnischer und trainingswissenschaftlicher Grundlagen sowie weiterführender pädagogischer und psychologischer Interventionsformen in der militärischen Ausbildungspraxis zielgruppenorientiert umzusetzen ist. Hierzu gehört zunächst die Be - fähigung, physiologische und anatomische Belastung/Beanspruchung als Folge militärischer Grundfertigkeiten und truppengattungsspezifischer Handlungsvollzüge zu bewerten. Aus sportmedizinischer Sicht werden weiterführende er nährungswissenschaftliche Kenntnisse, das Wissen um den Einfluss von klimatischen und geografischen Umwelteinflüssen und die physiologischen Anpassungsprozesse durch körperliche Belastung vermittelt. In Bezug auf die körperlich fordernde Ausbildung ist die Kenntnis von Maßnahmen der Prävention zur Vermeidung von Überlastungsschäden besonders wichtig. Mit seinen Inhalten und Anforderungen an die künftigen Ausbilder gehört der 14 Ausbildungstage umfassende Lehrgang sicher zu den körperlich und mental anspruchsvollsten Lehrgängen der Sportschule (Abb 2).

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Abb 2: Im Team zum Erfolg. Foto: Hubert Kemper, SportSBw

2.3 Sportmedizinische Lehrgänge

Lehrgang SportMedSanOffzArzt

Der Lehrgang befähigt Sanitätsoffiziere mit abgeschlossener Facharztausbildung in Verbindung mit einer einjährigen Betreuung eines Sportvereins sowie der erfolgreichen Ablegung eines Prüfgesprächs bei der Ärztekammer, die Zusatzbezeichnung „Sportmedizin“ zu erlangen. Die Lehrinhalte richten sich nach dem durch die Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer vorgegebenen Curriculum und umfassen insgesamt 240 Ausbildungsstunden, die in zwei Teillehrgängen von je 17 Ausbildungstagen abgebildet und von der Ärztekammer Westfalen-Lippe jährlich begutachtet und anerkannt werden. Dabei kommen sowohl theoretische wie auch sportpraktische Inhalte zum Tragen. Die Ausbildung umfasst unter anderem die Themenbereiche Präventivmedizin, Rehabilitation, Leistungsmedizin, Orthopädie, Physiologie, Biomechanik, Immunologie, Sinnesphysiologie, Dermatologie, Frauensowie Kinder- und Jugendsport, Psychologie und Pädagogik. In sportpraktischen Übungen gewinnt der Sanitätsoffizier Einblick in die Durchführung und Belastungen sowie Trainingsmöglichkeiten verschiedenster durch das Curriculum vorgeschriebener Sportarten (Abb 3).

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Abb 3: Multifunktionaler Circuit beim Lehrgang Instruktor Military Fitness an der Sportschule der Bundeswehr. Foto: Hubert Kemper, SportSBw

Durch die enge Kooperation der Sportschule mit dem Sportmedizinischen Institut der Bundeswehr gelingt es, dies in einer perfekten Infrastruktur umzusetzen und nach praxisorientierten Themen im truppenärztlichen Alltag auszurichten. Über die Anerkennung des Kurses hinaus erhalten die Lehrgangsteilnehmer durch die Ärztekammer Westfalen-Lippe mehr als 120 Fortbildungspunkte zuerkannt. Trotz des immer wieder seitens der Sanitätsoffiziere geäußerten hohen Bedarfs wird die verfügbare Lehrgangskapazität in den letzten Jahren nicht voll ausgeschöpft.

Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht zielführend, dass freie Lehrgangsplätze nicht nur wegen definitiver Nichtabkömmlichkeit von Sanitätsoffizieren unbesetzt bleiben, sondern seitens fachlicher Vorgesetzter eine mangelnde Notwendigkeit für die Ausbildung zum Sportmediziner gesehen wird. Gerade vor dem Hintergrund des in der neuen Struktur des Sanitätsdienstes verankerten Präventionsauftrages bei den regionalen Sanitätseinrichtungen ist es für kurativ tätige Sanitätsoffiziere wesentlich, sportmedizinische Kenntnisse zu erlangen.

Im truppenärztlichen Alltag spielen das Erkennen, Behandeln und Vorbeugen von Sportverletzungen und Überlastungsschäden sowie präventivmedizinische und rehabilitative Fragen, wie sie im Curriculum Sportmedizin nach der Weiterbildungsordnung abgebildet werden, eine zentrale Rolle. So wird die truppenärztliche Tätigkeit zu Recht seitens der Ärztekammern vielfach als die erforderliche einjährige Betreuung eines Sportvereins anerkannt. Aus fachlicher Sicht sollten daher die verfügbaren Lehrgangsplätze ausgeschöpft werden und die praxisorientierte Ausbildung dringend zu Beginn der truppenärztlichen Tätigkeit erfolgen. Nur dadurch sind erlernte Fähigkeiten für die Streitkräfte gewinnbringend einzubringen, auch wenn die Zuerkennung der Zusatzbezeichnung „Sportmedizin“ erst nach Abschluss der Weiterbildung zum Facharzt zuerkannt werden kann.

Sportweiterbildung für Sanitätsoffiziere (Präventivmedizinischer Lehrgang)

Der Lehrgang richtet sich an kurativ tätige Sanitätsoffiziere, die bei sportund präventivmedizinischen Fragestellungen auf der Basis des aktuellen Wissensstandes beraten, fundiert begutachten und präventivmedizinische Interventionsprogramme in ihrem Zuständigkeitsbereich etablieren und umsetzen wollen. Hierzu gehört auch die standardisierte Dokumentation der Interventionsmaßnahmen, um diese zu evaluieren. Dabei werden die Grundlagen und neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse und Entwicklungen der Sport - und Präventivmedizin vermittelt. Hierzu gehören fachgebietsübergreifende Untersuchungsverfahren, die Pathogenese und Pathophysiologie sowie die Diagnostik und Therapieprinzipien bei Übergewicht, deren Folge- und Begleiterkrankungen sowie andere Stoffwechselstörungen und chronische Erkrankungen des Bewegungsapparates.

In Kenntnis der Grundsätze der Gesundheitsförderung/ Prävention in der Bundeswehr und Heilfürsorgerichtlinien erlernt der Lehrgangsteilnehmer die Grundprinzipien der Umsetzung dienststellenbezogener Gesundheitsförderungsprogramme und kann die präventivmedizinische Gruppen- und Individualberatung sowie Begutachtungen der körperlichen Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit vornehmen. Der sportpraktische Anteil des Lehrgangs umfasst ausgewählte Individual- und Gesundheitssportarten unter sport- und präventivmedizinischen Aspekten, um Belastungsprofile und Verletzungsrisiken dieser Sportarten beurteilen und diese bei der Beratung von Patienten, Vorgesetzten, Sportlehrern, Übungs- und Fachsportleitern berücksichtigen zu können.

Fachsportleiter Gesundheitssport

Allgemeiner Trainingsmangel, chronische Beschwerden am Bewegungsapparat sowie internistische Erkrankungen führen häufig dazu, dass Soldatinnen und Soldaten auf Formblatt BA 90/5 vom allgemeinen Dienstsport befreit werden oder ihnen sportliche Aktivitäten nach eigenem Ermessen zuerkannt werden. Nach allgemeiner Erfahrung führt dies in vielen Fällen dazu, dass jegliche körperliche Aktivität beendet wird und damit gesundheitliche Probleme für den Einzelnen zunehmen.

Gleichwohl sind Truppenärzte vielfach zu diesem Vorgehen gezwungen, weil für die oben genannte Zielgruppe keine adäquaten Sportangebote zur Verfügung stehen und die Betroffenen überfordert oder unmotiviert sind. Die Einrichtung einer Neigungsgruppe „Gesundheitssport“ mit Unterstützung des Disziplinarvorgesetzten und des Truppenarztes ist jedoch Basis für ein dienststellenbezogenes Gesundheitsmanagement. Die Ausbildung zum Fachsportleiter Gesundheitssport schließt diese keitslücke (Abb 4). Der 14 Ausbildungstage umfassende Lehrgang vermittelt die Grundlagen des Gesundheitssports.

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Abb 4: Der Lehrgang Fachsportleiter Gesundheitssport zeigt die Verzahnung zwischen Sportmedizin und Sportwissenschaft als Interventionsmaßnahme zur Gesundheitsförderung und Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit.

Er befähigt den Lehrgangsteilnehmer, in seiner Funktion als Sportausbilder die Sportausbildung für bestimmte Personengruppen zielgruppenorientiert zu planen, zu organisieren und so unter präventiven Gesichtspunkten in die Praxis umzusetzen. Dabei versteht der Fachsportleiter Gesundheitssport die sportmedizinischen Grundlagen des Sports als Therapie für Soldaten mit inadäquater körperlicher Leistungsfähigkeit und für chronisch kranke Soldaten. Trotz der eindeutigen Formulierung im Lehrplan und deutlicher Hinweise dazu im Lehrgangskatalog ist immer wieder festzustellen, dass einzelne Lehrgangsteilnehmer den Lehrgang wegen eigener gesundheitlicher Probleme besuchen und ihnen erst später klar wird, dass es sich um eine Ausbildung von Ausbildern handelt.

3. Forschungstätigkeit

Sportmedizinische und sportwissenschaftliche Erkenntnisse aus dem zivilen Bereich müssen herangezogen und auf ihre Übertragbarkeit auf die Streitkräfte überprüft werden. Darüber hinaus müssen aber wehrmedizinisch relevante praxisorientierte eigene Forschungsprojekte durchgeführt werden, deren Ergebnisse dann in die Lehre und Ausbildung von Soldatinnen und Soldaten einfließen können. Hieran orientieren sich die Forschungstätigkeit des Instituts und auch die Arbeit der Gruppe KLF der Sportschule der Bundeswehr.

Das Sportmedizinische Institut der Bundeswehr führt eine praxisorientierte Anwendungsforschung durch. Dies bedeutet, dass die Projektplanung und Durchführung darauf ausgerichtet sind, Maßnahmen zu evaluieren und in der Praxis anzuwenden, die durch vorgesetzte Kommandobehörden für die ganze Bundeswehr implementiert werden können. Die wissenschaftliche Tätigkeit dient somit der Politikberatung und Intervention und ist keine Grundlagenforschung. Die Etablierung von Interventionsmaßnahmen zum Erhalt, Wiederherstellen und Verbessern der körperlichen Leistungsfähigkeit gesunder und kranker Soldatinnen und Soldaten erfordert eine Evaluation. Dies kann nur mit wissenschaftlichen Methoden unter Berücksichtigung der organisatorischen, finanziellen, personellen, materiellen und infrastrukturellen Besonderheiten der truppenärztlichen Versorgung und des Truppenalltags erfolgen.

Sportmedizinische Fragestellungen mit ihren Teilbereichen Prävention und Rehabilitation lassen sich nur mit der erforderlichen Fachexpertise bearbeiten, auch wenn unter dem Oberbegriff Prävention Überschneidungen und gemeinsame Fragestellungen mit anderen Fachrichtungen gefunden werden können. Dies ist im Sinne einer Kompetenzbündelung zu sehen. Hierzu ist eine Abstimmung, Vernetzung, Aufgabenverteilung und Qualitätssicherung zwischen den Instituten und anderen forschenden Einrichtungen erforderlich. Wiederherstellung, Erhalt und Verbesserung der körperlichen und mentalen Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit können nur durch das enge Zusammenwirken von Wehrpsychologie, Wehrergonomie, Umwelt- und Arbeitsmedizin, Wehrmedizinalstatistik, Sportwissenschaft und Sportmedizin sichergestellt werden.

4. Ausblick

In modernen Armeen mit ihren veränderten Anforderungen an den Menschen, stellen körperliche und mentale Leistungsfähigkeit mehr denn je den limitierenden Faktor für die Auftragserfüllung im Einsatz dar. Sportmedizinische und sportwissenschaftliche Kenntnisse sind daher auf allen Ebenen gefordert. Gesundheitserziehung und das Wissen um das praktische Umsetzen gesundheits- und leistungsfördernden Verhaltens sind Teil der Fürsorgepflicht von Vorgesetzten und Maxime des Sanitätsdienstes. Der konsequenten Durchsetzung, Ausgestaltung und einsatzorientierten Weiterentwicklung des Sports in der Bundeswehr kommt somit eine nie da gewesene Bedeutung zu. Wichtige Instrumente beim Heranbilden einsatzfähiger Soldatinnen und Soldaten bestehen darin, Wissen durch Lehre und Ausbildung zu vermitteln und neue Erkenntnisse mit wissenschaftlichen Methoden zu gewinnen.

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Ausrichtung der Streitkräfte auf den Einsatz und damit steigender körperlich- mentaler Anforderungen an den Einzelnen gilt es, die Sportausbildung in der Bundeswehr weiter zu entwickeln und die Ressource Mensch im Sinne des vorbeugenden Gesundheitsschutzes in den Mittelpunkt zu stellen. Mit dem Fachsportleiterlehrgang Instruktor Military Fitness bietet die Sportschule der Bundeswehr Disziplinarvorgesetzten die Möglichkeit, eine größere Einsatzorientierung der Sportausbildung in ihrem Bereich abzubilden. Es ist erforderlich, dies weiter zu entwickeln und dauerhaft zu etablieren. Die speziellen sportmedizinischen Lehrgänge SportMedSanOffzArzt, SportWB für SanOffz (Präventivmed LG) und der Fachsportleiter Gesundheitssport stellen ein in sich stimmiges Gesamtkonzept dar, um neben der Erziehung militärischer Führer den präventivmedizinischen Auftrag des Sanitätsdienstes fachkompetent zu unterstützen.

Die sport- und präventivmedizinische Ausbildung von Truppenärzten und die sich an der Einsatzrealität orientierenden sportlichen Trainingsprogramme sind die Herausforderung der Zukunft. Es gilt, auch im Bereich der Führung, das Bewusstsein zu verankern, dass Sportwissenschaft und Sportmedizin hierzu entscheidend beitragen können. Unterstützt durch einen ausgebildeten Fachsportleiter Gesundheitssport kann im Dreiklang zwischen Arzt, Vorgesetztem und Ausbilder ein dienststellenbezogenes Gesundheitsmanagement zum Wohle der betroffenen Soldatinnen und Soldaten gelebt werden. Regelmäßige Bewegung, Spiel und Sport stellen die Grundlage der körperlichen und seelischen Gesunderhaltung des Menschen dar (Salutogenese).

Wie kein anderer Arbeitgeber verfügt die Bundeswehr über die infrastrukturellen, organisatorischen und hierarchischen Strukturen sowie über die Kompetenzen, eine Vorreiterrolle nicht nur in der Einsatz- und Notfallmedizin sondern auch in der Sport- und Präventivmedizin in Deutschland einzunehmen. Es gilt, dies zu erkennen und auf breiter Ebene durchzusetzen. Aus sportmedizinischer Sicht erscheint es daher sinnvoll, die derzeit für die Offizieranwärter des Heeres vorgesehenen Übungsleiterlehrgänge zu modifizieren. Dabei geht es um die vertiefende Erziehung der künftigen Disziplinarvorgesetzten in den Bereichen Gesundheitsvorsorge, Trainingsphysiologie, Planung, Organisation und Durchführung der Sportausbildung sowie Durchführung einer qualifizierten Dienstaufsicht. Nur so kann erreicht werden, dass militärische Führer besser als bisher die Bedeutung der Sportausbildung und der Fürsorge für die Gesunderhaltung der ihnen anvertrauten Soldatinnen und Soldaten wahrnehmen und in Zusammenarbeit mit Truppenärzten und ausgebildeten Übungs- und Fachsportleitern sowie Sportlehrern Truppe praktisch umsetzen.

Dazu ist es erforderlich, die fachliche Expertise im Sanitäts- und Streitkräfteamt, in der Laborabteilung IV, Wehr - ergonomie und der Sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität der Bundeswehr München in enger Kooperation mit dem geplanten Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr zu bündeln. Dadurch sollte es gelingen, die zentrale Erfassung epidemiologischer Daten zu optimieren, die Belastungsprofile von Soldatinnen und Soldaten, ähnlich wie im Spitzensport, weiter zu definieren, hieraus gewonnene Erkenntnisse in Trainingskonzepte einfließen zu lassen und deren Wirksamkeit, Effizienz und Risikopotenzial zu evaluieren.

Der sportmedizinische und sportwissenschaftliche Erfahrungsaustausch mit den Streitkräften anderer Nationen hat bereits begonnen und wird ausgebaut. Nach dem Prinzip „nach dem Einsatz ist vor dem Einsatz“ müssen im Verbund mit den Fachgebieten Psychiatrie und Psychologie sowie mit der Truppe selbst Modelle entwickelt werden, um die Einsatznachbereitung für körperlich und mental besonders hoch belastete Verbände weiter zu vervollkommnen. Die Durchführung sportlicher Aktivitäten im Rahmen von Einsatznachbereitungsseminaren stellt insbesondere bei Rückkehrern mit hoher körperlicher und mentaler Belastung ein wichtiges pädagogisches Hilfsmittel für die Reintegration von Soldaten dar. Sie sollte daher, wo immer personell und organisatorisch möglich, als wichtiger Bestandteil von Einsatznachbereitungsseminaren etabliert werden. Die Sportschule der Bundeswehr hat hierzu im Auftrag des Streitkräfteamts mit Unterstützung des SportMedInstBw und dem Zentrum Innere Führung 2011 entsprechende Pilotlehrgänge durchgeführt.

5. Schlussfolgerungen

Wiederherstellung, Erhalt und Verbesserung der körperlichen und mentalen Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit können nur durch das enge Zusammenwirken von Wehrpsychologie, Wehrergonomie, Sportwissenschaft und Sportmedizin sichergestellt werden. Praxisrelevante Anwendungsforschung, Erziehung, Ausbildung, Training, vorbeugender Gesundheitsschutz, rehabilitative und regenerative Maßnahmen müssen aufeinander abgestimmt, zentral geplant, am Truppenalltag orientiert und durch Kompetenzbündelung interdisziplinär umgesetzt werden. Die Einrichtung eines entsprechenden Kompetenzzentrums zur Vernetzung der in der Bundeswehr vorhandenen Fähigkeiten ist daher unerlässlich.

Literatur:

  1. Zweiter Deutscher Kinder- und Jugendsportbericht, Hrsg. W. Schmidt, Hofmann, 2008.
  2. Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 301 vom 18.08.2011
  3. Statistisches Bundesamt, Bevölkerung Deutschlands bis 2060, 12. koordinierte Vorausberechnung, Begleitmaterial zur Pressekonferenz am 18. November 2009 in Berlin, Wiesbaden 2009
  4. Generalinspekteur der Bundeswehr: Weisung zur Ausbildung und zum Erhalt der Individuellen Grundfertigkeiten. (Neufassung). Berlin: FüS I 5 –Az 32-01-05; 2009
  5. Zentrale Dienstvorschrift 3/10 „Sport in der Bundeswehr“, 206 Dezember 2010

Datum: 02.02.2012

Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2011/11

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